W3r Leet v3rst3h3n kann, mu55 5ich v0m G3nd3r5t3rnch3n n1ch7 fürch73n

Liebe „das-stört-den-Lesefluss“-Menschen,
bei normaler Intelligenzausbildung stört es den Lesefluss nicht, wenn man z.B. Lehrer*innen schreibt. Auch nicht wenn man Lehrer_innen oder LehrerInnen schreibt. Und ja, seit einiger Zeit lassen sich sogar Computer nicht mehr von geschlechtergerechter Sprache verwirren, denn es gibt auch die Schreibweise Lehrerïnnen, die den Lesefluss nicht stört.

Wie dem auch sei. Diese „das-stört-den-Lesefluss“-Argumentation ist wirklich dermaßen armselig, ich kann sie nicht mehr hören. Gendern ist schon sehr, sehr anstrengend und warum etwas ändern, wenn es doch schon immer so war und jetzt plötzlich ihhh Anpassung?

Dieses Argument ist doch v.a. in Deutschland der größte Hohn überhaupt, denn wo ist der Socialmediashitstorm wenn es um die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, die Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung oder schnöde um die Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwe geht? Tapfer ertragen Jurist*innen und Verwaltungsangestellte diese Worte und setzen schweigend einen Stempel hinter die Straßenentwässerungsinvestitionskostenschuldendienstumlage.

Und was sollen erst die Einwohner*innen von Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch sagen? Wären alle Texte voll mit diesen Ausdrücken, ich würde es ja verstehen, wenn man davon spricht, dass der Lesefluss gestört wird.

Oder würde man statt „*“, „_“, „I“ und „ï“ ausschließlich „drblschnklbrrpffft“ nutzen… ich könnte das Gejammer nachvollziehen. Stellt euch mal vor, jemand möchte, dass ein Text schnell erfasst wird, der so aussieht und dann natürlich viel länger ist:

„Die Software wurde für Managerdrblschnklbrrpffft und Geschäftsführerdrblschnklbrrpffft von großen Unternehmen (>300 Mitarbeiterdrblschnklbrrpffft) entwickelt und ist besonders für Anfängerdrblschnklbrrpffft geeignet. Jederdrblschnklbrrpffft, derdrblschnklbrrpffft die Software zum ersten mal nutzt, wird positiv überrascht sein. Bei Problemen steht außerdem eine Hotline mit erfahrenen Technikerdrblschnklbrrpffft 24/7 bereit.“

Also ja okay „drblschnklbrrpffft“ stört zunächst tatsächlich ein bisschen den Lesefluss – aber Dank der Lernfähigkeit des Gehirns, würde selbst das nach einiger Zeit gelingen. Man muss es halt nur wollen. Es mangelt also ganz sicher nicht am können. Ich würde sogar behaupten, dass die selben Menschen, die es für nicht umsetzbar halten Mitarbeiter*innen zu schreiben oder in einem Text zu verstehen, Spaß daran haben Texte, die in Leet geschrieben sind, zu entschlüsseln. Da würden sie sich innerlich auf die Schulter klopfen und sagen: Oh, was bin ich schlau! Ich hab mich ein bisschen bemüht und dann hab ich den T3xt gl21ch verst4nden! 0hn3 Pr0bl3m3 s0g4r.

Hinderlich ist lediglich das ideologische Brett vor dem Kopf, wenn es um gendergerechte Sprache geht.

194 Gedanken zu „W3r Leet v3rst3h3n kann, mu55 5ich v0m G3nd3r5t3rnch3n n1ch7 fürch73n“

  1. War es nicht sinn, der Genderisierung das Bewusstsein für alle Geschlechter zu schaffen?
    Wird dadurch das es den Lesefluss nicht stört, nicht diese Bewusstwerdung verringert?

  2. Die schlechtere Lesbarkeit ist ein schwaches Argument, aber ich lehne es aus anderen Gründen ab:

    1. Für mich ist das Gendersternchen (und auch die anderen Varianten) ein trauriges Symbol für den Niedergang des linken Spektrums. Stritt man früher höchst erfolgreich für die Belange der breiten Bevölkerung (man denke nur z.B. an den Zugang zur höheren Bildung für viele ab Ende der 60iger Jahre und auch an viele Errungenschaften des damaligen Feminismus), ist man heute entweder zum schlimmsten Feind der Arbeiter und Angestellten mutiert (SPD) oder hat sich naserümpfend in die Soja Latte Macchiato Elfenbeintürme wie den Prenzlauer Berg zurückgezogen (Grüne), wo es ungefähr so divers zugeht wie in einem Ku Klux Klan Chapter. Oder man zerreibt sich im intersektionalen Sektierertum wie „Die Linke“. Anstatt also reale soziale Politik für die vielen einfachen Menschen im Lande zu betreiben, symbolisiert man moralische Überlegenheit und Tugendhaftigkeit mit dem Sternchen für eine verschwindend kleine Minderheit, die man überdies nie gefragt hat. Man zeigt Haltung also nur da, wo sie nichts kostet.

    2. Des Weiteren mißbraucht man das Gendersternchen, um sich Leistungen anderer anzueigenen. Jetzt z.B. in der Corona-Krise tauchte plötzlich der überaus wertvolle Beitrag der LKW Fahrer*innen auf (über 98% Männer), obwohl man sich sonst einen Scheißdreck für die Sorgen und Nöte dieses fußballguckenden, Biersaufenden, fleischfressenden, Pornos guckenden und Schwulenwitze erzählenden Pöbels interessiert (für die Belange ihrer Frauen übrigens auch nicht).

    3. Es werden meistens nur schöne und positve Worte gegendert wie z.B. Professor*innen. Bei Nazis, Wutbürgern, Impfgegnern, Trumpfans, Putin-Trollen, Vergewaltigern, Verbrechern usw. darf der weibliche Anteil gerne weiter unsichtbar bleiben.

    4. Eine zusätzliche Verkomplizierung der ohnehin schon schweren deutschen Sprache (Beispiele führst du ja selbst auf) erschwert Menschen den Zugang, die aus welchen Gründen auch immer die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen. Dieser Sprach- und Schreibcode dient außerdem als Kennzeichen eines elitären, akademischen Großstadtmillieus, dass gerne unter sich bleibt und alle anderen exkludiert. Gut beschrieben hat das Didier Eribon in „Rückkehr nach Reims“.

    5. Faszinierend ist auch die Geschichte dieses „Problems“: Kein Mensch wäre früher auf die Idee gekommen, dass bei Worten wie Belegschaft, Studenten oder Bürgern irgendwer nicht mitgemeint sein könnte. Denn witzigerweise kennt die deutsche Grammatik ursprünglich nur eine neutrale Form (das generische Maskulinum) und eine exklusiv weibliche Form, aber keine exklusiv männliche Form. Es als Feministinnen darauf bestanden, das bei allen schönen und guten Wörtern / Tätigkeiten die exklusiv weibliche Form mitgenannt werden muß, wandelte sich das neutrale generische Maskulinum in eine exklusiv männliche Form. Und erst jetzt waren alle Menschen exkludiert, die sich nicht fest im Mann / Frau Schema verortet sehen.

    1. Komisch, ich lese nur:
      Vielen Dank für Ihren Vortrag, ich habe eine Frage, also eigentlich mehrere, also eigentlich sind es keine Fragen, sondern mehr Anmerkungen. Mein Hauptkritikpunkt ist, dass der Vortrag nicht von mir handelt….

    2. Ganz besonderen Dank für den 5. Punkt! „… Es als Feministinnen darauf bestanden, das bei allen schönen und guten Wörtern / Tätigkeiten die exklusiv weibliche Form mitgenannt werden muß, wandelte sich das neutrale generische Maskulinum in eine exklusiv männliche Form.“ Besonders: „Und erst jetzt waren alle Menschen exkludiert…“
      Interessant fände ich nun eine Berechnung der Kosten für den Steuerzahler seit dieser Zeit (und gegenübergestellt, wem es was gebracht hat).

  3. Hab grade einen Kommentar (woanders) gelesen, der besagte: Lasst doch einfach immer die weibliche Form nehmen – die männliche steckt da ja meist eh vollständig drin: Lehrerin hat den Lehrer dabei…. Ergo seien das Problem die Männer, die nochmals betont separat genannt werden wollen, obwohl sie ja integrativ drin sind – und „mitgemeint“ (Frauen kennen das….).

  4. Ich finde die amerikanische Variante einfach immer die weibliche Form zu nehmen deutlich am einfachsten.
    Wenn das nicht gewünscht ist, ist mir die Schreibweise relativ egal und ich gehe konform mit der Aussage im Text.

    In behördlichen Texten wird jedoch auch oft die Form „Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter“ benutzt. Und das durchgehend, das finde ich dann schon sehr störend.

    My 2 cents

  5. Im Übrigen fühlte ich mich in meinem Lesefluss durchaus gestört. 2015. Als mir die ersten Gendersternchen begegneten. Nach 5 Jahren hab ich mich mittlerweile dran gewöhnt. Menschen sind flexibel und können sich an neue Gegebenheiten anpassen. Okay, die meisten Menschen…


  6. Möchte an dieser Stelle gerne den Kommentatorenkollege Thomas (siehe unten) zitieren:


    _ und * sind Sonderzeichen die beim Lesen den Eindruck von Satzzeichen erwecken und dadurch eben den Lesefluss – zumindest meinen – stören. Daher haben sie für mich dort auch nichts zu suchen.

    Die einzig sinnvolle/lesbare Schreibweise bleibt für mich alleine das Binnen-I.

    Ich sehe das genauso. Ein Sternchen markiert eine Anmerkung, oft eine Fußnote. Es hat mitten in einem Wort nichts verloren.
    Unterstrich und Sternchen lehne ich daher ab.
    Das Doppel-tüpfelchen-i (so schön es aussieht) mag ich ebenfalls nicht, es sei denn es wird in die Standard-Layouts für Tastaturen und die offizielle deutsche Rechtschreibung eingebaut.

    Mit dem Binnen-I hingegen kann ich mich anfreunden, es stört den Lesefluss nicht und unterbricht nicht das Wort. Ich benutze es selbst zuweilen, aber im Normalfall schreibe ich einfach Dinge wie „Lehrerinnen und Lehrer“, „Schülerinnen und Schüler“, „Studentinnen und Studenten“, „Polizistinnen und Polizisten“, „Juristinnen und Juristen“ etc. die zwei Worte mehr sind zumutbar und auch wenn der Text minimal länger ist fließt er weiterhin gut.

    Und nebenbei: Leetspeak stört _selbstverständlich_ den Lesefluss! Nur weil etwas anderes den Lesefluss auch stört heißt aber nicht, dass es beim gendern OK ist. Und selbst umgekehrt gilt das. Nur weil etwas anderes (im übrigen verlgeichsweise seltenes) den Lesefluss auch stört muss man noch lange nicht etwas weiteres den Lesefluss störendes hinzufügen.

    Und nebenbei:
    Muss das hier sein?:
    „bei normaler Intelligenzausbildung stört es den Lesefluss nicht, wenn man z.B. Lehrer*innen schreibt“
    Also ohne Quelle für die Aussage, sonst klingt es einfach nur wie eine Beleidigung á la „Wenn’s Dich stört bist Du halt dumm.“

    Gruß
    Aginor

  7. _ und * sind Sonderzeichen die beim Lesen den Eindruck von Satzzeichen erwecken und dadurch eben den Lesefluss – zumindest meinen – stören. Daher haben sie für mich dort auch nichts zu suchen.

    Die einzig sinnvolle/lesbare Schreibweise bleibt für mich alleine das Binnen-I.

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