Die Hackfleischbesprechungen, Teil 10

Ihr habt nur sieben Jahre gewartet. Jetzt ist er da, der 10. Teil der #Hackfleischbesprechungen. Ihr erinnert euch?

Es gibt viele missachtete Kunstformen. Einer möchte ich in meinem Blog angemessen huldigen: Fotos von Hackfleisch in Werbeprospekten. 2008 habe ich mit dieser Serie angefangen, aber dann gingen mir die Darstellungen von Hackfleisch in Werbeprospekten aus. Ich hatte alles gedeutet, was es zu deuten gab. Jahrelang wurde Hackfleisch nicht neu inszeniert. Jetzt endlich fiel mir neues Material in die Hand. Sehr interessant und aufschlussreich der Vergleich 2008 zu heute:

Wir beginnen mit

Teil 10

REICHELT, „Premios“ Hackfleisch gemischt, zum Braten, SB verpackt

Die Supermarktkette Reichelt präsentiert das Hackfleisch auf den ersten Blick etwas chaotisch. Rind und Schwein gemischt, frisch aus dem Fleischwolf, etwas in Form gebracht, sieben Stängel Schnittlauch scheinbar zufällig auf der oberen Seite des Hackfleischquaders fallen gelassen. Erst wenn man näher an das Bild heranrückt, sieht man ganz rechts im Bild einige in Würfel geschnittene Zwiebeln. Sie fallen kaum auf. Was aber auffällt, statt der gewöhnlichen Weißzwiebel hat man sich für die mildere, rote Variante entschieden. Ganz vorne im Bild ein einziges Minzblättchen. Zweifelsohne eine leise Referenz zu dem Fressgelage von Monty Pythons „The Meaning of Life“ (Triggerwarnung für den Link). Eine 500 Gramm Packung, so wird angedeutet, die ist so gerade noch alleine zu verspeisen. Mehr sollte es nicht werden, wenn man nicht wie der werte Herr in „The Meaning of Life“ enden möchte.

Und da kommen wir schon zum Clou der Hackfleischinszenierung! Bei der Betrachtung des Bildes entsteht im Inneren eine leichte Spannung und man weiß sie erst zu deuten, wenn man den Blick nach links oben lenkt. Fast unbemerkt wird dort der ehemals freie, etwas unsortierte Hackfleischquader, der das Hauptelement des Bildes zu sein scheint, in einer Plastikverpackung gebändigt – ja regelrecht eingesperrt. Hat sich der Blick erstmal festgesetzt am oberen SB verpackten Premios-Produkt, so möchte man wild werden. Die Verpackung von Hand aufreißen, das Hack befreien. Und kaum hat man diesen Gedanken angedacht, so spürt man regelrecht das Hack zwischen den Fingern. Weich, frei, zügellos und deutlich kälter als die eigene Hand, ganz so, wie wenn man Frikadellen knetet. Das befreite Hack möchte man wieder ablegen, so wie den ursprünglichen Hackquader. Friedlich auf eine zugegebenermaßen nicht ganz so hygienisch erscheinende Holzplatte, länglich, nach hinten unscharf verwischt, scheinbar ins Unendliche reichend.

Man muss schon sehr genau hinschauen, um zu verstehen was der Künstler hier zum Ausdruck bringen möchte. Das Minzblättchen weist die Spur. Der biblisch geschulte Blick weiß sofort: es geht um Völlerei! Es geht um die sechste der sieben Todsünden. Der rote Preis des Pfundes bestätigt das. Zwei Mal 2,99, das sind aufgerundet sechs (!) Euro. Und ist das erstmal klar, so ergibt auch der Schnittlauchbund plötzlich einen Sinn. Auch er weist den Weg mahnend gen Todsünden. Sieben Stängel! Sieben Todsünden! Grün und unschuldig erinnert der Kräuterbund: Mäßigt euch! Werdet Herr über euer ungezügeltes Leben! Bringt alles in Ordnung, grenzt euch ab gegenüber der Maßlosigkeit, bleibt dennoch transparent. Werdet einer SB Verpackung gleich! Widersteht dem Drang aus dieser züchtigen Form auszubrechen und euch wird am Ende die Unendlichkeit, die Freiheit zuteil.



 

Wenn ihr weitere Hackfleischinszenierungen kennt, sendet mir per Mail ein Foto an dienuf(@)gmail.com unter Angabe der Quelle und ich werde die tiefere Bedeutung des Bildes ergründen.

15 Gedanken zu „Die Hackfleischbesprechungen, Teil 10“

  1. Pingback: dasnuf
  2. Ich sitze mit einem sehr kleinen Baby zu Hause, stille quasi nonstop und wenn ich mal einen Moment damit aufhöre, bilden sich riesige Milchflecke auf meinem T-Shirt.
    Diese Hackfleischrezension hat meinen Tag gerettet!
    DANKE DAFÜR!

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