Wortwürmer

Gelegentlich begleiten mich Wortwürmer. Das sind sowas wie Ohrwürmer, nur dass sie aus einem Wort oder einer einzigen Formulierung bestehen. Wie sie in meinen Kopf kommen? Keine Ahnung. Wie sie wieder weg gehen? Keinen Schimmer.

Fakt ist: Sie erscheinen einfach und dann muss ich über sie nachdenken.

So z.B. heute Morgen die Formulierung „schlecht gebumste Feministin“.

Da kann ich wenigstens noch halbwegs den aktuellen Ursprung nachvollziehen. Auf Twitter ging es nämlich mal wieder um Manspreading. Irgendwer postet ein Bild von einem Mann, der 1,75 Sitzplätze einnehmen muss, weil er offenbar ein so stattliches Gemächt hat, dass eine geschlossene und somit platzschonende Sitzhaltung nicht in Frage kommt.

Die Diskussion darum, ob Manspreading eine unvermeidbare anatomische Gegebenheit ist oder nicht, möchte ich mir an dieser Stelle ersparen. Meine persönliche Reaktion auf Manspreading ist: Mich neben die Person setzen und Womanspreaden. Knie an Knie. Lächelnd natürlich.

Tweet des Tages hierzu:

Nun.

Wie komme ich denn nun von Meanspreading auf die schlecht gebumste Feministin? Ganz einfach: Über eine Instastory von Journelle.* Sie zitiert dort nämlich Frauen, die andere Frauen kritisieren, weil diese beinspreizende Männer kritisieren.

Über 7.000 Likes für einen Tweet, in dem zumindest das Wort ungebumst fällt. Mein Hirn hat sich dann noch das Wort Feministin aus einem ähnlich hochintellektuellen Tweet geholt.

Soweit, so interessant.

So kam jedenfalls die Formulierung „schlecht gebumste Feministin“ (Vorstufe von total ungebumst) in meinen Kopf.

Ich frage mich nun, was diese Wortkombination impliziert.

Zunächst geht es natürlich um Attraktivität. Wer attraktiv ist, wird gebumst. Wer unattraktiv ist (klassisch: die bein- und achselhaartragende Feministin!), wird nicht gebumst.

Nicht gebumst werden macht offenbar frustriert und aggressiv. Nur aggressive Frauen kommen auf die verquere Idee Feministin zu werden. Klar.

Es geht aber auch auf jeden Fall um das Gebumstwerden – passiv also.

Denn: Wer aktiv bumst oder zu viel bumst, ist nach gesellschaftlichen Standards natürlich eine Schlampe.

Wenn nun eine Frau feststellt, dass sie gar nicht gebumst sein möchte, dann geschieht das natürlich unter den Feministinnen aus Männerhass. Denn in diesen geistigen Sphären ist Feminismus = Männerhass. Und wer Männer hasst, der kann, eine Stufe weiter gedacht, dann nur etwas noch schrecklicheres als feministisch sein nämlich lesbisch.

Ein wilder gedanklicher Ritt.

Zudem finde ich, dass das Unbumst-sein auch irgendwie mitschwingen lässt, dass das Gebumst-sein, einen (bzw. frau) zu einem besseren Menschen machen würde. D.h. durch das Gebumstwerden kann man sich aufwerten! Toll!

Toll und kompliziert. Denn: Der Wert der Frau bemisst sich in dieser Formulierung nach ihrer Attraktivität. Wer nicht attraktiv genug ist, wird nicht gebumst, wer nicht gebumst ist, wird frustriert, wer frustriert ist, wird Feministin und damit zu einem Männerproblem.

Neben der ungebumsten Feministin, gibt es übrigens auch die schlecht gebumste Feministin (wahlweise Fregatte, da ist die Abwertung in Sachen Äußerlichkeit gleich inkludiert). Was natürlich die Frage in den Raum stellt: Wer ist denn für das schlecht Gebumst-sein verantwortlich? Dürfte man aktiv bumsen (was wegen des Schlampenrisikos nicht geht), könnte man ja noch mutmaßen, dass man bzw. frau zu mindestens 50% schuld ist, wenn sie schlecht (ge)bumst ist. Da man aber passiv gebumst wird, ist doch eigentlich der Mann Schuld, oder?

Sehr, sehr vertrackt diese Beleidigung. Was ist eigentlich schlecht gebumst?

Wenn man es sehr einfach hält, würde ich denken, dass es irgendwie um Orgasmuslosigkeit geht?

Jetzt mag die/der geneigte Leser/in protestieren, dass sich die Qualität von Sex nicht ausschließlich am Orgasmus festmacht. Ich würde dem entgegenen: Naja, ein Orgasmus ist eine Art Sicherung des Grundstandards. Ich glaube, Frauen wird schon sehr früh beigebracht, dass Sex mit einem Mann auch ohne Orgasmus total OK ist. Komischerweise wird das Männern nicht gleichermaßen beigebracht. Lesen Sie hierzu vertiefend zum Orgasmus-Gap: „95 Prozent der Männer, 86 Prozent der lesbischen Frauen, aber nur 65 Prozent der heterosexuellen Frauen kommen beim Sex zum Orgasmus.

Mein Lieblingscomic hierzu:

Quelle: Liv Strömquist – Der Ursprung der Welt

Jedenfalls beleidigt sich ein Mann, der die Formulierung schlecht gebumst benutzt, irgendwie selbst (also stellvertretend für „die“ Männer), oder? Ah. Oder es geht darum, dass man von Männern grundsätzlich nur gut gebumst sein kann und dass eine Frau, die schlecht gebumst ist, im Umkehrschluss nicht von einem Mann gebumst sein kann, also nicht heterosexuell sein kann? Dann wären wir ja wieder bei der These weiter oben?

Keine Ahnung. Ich hoffe nur, dass mich mein Wortwurm dazu bald verlässt. Als feministische Fregatte muss ich mir ums Gebumstsein eh keine Sorgen machen.

Auch als Feministin freue ich mich weiterhin über (Kaffee)spenden entgegen.

*Die Instastorys von Journelle haben hohen Unterhaltungs- und Erkenntniswert. Ich  wünschte, sie wären unvergänglich.

50 Gedanken zu „Wortwürmer“

  1. Na toll! Da holt ausgerechnet eine Frau das uralte ranzige Vorurteil von der schlecht gelaunten, weil hässlichen und untervögelten Feministin raus.

    Mein zwei Cents dazu:

    – Wer sagt, dass Frauen nicht aktiv beim Sex sein dürfen (finden Männer meistens toll)?
    -Wer erwartet, dass Frauen nicht auch wechselnde Partner haben dürfen? (Außer irgendwelchen reaktionären Idioten, gerne aus der religiösen Ecke)
    -Wer behauptet, dass gleichgeschlechtlicher Sex nicht erfüllend sein kann? Und wenn es da Vorurteile und Ablehnung gibt, richtet sie sich fast ausschließlich gegen homosexuelle Männer
    – und ja, es gibt nicht gerade wenige Sex – negative Feministinnen, deren Haltung unangenehm an das viktorianische Zeitalter erinnert.

    Zum Thema „Manspreading“: Das hat nicht nur mit den primären Geschlechtsorganen zu tun, sondern liegt auch am anders geformten Becken. Es ist einem Mann schlicht nicht möglich, ohne Anspannung einiger Beinmuskeln mit geschlossenen Beinen zu sitzen. Abgesehen davon brauchen die Hoden eine tendenziell etwas kühlere Temperatur als der restliche Körper und beengte Verhältnisse schaden den Spermien. Das heißt natürlich nicht, dass Mann sich bräsig über zwei Sitze fläzen muss.

  2. Ein paar Bemerkungen dazu:

    – frigide Fregatte finde ich eine tolle Alliteration. Gebe zu ich musste schmunzeln

    – Und Fregatte ist doch was tolles, oder? Ich als Fan der Militärtechnik denke bei „Fregatte“ an ein majestätisches Kriegsschiff wie die Fregatte Jylland in Kopenhagen, 71m lang!

    – ich glaube Du interpretierst da ein bisschen viel rein. Ich meine: ja, ich kann der Argumentation größtenteils folgen, nur den gedanklichen Sprung von „ungebumst“ bzw. „schlecht gebumst“ zu Homosexualität finde ich etwas gewagt für die doch recht simple Gedankenwelt von jemandem der solche Sprüche bringt. Für viel ist es – vermute ich – einfach nur die Annahme Frauen seien (wie Männer) frustriert und schlechter gelaunt wenn sie eine Weile keinen Sex hatten. Ob man das – bei Männern wie Frauen – so vereinfacht sagen kann, das sei mal dahingestellt.

    – Beim Begriff „Manspreading“ stört mich dass es schon wieder ein Kampfbegriff ist, der – IMO ohne guten Grund – spezifisch nur Männer (und gefühlt verallgemeinernd alle Männer) betrifft. Sich wie ein Arschloch auszubreiten ist keine Eigenschaft, die einen nur an Männern stören sollte. Warum nicht nur „spreading“? Genauso wie beim „Mansplaining“. Warum ist jemanden herablassend zu belehren nur bei Männern so zu beanstanden dass es dafür einen eigenen Begriff braucht? Das was das hinzugefügte „Man“ erzeugt ist dass Männer schon gleich abwinken, und den Rest der Nachricht ignorieren können. Es erstickt jegliche Diskussion im Keim, außer bei denen die sowieso schon zur Zielgruppe gehören. OK wenn man sowieso vor dem Chor predigt, aber ansonsten eher kontraproduktiv. Es ist für mich sowohl unverständlich als auch traurig, dass man sich und seiner Sache selbst solche Steine in den Weg legt. Feminismus (und darüberhinausgehende Gleichstellung) sind wichtige Anliegen, solche Rückschläge finde ich einfach traurig.

    – zum ausbreiten selbst eine kleine Anekdote aus meiner Schulzeit: Ich saß mal auf der Rückbank eines Autos neben zwei anderen Jungs, und ich saß links außen an die Tür gequetscht auf ca. 35cm Breite, die anderen beiden hatten sich ausgebreitet. Irgendwann fragte der neben mir: „Sag mal, wie sitzt Du denn da? Hast Du keine Eier oder was?“ Ich so *rolleyes*.
    Klar will man sich nicht gerade die Hoden quetschen, und ja, für Männer ist eng zu sitzen wohl etwas unangenehmer als für Frauen. Aber egal wie dick die Eier sind (ungebumst? :D ), 55-60cm oder so reichen für den Großteil der Bevölkerung üppig. Und das ist sowieso keine gute Ausrede, denn die Beine kann man auch bei Bedarf und Sitzhaltung über, oder unter dem Skrotum zusammenführen. Dann kann man schmaler sitzen, ganz ohne Schmerzen. Ein Mann sollte mit seiner Hardware eben umgehen können, aber daran scheitern wohl einige.

    Gruß
    Aginor

  3. OK, Theorie: Männer, die nicht manspreaden, bumsen schlecht. Weil sie sich ja die Kronjuwelen so abquetschen.
    Und wenn Feministinnen gegen Manspreading sind, verursachen sie mehr Schlechtbumser, ergo mehr Schlechtgebumste, ergo MEHR FEMINISTINNEN!?
    Verschwörung!!!

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