Wo der Papst recht hat, hat er recht!

Quelle Screenshot: Instagram-Account Tagesspiegel, 2. März 2024

Der Tagesspiegel schreibt: Der Papst sehe „Gender-Ideologie“ als schlimmste Gefahr der heutigen Zeit. Sie hebe die Unterschiede auf und mache alles gleich. „Unterschiede aufzuheben bedeutet, die Menschlichkeit aufzuheben.“

Und da hat der Papst zu 100% recht!

Dazu muss man erklärend sagen: Ich war gestern in #Motherfuckinghood und da hat die zauberhafte Darstellerin Claude de Demo sehr detailliert in ein Megafon gebrüllt, was passiert wenn die Menschen (aka Frauen) aufhören sich um andere zu kümmern und niemand mehr kostenlos Sorgearbeit leistet.

tl;dr: Untergang Abendland (Morgenland auch)

Ich weiß zwar nicht ganz genau, was der Papst mit „Gender-Ideologie“ meint, aber ja: Es sind v.a. die hetero-normativen Kleinfamilien, in denen sich v.a. die Mütter um die Kinder kümmern: aus den Töchtern werden dann wieder fürsorgliche Frauen, die es als Teil ihrer Identität sehen, sich um andere zu kümmern und die ganze Beziehungsarbeit zu leisten.

Warum? Jut, dass ich Psychologie studiert habe. Pass uff!

In der hetero-normativen Kleinfamilie wachsen Kinder mit Vätern und Müttern auf. Diese repräsentieren qua Geschlecht Gegensätze: Mütter bzw. Frauen stehen für die Sphäre des Privaten, das Emotionale und die nach innen gerichtete Welt – die Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen
Die Väter bzw. Männer repräsentieren Autonomie und Eigenständigkeit, die Welt des Rationalen und die Außenwelt – die Erwerbswelt.

So wie bei uns derzeit Zuständigkeiten aufgeteilt sind (siehe Gender Care Gap, Verteilung der Elternzeiten etc. pp.), passiert folgendes: Die meisten Kinder wachsen v.a. die ersten Lebensmonate und Jahre eng mit der Mutter auf. Die Mütter sind Hauptbezugsperson.

Kinder, die aufwachsen, sehen sich – solange Mütter den Hauptteil der Kindererziehung und Sorgearbeit übernehmen – folglich erstmal der Mutter zugehörig, da hier eine enge Bindung entsteht, denn schließlich ist es die Mutter, die immer da ist und sich hauptsächlich um die Befriedigung der kindlichen Bedürfnisse kümmert.

Es gehört zur kindlichen Entwicklung, sich irgendwann von dieser Bindung lösen zu wollen und sich zu einem eigenständigen, autonomen Wesen zu entwickeln. Deswegen ist es nur logisch, dass Kinder sich in dieser Loslösungsphase Richtung Vater orientieren. Er repräsentiert die Außenwelt, das Eigenständige. Er stellt für Töchter und Söhne gleichermaßen eine naheliegende Möglichkeit dar, sich aus der engen Mutter-Kind-Beziehung zu lösen.

Suchen die Kinder nun die Nähe zum Vater, passiert folgendes: Der Vater nimmt den Sohn an seine Seite und signalisiert ihm: »Du bist wie ich, du gehörst zu mir.« Den Töchtern wird oft jedoch die gegenteilige Botschaft gegeben: »Du bist nicht wie ich, du gehörst nicht zu mir.« Diese Abgrenzung des Vaters drängt die Tochter notgedrungen zur Mutter zurück. Die Mädchen retten ihren Wunsch nach väterlicher Anerkennung und Autonomie, indem sie sich auf andere Männer und im weiteren Sinne andere Menschen ausrichten. Sie erkennen, dass sie nicht so wie ein Mann (ihr Vater) sein können, sie finden aber den Kompromiss:
Wenn ich nicht wie ein Mann sein kann, dann kann ich vielleicht wenigstens einen Mann haben.
Dafür müssen sie das bieten, was das männliche Stereotyp nicht umfasst: Emotionen, Wärme, Fürsorge. Frauen werden Spezialistinnen für zwischenmenschliche Beziehungen.

So werden also durch die starre Rollenverteilung zwischen den Eltern zukünftige Frauen produziert, die sich selbst wegen der erzwungenen Identifikation mit der […] Mutter hauptsächlich über die Beziehungen zu anderen Menschen definieren und sich Autonomie sozusagen nur von dem Mann leihen, mit dem sie zusammen sind.

Und jetzt stellt euch mal vor, das wäre anders!

Kinder wachsen nicht nur mit der Mutter auf, sondern haben auch eine enge emotionale Bindung zu ihrem Vater, der womöglich noch gelernt hat seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, der nicht nur Qualitytimeslots hat sondern im Alltag präsent ist und seine Fürsorglichkeit nicht v.a. über Abgrenzung zur Mutter definiert.

ODER NOCH SCHLIMMER, HERR PAPST!

Die Kinder wachsen nicht in hetero-normativen Kleinfamilien auf, sondern in Verbünden mit vielen engen Beziehungspersonen, die sich nicht geschlechtsrollenkonform verhalten!!!

Sodom und Gomorra 2.0!!111!!

Also ja, jede Bemühung Geschlechterschablonen auch nur anzukratzen, ist für den Papst, die Söders dieser Welt und alle Konservativen natürlich eine schlimme Gefahr, ach was: die schlimmste Gefahr!

Denn: wenn nicht die Frauen trösten, supporten, Stullen schmieren, Rücken streicheln und die Orte bieten, an denen die von der Erwerbsarbeit erschöpften Menners sich erholen können… WER DANN? Dann geht jede Menschlichkeit flöten. Ja, Franziskus!

Dann müssen die in japanische Kuschel-Cafés und Geld zahlen, um in den Arm genommen zu werden!

Dann müssen die selbst vollgeackte Windeln (von Kindern und den eigenen Eltern) wechseln?

Das geht natürlich nicht! 

Hupsi. Vielleicht war #Motherfuckinghood ein ganz kleines bisschen radikalisierend? Falls es noch Karten gibt, schaut euch das Stück an. Nehmt Taschentücher mit. Und falls die Karten ausverkauft sind, schaut euch von der selben Regisserin (Jorinde Dröse) „Die Wut, die bleibt.“ in Hannover an.

Interessant? Der Text basiert auf einer Passage aus meinem neuen Buch: Musterbruch: überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung.

Ein Gedanke zu „Wo der Papst recht hat, hat er recht!“

  1. Ich selbst bin mit weniger klassischen Rollen aufgewachsen. Oder bin ich? Je mehr ich es hinterfrage, desto mehr ist es dann doch alles beim Alten….
    Vater und Mutter zwar beide Ingenieure und Vollzeit berufstätig, aber wer war mit mir beim Kinderarzt, hat mich vom Hort abgeholt, hat gekocht und Wäsche gebügelt? Das war immer Mutti.

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