Eine freundliche Leserin hat mir eine Hackfleischabbildung aus Schweden zugeschickt. Schon auf den ersten Blick springt die Andersartigkeit der Inszenierung ins Auge. Diversität ist hier das Stichwort. Wenn in Deutschland Hackfleisch gerne als einheitliches Gemenge in Szene gesetzt wird, bestenfalls mit ein wenig Grünzeug aufgepeppt, so ist auf der schwedischen Darstellung völlig klar: Hackfleisch kommt auf viele Arten in unser Leben. Sorgfältig verpackt, frei und doch in kompakter Form, zerteilt im Verhältnis des goldenen Schnittes oder gar als Hackbällchen – Köttbullar, wer kennt sie nicht… Symbol der schwedischen Seele.
Das Foto gibt jeder Hackfleischform seinen Platz, seine Existenzberechtigung im Leben.
Auch die Dekoration weicht stark von den deutschen Sehgewohnheiten ab. Dekoriert ist das Hack mit 3 Stangen glatter Petersilie, ein wenig frisch gemahlenem Pfeffer, einer dunklen Pfeffermühle, einem abgerundeten aber robusten Messer und einer Zwiebel, teils gewürfelt, teils halbiert. Auch hier lohnt ein zweiter Blick. Die Zwiebel – genauer gesagt – die anderthalb Zwiebeln sind einmal quer und einmal längs geteilt. Das intakte Wurzelende zerfällt in viele feine Würfel.
Jetzt könnte man sagen: typisch schwedisch und man hätte sogar Recht. Es geht um die ausgeglichene Darstellung aller Hackfleischelemente. Für alles ist Platz: für alle Formen, für Gewürze UND Kräuter, kein entweder oder, kein „nein, das bringen wir nicht auch noch unter“. Es wird einfach Platz gemacht. Die Vielfalt wird selbstbewusst in Szene gesetzt.
In Deutschland will man von alle dem nichts wissen. Die Hackfleischinszenierungen sind alle mehr oder weniger gleich. Das Hack als kompakter Klumpen immer im Vordergrund, keine Lockerheit, keine Offenheit, Hack ist Hack und nur so! So ist es schon immer gewesen, so soll es für immer sein.
Ganz anders die lockeren Schweden.
Und das nicht ohne sozialkritisch zu sein. Natürlich gibt es eine Aufteilung von arm und reich. Reich, symbolisiert durch den kleinen, weißen Zwiebelanteil am oberen linken Rand des Bildes. Der Rest, die Peripherie, arm. Eine Anspielung auf die Wohnverhältnisse in der Hauptstadt, in Stockholm. Die Stockholmer Innenstadt ist für geringere Gehaltsklassen unerschwinglich. Stockholm hat die Armut, seine Geringverdiener und Immigranten erfolgreich in der Peripherie untergebracht. Die Innenstadt ist weiß (die Zwiebel!), wohlhabend, sauber und ordentlich. Eine quasi segregierte Stadt (Quelle).
Wem das zu feingeistig ist – das Messer zeigt es nochmal etwas plumper. Schweden ist trotz all seiner Schönheit ein geteiltes Land. Reich und arm. Reich der kleinere, abgetrennte, zwiebelnahe Teil. Arm der größere Teil. Wir erinnern uns an die Statistik: Jedes 3. Kind in Malmö lebt in Armut. Das Bild ruft uns das schmerzhaft in Erinnerung.
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