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Aufzugtriologie

Jeden Morgen gehe ich mit meinem Mitbewohner zusammen in die Arbeit. Wir betreten gerade das Gebäude als ich sehe, dass „der schöne Mann“ meines Unternehmens das Drehkreuz passiert und auf den geöffneten Aufzug zusteuert. Eigentlich unterhalte ich mich gerade mit meinem Mitbewohner. Kurz entschlossen breche ich das Gespräch mitten im Satz ab, hechte zum Drehkreuz und werfe mich zwischen die sich schließenden Lifttüren. Dabei erleide ich ein weiteres Mal mittelschwere Quetschungen. Ich quieke und drücke mich durch die Öffnung. Durch den Schwung rempel ich ihn fast an. Ich grinse verlegen. Er mustert mich wie ein seltenes Insekt. Um seinen Hals hängt vorschriftsgemäß sein Konzernausweis. Leider verdreht. Während er sich mit einem Kollegen unterhält, versuche ich durch verschiedene Schiefstellungen meines Kopfes den Namen zu lesen. Vergebens. Immerhin erfahre ich zwei elementare Dinge: er arbeitet in der siebten Etage und seine Stimme klingt angenehm.

Eine Woche später stehen wir in der Etage unseres Cafés vor dem Aufzug. Wir drücken beide auf die Aufzugruftaste. Leider führt mich mein Weg nach oben und er strebt die entgegengesetzte Richtung an. Der erste Aufzug ist für mich. Ich steige ein, will mich lässig an der Stange zu meiner Rückenseite abstützen und ihn anlächeln. Leider greife ich daneben. Auch diesmal ist sein Blick eher als verständnislos als als flirtbereit zu deuten.

Wieder ein Paar Tage später. Gleicher Ort. Nur dass wir diesmal beide schon im Aufzug sind und er in der Caféetage aussteigt und ich im Aufzug bleibe. Der Aufzug geht auf, er verlässt ihn und da ich rechts in der Ecke stehe und ihn nicht mehr sehen kann, mache ich einen Ausfallschritt nach links, um ihm hinterherzuschauen. Während ich mich also in besagte Richtung biege und erwarte ihn entschwinden zu sehen, steht er spiegelbildlich zu mir und macht die selbe Bewegung. Ich erschrecke mich zu Tode, hüpfe hektisch in Deckung und schlage nach dem Türen-Schließen-Knopf.

Ich fürchte, ich werde ihn nie kennen lernen. Eigentlich müßte es eine unauffällige Strategie geben. Allein in der letzten Woche sind wir uns zufällig vier Mal begegnet. Exakt um 10.30 Uhr geht er Kaffee trinken. Mein Nachbar meint, ich solle meinen Mitbewohner überreden um die selbe Zeit mit mir Kaffee trinken zu gehen und warten, dass sich eine Gelegenheit ergibt. Auf meinen Einwand, dass der schöne Mann so denken könnte, wir seien ein Paar, erwidert er: „Nein, das macht ihr so. Beim Kaffeetrinken springst Du vom Tisch auf und rufst: Versteh doch endlich, es ist Schluss! Mein Mitbewohner soll dann sagen: Wie kannst du mir das antun? Du bist so schön und so ein wundervoller Mensch und im Bett bist du auch so eine Kanone…“ Ob diese dezente Vorgehensweise tatsächlich sein Interesse weckt?

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„Hallo Herr Doktor, ich habe ein unangenehmes Gefühl, welches durch ein Neurotransmitterungleichgewicht ausgelöst wird. Was kann ich dagegen tun?“
„Setzen sie sich auf ihr Sofa. Starren sie Wände an und suchen sie sich ein Lied, das sie mindestens vierundsiebzig Mal hintereinander hören. Essen sie dazu große Mengen Schokoladeneis.“
„Ah. Und was mache ich, wenn ich kein Sofa habe?“
„Das ist ein Problem. Sie können alternativ übermäßig viel arbeiten.“
„Klingt gut. Arbeit habe ich.“
„Gratulation.“
„Danke!“

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Also falls sich jemand über das Wetter beschweren will. Heute bin ich schuld. Ich hab gestern das Brunchbuffet nicht aufgegessen und dann habe ich mir beim Abendgebet noch passendes Wetter für meine Laune bestellt. Konnte ja nicht ahnen, dass es so einfach funktioniert.

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Projekttreffen überstanden und mal wieder die Geschichte des Hundes meines Vaters zum Besten gebracht. Der furchtbare Hund heisst „Lady“ (was es unglaublich erniedrigend macht, ihn im Park zu rufen). Zu allem Überfluss hat der Hund Fleischallergie. In der ersten Woche, in der er mir anvertraut wurde, habe ich alle Anweisungen befolgt und dem Köter täglich frische Zucchini, Möhren und Reis gekocht. In der zweiten Woche verfütterte ich versuchsweise das bewährte Chappi. Leider bekam Lady davon Haarausfall. In der dritten Woche nahm mein Vater schweigend einen nackten Hund in Empfang. Ich hätte das nicht tun sollen, denn der Hund mutierte nach Absetzen seines gewohnten Diätprogramms zur Kuh. Ich hatte ihn zum Lernen in der Wiese angepflockt. Die Töle hatte nichts anderes zu tun, als die Wiese zu mähen und dann kiloweise halbverdautes Gras in meine Wohnung zu kotzen. Was für ein herzallerliebstes Haustier.

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„Am Spielstand wird sich nicht mehr viel ändern, es sei denn es schießt einer ein Tor.“
Zitat Franz Beckenbauer

Wem es noch nicht aufgefallen sein sollte … Otto Rehhagel ist auch auf dem Retrotrip. Es scheint mir ein wenig als verfolge er diesen Trend schon seit einigen Jahrzehnten. Aber seine Frisur finde ich zeitlos schick. Auch hat mich gestern der Kommentar des völlig aufgelösten Fußballreporters bewegt: „Otto Rehhagel sieht nicht aus als ob er sich freut! Nein, es sieht aus als wenn er mit beiden Händen Glühbirnen eindreht!!!“ Ich wünschte, es gäbe eine Seite auf der die ganzen Spiele der EM transkribiert sind…
Ottoooooo!

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Als ich im Spiegel zufällig den Biltzerzeuger gegen Demonstranten (nur 50.000 Volt) sah, fiel mir eine weitere Geschichte ein. Vor einem Jahr wohnte ich noch im pittoresken Moabit. Die wildesten Geschichten wurden mir über die Gefährlichkeit dieses Bezirks von allen Seiten zugetragen. Passiert ist nie etwas. Experimentellerweise haben wir beispielsweise nach Einzug in die Wohnung (alles stand schön verpackt in den Innenräumen) vier Stunden lang die Tür offen gelassen. Als wir wiederkehrten, saß unsere Nachbarin im Klappstuhl vor dem Eingang und berichtete uns stolz, dass niemand etwas entwendet habe. So viel als Vorspann. Ich habe mich deswegen zu allen Tages und Nachtzeiten stets ungezwungen durch diesen Stadtteil bewegt. An einem Wochenende im November entschloss sich eine Freundin mich spontan zu besuchen. Da sie aus dem Süden Deutschlands anreiste, wurde es sehr spät. Es war bereits dunkel, als sie ihren Appetit kundtat. Wir liefen also die Turmstraße entlang um dort eine nächtliche Pizza zu verspeisen als sie plötzlich hell begeistert ruft „OHHHH! Schau mal da!“ Ihre Stimme legte nahe, dass sie gerade eine Sternschnuppe oder aber das Christkind gesehen hatte. Ich blicke also in die angedeutete Richtung und was sehe ich? Dreißig schwer bewaffnete Polizisten, mit Helm und allen anderen erdenklichen Schutzaccessoires. Sie rennen genau auf uns zu und biegen mit Geschrei rechts vor uns ab, treten eine Tür ein und … die ersten Schüsse fallen. Ich packe also meine Freundin an der Hand und rufe: „Los! Lauf!“ Als wir also die Turmstraße wie die Irren entlang rennen, repetiert sie: „Nicht weglaufen, wenn wir weglaufen, denken die wir haben was damit zu tun, dann schießen sie uns bestimmt in den Rücken.“ Klar, so macht das unser Schutzdienst. Schießt grundsätzlich auf weglaufende, junge Mädchen. Sie liegt mir bis heute in den Ohren, dass wir aufgrund meiner Fahrlässigkeit fast erschossen worden wären. Das ist also der Dank dafür, dass ich ihr Leben rettete.

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Achtung. Das ist eine Werbeunterbrechung für eine fremde Seite -> mein zukünftiger Ehemann schrieb folgendes

/Hm. Eben bin ich durch die Wilmersdorfer gelaufen und höre schon von weitem die üblichen Geschäftseröffnungsgeräusche: Eine mittelschlechte Band, ein Glücksradkommentator und Propagandisten, die irgendwas zu verticken versuchen. Ach ja, fällt mir da ein, FIELMANN eröffnet heute seinen „MEGASTORE“. Wie man mit ein paar blöden Brillen einen Megastore aufziehen will, habe ich mich schon nach der dauernden Ankündigung im Radio gefragt. Meine
Vermutung: Wir haben unterschiedliche Vorstellungen von MEGA~, der Herr Fielmann und ich. Aber. Jetzt wollte ich diese meine Annahme überprüfen. War aber nix mit überprüfen. Vor dem Laden befanden sich nämlich drei Schlangen (in Worten: 3!) – und zwar nicht Reptilien, sondern hintereinander in Wartehaltung anstehende Menschen, jeweils etwa 40m, also jeweils ca. 60 Leute (hab nicht gezählt).

Fragezeichen??? Unsereiner versteht ja schon nicht, was an irgendeinem blöden Laden so interessant sein soll, daß man überhaupt dafür anstehen würde. Aber gleich DREI Schlangen?

Bei genauem Hinsehen ergibt sich: Nur eine Schlange führt überhaupt zur Tür des Geschäfts. In einer Schlange warten die Leute nur darauf, an einem Glücksradspiel teilnehmen zu dürfen. An der dritten ist überhaupt nichts zu sehen, sie endet vor einem runden Stehtisch mit ein paar blauen Anzugträgern auf der anderen Seite (also: Die Anzüge waren blau), deren Tätigkeit nicht erkennbar ist.

Haben die Leute nix zu tun? Oder besser: Haben so viele Leute nichts zu tun? Oder noch genauer: Haben so viele Leute nichts sinnvolles zu tun?

So langsam erschließt sich mir die Zuschauerschicht der Nachmittagstalkshows und Vorabendserien. Und ich hatte das für ein Phänomen meiner sehr abgelegenen Heimatstadt in der Provinz gehalten, wo wirklich nichts anderes passierte, als daß vielleicht alle drei Jahre mal ein Supermarkt eröffnete und sich die Leute davor drängelten, weil die sich zwischen Hausputz und Einkauf kaum andere sinnvolle Beschäftigung ausdenken konnten. Das waren allerdings andere Zeiten: Damals, zu Beginn der siebziger Jahre, gab es noch keine
Fernsehprogramme around the clock, und selbst von diesen nur drei, es gab keine Computerspiele, nicht mal einen vernünftigen Buchladen in der Ortschaft, keine Handys, CDs und auch die Individual-Motorisierung war nur halb so weit wie heute, es gab keinen Zoo, keine Museen, und nur zwei mäßig gute Cafes, in denen sich wohlhabende Rentnerinnen trafen.

Jetzt stehe ich also hier, mitten in der Großstadt, anfangs des 21. Jahrhunderts, vor einer Menschenschlange, die dringend Einlaß in einen Brillensupermarkt begehrt und dafür die Zeit aufwenden will, mit der sie wirklich nichts besseres anzufangen weiß. Ob Herr Fielmann und ich unterschiedliche Vorstellungen von MEGA haben, werde ich nicht erfahren. Zum einen handelte es sich um einen freudschen Hörfehler meinerseits – in der Werbung war nämlich nur ein SUPER-Store angekündigt, nix MEGA. Und außerdem ist es mir zu blöd, mit diesen Dummbeuteln so lange anzustehen, bis genug andere Hohlbrote den Laden verlassen haben, damit Platz für uns wird. Der Laden wird ja nächsten Montag auch noch existieren./