71 min Mental Load (Podastempfehlung)

Mental Load ist in der Zwischenzeit – zumindest in manchen Kreisen ein feststehender Begriff mit dem zunehmend mehr Menschen etwas anfangen können. Ich war seit Veröffentlichung meines Buchs »Raus aus der Mental Load Falle« Teil von sehr vielen Podcasts und Zeitungsartikeln. Das Buch verkauft sich ganz gut: die 7. Auflage liegt aktuell in den Läden. Ich werte es auch als Zeichen dieses Erfolgs, dass es zahlreiche Nachahmer-Bücher gibt, die z.B. so kreative Titel wie »Sag Nein zur Mental Load Falle« tragen*.

Für mich ist immer wieder bewegend zu hören welche Erleichterung es für manche ist, einen Namen dafür zu haben, was sie so erschöpft und wie das Buch und die Reaktionen darauf ihnen die Gewissheit geben, dass sie eben nicht alleine sind, sondern dass sehr viele Frauen davon betroffen sind.

Oft werde ich gefragt, welche Hacks es gibt, wenn der Partner sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen will. Das einzige, das mir dazu einfällt: Vielleicht kann der Partner eine Folge eines Podcasts hören? Meine Empfehlung lautet seit letztem Mittwoch: NDR Info: Mental Load – das Unsichtbare erforschen (in allen Podcast Apps, ARD Audiothek, Spotify…)

Die Wissenschaftsjournalistin Beke Schulmann hat für die Folge im Vorfeld mit Prof. Dr. Sarah Speck, Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja und mir gesprochen, um das Phänomen näher zu beleuchten und arbeitet mit dem Host Lucie Kluth das Thema Mental Load in einem Gespräch auf.

Die Quellen zum Podcast findet ihr in der Apple Podcast App (komisch, dass sie nicht auch auf der Website hinterlegt sind).

Für mich sind Formate wie der Wissenschaftspodcast Synapsen, der sich mit Mental Load beschäftigt, enorm wichtig. Erst gestern habe ich mir z.B. den Familienreport 2020 des Familienministeriums durchgelesen und konnte nicht glauben, dass darin an keiner Stelle das Thema Sorgearbeit angesprochen wird. Der Report, der ja ein Status Quo für die Situation in Familien sein soll, beleuchtet u.a. Erwerbsarbeit, Einkommensverhältnisse und Einstellungen – aber eben nicht Sorgearbeit. Das ist insofern völlig inakzeptabel als dass dieser Bericht Grundlage ist die Handlungsfelder für gutes Familienleben sein soll. Wie soll da etwas sinnvolles rauskommen, wenn man Sorgearbeit nicht berücksichtigt? Isolierte Aussagen wie »30% der Alleinerziehenden sind nicht erwerbstätig, bei Paarfamilien sind es nur 5%, das mag das hohe Armutsrisiko von Alleinerziehenden erklären«, machen mich wirklich RICHTIG wütend. Das hohe Armutsrisiko entsteht nicht dadurch, dass Alleinerziehende nicht arbeiten wollen, sondern dass sie es nicht oder nur eingeschränkt können, weil sie schließlich die ganze Sorgearbeit alleine zu leisten haben und der Staat weiterhin hinterherhinkt wenn es um flächendeckende, bezahlbare und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung geht. Aber gut. Sowas kann man als Familienministerium natürlich unerwähnt lassen. Wer was sinnvolles zu Alleinerziehenden lesen will, der liest lieber »solo, selbst & ständig: Was Alleinerziehende wirklich brauchen« von Anne Dittmann.

Jedenfalls: Hört doch mal in die Podcast-Folge rein. Sie ist super.


Damit meine ich explizit nicht Laura Fröhlichs Buch »Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles!« Das ist nämlich sehr gut und beleuchtet nochmal ganz andere Aspekte und extra Props für den besten Buchtitel!

Fehlende Vorbilder

Die modernen Väter bleiben derzeit eher Wunsch denn Wirklichkeit. Das Update des Väterreports 2021 fasste diesen Sachverhalt so zusammen:

Die Wünsche der Väter nach einer aktiven Vaterschaft und einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung bilden sich im Familienalltag noch nicht umfassend ab. Väter wollen deutlich häufiger
Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich
gestalten, als es in der Realität der Fall ist.

Väterreport. Update 2021

Was aber hält Männer davon ab, aktive Väter zu sein und sich in die Sorgearbeit einzubringen? Als einer der häufigsten Gründe wird genannt: Ein Mangel an Vorbildern. Darüber denke ich schon länger nach.

Ist Vaterschaft etwas anderes als Mutterschaft? Die meisten Artikel, die man so lesen kann, behaupten das zumindest. Väter machen Dinge eben anders. Sie interessieren sich für andere Sachen, sind wilder, raufen auch mal, machen sich nicht andauernd Sorgen etc. pp. Auch das führe letztendlich zu Konflikten: Weil Väter halt anders sind als Mütter, meckern die Mütter dann rum und machen es den willigen Vätern schwer. Mütter akzeptieren nicht, dass Väter Dinge anders machen. Das Gemeckere führe dazu, dass die Väter sich dann eben nicht mehr engagieren. Großes Thema z.B. beim Spiegel 33/21: „Papa kann das schon alleine

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Does it spark toy? Kids: Yes[1]

„Ich war die perfekte Mutter – bis ich selbst Kinder bekam“ – den Spruch kennt und fühlt wahrscheinlich so jeder Mensch, der Kinder bekommen hat. Es ist schon absurd, welche Vorstellungen man kinderlos hat. Darüber, was die eigenen Kinder alles tun werden und auch darüber, was die eigenen Kinder auf keinen Fall tun werden. Alles eine Frage der Erziehung natürlich. Wenn die Kinder nicht von 20h bis 8h (durch)schlafen, wenn sie nicht alles essen, wenn sie nicht artig „Danke“ und „Bitte“ sagen, nicht teilen, am Tisch nicht ruhig sitzen oder generell rumschreien: da hat wohl die Erziehung versagt.

Das glauben wir alles aus Uninformiertheit. Es ist am Ende ja viel besser zu glauben, dass die Schwester, die gerade Kinder bekommen hat, ein bisschen inkonsequent ist, die Freundin, die gerade Mutter wurde, sowieso schon immer unorganisiert war oder die Kollegin, die Nachwuchs bekommen hat, offenbar ein bisschen überfordert ist. Alles Einzelfälle, alle irgendwie selbst schuld. Individuell bedauerlich.

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Nur die Harten kommen in den Garten

Mich beschäftigt seit einiger Zeit die Fetischisierung von Härte. Das kam mir heute früh wieder in den Sinn als ich die Replys auf einen Tweet las. Der Ausgangstweet war folgender:


Eine Reihe von Antworten sieht so aus:

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Über die Glorifizierung von Unvereinbarkeit

Vorab: Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen sich zwischen Erwerbsarbeit und Carearbeit nicht entscheiden müssen. In der die Entscheidung nicht lautet „entweder – oder“ sondern „beides“. Und dieses „beides“ soll gleichzeitig nicht bedeuten, dass Menschen Vereinbarkeit auf eigene Kosten herstellen, sondern dass es um sie herum ein System gibt, das anerkennt, dass menschliches Leben ohne Carearbeit nicht möglich ist und dementsprechend Care so organisiert, dass sich Menschen nicht bis zur Dauererschöpfung aufreiben müssen, um ein gutes Leben für ihre Kinder und ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu ermöglichen.

Im Moment ist das nicht so. V.a. weil Carearbeit gar nicht erst berücksichtigt wird und Menschen (mehrheitlich Frauen[1]) sie unentgeltlich oder schlecht bezahlt leisten. Einfach weil …irgendwer muss es ja tun.

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Geburtstagswanderung (1 von ?)

Es war so gewesen… in der Pandemie habe ich mir mein erstes Paar Wanderschuhe gekauft. Man musste ja zum Erhalt der seelischen Gesundheit ständig spazieren gehen. Bereits nach zwei Wochen habe ich mich gefragt, warum es überhaupt andere Schuhe als Wanderschuhe gibt. Sie geben Halt, sind warm, dazu wasserfest, sie sind so schwer, dass man sich geerdet fühlt. Ja gut, ohne Schuhlöffel kommt man nicht rein – aber ich bin jetzt einfach in dem Alter, in dem ich würdevoll zu Schuhlöffeln stehen kann. Ich hab immer einen dabei, an der Gürtelschnalle, gleich neben meinem Taschenmesser und dem 10l Trinkwasserbeutel, den ich allerdings wie einen Rucksack trage. So laufe ich meine tägliche Runde durch Berlin Friedrichshain. Jeden Tag 10.000 Schritte. Wenn ich sie durch meine Straßenwanderung nicht voll bekomme, marschiere ich sie in meiner Wohnung ab.

Am Wochenende dann lade ich mir Podcasts auf mein Smartphone und dann fahre ich mit der S-Bahn an den Stadtrand von Berlin und schlage mich mit meinem Kompass zurück in die Innenstadt.

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Podcast: Malik.fm Folge 26

Neulich war ich bei Malik Aziz und durfte Mental Load womensplainen. Allerdings war ich bei Malik irgendwie falsch. Denn ein grundlegendes Problem bei der Ungleichverteilung der mentalen Last ist ja, dass Paare oft viel zu wenig miteinander sprechen und was soll ich sagen: ausgerechnet das ist Maliks Kernkompetenz. Also nicht das sprechen an sich, sondern das Reflektieren. Hört selbst.


5. August 2022

Du hattest 14.456 Tage
346.944 Stunden
20.816.640 Minuten
1.248.998.400 Sekunden

„You can die, but you can’t un-live.“

Den Satz habe ich kürzlich in einer Serie gehört und an dich gedacht. You can die, but you can’t un-live.

Ob sich das Verhältnis zum Tod ändert, wurde eine Bestatterin in einem Interview gefragt. Nein, war ihre Antwort, aber ihr Verhältnis zum Leben.
Auch das passt zu dem heutigen Tag. Heute. Heute vor 8 Jahren war Dein letzter Tag. Ich versuche in den letzten Jahren an diesem Tag an Dich zu denken. An das Leben. An Dein Leben. Und ich hoffe – ich hoffe so sehr – es war ein guter Tag.

Ich möchte an das Leben denken, wenn ich an Dich denke und nicht an Deinen Tod. Möchte daran denken wie Du warst, was Dir gefallen hat, worüber Du gelacht hast. Was Dich interessiert hat, wie Deine Stimme klang, wie Du ausgesehen hast.

Wir hatten 10 Jahre, die wir uns kannten. 10 Jahre, die wir uns fast täglich gesehen haben. Denn so ist das, wenn man miteinander arbeitet. Man verbringt so viel Zeit miteinander, man spricht so viele Worte miteinander.

Ich werde Dich nicht vergessen. Ich denke an unsere gemeinsame Zeit. An das eine Mal, als wir zusammen Hebeldraisine gefahren sind. Wie wir gelacht haben, weil es so schrecklich war, so anstrengend, die absurdeste Art einen Ausflug zu machen und wie froh wir waren als wir endlich nie wieder Draisine fahren mussten.

In einem meiner Ordner habe ich eine alte Visitenkarte von mir auf deren Rückseite Du mir aufgeschrieben hast, wann ich im Mutterschutz und wann ich in Elternzeit war. Ich hatte irgendwie verpasst mir das aufzuschreiben, aber Du hast es gewusst.
Jedes Mal wenn ich Steuererklärung mache, fällt mir die Karte in die Hand und ich schaue auf Deine geschwungene Schrift.

Manchmal lese ich unseren Chatverlauf im Messenger und bin traurig, dass wir oft nur Daten ausgetauscht haben. Wann treffen wir uns, wo treffen wir uns, wo holst Du mich ab. Dann muss ich wieder lachen, denn Du hast mich oft abgeholt, warst nie angeschnallt und bist wirklich sehr rasant gefahren und noch schwungvoller hast Du eingeparkt.

Ich denke daran, was Du alles konntest. Unfassbar gut kochen, Figuren aus diesen langen Luftballons machen und aus alten Jeans Handtaschen nähen. Du hattest einen grünen Daumen und die prächtigsten Balkonkästen, die ich je gesehen habe.

Es ist alles da. All die Erinnerungen. Nur Du nicht. Du bist nicht da. Du bist schon so lange weg und Du fehlst.

Du fehlst mir.