Die Hackfleischbesprechungen, Teil 9

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Kaufland, Hackepeter fettreduziert

Der Fooddesigner von Kaufland beschreitet einen gänzlich unkonventionellen Weg und inszeniert das gemischte Hack in zwei Erscheinungsformen. Ein großes Rechteck und ein kleinerer Kreis aus Hackepeter auf einem Schneidebrett mit abgerundeten Ecken.
Das Rechteck ist schmucklos aber formstabil wohingegen der Fleischkreis mit Paprika, Petersilie, Pfefferkörnern, Salat UND Minipaprikaschote verziert ist.
Schnell springt ins Auge dass es sich um ein ganz aktuelles Thema handelt: Eltern und Kinder in der Postmoderne.
Der Nachwuchs rechts ist räumlich getrennt, gar ohne Verbindung zu den Eltern links. Wer hier urteilt die Eltern seien herzlos, urteilt vorschnell. Selbst spartanisch und schmucklos, überlassen sie alle Dekorationen dem Kind und lassen es im Überfluss leben.
Das Kind jedoch wünscht sich nicht Paprika, noch Salatblätter oder Zwiebelstücke. Nein, einzig und allein Liebe, Wärme und Nähe hätte es gern. Doch die Eltern, in seltsam entnaturierten Traditionen erwachsen, halten jeglichen Kontakt für gefahrvoll. Schnell könnte das Kind sich daran gewöhnen und danach fordern, verzogen und gesellschaftsunfähig werden. Das wollen die Eltern um jeden Preis vermeiden.
So hält das Fleischeck starr seine Form und damit im übertragenen Sinn seinen hölzernen Erziehungsansichten – im Glauben dem Kind nur Gutes zu tun.
Traurig stimmt das Bild den Betrachter. Innerlich will man schreien: Fleischrechteck nimm Deinen kleinen Fleischknödel in Dich auf und bilde eine Einheit.
Doch das Foto gibt dem Wunsch nicht nach.

Die Hackfleischbesprechungen, Teil 8

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REAL, Schweine-Gehacktes

Die heutige Hackfleischdarstellung geht das dargestellte Thema erstaunlich offensiv an. Ein ganzes Kilo ungeordnetes Schweinemuskelfleisch auf einem modernen, eckigen Keramikteller. Garniert mit deutscher und japanischer Riesenkresse sowie einem einzelnen Schnittlauchhalm.
Traditionelles Haschee mit exotischen Kräutern als leise Mahnung an die westliche Industriegesellschaft nicht weiter den hanebüchenen Weg der kapitalistischen Marktwirtschaft zu gehen, sondern sich trotz aller Modernisierungsmaßnahmen auf die eignen Traditionen und Kernkompetenzen zu besinnen.
Der Fleischberg als beinahe schmerzhafte Spiegelung der amerikanischen Finanzkrise. Als Zusammenbruch aller abendländischen Prinzipien der Volkswirtschaft.
Hätte man den Hackhaufen von links vorne betrachtet, so wäre die Zerrüttetheit des Fleisches gar nicht aufgefallen. Erst wenn man hinter die Kulissen schaut, wird offenbar auf welch wackelig, zerbröselnden Mechanismen Kreditwesen und Immobilienmärkte stehen.
Erkennt die Wahrheit, schaut hinter die Offensichtlichkeiten!, so scheint es, will der Hackfleischfotograf und Inszenierer den Werbungsrezipienten beschwören.

Die Hackfleischbesprechungen, Teil 7

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PLUS, First Fresh Hackepeter

Fünfhundert Gramm ungewürztes Schweinefleisch vom Fleischwolf direkt auf das weiße Tablett serviert. Schmucklos der Gesamtrahmen. Demgegenüber besonders liebevoll garniert das Hack: drei gelbe Paprikastreifen, drei unterschiedlich große Zwiebelringe und sechs Blätter Zitronenmelisse schmücken den oberen rechten Rand.
Damit begnügt sich PLUS jedoch nicht.
Als Ausblick auf die reale Kaufsituation ein weiteres Pfund Schweinehack, frisch abgepackt und abholbereit im oberen Bildviertel.
Wie in den vorangehenden Bildbesprechungen liegt der Schlüssel zum Verständnis der heutigen Hackfleischinszenierung im Detail – im Paprikastreifen nämlich. Etymologisch kommt der Begriff Paprika aus dem Kroatischen und bedeutet ‚die, die scharf ist’.
Hat der Bildbetrachter diesen Hinweis erst einmal verstanden, so ist es nicht weit zum Schluss dass PLUS hier ein Vorher-Nachher-Szenario darstellt und somit leicht verschmitzt auf das westliche Frauenideal anspielt.
‚Die, die scharf ist’ – die Frau also – ist in der heimischen Styroporschale wild verwurstelt und emotional bewegt. Doch kaum tritt die Frau ans Tageslicht, nimmt sie eine geordnete, angepasste Form an und passt in jede sinnbildliche EU-Verpackungsnorm.
Die Gesellschaft verlangt ein nach außen hin gebändigtes Weibchen, welches nur in den eigenen vier Wänden das wahre Gesicht zeigen darf. Ein weiterer schlangenzüngiger Dualismus der durch eine schnöde Hackfleischwerbung zur Schau gestellt wird.

Die Hackfleischbesprechungen, Teil 6

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Kaufland, 500 Gramm Hackfleisch fettreduziert
Kaufland präsentiert ein Pfund gemischtes Hackfleisch auf einem Styroporschälchen mit abgerundeten Ecken. Garniert ist der Fleischkorpus durch Zwiebelringe und Petersilie. Im Hintergrund verstreute Pfefferkörner. Das Schälchen gebettet im schutzbietenden Schoß einer gewellten Tischdecke.
Bronzene, silberne und goldene Medaillen garantieren für Qualität. Die Bestimmung ist festgelegt. Zum Braten wurde das Muskelfleisch durch den Fleischwolf gejagt.
Fettreduziert ist es, der Seele beraubt. Der Quader vermittelt nach außen eine geschlossene Form. Doch in sich ist er wirr und formlos.
So spiegelt das Hack unsere zerrüttete Jugend wieder.
Rein, wie die Zwiebel welche als weißblühendes Liliengewächs an die Muttermilch die aus Heras Brust tropfte erinnern soll, von welcher der junge Herkules der Sage nach trank.
Gleichzeitig verderblich wie Hack, dessen Zellmembranen durch den Fleischwolf gejagt wurden und deswegen zerplatzt sind.
Jedes einzelne Hackfleischwürstchen verwirrt, vor Qualen gewunden, haltlos. Als Masse jedoch ineinander verhangen – als fleischliche Marginalerscheinung eine gesellschaftliche Gesamterscheinung.

Die Hackfleischbesprechungen, Teil 4

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Kaisers, 100 Gramm Gehacktes vom Schwein
Kaisers präsentiert das Schweinehack verstörend anders, indem auf die Hinzunahme von Zwiebeln gänzlich verzichtet wird.
Präsentiert wird ein gut durchgekneteter Batzen Hack auf einem glänzenden, weißen Teller, dessen tatsächliche Form nicht auszumachen ist.
Der Batzen ist frisch angeschnitten und mutet wie ein Laib Brot an. Die obligatorische Petersilie ist im Gegensatz zu den vorangehenden Darstellungen ein Trockengewürz, welches in der Präsentation an eine Linzer Torte erinnert.
Und genau da liegt die Crux begraben!
Schon beim Anblick des Fleischmassivs, welches sehr kompakt dargestellt wird, drängen sich Worte wie „Menge“, „Haufen“ und „Masse“ auf.
Die kleinen Fettstückchen wirken haltlos verloren. Anonym liegen sie in der Masse des pürierten Fleischs und fristen ihr tristes, zwiebelloses Dasein. Sie leben das Leben des anonymen Großstadtmenschen, der seinen Weg ohne sinnstiftende Struktur, fernab jeden lebendigen Petersiliebüschels leben muss. Das Muster der Linzer Torte spielt auf den EInfluss der voestalpine AG-Stahlwerke an – Linzens größter Arbeitgeber. Segen und Fluch zugleich, verspricht er Brot und macht Linz gleichzeitig zu einer staubigen Großstadt der traurigen Menschen.
Trostlos, bejammernswert und öde wird das Individuum der Großstadt, ganz so wie das Fettauge in der formlosen Fleischmasse verschwindet.

Die Hackfleischbesprechungen, Teil 3

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NP, 1 Kilo gemischtes Hack
In drei gehirnförmig anmutenden Komplexen liegen gute zwei Kilo gemischtes Hackfleisch auf einer unkategorisierbaren Oberfläche.
Je zwei Petersiliebüschel trennen die drei Hackfleischquader. Im Vordergrund liegen zwei ungeschälte Zwiebeln.
Abweichend von den üblichen Verzierungen durch aufgeschnittene Zwiebeln begnügt sich der Fooddesigner auf diesem Bild mit der bloßen Andeutung von geschmacklichen Kontrasten.
Das Zentrum der Aufmerksamkeit verschiebt sich somit unmerklich in Richtung Zwiebel und lässt den Hackfleischberg im Hintergrund verschwinden. Mit zusammengekniffenen Augen fixiert der Bildbetrachter die Liliengewächse im Vordergrund und stößt somit auf ein nahezu offenes Geheimnis.
Die Zwiebel, bekannt als Fleischweichmacher bleibt geschlossen und verliert ihren Nutzen wenn zähes Fleisch einfach zerhächselt wird. Dennoch bleibt sie als Atavismus im Bild und erinnert uns daran nicht selbst zu gesellschaftlichen Atavismen zu werden, sondern uns zu öffnen, uns anderen zu enthüllen und so unseren Nutzen zum gesellschaftlichen Leben beizutragen. Die Petersilie zeugt von Frische und möchte uns daran erinnern, dass jedes Individuum in der Lage ist ‚Frische’ in eingefahrene Strukturen und Formen zu bringen.
Ein leiser Appell zur Teilnahme an unseren Mitmenschen, sie in unseren gesellschaftlichen Hackfleischberg aufzunehmen.