Europas größter Tretroller-Kongress*: 34c3

34c3Hallo, mein Name ist Patricia und ich bin „Lichterguckerin“.

So nennen bestimmte Hardcoreoberchecker Menschen wie mich, die nix hacken können, aber auf den Chaos Communication Congress gehen und sich daran erfreuen.

Ich bin technisch interessiert, aber wenn es zu sehr in die Details geht, dann verstehe ich kein Wort. Macht mir aber nichts aus, denn im Grunde ist das wie am Anfang meiner Physiologie-Lesungen. Im ersten Semester habe ich so gut wie nichts verstanden: Telencephalon, Diencephalon, Metencephalon  und Myelencephalon. Hä? Mitte des Semesters geht es dann und drei Semester später gehören diese Worte in den aktiven Wortschatz.

Tatsächlich muss man für den 34c3 nicht mal technisch interessiert sein, gesellschaftlich oder politisch interessiert sein, genügt völlig. Wie Marietta Slomka richtig festgestellt hat: die digitale Revolution hat bereits stattgefunden und die Digitalisierung/das Internet hat unser aller Leben grundlegend verändert.

Viele machen diese Entwicklungen mit, ohne sich allzu große Gedanken über die Auswirkungen zu machen. Ein bißchen mehr Überwachung hier, ein bisschen mehr Überwachung da, man hat ja nichts zu verbergen etc. pp.

So holt man sich fröhlich Alexa (Amazon Echo) und Google Home in die eigenen vier Wände – denn – es ist ja bequem.

Ist es auch. Ich kann mich da schön an die eigene Nase fassen. Benutze ich immer noch alle möglichen Google-Produkte, Facebook und Co.

Jedenfalls hilft es dann doch einmal im Jahr einen Kongress zu besuchen, der sich mit all diesen Themen rund um das Internet auseinandersetzt. Das Themenspektrum des Kongresses ist, wie an den einzelnen Tracks zu sehen, sehr breit gefächert:

  • Art & Culture
  • CCC
  • Entertainment
  • Ethics, Society & Politics
  • Hardware & Making
  • Resilience
  • Science
  • Security

Am Ende kann man sogar zu einer Marc-Uwe Kling „Qualityland“-Lesung gehen und so halb über diese Zukunftsdystopie lachen, weil man tagsüber leider mitbekommen hat, dass ca. 3/4 der Dinge, die er dort beschreibt, schon Realität sind. (Black-Mirror lässt ebenfalls grüßen).

Im Übrigen kann man auch zum Kongress gehen und sich gar keine Vorträge anschauen sondern sich an der Atmosphäre und der Kunst erfreuen – eben ein paar Lichter gucken gehen.

Foto: 34c3 von Yves Sorge unter CC BY-SA 2.0 auf flickr.com.

Ich werde auch oft gefragt, ob man mit Kindern auf den Kongress kann. Meine kurze Antwort lautet: ja.

Wir haben es schon einige Male getan. Wie schon in den Vorjahren lief das so ab: Um 11 Uhr tauchten wir dort auf, um 22 Uhr jammerten die Kinder, dass wir schon nach Hause wollen.

Was genau machen die Kinder auf dem Kongress?

Zum einen gibt es den Kidsspace, der dieses Jahr in der neuen Location gefühlt dreimal so groß war, wie die Vorjahre. Dort haben die Kinder drei Tage damit verbracht  die drei Tonnen Lego Duplo und die noch größeren Bausteine zu verbauen – und zwar alle. Für Vorträge waren sie dieses Jahr nicht zu motivieren. (Ich glaube, eines der Kinder haben wir im Bällebad vergessen).

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Erwachsenen macht das Lego Duplo bauen offensichtlich auch Spaß.

In der 15.000 Quadratmeter großen Assembly-Halle gibt es außerdem unfassbar viel zu bestaunen (für Eltern z.B. wichtig: Furby-Hacking) und v.a. sehr erklärbereite Menschen. Bei vielen Dingen darf man auch mitmachen (Klassiker sind Lockpicking und einfache Lötarbeiten – dieses Jahr waren Wäscheklammern mit LEDs sehr beliebt).

Ich habe aus den Vorjahren allerdings einige Dinge dazu gelernt:

  1. Bringt DECT Telefone mit und meldet sie vor Ort an. Dann sind die Kinder erreichbar ohne dass man sich Gedanken machen muss, dass ein technisches Endgerät gehackt wird (von WLAN ohne VPN rate ich dringend ab). Dafür muss man sich auf eventphone.de einmalig registrieren, sich eine freie Telefonnummer suchen und sich ein Wartezettelchen in der DECT-Schlange sichern.
  2. Nehmt Essen und Trinken für die Kinder mit. Es gibt vor Ort zwar (stark überteuerte) Möglichkeiten (Crepes, Pommes, Chinanudeln etc.) – aber das hat man nach einem Tag satt.
  3. Meldet euch rechtzeitig zum Junghackertag an, dann können die Kinder sogar selbst löten und andere tolle Sachen machen. Ich habs dieses Jahr erst zwei Tage vorher gemacht und da waren leider alle Plätze in den geschlossenen Veranstaltungen vergeben.
  4. Schaut auf die Zettelchen, die im Laufe der vier Tage überall erscheinen. So verpasst man nicht, wenn es T-Shirt-Druck, Fidget Spinner Workshops oder Laser Cutter Kurse gibt.
  5. Bringt Tretroller, Bobbycars und Bollerwagen mit, um die großen Distanzen zu überwinden. Und Wanderschuhe.

Foto: 34c3-082 von Ingo Kleiber unter CC BY 2.0 auf flickr.com.

Das Angebot des Junghackertags war dieses Jahr großartig. Von Cryptoparty, über Alienbotschaften entschlüsseln bis Wissenschaftsschnitzeljagd war neben Programmieren und Löten alles dabei.

Ich kann wirklich sehr empfehlen sich ein Kind zu schnappen und am Junghackertag teilzunehmen. Wenn man selbst interessiert, aber ein bisschen ängstlich ist, nicht genug zu wissen und dann doof dazustehen, kann man immer noch das Kind als Alibi nehmen und so wirklich sehr viel lernen.

Die Kinder selbst haben in der Regel keinerlei Berührungsängste.

Ein Großteil der Vorträge wird außerdem übersetzt und gestreamt. Man muss also nicht (permanent) physisch anwesend sein. Man kann sich so auch Pausen in der Ferienwohnung oder im Hotel gönnen und trotzdem Input aufnehmen.

Für mich ist der Chaos Communication Congress der kinderfreundlichste Kongress, den ich bislang kennengelernt habe.

Ein großes Danke an die Organisatoren und die 3.500 freiwilligen Helferinnen und Helfer (Engel werden sie genannt).


*Quelle: