An Trennung denken, wie unromantisch

Ich habe einen Schrank, der ist zur einen Hälfte mit Fotos, zur anderen Hälfte mit alten Briefen gefüllt. Alle paar Jahre schaue ich mir den Inhalt an.  Gestern fiel mir auf, dass ich über die Jahrzehnte auf gut ein Duzend Hochzeiten eingeladen war. Ich hoffe, es gibt da keinen kausalen Zusammenhang, aber tatsächlich sind gut Dreiviertel dieser Ehen in der Zwischenzeit schon wieder geschieden.

Meine persönliche Stichprobe entspricht zum Glück nicht der allgemeinen Statistik – da werden „nur“ 1/3 aller Ehen geschieden. Wie die Trennungsstatistik bei unverheirateten Paaren ist, weiß ich nicht genau.

In Berlin sind die Partnerinnen aufgrund der guten und bezahlbaren Kinderbetreuungsmöglichkeiten nach der Geburt des ersten Kindes in der Regel relativ zügig wieder arbeiten gegangen. Ich kenne kaum Frauen, die drei oder mehr Jahre für ihr/e Kind/er zuhause geblieben sind. Ganz anders in der Gegend in Bayern, in der ich groß geworden bin: Da lief es meist ganz klassisch: Nach wenigen Jahren Beruf – oft auch direkt nach dem Studium wurde geheiratet, ein Haus gebaut und dann blieb die Frau die nächsten Jahre zuhause. Die Entscheidung zu diesem Familienmodell wird natürlich aus freien Stücken gewählt. So wird mir das berichtet. Die Paare finden das gut: Der Mann übernimmt die finanzielle Verantwortung und die Frau die für die Kinder. Das passt für den Moment ganz gut und wenn ich nach der Zukunft frage, dann heißt es: Das Haus wird dann abbezahlt sein und eine Grundsicherung bieten und die Rente des Mannes geteilt. Alles gut also. „Wir haben ohnehin nicht vor uns zu trennen.“, höre ich dann auch oft.

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Die Hochzeits-Nonmention oder „das 0 Gramm Geschenk“

Hochzeit = Irgendwas mit Liebe = Irgendwas mit Käse überbacken
Möge eure Beziehung immer mit Käse überbacken sein! Quelle: pixabay @ashyda

Wenn man nach mehr als neunzehn Jahren Beziehung heiratet, ist einem vielleicht gar nicht mehr klar, was Liebe und Romantik sind. Ich habe deswegen trotz des deutlich ausgesprochenen Hochzeitsgeschenkverbots einige Tweets ausgesucht, die hier Klarheit bringen können.

(Zumindest auf die Frage was „echte Liebe“ ist, liefert Twitter eine sehr eindeutige Antwort: Irgendwas mit Hummels und dem BVB.)

Alle anderen Interpretationen halten sich im folgenden Range auf:

Hochzeit
Käsekuchen für immer <3 Quelle: pixabay @Ymon

In diesem Sinne: möge euch die Pizza nie ausgehen, versteckt das Cetirizin und Mau-Mau! <3

Der Alleszusammenmach-Kult

Durch meine Twitter-Timeline geisterte neulich eine Konversation einiger Menschen, die sich darüber unterhielten, wie seltsam es sei, dass manche Paare alles zusammen machen wollten.
Ich war versucht gleich zu antworten, merkte dann aber, dass 140 Zeichen ganz sicher nicht ausreichen würden, das was ich dazu sagen wollte zum Ausdruck zu bringen.

Stellen Sie sich nun vor, wie ich im Kreise meiner Enkel mit besticktem Deckchen auf dem Schoß in einem elektrischen Schaukelstuhl sitze und von früher™ berichte.

„Früher™ habe ich nämlich auch so gedacht! Was soll dieser Pärchenquatsch. Alles zusammen machen. Die Hochzeit im Standesamt anmelden? Den Kita-Gutschein im Amt? Das Kind vom Kindergarten abholen? Ineffizienter geht es wohl kaum! Womöglich noch den raren Urlaub vergeuden?“

Und wenn ich daran denke, habe ich sofort das Bild vor Augen als ich alleine im Standesamt sitze, um einen Termin für unsere Hochzeit zu bekommen und die nötigen Dokumente vorzulegen. Das Zimmer voll mit Pärchen – nur ich sitze alleine da und verdrehe innerlich die Augen. So eine sinnlose Warterei, eine langweilige Formalität, warum sollen sich da beide frei nehmen? Ist das diese LIEBE von der alle reden? So rein Kitsch.

Auch Pärchen, die ihre Kinder gemeinsam bringen und abholen. Du meine Güte! Was für ein Orgastress – oder sind die beide arbeitslos?

Bei mir ging es immer nur um Effizienz. Zeit sparen! Aufgaben verteilen! Mehr ToDos in weniger Zeit! Haken dran, weiter, Haken dran, weiter! Neuen Punkt auf die ToDo-Liste! Jetzt aber flott. Wenn man den Weg anders plant und noch eine Stunde früher aufsteht, dann schafft man noch drei weitere Punkte. Das muss jetzt aber klappen. Kind mitgeschleppt, Stulle unterwegs reingezogen, Anschlusszug erwischt, schneller, mehr!

Mit Kindern dauert es dann meiner Erfahrung nach nicht lange und man sieht sich kaum noch. Elternteil 1 macht dies, Elternteil 2 macht jenes. Nie machen beide beides und schon gar nicht gleichzeitig!

Einer verlässt morgens das Haus extra früh, der andere versorgt die Kinder und bringt sie weg. Dann kann der erste sie abholen und der zweite länger arbeiten. Abends gibt man sich dann die Klinke in die Hand. Der erste geht vielleicht aus (oder zum Elternabend). Der zweite übernimmt die Kinder.

Ich habe immer gescherzt man solle sich keinen Partner suchen, den man liebt und mit dem man gerne Zeit verbringt, schließlich sieht man sich dann nicht mehr (wenn man Kinder hat, kann man sich ohne Babysitter nicht mal verabreden, um noch miteinander auszugehen).

(Sie erinnern sich? Ich bin die Oma im E-Schaukelstuhl. Ich fuchtele jetzt ein bisschen in der Luft rum und lächle versonnen.)

„Ja und dann habe ich gelernt, dass das falsch ist. Jedenfalls für (m)eine Beziehung.“

Wie ich das gemerkt habe? Ich habe jemanden kennengelernt, der noch nie gesagt hat „Ach, das lohnt ja nicht!“. Mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass mein neuer Freund sich nachmittags zwischen der einen und der anderen Arbeit gerne zwanzig Minuten Zeit nimmt, um mit mir und meinen Kindern ein Eis essen zu gehen. Damit wir uns eben sehen an diesem Tag. Wenn schon nicht länger, dann wenigstens auf ein Eis.

Und an einem anderen Tag gehen wir gemeinsam die Kinder in Schule und Kindergarten bringen. Zwei Mal fünfzehn zusätzliche Minuten. Die hätten wir auch ganz anders einsetzen können. Aber wir setzen sie ein, so zu tun als wären wir Detektive, während wir im Auto darauf warten, dass die Kita öffnet. Wir rutschen die Sitze runter und luken aus den Autofenstern, sprechen uns Notizen über ankommende Kinder ins Handy und kichern.

Und noch romantischer: Wenn es Formulare für die Rentenversicherung auszufüllen gibt, machen wir das auch (quasi) gemeinsam. Ich fülle Freitextstellen aus und lese erbost Sätze in Beamtendeutsch vor und mein Freund sagt irgendwas und wir würfeln dann aus, ob wir bei der doppelten Verneinung jetzt ja oder nein ankreuzen.

Ja, ja. Sie schütteln jetzt leicht angewidert den Kopf.
Ich hätte sowas ja auch nie von mir gedacht. Aber Dinge gemeinsam tun, auch wenn das höchst ineffizient ist, ist ein großer und schöner Luxus. Wir schaffen jetzt viel weniger und manches gar nicht oder viel langsamer, aber ich mag dieses Gemeinschaftsgefühl.

Und ganz pragmatisch gesehen: ich habe das Gefühl, dass man weniger vergisst oder übersieht, wenn man IMMER ALLES zu zweit macht. Es ist auch viel leichter Anteil am Leben des anderen zu nehmen.

(Jetzt streiche ich mein Häkeldeckchen am Schoß und mache ein wissendes Gesicht.)

Klar geht das nicht immer (wenn beide Vollzeit bei unflexiblen Arbeitgebern arbeiten und jedes Kind in eine andere Einrichtung muss etc.). Und natürlich WILL ich auch nicht wirklich immer alles zusammen machen. Aber ich habe für mich gelernt, dass Effizienz nur ein Weg ist ein Roboter zu werden. Und offensichtlich bin ich doch zu menschlich, denn irgendwie ist mir irgendwann der Strom/das Benzin/das was auch immer ausgegangen.

Jetzt bin ich lieber ein verplanter Mensch und setze mich auch debil grinsend in ein Amtswartezimmer während ich mit meinem Freund knutsche die aktuelle politische Lage diskutiere.

(Ja, ja. Wedeln Sie nur mit ihrem Krückstock. Ich werde schon sehen, wie das in zehn Jahren ist! Ja! Sehen werde ich, was ich von dieser Einstellung haben werde!)