An verschiedenen Stellen echauffierte ich mich bereits über den stinkenden Mob in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Dass man aber auch ganz unschuldig stinken kann wie ein inkontinenter Löwe, das habe ich erst kürzlich gelernt.
Da stand ich nämlich nach widerlichem Pipi stinkend zwischen den Menschen und ersehnte mir ein Handtuch, welches mich über meinen Kopf liegend verschwinden lassen könnte.
Dabei hatte ich nichts unrechtes getan. Sogar geduscht war ich.
Das zugrundeliegende Problem lässt sich leicht in ein Wort fassen, welches da KIND lautet.
Just jenes Kind hatte ich nämlich gerade in den Kindergarten gebracht. Die letzten Meter war es fröhlich über einen harmlos aussehenden Sandhaufen geklettert, der zum Erstaunen des Kindes am Vortag noch nicht da gewesen war.
Das Kind erklomm also den Berg, rutschte ihn wieder herab und lies sich dann von mir seine Füße in meinem Schritt baumelnd über die Straße tragen.
An den Sohlen befand sich, mir bis dato verborgen eine hündische Pipiduftmarke. Just jene strich das Kind also zwischen meinen Beinen ab, bevor es mich wieder in die Welt entlies.
All das konnte ich bestialisch stinkend in der U-Bahn rekonstruieren, während ich zwischen den sitzenden Menschen stand und mich in Grund und Boden schämte.
In der Arbeit angekommen, beschloss ich umgehend meine Hose in der pipibefleckten Zone zu reinigen. Ich rieb also mit Papierhandtüchern die Hose ab, seifte sie ein und rieb und rieb und rubbelte, bis ich nichts mehr von der Urinmarke riechen konnte.
Leider sah es nun aus, als sei meine Blase versehentlich geplatzt.
Da Würde eine Geisteshaltung ist, beschloss ich, mein unmögliches Aussehen zu ignorieren und mich, als sei nichts passiert an meinen Platz zu setzen und zu arbeiten.
Das Höschen wollte und wollte hingegen nicht trocknen. Mir blieb also nichts anderes als meinen Schoss mit Papiertüchern von innen zu befüllen – was mich freilich nicht besser aussehen lies.
Nur drei Stunden später war alles getrocknet und ich war auch keine olfaktorische Beleidigung mehr. Fortan werde ich stinkenden Menschen in der U-Bahn nur Gutes unterstellen.
Schlagwort: ÖPNV
Stadtflucht
Gründe, warum man nicht auf dem Land wohnen möchte.
Heute: Der Busfahrplan in die nächste Stadt.
Seltene U-Bahn-Konzerte
Es kommt die Zeit in der man sich möglichst nicht mehr bewegen möchte. Theoretisch möchte man gerne sitzen oder liegen. Theoretisch deswegen weil bequemes Sitzen und Liegen freilich nur noch eine schöne Erinnerung der Vergangenheit ist. Tatsächlich verursacht jedes Sitzen und Liegen, das länger als fünf Minuten anhält Atemnot weil der mächtige Bauch auf Zwerchfell und/oder Hauptschlagader drückt. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass man praktisch selten Stehen möchte.
Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Rush-Hour werden deswegen schnell zur Qual. Die Sommerschwangeren haben da vielleicht den Vorteil, dass ob der dünnen Leibchen, die sie tragen können, so manch einen Menschen das Erbarmen packt und er seinen Platz frei gibt. Die Winterschwangere an sich ist ob des Mantels nicht leicht für die Umgebung zu identifizieren. Sie sieht einfach aus wie eine unförmige Tonne und wer will schon seinen Platz für eine unförmige Tonne freigeben?
Wenn der Rücken also schmerzt, die Beine vor Wasserablagerungen spannen und der Bauch krampft, dann knüpfe ich mein Mäntelchen auf und hänge meinen Bauch heraus.
In der Regel gibt es dann zwei mögliche Reaktionen.
A: Meine Mitfahrer sehen den Bauch und starren plötzlich wie hypnotisierte Kaninchen in ihre Reiselektüren, auf die Werbung an den Abteilwänden oder bewundern ihre Schuhe.
Wenn so was passiert, dann suche ich mir in der vollen U-Bahn ein Opfer aus, dessen Gewissen ich wenigstens für die gesamte Fahrt malträtiere. Ich stelle mich ganz nah an ihn ran und halte ihm, der ja sitzt, meinen dicken Bauch genau ins Gesicht. Dazu mache ich ein leidendes Gesicht und manchmal stöhne ich vor Schmerz.
Sollte ich keinerlei emotionale Regung in seinem Gesicht feststellen, so zücke ich mein Handy und spreche Sätze wie „Ach ja, das zusätzliche Gewicht ist eine wahre Folter, wenn man schwanger ist“ oder „Ja, ja, der letzte Schwangerschaftsmonat ist ob des Körpergewichts und der –ausmaße sehr anstrengend . Aber kannst Du Dir vorstellen, wie schrecklich erst die Geburt sein wird, wenn sich das Kindlein mit dem großen Kopf durch meine zarte Vagina pressen wird?“ hinein.
Sollte auch das nicht helfen, so verschütte ich schnell mein Reisegetränk auf den Knien des unwilligen Sitzers, hechele in kurzen Abständen und stöhne dann die Worte „den Schmerz wegatmen, den Schmerz wegatmen“ vor mich hin, rufe meinen Freund an und berichte mit leiser gequälter Stimme, dass mir soeben die Fruchtblase geplatzt sei.
Der Unwilligkeit einer armen, bemitleidenswerten Schwangeren Platz zu machen steht Verhaltensvariante B gegenüber.
Da betrete ich die U-Bahn und die erste ruft „Wollen Sie meinen Platz?“. Wenn ich nur wenige Stationen fahren muss, so erfreut und stärkt mich dies freundliche Nachfrage so sehr, dass ich keine Sitzgelegeheit benötige und so antworte ich laut und freundlich: „Nein, danke, ich fahre nur wenige Stationen. Ich möchte mich aber für ihren Großmut bedanken!“
Kaum ist der Satz ausgesprochen fragt in der Regel ein weiterer Mensch weiter hinten, ob ich vielleicht seinen Platz haben möchte. Sobald er die letzte Silbe ausgesprochen hat, erklingt ein mehrstimmiger Chor aus Stimmen der anderen Mitreisenden, die auch alle möchten, dass ich mich auf ihren Platz setze.
Ich laufe dann kopfschüttelnd durch das Abteil und heiße die Menschen mit wedelnden Armbewegungen sitzen und stimme in deren Gesang ein in dem ich melodisch passend immer wieder wiederhole: „Viiiiiihhhhiiiilen Daaahhhaaaaank aaaberrr ich muhhhuuuusss glaaahhhaaaaich aaaahhhaaaustaaaaahhhaaaaigäääääähhhäänn.“
Das gibt ein schönes U-Bahn-Konzert und ich erreiche gut gelaunt meinen Zielort.