Zugreise ohne Kind

Ruheabteile sind das schlimmste, der wo es geben tut auf der Welt.

Vergangene Woche bin ich das erste Mal seit Geburt meiner Kinder wieder alleine Zug gefahren. Es war grauenhaft. Ich mache das nie mehr. Ich habe in der kinderlosen Welt nicht mehr zu suchen. Auch wenn in meinem Zeugnis der ersten Klasse steht, ich sei schwatzhaft, so bin ich tatsächlich ein eher zurückhaltender Mensch. Nicht dass jemand denkt, dass ich andauernd plappern muss. Im Gegenteil. Aber das?

Die beiden Businessroboter, die das Abteil mit mir geteilt haben, waren absolut geräuschlos. Sie redeten nicht. Sie bewegten sich nicht. Ich habe sie lange angestarrt, ich glaube, sie haben nicht mal geatmet. Erst wollte ich ein Buch lesen, aber das Umblättern der Seiten war ungefähr so laut als wenn jemand während einer Gehirn-OP jodeln würde. Ich legte das Buch also weg und versuchte ganz, ganz leise zu sein. Allerdings klang das Aufeinandertreffen meiner Wimpern beim Blinzeln schon wie das Geräusch, das man kennt, wenn Müllautos die Mülltonnen nachrütteln um sie vollständig zu leeren. Nach drei Stunden knurrte mein Magen so laut, dass es mir peinlich wurde.

Ich entschloss mich mein mitgebrachtes Thunfischsandwich zu essen. Geräuschetechnisch sowas wie die Posaunen, die die Mauern Jericho zum Einfallen gebracht haben. Geruchstechnisch zugegebenermaßen auch ein wenig aufdringlich. Aber ich musste ja was gegen das Knurren unternehmen.  Die beiden Mitreisenden schauten mich total genervt an. Da ist es mit mir durchgegangen. Ich habe dem Druck nicht standhalten können.

In einer reflexhaften Bewegung entlud sich meine ganze innere Spannung, was zur Folge hatte, dass ich mein Thunfischbrötchen versehentlich im hohen Bogen durch das Abteil warf. Einzelne Salatblätter und Reste von Mayonnaise landeten auf dem Fenster. Das sah natürlich alles andere als appetitlich aus. Als ich wieder Herr über meine Bewegungen wurde, sollte ich das Missgeschick natürlich bereinigen und nahm einen großen Schluck von meinem Kaltgetränk, presste die Lippen aufeinander und zersprühte es an der Scheibe, um sie anschließend aufwändig zu polieren.

Meine Mitreisenden hatten sich in der Zwischenzeit bewegt und schauten mich verhältnismäßig erstaunt an. Auf die Frage, ob ich ihre Seite vielleicht auch säubern sollte, reagierten sie allerdings nicht. Es gibt schon seltsame Leute…

6 Gedanken zu „Zugreise ohne Kind“

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