Abschied von Größe 36

Tschö 36.

Bis ich 28 war, habe ich problemlos in eine 36 gepasst. Seitdem nehme ich zu. Von meiner Kleidung trennen wollte ich mich nie. Aber jetzt habe ich es endlich gemacht. Ich trenne mich von ihnen, denn realistisch gesehen, werde ich da nie wieder rein passen. Hoffe ich jedenfalls, denn sehr schlank war ich bislang nur, wenn ich unglücklich war.

Das Erstaunliche ist, als ich noch eine 36 trug, fand ich mich nie ausreichend dünn. V.a. nicht nachdem ich von Franken nach Berlin gezogen bin. Da kam ich in einen Freundeskreis, in dem die „schönsten“ Mädchen gerade mal eine 34 trugen und von der Figur her aussahen wie 13jährige Jungs. (Ungefähr so wie die derzeitigen H&M-Models.) Mir hat das nicht gefallen, aber es wäre gelogen, zu behaupten, dass mich das nicht beeinflusst hätte.

Genauso wie die ganzen Klappergestelle, die man bei Greys Anatomy & Co. sieht. Doch jetzt, da ich Ü30 bin, werden meine italienischen Gene aktiv und ich würde denen gerne was ordentliches kochen. Dennoch. An jeder Straßenecke schreien einen die Plakate an. Dünn ist schön. Dünner ist schöner. Diese Botschaften finden irgendwie ihren Weg in mein Unterbewusstsein und auch in mein passives Schönheitsideal.

So fiel es mir bislang wirklich schwer, mich von all den Kleidungsstücken zu trennen, die Größe 36 haben. Ich trage jetzt eine 40 und da ich nicht der Diät-Typ bin, werde ich nie wieder eine 36 haben. Will und brauche ich auch gar nicht und meinen Kindern möchte ich ohnehin ein gutes Vorbild sein. Essen was einem schmeckt und bewegen, weil es Spaß macht und nicht weil man sich überzählige Kalorien abtrainieren will. Ich fände es grauenhaft, wenn meine Kinder das Wort „Diät“ oder „Abnehmen“ in den Mund nähmen. Jedenfalls weiß ich jetzt, dass ich den Krempel wirklich nicht mehr brauche und deswegen kann ich Platz schaffen.

Deswegen macht es mir wirklich nichts mehr aus, wenn ich im schicken Berlin-Mitte zwischen all den Mädchen in Größe 34 mit Haardutt sitze und die Bedienung meine Freundin und mich nach dem Genuss der Hauptspeise fragt, ob wir wirklich JEDE ein eigenes Schokotörtchen essen wollen.

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P.S. Und ich will jetzt kein Gemosere hören, dass Größe XY ohnehin nicht „fett“ ist. Denn das ist es ja genau. Wenn man die Zeitungen anschaut, ist man eigentlich immer fett – es sei denn man ist Victoria Beckham. Wobei es bestimmt irgendeine geile Steigerung von Size Zero gibt…

Eine Ode an die Unbeschwertheit

Ewige Optimisten finden sogar positives an Falten: Wer keine Falten hat, der lacht zu wenig, heißt es. Tatsächlich ist es so, dass das Äußere Aufschluss über die Persönlichkeit gibt. Deswegen bin ich voller Mitleid für all die runtergehungerten Frauen, die man nicht nur in Hollywoodfilmen sieht. Denn hervorragende Knochen sind für mich Symbol einer generellen Lebensfreundlosigkeit. 45 Kilo bei einer Körpergröße von 1,70 m wiegt man nicht aus Veranlagung sondern aus einer speziellen Leidenschaftslosigkeit allem Essbaren gegenüber oder weil man sich grundsätzlich alles versagt.
Wer sich bis auf die Knochen hungert, der geißelt und kontrolliert sich auch sonst gerne. Man mümmelt notgedrungen einen dressinglosen Salat oder ein mageres, blutiges Steak – Spaß hat man bei dieser Ernährungsvariante ganz sicherlich nicht. Niemals verbringt man einen Abend im Kreise der Freundinnen mit drei verschiedenen Ben & Jerry’s-Eissorten, die man mit Schokosoße und Sahne garniert. Selbst wenn man es aus gesellschaftlichem Druck täte, die darauf folgende Woche sähe sicherlich mager aus.
Ja und deswegen (Achtung Bogen!) finde ich Gina-Lisa toll. Sie mag wohl nicht dem  Schönheitsdiktat der derzeitigen modischen Strömung entsprechen – dafür hat sie eines ganz sicher: eine äußerst unbeschwerte, fröhliche Ausstrahlung und von allem zu viel: zu braun, zu viel Make-up, Haare zu lang, zu blond – na und?
Wenigstens fristet sie ihr Dasein nicht mit verkniffenen Lippen und neidvollen Blicken, sondern kann prollig mit ihrer wunderbaren Whiskystimme röhren oder lachen, als hätte sie gerade vier Schachteln Zigaretten geraucht.
An einem ausgelassenen Abend würde ich mich wahrscheinlich sogar zu der Aussage hinreißen lassen, dass sie der MCWinkel unter den Models ist. Der spaltet schließlich auch die Gemüter.
Deswegen ein Hoch auf Gina-Lisa, ein Hoch auf alle Menschen, die Spaß haben und ein Hoch auf alle unmöglichen fellbesetzten Mäntel!

Gina-Lisa Symbolbild