Podcast: Malik.fm Folge 26

Neulich war ich bei Malik Aziz und durfte Mental Load womensplainen. Allerdings war ich bei Malik irgendwie falsch. Denn ein grundlegendes Problem bei der Ungleichverteilung der mentalen Last ist ja, dass Paare oft viel zu wenig miteinander sprechen und was soll ich sagen: ausgerechnet das ist Maliks Kernkompetenz. Also nicht das sprechen an sich, sondern das Reflektieren. Hört selbst.


5. August 2022

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„You can die, but you can’t un-live.“

Den Satz habe ich kürzlich in einer Serie gehört und an dich gedacht. You can die, but you can’t un-live.

Ob sich das Verhältnis zum Tod ändert, wurde eine Bestatterin in einem Interview gefragt. Nein, war ihre Antwort, aber ihr Verhältnis zum Leben.
Auch das passt zu dem heutigen Tag. Heute. Heute vor 8 Jahren war Dein letzter Tag. Ich versuche in den letzten Jahren an diesem Tag an Dich zu denken. An das Leben. An Dein Leben. Und ich hoffe – ich hoffe so sehr – es war ein guter Tag.

Ich möchte an das Leben denken, wenn ich an Dich denke und nicht an Deinen Tod. Möchte daran denken wie Du warst, was Dir gefallen hat, worüber Du gelacht hast. Was Dich interessiert hat, wie Deine Stimme klang, wie Du ausgesehen hast.

Wir hatten 10 Jahre, die wir uns kannten. 10 Jahre, die wir uns fast täglich gesehen haben. Denn so ist das, wenn man miteinander arbeitet. Man verbringt so viel Zeit miteinander, man spricht so viele Worte miteinander.

Ich werde Dich nicht vergessen. Ich denke an unsere gemeinsame Zeit. An das eine Mal, als wir zusammen Hebeldraisine gefahren sind. Wie wir gelacht haben, weil es so schrecklich war, so anstrengend, die absurdeste Art einen Ausflug zu machen und wie froh wir waren als wir endlich nie wieder Draisine fahren mussten.

In einem meiner Ordner habe ich eine alte Visitenkarte von mir auf deren Rückseite Du mir aufgeschrieben hast, wann ich im Mutterschutz und wann ich in Elternzeit war. Ich hatte irgendwie verpasst mir das aufzuschreiben, aber Du hast es gewusst.
Jedes Mal wenn ich Steuererklärung mache, fällt mir die Karte in die Hand und ich schaue auf Deine geschwungene Schrift.

Manchmal lese ich unseren Chatverlauf im Messenger und bin traurig, dass wir oft nur Daten ausgetauscht haben. Wann treffen wir uns, wo treffen wir uns, wo holst Du mich ab. Dann muss ich wieder lachen, denn Du hast mich oft abgeholt, warst nie angeschnallt und bist wirklich sehr rasant gefahren und noch schwungvoller hast Du eingeparkt.

Ich denke daran, was Du alles konntest. Unfassbar gut kochen, Figuren aus diesen langen Luftballons machen und aus alten Jeans Handtaschen nähen. Du hattest einen grünen Daumen und die prächtigsten Balkonkästen, die ich je gesehen habe.

Es ist alles da. All die Erinnerungen. Nur Du nicht. Du bist nicht da. Du bist schon so lange weg und Du fehlst.

Du fehlst mir.

Als mich plötzlich für +120 min Fußball interessierte

Zu meiner eigenen Überraschung, hat mich das Finale der Frauenfußball-EM emotional bewegt. Überraschend v.a. weil ich mich für Fußball wirklich rein gar nicht interessiere. Ob da nun Männer oder Frauen auf dem Feld hin- und herlaufen – das ist mir wirklich wumpe. Für mich sind alle Spiele gleich langweilig. Da laufen Menschen (sehr klein) auf einem Feld (sehr groß) hin und her. That’s it.

Das Finale nun hatte dann aber in meiner Bubble zumindest sowas wie einen Gemeinschaftscharakter. Alle gucken das (vielleicht wie manche Menschen Tatort schauen auch wenn sie Tatort vielleicht gar nicht soooo super finden), also gucke ich das auch.

Natürlich hatte ich im Vorfeld die Sache mit dem Geschirr und den 60.000 EUR gelesen und weiß, dass es für die Frauen viel schwieriger (fast unmöglich) ist vom Profisport zu leben. Unabhängig davon war ich total überrascht, dass ich v.a. am Ende Gefühle hatte. Zunächst dachte ich wahrscheinlich hat man die einfach wenn man gut ausgebildete Spiegelneuronen hat und andere Menschen beobachtet, die starke Gefühle haben.

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Hilfe! Mein Humor ist kaputt

Boah, guck mal, die Cammarata hat wieder zu viel Zeit und dann auch noch keinen Humor!

In zahllosen Varianten kann man auf Instagram das oben gepostete Video sehen. SIE hat zu viel Geld ausgegeben. Natürlich für nicht nachvollziehbaren Quatsch. Deswegen bittet ER zum Rechtfertigungsgespräch. Sie weiß das und weil diese Gespräche so unangenehm sind, zögert sie das bis zum getno hinaus, indem sie mit einem schmutzigen Mini-Pinsel den Boden witscht.
LOL! Wer kennts? Mario Barth Fans schlagen sich auf die Schenkel.

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Reizwort: Kuchenbasar

Stellt euch eine Welt vor, in der von einer Minute auf die andere Väter das selbe machen müssen, wie Mütter. So zum Beispiel Kuchen backen, weil in der Schule ein Kuchenbasar ansteht. Wie viele Jahre (Monate? Wochen?) würde es dauern, bis es keine Kuchenbasare mehr gäbe, weil jemand auf die Idee gekommen ist, dass das Prinzip Schwachsinn ist?

Also fangen wir nochmal von vorne an: Der Kuchenbasar

Die Idee ist folgende: es soll Geld gesammelt werden für einen guten Zweck. Deswegen backt eine Gemeinschaft von Menschen Kuchen. Die Kuchen werden dann in Stücke geteilt und verkauft. Der Erlös wird gespendet.

Im Falle der Schule sieht das prototypisch so aus: Mütter backen Kuchen, die sie ihren Kindern mitgeben. Das Kind informiert eine Woche vorher, die Mütter beziehen den Kuchen in ihre Wochenplanung mit ein. Sie überlegen: Welchen Kuchen können wir beisteuern, welche Zutaten brauchen wir, wann kann man ihn backen, wie wird er transportiert? Kostet so 8-10 Euro plus 1-2 Stunden Arbeitszeit insgesamt.
Der Kuchen wird in 8-10 Stücke geschnitten, jedes Stück für 1 Euro verkauft. Macht 8-10 Euro Erlös.
Weil man ja auch was beitragen will zur Spendenkasse, kauft man 2-4 Stück. Meistens kaufen die Kinder den Kuchen der eigenen Mutter. Ist ja zufälligerweise der Lieblingskuchen.

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Egal

Wer hat zu Ostern die Absprachen mit der Familie getroffen, wer wann wo ist und was mitbringt?
Wer hat die Ostereier mit den Kindern bemalt?
Wer hat vielleicht ein paar Weidenäste geschmückt?
Wer hat den Süßkram für die Kinder besorgt?
Wer hat die Einkaufsliste geschrieben? Daran gedacht bis wann alles erledigt sein muss?

Egal. Egal. Egal.
Das mache ich alleine, weil meinem Mann ist das egal.

Wer hat zum Geburtstag den Kuchen gebacken?
Wer rechtzeitig die Einladungen ausgedruckt und an die Gäste gegeben?
Wer hat an das Geschenk gedacht?
Wer hat es eingepackt?
Wer hat Luftballons besorgt und aufgepustet?
Wer hat an die Kerzen gedacht?

Egal. Egal. Egal.
Das mache ich alleine, weil meinem Mann ist das egal.

Wer hat der Kollegin, die einen neuen Job anfängt ein Geschenk organisiert?
Wer hat eine Karte besorgt und ist rumgelaufen und hat Unterschriften gesammelt?

Egal. Egal. Egal.
Das mache ich alleine, weil meinem Kollegen ist das egal.

Wer sorgt zuhause für Gemütlichkeit?
Zündet mal eine Kerze an?
Stellt ein paar Blumen auf den Tisch?
Fragt abends, wer einen Tee möchte?

Egal. Egal. Egal.
Das mache ich alleine, weil meinem Mann ist das egal.

Wer plant den Urlaub?
Wer organisiert dass der Garten nicht verdörrt?
Wer packt die Koffer und denkt an den Bademantel, den man kuschlig findet, die Spielsachen, die die Kinder beschäftigen, das Stofftier, das das Baby zum Einschlafen liebt?
Wer hat sich vorher Gedanken gemacht, was man besichtigen könnte, um schöne Erinnerungen zu sammeln?

Egal. Egal. Egal.
Das mache ich alleine, weil meinem Mann ist das egal.

<$THEMA>
<$REFRAIN>
WHD

Gerade jetzt höre ich das Lied wieder. Wer was macht und wem es egal ist und dass das ein Argument ist, all das nicht zu tun.
Mir wäre es ja auch egal, wenn zuverlässig jemand anders immer alles macht, damit ich es schön habe, damit ich es gemütlich habe, damit die Kinder happy sind.
Ich würde es auch konsumieren und es wäre mir egal, bis irgendwann sich niemand mehr kümmert und bis alle Tage so aussehen:

Ostern:
Aufstehen
Frühstücken
Rumhängen
Mittagessen aus der Dose
Rumhängen
Abendessen aus der Mikrowelle

Geburtstag:
Aufstehen
Frühstücken
Rumhängen
Mittagessen aus der Dose
Rumhängen
Abendessen aus der Mikrowelle

Urlaub:
Aufstehen
Frühstücken
Rumhängen
Nix, hat sich ja keiner Gedanken gemacht
Rumhängen
Abendessen vom Bestelldienst

Weihnachten:
Aufstehen
Frühstücken
Rumhängen
Mittagessen aus der Dose
Rumhängen
Abendessen aus der Mikrowelle

Repeat für 300 weitere Tage.
Repeat für weitere 70 Jahre.

Egal. Egal. Egal.
Ist alles Quatsch. Ich mach das nicht. Mir ist das egal.

P.S. Jahaaa, #notallmen

Gedöns 2.0

Mit den Worten „Du bekommst das Ministerium Familie und das andere Gedöns“ wurde Dr. Christine Bergmann von Gerhard Schröder 1998 ins Kabinett berufen. Lange ist das her und dennoch hat sich nicht viel geändert.

Die Formulierung „Familie und Gedöns“ gibt ziemlich genau den Stellenwert, den Sorgearbeit bis heute hat, wieder. Nicht besonders wertvoll, am Besten unsichtbar und selbstverständlich Frauensache.

Deswegen ist eine Familienministerin, die ihrer Familie in der Vergangenheit als  kommissarische Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität vorübergehend Priorität einräumt, untragbar.

Das entspricht natürlich in keiner Weise dem Bild einer unverzichtbaren Führungskraft. Im Gegenteil, das widerspricht den gängigen Vorstellungen von Karriere, die da heißt entwederoder. Entweder Familie oder eben Karriere. Beides zusammen nie. Anne Spiegels Rücktritt ist quasi die Anti-Sternstunde der Sorgearbeit.

Es gibt offenbar kein Szenario, in der eine Familienkrise der Berufskrise vorzuziehen ist. Persönlich finde ich das absurd, denn in einer Familie ist eine Zweitsorgeperson tatsächlich viel schwerer austauschbar, wenn die Hauptsorgeperson krankheitsbedingt angeschlagen ist, als in einem hierarchisch aufgebauten Führungssystem.

Ein Chef, der delegiert, gar vertraut und Verantwortung auf sein Führungsteam überträgt, entspricht offenbar keinem Ideal sondern stellt das Worst-Case-Szenario dar. Ein Chef, bei dem der Laden läuft ohne, dass er selbst jeden Befehl erteilt und am besten jeden Hebel zieht, den kann man gleich abschaffen.

Verrückt und traurig zugleich.

Sich um Menschen zu sorgen, für sie zu sorgen, das ist unvereinbar mit dem Beruf. Ich habe lange überlegt, ob ich schreibe „mit bestimmten Berufen“ oder „mit Führungspositionen“, aber wenn ich länger drüber nachdenke, dann ist jeder Beruf, der ausschließlich in Vollzeit ausgeübt werden soll, unvereinbar mit Sorgearbeit und wenn man sich die Zahlen zum Gender Care Gap anschaut, dann sind auch alle Berufe, die in Teilzeit ausübbar sind, mindestens eine gute Grundlage für Raubbau an sich selbst und manchmal nahezu Garant für Überlastung. Deswegen ist es eine zulässige Vereinfachung Sorgearbeit als unvereinbar mit Berufstätigkeit zu sehen.

Eine Führungskraft ab einer bestimmten Ebene darf auch kein Mensch mehr sein. Ist er es trotzdem, dann wird das als peinlich, würdelos, als Versagen und als untragbar gesehen.

Vielleicht hätte es eine andere Lösung gegeben, vielleicht war die Entscheidung von Anne Spiegel 2021 tatsächlich ein so schwerwiegender Fehler, dass das Eingestehen als solcher nicht reicht und am Ende nur der Rücktritt bleibt.

(Es fällt mir sehr schwer, nicht in Whataboutism zu verfallen und mich zu fragen, warum bestimmte andere Personen gravierende Fehler machen dürfen und daraus keine Konsequenzen ziehen mussten und ihr Amt behalten durften.)

Es fällt mir schwer, nicht zu glauben, dass der ganze Verlauf etwas damit zu tun hat, dass Anne Spiegel eine Frau ist, dass ihr Fehler anders und härter beurteilt wird als das bei einem Mann der Fall wäre. Denn im Grunde entspricht es nach wie vor nicht unseren gesellschaftlichen Vorstellung, dass Frauen überhaupt Spitzenämter besetzen (WER KÜMMERT SICH DANN UM DIE KINDER??!) und es entspricht auch nicht unseren gesellschaftlichen Vorstellungen von Karriere und Führungskultur.

Sehr wahrscheinlich ist es für Anne Spiegel eine schwere Entscheidung gewesen final zurückzutreten. Ich hoffe sehr, dass sie sich im Privaten sagen kann: Der eigenen Familie in Krisensituationen Vorrang zu geben, ist richtig und hoffentlich hat das Vorbildcharakter, so dass sich immer weniger Menschen am Ende ihres Lebens wünschen müssen: Hätte ich doch weniger gearbeitet, wäre ich doch mehr für meine Familie dagewesen.