WOP WOP WOPWOP

Hermann Ebbinghaus (1850 – 1909), Professor der Psychologie, gilt als Entdecker der Vergessenskurve. In seinem – zumindest unter PsychologiestudentInnen bekannten – Experiment ließ er Studenten sinnlose Silben, d.h. beliebige Konsonant-Vokal-Konsonant-Kombinationen auswendig lernen, um so Aufschluss über das Fassungsvermögen des Kurzzeitgedächtnis zu erhalten.
Das war seinerzeit revolutionär. Denn die anderen Psychologen (Freud und seine Gefolgschaft) behaupteten einfach Dinge und wären nie auf die Idee gekommen, Thesen durch einen experimentellen Aufbau zu beweisen.

Ich denke, es ist kein Zufall, dass der einzige Sohn einer Diplom-Psychologin, den ich kenne, über hundert Jahre später eines Abends die Idee hatte, eine ganze Reihe sinnloser Silben auswendig zu lernen.

Nadje-nen ta-saro un ingan djoggin‘ yodja
Koppí handjane yo-yur-ane pumkio i-nen yodja
Bamí oomio shim-djang itü gauo djinen yodja
Güron-ban john ihnen yodja

Nach nur 297 Wiederholungen konnte er diese Passage fehlerfrei reproduzieren. Die Silben hatte er aus einem koreanischen Lied transkribiert, das in den letzten Monaten unerwartet weltweit Bekanntheit erlangte. Es handelt sich um den K-Pop-Song „Gangnam Style“ eines südkoreanischen Millionärsohns mit dem Künstlernamen Psy (Der Name kann ebenfalls keine Koninzidenz sein!). Das Video, welches im Juli auf Youtube eingestellt wurde, ging bereits zwei Monate später als das Video mit den meisten Likes in der Geschichte des Videoportals in das Guinness-Buch der Rekorde ein. Der unfassbare Erfolg ist u.a. auf einen Tweet von Katy Perry zurückzuführen.

[blackbirdpie url=“http://twitter.com/katyperry/status/237841455782182912″]

Jedenfalls schaffte das Video den Sprung so in die USA und verbreitete sich von dort aus weltweit. Es handelt von dem Stadtteil Gangnam in Seoul. Gangnam ist die wohlhabendste Gegend in ganz Südkorea. Wer etwas auf sich hält und es sich leisten kann – wohnt dort. Der Song ist eine Parodie auf die Lebensweise in diesem Millionärsbezirk bzw. er kritisiert die sich rasant weiterentwickelnde Marktwirtschaft in Südkorea und das Auseinanderdriften von Arm und Reich*.

Zurück zu meinem Psychologinnensohnfreund. Es ist nämlich so, dass er in einer Band „singt“. Um das „singt“ in Anführungszeichen zu erläutern, muss ich noch etwas ausholen. Ich bin völlig unmusikalisch. Eigentlich noch mehr – wenn es ein Pendant zu Dyskalkulie und Legasthenie im Musikbereich – also Dysmusikalie – gibt, dann leide ich darunter. Ich kann nicht singen, ich kann keine Melodien erkennen, habe keine Ahnung von Rhythmus und wenn mal einer den Text beim Singen vergisst – ich höre das nicht. Bei Sendungen wie The Voice of Germany (die ich selbstverständlich nur zu Forschungszwecken ansehe), bin ich jedes Mal erstaunt, wenn ein Jurymitglied so etwas sagt wie „Ich habe mich nicht rumgedreht, weil du den Text vergessen hast und du dann auch total rausgekommen bist…“ ICH höre sowas nicht. Nie.

Ob jemand also gut oder schlecht singt, ich bin bestimmt nicht die Richtige das zu beurteilen. Jetzt ist es bei meinem Freund so, dass er ein bißchen singt und hier dingens E-Gitarre spielt (was ich aus den Stücken auch nicht raushören kann) und das hat er mir mal erzählt. Wann immer er mir ein Musikstück als Beispiel zugeschickt hat, ich war WIRKLICH hochmotiviert es zu hören. Bislang habe ich es nie länger als 10 Sekunden ausgehalten. Denn wenn ich schon kein Ohr für die weichen Töne und die zarten Emotionen in der Musik habe, bei dieser Art von Musik (Metal) höre ich nur WaaaahhhhhhhhHHHHAAAA RAAAAHHHHHWWWHHHHHH GRRAAAHHHH wwaaahhhhh.

Ich freue mich deswegen sehr, dass er jetzt mit seiner Band einen Song gemacht hat, den ich von Sekunde eins bis zum Ende durchhören kann. Sogar mehrere Male. Es ist nämlich eine etwas flottere Version des oben beschriebenen Gangnam Style.

Ohrwürmer bekommt man übrigens nur weg, wenn man das Fragment, das sich in Gedanken immer wieder wiederholt, vervollständigt. Deswegen für alle zum Mitsingen der Refrain:

Oppan Kangnam Style
Kangnam Style

Arümdäwoo sarangse rowo
Küre no (hey) Kürebaro no (hey)

Arümdäwoo sarangse rowo
Küre no (hey) Kürebaro no (hey)
Tschiküm b’ta rente kaji kabul-kä-kä-kä-kä

[zum Video mit Untertiteln (!)]

Ziel der Band ist es übrigens, dass das Video seinen Weg zu Psy zurück findet. Wer es unter dem Hashtag #opening4psy teilt, trägt dazu bei. Meine Lieblingsszene ist übrigens die Aufzugszene.

Wer immer noch nicht genug sinnlose Silben gehört und gelernt hat, der möge doch bitte die Namen der 22 Unterbezirke von Gangnam auswendig lernen und mir zur re:publica 2013 vortragen:

Apgujeong-dong
Cheongdam-dong
Daechi 1-dong
Daechi 2-dong
Daechi 4-dong
Dogok 1-dong
Dogok 2-dong
Gaepo 1-dong
Gaepo 2-dong
Gaepo 4-dong
Irwon 1-dong
Irwon 2-dong
Irwon bon-dong
Nonhyeon 1-dong
Nonhyeon 2-dong
Samseong 1-dong
Samseong 2-dong
Segok-dong
Sinsa-dong
Suseo-dong
Yeoksam 1-dong
Yeoksam 2-dong

*alle Angaben wie immer frei erfunden
**Rein interessehalber: Liest hier jemand mit, der koreanisch kann? Kann man verstehen, was gesungen wird?