Die Gene setzen sich immer durch

Das Kind, kaum seinen 18. Lebensmonat erreicht, plappert als habe es es rückwirkend für die Monate in denen es noch schwieg auf einen durchschnittlichen Wortgebrauch von 200.000 Wörter am Tag zu bringen.
Es beweist dabei oft Humor.

Vorfall 1:
Die Mutter mit dem Kopf in der Tiefkühltruhe wühlend, hat dem Kind für den Einkauf die verantwortungsvolle Aufgábe übertragen eine Packung Grissini festzuhalten.
Das Kind lässt die Packung fallen worauf ein junger Mann heraneilt um dem Kind den gefallenen Gegenstand wieder anzureichen.
Jüngling: Hier das hast Du verloren
Kind: Nein, ich werfen.

Vorfall 2:
Das Gitterbett wird von der Mutter in ein Kinderbett umgebaut.
Mutter: Da schau, liebes Kind. Ein neues Bettchen. Na, wer soll darin schlafen?
Kind: Mama.
Mutter: WAS? Und wo wirst Du schlafen?
Kind: Papa-Bett.

Morgenkonversation

Zu gerne würde ich mal live ins Gehirn meines Kindes schalten. Szenen der folgenden Art machen mich neugierig.
Morgens stehe ich mit dem Baby im Bad und fädle mir als Krönung meiner Verschönerungsmaßnahmen Ohrringe an die perforierten Ohrläppchen.
Das Kind ist begeistert und deutet auf selbige.
„Ohrringe“, sage ich.
„EITER“, wiederholt das Kind
„OHRRINGE“, sage ich langsam und deutlich.
„Eiter“, flötet das Kind nickend.
„Ohrringe, mein Kind, OHR-ringe“
„Ei-ter“, wissend schaut es mich an.
Ist das nicht wunderbar? Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Realität und Wahrnehmung so weit voneinander entfernt sind. Wenn Eiter ganz genau wie Ohrringe klingt, wie mag es sich mit dem Rest verhalten?
Alles ist immer so, wie man es möchte. Die Welt voller Wunder und freundlicher Riesen. Man äße nur, was einem schmeckt und es gäbe jemanden, der darauf besteht, dass man mindestens 16 Stunden Schlaf bekommt. Das Paradies!
Eigentlich müsste man überglücklich heranwachsen und doch wird genau jenes Kind mich eines Tages anschreien, ich habe von nichts eine Ahnung, verstünde es nicht, sei böse und gemein, die Tür zuknallen und durch die Wand schreien: Ich hasse Dich!
Doch bis dahin sind es gut dreizehn Jahre und solange rufen wir uns noch mit lachenden Gesichtern die Worte Eiter-Ohrringe zu.

Das dritte Wort

Mal ehrlich, dass ein Kind ziemlich wahrscheinlich zuerst Mama und dann Papa sagen wird, ist nicht wirklich aufregend. Das eigentlich interessante Wort im Spracherwerb der Kinder ist doch das dritte Wort.
Anfangs konnte sich unser Baby nicht entscheiden und hat, großen Fastfoodketten nachahmend, einfach Wortwochen eingeführt.
Alles begann mit Mambo!.
Freund der Familie: Na, Du kleines Häschen?
Baby: Mambo!
Freund der Familie: Wie geht’s Dir denn?
Baby: Mambo!
Dann sagte es Naknak (Zweifelsohne ein Filmzitat aus Mars attacks!)
Darauf folgte das Sommerloch und endete eines morgens ganz überraschend, als das Kind mich ernst ansah und äußerte: Mama, Aquähhh-dukt.
Da war ich natürlich sehr stolz. Denn die anderen Kinder sagen banales wie Dudu für Auto oder ein unvollständiges Ba für Ball.
Auch die Großeltern waren hoch erfreut, als das Baby eifrig Aquädukt ins Telefon flötete. Hatte sich doch das ganze Geld, das sie in die Ausbildung der eigenen Kinder investiert hatten, gelohnt.
Wahrscheinlich wegen des überschwänglichen Lobs blieb das Kind zwei Wochen bei Aquädukt und kam dann in die Pubertät. So interpretiere ich das jedenfalls, denn nichts anderes als ein Aufbäumen gegen die verspießten Akademikereltern kann es gewesen sein, als es fortan nur noch KACKE! schrie.
In den eigenen vier Wänden, mag ein immerfort krakeelendes Kacke-Kind nicht peinlich auffallen. Ganz anders wenn man in der S-Bahn fährt.
Mama: Schau da, liebes Baby, das Reichstagsgebäude, seit 1999 Sitz des Deutschen Bundestages, vormals Tagungsort der Reichstage des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Seit 1994 findet dort alle fünf Jahre die Bundesversammlung zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten statt und seit 1999 ist es Sitz des [..].
Baby: Kacke! Kacke! Kackääääää! KACKKACKKACKÄÄÄÄääääääähhh!

Das Kind ist jetzt 3 Jahre und sagt das böse Wort immer noch sehr gerne.
Man kann da nur von Glück sprechen, dass es uns nicht ganz so schlimm erging, wie Freunden. Dessen Zögling sagte nämlich aus unerfindlichen Gründen als drittes Wort Hitler.