Ich laufe durch das Treppenhaus und mir kommt eine Nachbarin mit ihrem Kind entgegen. Das Kind berichtet „…und dann Mama, dann hab ich das Pokemon gefangen, Mama. Also so hab ich gemacht *führt Bewegung nach oben mit ausgestrecktem Zeigefinger aus*, mit dem Finger, Mama, den Pokeball geschossen, Mama und dann ist das Pokemon aber weggewesen, Mama. Das ist doch gemein, oder, Mama?“
Die Mutter macht ein zustimmendes Geräusch.
„…aber dann war an der nächsten Ecke, schon wieder ein Neues, Mama, das hab ich dann mit einer Himmihbeere, weißt Du was das ist, Mama? Mit einer Himmihbeere angelockt und dann, Mama…“
Apathisch nickt die andere Mutter und ich muss ein bißchen lachen, denn meine Kinder machen das auch. Zweihundert Mal Mama pro Stunde. Wie gut verstehe ich jetzt meine Mutter, die stets sagte: „Jedes Mama ne Mark und ich wär‘ reich.“
„Warum Mama? Warum sagst Du das Mama? Was meinst Du damit Mama?“
Jetzt da ich selbst eine Mamamamama bin, frage ich mich, warum machen Kinder das? Es erinnert schon sehr an diese Vertreter am Telefon, die sagenhafte Angebote haben, denen Sie, Frau Cammarata, heute wirklich nicht widerstehen können werden. Denn ja, Frau Cammarata, ich habe hier etwas, das ist genau auf Sie zugeschnitten, Frau Cammarata!
Mere-Exposure-Effekt nennt man das. Dabei handelt es sich um die Tatsache, dass allein die wiederholte Wahrnehmung einer anfangs neutral beurteilten Sache ihre positivere Bewertung zur Folge hat. Im Marketing führt dieser Effekt zu der Erkenntnis, dass beispielsweise kurze, mehrmalige Wiederholungen einer Produktwerbung mittelfristig dazu führen, dass ein beworbenes Produkt oder eine Dienstleistung positiver vom Konsumenten wahrgenommen wird.
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Wahrscheinlich funktioniert das auch über die wiederholte Ansprache. Versicherungsvertreter schaffen durch das ständige Wiederholen des Namens ja auch Nähe und bauen eine Beziehung auf. Das wußte schon Rumpelstilzchen übrigens. Nicht umsonst hat es seinen Namen nicht verraten wollen!
Wahrscheinlich finde ich meine Kinder deswegen so süß. Sie sagen wirklich oft „Mama“ zu mir. Wahrscheinlich haben wir deswegen so eine gute Bindung. Alles nur, weil ich so oft gemamat werde.
Wie geht es Ihnen damit, liebe Leserinnen und Leser? Was denken Sie, liebe Leserinnen und Leser, warum Kinder so oft „Mama“ sagen? Macht Ihnen das ein gutes Gefühl, liebe Leserinnen und Leser?
An manchen Tagen bin ich wirklich wahnsinnig genervt. Zum Beispiel weil ich das zehnte Mal diese Woche höre, dass bestimmte Jungs in der Klasse meines Kindes meinem Kind wieder einmal die Trinkflasche abgenommen haben, sie über irgendeinen Zaun geworfen haben, weil sie das Hausaufgabenheft zerfleddert haben oder weil sie eine Stelle, wo die Freundinnen und Freunde meines Kindes gerne zusammen sitzen, vollgerotzt haben.
Vom anderen Kind höre ich, dass sich die Jungs der Klasse auf dem Schulhof treffen, um sich zu verprügeln. Sie geben sich Kopfnüsse, treten sich in die Hoden, schubsen sich. Als Spiel.
Wenn ich mich beschwere, höre ich in der Regel in Abwandlungen: „Hahahaha. So sind sie eben, diese Jungs. So wild und ungestüm. Das gehört zum Großwerden dazu.“
Nein, liebe Welt, so sind Jungs nicht. So sind Menschen, die kein Benehmen haben, die unerzogen sind, die grenzüberschreitend sind, die gemein sind, die einfach scheiße erzogen sind.
Was soll der Quark?
Als die Tochter das erste Mal erzählt hat, dass sie drangsaliert wird, haben wir im Spaß gesagt: „Sag dem Jungen doch bitte, dass er seine fehlgeleitete Zuneigung auch konstruktiver zum Ausdruck bringen kann. Zum Beispiel indem er dich fragt, was dir gefällt und ihr so Gemeinsamkeiten findet.“
Natürlich hat die Tochter mit den Augen gerollt.
(Natürlich haben wir dann besprochen, dass sie klar die Grenzen ziehen soll, dass so eine Trinkflasche total egal ist und sie sich keine Sorgen machen soll, dass sie sich immer Hilfe holen kann, dass sie berechtigt ist, sich zu wehren, dass Himmelherrgott das andere Kind das Problem ist, dass wir auch gerne Gespräche mit LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern zu dem Thema führen.)
Warum denken Menschen, dass es etwas mit Männlichkeit zu tun hat, andere zu verletzen?
„Du Schlampe“ Höhöhö. „Ich hab nur Duschlampe gesagt“.
Warum zur Hölle denken Menschen, dass es etwas mit Weiblichkeit zu tun hat, das zu erdulden?
Ich bin wirklich total wütend und weiß auch gar nicht wie ich mit sowas umgehen soll. Anderer Leute Kinder mag ich sowieso nicht erziehen. Das ist auch gar nicht meine Aufgabe.
Aber wie gehe ich mit meinen Kindern um, die sowas ausgesetzt sind. Mädchen wie Junge.
Denn ja, es gibt auch Jungs, die finden das total doof und denen bleibt es in einem gewissen Alter verwehrt Freundschaften zu Mädchen aufzubauen, weil wähääähä Mädchen ja doof sind und man nicht mit ihnen spielen kann, weil man ihnen die Schulranzen wegnehmen und ausschütten muss.
So witzig! Nicht.
Wie viel Kraft es ein Kind kosten muss, auf Freundschaften zu verzichten, weil es so einen Dreck nicht mitmachen will. Wie einsam manche Kinder sind, weil sie lieber alleine sind, als Mitläufer in solchen Gruppen zu werden.
Kinder sollen ja nicht so viel fernsehen, weil äh… das macht man als Erwachsene ausreichend – oder wie war das Argument?
Ich schaue sehr gerne Serien. Einen Teil der Serien schlafe ich auch. Zu Serien einschlafen, ja, ich glaube, das ist mein Hobby. Gibt gar nicht so viele Serien, bei denen ich nicht einschlafe.
Bald kommt Star Trek Discovery – aber was mache ich bis dahin? Habt ihr weitere Empfehlungen? Ich hab mal versucht aufzuschreiben, welche Serien ich mag und welche nicht.
Höchstens 10 min pro Folge verschlafen:
The Handmaid’s Tale, The OA, The Honourable Woman, Ozark, Jessica Jones, Dr. Foster, Happy Valley, Glow, Please Like Me, River, I love Dick, Game of Thrones, The Fall, The Affair, Black Mirror, Stranger Things, Die Brücke, Rectify, The Good Wife, Deep Space Nine (3 mal geschaut), The Killing, The Americans, Hit & Miss, Broadchurch, Good Girls‘ Revolt, Bletchley Circle, Pushing Daisies (soooo romantisch!), Bored to Death, Top of the Lake, Braunschlag, Chef’s Table, IT Crowd, Modern Family, Tatortreiniger, Les Revenants, Homeland, Breaking Bad, Westworld, The Leftovers, Misfits, Battlestar Galactica, Mr. Robot, Boston Legal, Firefly, This is us, Orange is the new black, Limitless, Lucifer
So ungefähr die Hälfte der Folge verschlafen:
True Detective, American Gods, alle anderen Star Trek Serien, Halt and Catch Fire, Lilyhammer, Orphan Black, Heroes (bis Staffel irgendwas), Suits, Designated Survivor (ätzend, ich weiß auch nicht, warum ich das schaue), Paranoid, Prison Break, Daredevil, Master of None, Rita, The Mentalist, Sherlock, Six Feed Under, True Blood, The Crown, Sons of Anarchy, Shameless, Lovesick, White Collar, Better Call Saul, Narcos, Travelers, You are wanted, Awake, Lie to me
Meist drei Folgen ausgehalten und dann als sehr gute Einschlafhilfe benutzt (es sei denn, ich habe mich geekelt. Sowas wie Hannibal ist gar nicht mein Fall):
Fargo, The Wire, Gotham, Penny Dreadful, Hannibal, Dexter, Sneaky Pete, The Night Manager, The Expanse, Peaky Blinders, Blacklist, Marcella, Sense 8, Tote Mädchen lügen nicht, Mad Men, War Machine, Iron Fist, Luke Cage, Dirk Gently, Taboo, House of Cards, Call the Midwife, Under the Dome
Werde ich nie schauen: Dr. Who, Nurse Jackie (für einen Dauergag – ich bin mir sicher, die Serie gefällt mir sehr, aber man muss manchmal Opfer bringen)
Wahrscheinlich habe ich einige Serien vergessen. Aber vielleicht habe ich auch einfach nur _die_ eine Serie, die man un-be-dingt sehen muss, verpennt. Die sagt ihr mir jetzt aber, oder?
Prinzipiell mag ich Sci-Fi und Fantasy. Gemetzel und viel Blut liegt mir nicht so. Glattgebügelte Charaktere auch nicht so. Ich finds toll, wenn die Hauptfiguren leiden, Falten haben, auf Klo gehen und beim Sex den BH ausziehen. Absurde Szenarien mag ich auch und bunt. Serien, die so düster sind, dass ich selbst im Dunkeln kaum was sehe und eigentlich Licht in der Serie anmachen will, nerven.
Man beachte die äußerst geschmackvollen Servietten mit Photoshopdesign!
Es gibt wenig, das einen so schnell in die Vergangenheit zurückbringt, wie Gerüche und Geschmäcker, finde ich.
Vor einigen Wochen war ich in meiner Geburtsstadt Köln und habe mich auf die Suche nach Spuren meiner Vergangenheit gemacht. Danach hatte ich das große Bedürfnis nicht nur die Orte sondern auch das Essen meiner Kindheit zu finden.
Dafür will ich ein bisschen ausholen. Ich bin die Enkelin eines italienischen Gastarbeiters.
Mein Großvater ist nach dem Krieg nach Köln gekommen, um dort zu arbeiten und somit seine Familie zu versorgen. Erst als ein wenig Geld angespart war, ist der Rest der Familie nachgekommen.
Bis Mitte der 80er waren meine Großeltern in Köln und wir waren dort oft zu Besuch. Als sie zurück nach Sizilien gegangen sind, waren wir immer in den Sommerferien dort und obwohl meine Mutter Deutsche ist, haben wir fast nur italienisch gegessen.
Sehr selten gab es mal rheinischen Sauerbraten, aber sehr viele deutsche Gerichte habe ich tatsächlich erst mit Mitte 20 als ich nach Berlin gezogen bin, kennengelernt.
Bestimmte andere Gerichte, die ich mit Ost-Deutschland verbinde, kannte ich nicht mal. Senfeier zum Beispiel oder so abgefahrene Sachen wie Würzfleisch.
Bei uns gab es – ganz dem Vorurteil über Italiener entsprechend – v.a. Nudeln, die Penne, Rigatoni, Tagliatelle, Linguine, Bucatini, Farfalle, Fusili lunghi (wie ich die liebe!), Lumache, Maccheroni oder Orecchitte hießen und nicht Spaghetti (ich hab erst ganz spät verstanden, dass für viele Deutsche „Spaghetti“ der Sammelbegriff für Nudeln ist).
Es gab viel Zucchini und Auberginen, Brokkoli und Oliven.
Sardellen habe ich für mein Leben gern gegessen. Pizza konnte ich mir ohne Sardellen, Oliven und Kapern gar nicht vorstellen. Wer isst denn sowas?
Als ich mal bei einer deutschen Nachbarin war und die keine Sardellen auf die Pizza machte, verstand ich die Welt nicht mehr. (Die Nachbarin umgekehrt fragte sich was Sardellen sind und warum dieses Kind unbedingt welche haben wollte).
Nach meinem Trip nach Köln, wo ich auf den Spuren meiner Großeltern feststellte, dass es dort noch heute eine große italienische – sogar eher süditalienische – Community gibt, hatte ich große Lust auf einen italienischen Abend im Kreise meiner Freundinnen und Freunde.
Ich wollte da all das essen und trinken, was ich als Kind so liebte und es sollte alles so sein wie in meiner Erinnerung (auch wenn das unter Umständen gar nicht der tatsächlichen Vergangenheit entsprach).
Ich habe Italien v.a. als laut in Erinnerung. In jedem Wohnzimmer, in jeder Küche, manchmal sogar am Balkon oder im Garten, läuft ein Fernsehgerät und zwar den ganzen Tag.
Auf den mir bekannten Kanälen laufen Quizshows mit halbnackten Frauen, dramatische Soaps, Nachrichten und Formate wie hier in Deutschland Explosiv und ähnliches.
Wir haben also RAI gestreamt und die Lautstärke so eingestellt, dass es durchaus etwas nervte.
Für Familienfeste wurde der Tisch nicht etwa schick gedeckt, sondern es wurde eine Papiertischdecke verwendet und alles andere war aus Plastik. Unmengen an Plastik. Plastikflaschen, Plastikbecher, Plastikteller. Nur das Besteck – v.a. die Messer waren aus Metall.
Aufgeräumt war am Ende des Abends in Sekunden. Einfach die Tischdecke an den vier Zipfeln nehmen und ALLES in einen großen Plastiksack. Fertig!
Haben wir auch gemacht. Großartig – wäre es nicht so eine große Umweltsauerei, ich würde es jeden Tag machen.
Ich habe als Kind natürlich keinen Wein getrunken. Deswegen hab ich ein vier Gänge Menü mit Limobegleitung zusammengestellt.
Als Aperitif gab es Sanbitter. Als Kind habe ich Sanbitter eigentlich gehasst (viel zu bitter) – aber weil ich die Farbe so toll fand, hab ich ihn trotzdem getrunken.
Mich erinnert Sanbitter heute an diese Präparate, die man nach dem Zähneputzen im Mund hin- und herspühlen kann und dann hinterher sieht, wo man nicht gut geputzt hat.
Zum nächsten Gang gab es Chinotto. Ein ebenfalls eher bitteres Getränk, das gleichzeitig sehr süß ist – zumindest so lange es sehr kalt ist. Es sieht aus wie Cola und ich glaube, als Kind dachte ich auch, dass es Cola ist und kam mir sehr groß vor, wenn ich Chinotto trinken durfte.
Chinotto ist aus der (haha) Chinotto-Frucht gewonnen. Eine Art Bitterorange, die eigentlich aussieht wie eine rundliche Zitrone. Wird Chinotto warm, schmeckt es ein bisschen nach Hustensaft.
Als nächstes gab es Birnensaft – Succo di Pera. Süß und sehr dickflüssig – verkauft in winzigen Fläschchen.
Wer länger schon im Blog mitliest, weiß vielleicht, dass ich quasi seit immer kein Obst und irgendwelche Dinge mit Obst esse oder trinke. Tatsächlich hab ich als Kind ganz lange Birnensaft getrunken, bis ich eines Tages herausfand, dass Succo die Pera B I R N E N S A F T heisst und vermutlich aus Birnen (ihhhh!) gemacht wird.
Danach gab es einfach Aranciata (Orangenlimo) und Lemonsoda (Zitronenlimo) – beides in der Zwischenzeit auch in italienischen Restaurants fester Teil der Getränkekarte.
Als Antipasti habe ich Grillgemüse gemacht. Peperonata, gegrillte Auberginen und gegrillte Zucchini.
Die Auberginen habe ich vor dem „grillen“ im Ofen in Scheiben geschnitten und dann mit Salz bestreut. Das Ganze gut eine Stunde ziehen lassen und sie dann unter fließendem Wasser abgespült, trocken getupft und dann 40 min mit Ober/Unterhitze bei 200 Grad im Ofen auf Backpapier auf einem Blech schmoren lassen. Dazu nur Olivenöl, Knoblauchscheiben und frischen Rosmarin.
Für 6 Personen
3 große Auberginen
6 Zehen Knoblauch
1 Bund Rosmarin (den mit den langen weichen Blättern äh oder sagt man da Nadeln?)
Kurz vor dem Servieren habe ich die Auberginen mit Salz und Pfeffer gewürzt und mit etwas Zitrone beträufelt.
Die Zucchini waren noch einfacher: in Scheiben schneiden, mit Öl und Knoblauch ebenfalls 20-30 min im Ofen grillen.
Für 6 Personen
6 kleine Zucchini
6 Zehen Knoblauch
Die Paprika (ingesamt 5 rote und gelbe) habe ich geviertelt und dann mit 3 geviertelten Zwiebeln in der Pfanne auf der Hautseite in Olivenöl angebraten. Als sie etwas braun wurden, habe ich sie mit einem Schuss Balsamico abgelöscht und ein halbes Glas Wasser dazugeschüttet. Deckel auf die Pfanne und bei kleinster Flamme fast eine Stunde schmoren lassen. Vor dem Servieren ein bisschen Thymian dazu – fertig.
Für 6 Personen
3 rote, 2 gelbe Paprika
4 mittelgroße Zwiebeln
Schuss Balsamico
Thymian
Das Gemüse gab es dann mit Kauf-Balsamicozwiebeln (war zu faul die zu machen), getrocknete Tomaten mit gerösteten Pinienkernen und Weißbrot.
Ach und ganz wichtig! Es gab Simmenthal! Das ist Rindfleisch in Globsch. Mit Zitrone und Petersilie. Riecht wie Katzenfutter.
Als Primo piatto gab es Spaghetti Aglio Olio und Pasta alla Norma.
Die Nudelgerichte habe ich leider vergessen zu fotografieren. Es war einfach zu lecker!
Die Spaghetti meiner Kindheit waren viermal so lang wie sie heute üblicherweise sind. Tatsächlich habe ich solche Spaghetti im italienischen Supermarkt gefunden.
Wenn man sie kocht, muss man sie nach und nach in den Topf ins sprudelnde Wasser drücken. Eine schöne Erinnerung aus meiner Kindheit.
Aglio Olio ist dann nichts anderes als sehr viel Knoblauch sehr klein schneiden und zusammen mit Chili in Olivenöl braten. Die fertig gekochten Spaghetti mit etwas Nudelwasser dann in die Pfanne werfen und ordentlich Parmesan und Pfeffer dazu.
Für 6 Personen (es gab ja 2 Nudelgerichte)
300 Gramm lange Spaghetti
2 rote Chili
10 Zehen Knoblauch
Parmesan
Da fehlen noch die Auberginen, die ich separat angebraten habe.
Für Pasta alle Norma habe ich Maccheroni (oder wie man hier schreibt: Makkaroni) genommen.
Die Soße besteht aus kleinen, geschmorten Pflaumentomaten, Basilkum und in Würfel geschnittenen Auberginen.
Für die Auberginengerichte ist es wirklich wichtig, dass sie entwässert sind, dass ihnen dabei die Bitterstoffe entzogen wurden (passiert beim Ausschwitzen der Flüssigkeit mit dem Salz) und dass sie schön weich gekocht bzw. geschmort werden.
Manchmal gibt es hellere Auberginen (pinkfarbene oder sogar weiße), die sind noch milder und süßlicher. Wenn ihr die seht, lieber die nehmen.
Zu den Auberginen und Tomaten wirft man ein bisschen Knoblauch, würzt mit Salz und Pfeffer und mischt das Ganze mit den Maccheroni. Ganz am Ende gibt man im Idealfall Ricotta salata drauf – wenn man den nicht bekommt, tut es zerbröselter Feta auch.
Für 6 Personen
300 Gramm Maccheroni
2 mittelgroße Auberginen
20 Pflaumentomaten
Handvoll Basilikum
1/2 Feta
Die große Wurst ist die mit Fenchel und die kleinen sind Salsiccia ohne Fenchel – es soll ja so komische Menschen geben, die keinen Fenchel essen.
Als Hauptgang gab es Salsiccia fresca al finocchio – Fenchelbratwurst. Frisch aus dem italienischen Supermarkt und absolut großartig.
Zweiter Teil des Hauptgangs war etwas, das ich als „Pizzaiola“ in Erinnerung hatte.
Rouladenfleisch vom Rind, belegt wie Pizza. Also statt des Hefeteigs Fleisch (so war das in den 80ern! Fleisch mit Fleisch!).
Die Rouladen werden ordentlich geklopft, sehr heiß und sehr kurz angebraten und dann auf ein Blech gelegt. Auf die Rouladen kommen gehackte Tomaten (abgetropfte), Büffelmozzarella, sehr dünne Zwiebeln und Kapern sowie Oregano.
Ich hab das Ganze in der obersten Schiene im Backofen so 10 min gebraten. Der Ofen war auf 200 Grad vorgeheizt und dann habe ich auf Ober/Unterhitze und Grill gestellt und gewartet bis der Mozzarella schön braun war.
Tatsächlich habe ich kein Rezept gefunden, das irgendwie in diese Richtung geht. Vielleicht habe ich das auch völlig falsch erinnert oder es ist irgendein Familienrezept. Falls irgendwer irgendwann mal was ähnliches gegessen hat oder ein Rezept kennt oder den korrekten Namen weiß – freue ich mich über Hinweise.
Als Nachtisch gab es Mandelgebäck. Madorle heißen die Plätzchen in Sizilien obwohl sie oft auch aus Pistazien sind. Die Plätzchen sind sehr mächtig und schmecken eigentlich wie Marzipanklumpen mit verschiedenen Gewürzen wie Anisstreußeln z.B.
Man kann sie fertig kaufen, was ich gemacht habe.
Ebenso fertig gibt es Cannolihüllen. Die befüllt man mit Ricotta, den man mit Puderzucker süßt und in den man Bitterschokolade in Tropfenform mischt. Oft wirft man auch Zitronat und Orangeat rein, was ich aber nicht mag.
Da ich keine Küchenwaage hatte, hab ich einfach alles nach Gefühl zusammengemischt. 500g Ricotta, so 70g Puderzucker, eine kleine Handvoll Schokotropfen. Die Paste lässt man mindestens eine Stunde ziehen und füllt sie dann in die Cannolihüllen.
Die Enden der Cannoli dekoriert man mit gehackten Pistazien und halbierten, kandierten Kirschen. Ganz oben drauf kommt dann ein Hauch Puderzucker.
Spätestens jetzt waren alle Gäste sehr satt und man nahm dankbar den Espresso an.
Doch! Ha! Wenn man sich entspannt hat und denkt: Das wars! kommt ja erst der Höhepunkt des Abends! Die Eisbombe!
Arbeitet jemand in der Eventgastronomie und weiß wie man 10 Wunderkerzen gleichzeitig anzündet?
Eisbomben sind Eistorten, die aussehen wie ein halber Ball. In meiner Erinnerung wurden sie mit Wunderkerzen serviert und zwar wirklich dann wenn alle der Auffassung waren, dass man jetzt eine Woche nichts mehr essen kann.
In Berlin kann man Eisbomben wirklich bestellen. Wir haben einfach ein Vineta-Eis genommen, weil das so schön 80er ist und das noch ein bisschen dekoriert.
Als Abschluss – diesmal wirklich – gab es noch Averna auf Eis.
Der Abend war wirklich toll und ich sehr, sehr happy. Es geht doch nichts über schöne Kindheitserinnerungen.
Leider hat niemand temperamentvoll den Plastikteller beim Essen durchgesäbelt (auch das kam früher vor) – aber immerhin wurde entdeckt, dass die Spaghetti wirklich sehr, sehr lang waren.
Das Einkaufen und Kochen war zwar nicht kompliziert, aber doch relativ aufwändig und hat sehr, sehr lange gedauert.
Wie zum Ferragosto habe ich tagelang gekocht und alle Phasen durchlebt. Erst war ich interessiert und motiviert, habe hier und da nebenher gelesen, wo kommt was her, wie macht man es in Sizilien? Dann war ich so begeistert, dass ich dachte: „Mensch! Ich könnte doch auch ein Restaurant aufmachen!“ Am Ende war ich bei: „Nie wieder werde ich kochen! Zum Essen ins Restaurant einladen tut’s doch auch!
Wen es interessiert: Die meisten Zutaten habe ich im Centro Italia in der Greifswalder Straße gekauft. Sehr nett da – v.a. die Frischetheke ist spitze.
Dieses Jahr fahren wir nicht ans Meer. Dieses Jahr fahren wir Richtung Osten. So weit in den Osten, dass der östlichste Punkt Deutschlands ganz in unserer Nähe ist.
Kind 3.0 ist seit Wochen aufgeregt. Sein bester Freund hat polnische Wurzeln und so will es unbedingt „auf“ Polen gehen. Mit dem Boot fahren wir die Neiße entlang und jeder Grenzpfahl muss fotografiert werden.
Weil wir nicht so recht wissen, wie wir das Boot festmachen sollen, können wir auf der polnischen Seite nicht halten und Kind 3.0 muss noch einige Tage warten bis wir abends in Görlitz sind.
Über eine Brücke laufen wir nach Zgorzelec und Kind 3.0 wird ganz beschwingt: „Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich ganz, ganz glücklich auf Polen zu sein. Ich muss das Bartosz unbedingt sagen.“
Während Kind 3.0 so glücklich ist, bin ich auch glücklich. Es ist ein lauer Sommerabend, die Neiße schlängelt sich durch die Altstadt, die Straßenlaternen sind mit Petunien geschmückt, die prächtig blühen, wir gehen in ein italienisches Restaurant gleich hinter der Grenze und ich freue mich, dass es Europa gibt.
Die Kinder waren noch nie außerhalb der Eurozone. Dass hier auf der Karte Preise in einer anderen Währung stehen, können sie nur schwer verstehen.
Wir haben eine Reihe alter Münzen zuhause. Die Kinder benutzen sie für ihren Kaufladen. Peseten, Lire, Franc… Bislang war ihnen gar nicht klar, aus welcher Zeit diese Münzen stammen und warum es sie nicht mehr gibt.
Es gibt viel zu erklären. Warum ist es gleich hinter der Grenze so viel billiger als nur wenige Meter in die andere Richtung? Ist das, was uns hier auf der Speisekarte günstig erscheint, wirklich günstig? Können hier auch polnische Familien essen gehen?
Warum gibt es Grenzen? Wieso wird an manchen kontrolliert und an anderen nicht?
Wie kommt es, dass in den Grenzregionen so viele Polen perfekt deutsch sprechen, die allermeisten Deutschen aber kaum polnisch?
Wir warten lange auf unser Essen, doch unsere Geduld wird belohnt. So gut italienisch wie in Zgorzelec habe ich lange schon nicht mehr gegessen. Ich komme mir vor wie die kleine Raupe Nimmersatt: Am Montag essen wir Vitello tonnato, am Dienstag Bruscetta, am Mittwoch Antipasti, am Donnerstag Pizza, am Freitag Saltimbocca alla romana, am Samstag Spaghetti aglio olio und am Sonntag Profiteroles und Tartufo.
Nur dass sich keiner in einen Schmetterling verwandelt. Wir werden einfach nur runder.
Die Kinder sind begeistert. Die beste Pizza ihres Lebens. Polen ist toll!
Wir sitzen draußen auf der Veranda und mit der Dämmerung kommen die Mücken und ein bisschen später ein paar große, schwarze Spinnen. Guten Appetit auch sie bekommen jetzt Abendbrot.
Auf der Rückfahrt fahren wir durch Dörfer, die zum größten Teil mit NPD Plakaten gepflastert sind. Ganz selten sieht man mal ein Plakat der SPD.
Ich frage mich, haben die anderen Parteien diese Landstriche schon aufgegeben oder warum hängen sie nicht auch ihre Wahlwerbung auf?
Die Kinder fragen: Was ist die NPD und was will sie?
Ich erkläre so gut ich kann. Und die SPD, was will die? Und Frau Merkel? Das ist doch die von der SPD? Nein, das ist die von der CDU. Und was will die CDU. Ich kann die Unterschiede nicht gut rausarbeiten.
Wie findest Du Frau Merkel? Willst Du, dass sie wieder Bundeskanzlerin wird.
„Männer können auch Bundeskanzlerin sein!“, weiß Kind 3.0. Gibt es überhaupt andere Kandidaten? Martin Schulz? Nie gehört.
Die Grünen? Gibt es die hier? In Berlin gibt es die doch, oder? Und die Linke? Wenn es eine Linke gibt, wieso gibt es dann keine Rechte? Was ist links, was ist rechts?
Was ist die Partei? Gibt es die hier auch?
Wir fahren durch ein Land ohne Internetverbindung. Alles, was ich erzähle, muss ich aus meinem Kopf erzählen. Nichts kann ich googeln. Wie anstrengend das ist. Wie wenig ich weiß.
Wieso gibt es noch ganze Landstriche ohne Internet?
Ich bin erschöpft. Ich weiß nur eines: ich wünsche meinen Kindern, dass sie auch in ihrer Zukunft einfach so über Grenzen laufen können und dass es Europa dann noch gibt. Als Länderverbund, als Währungsunion, als Nationalität.
Die Autorin Diana Weis beschreibt dort ihre Kapitulation vor dem ausdauernden Druck schön, jung und perfekt sein zu müssen und schildert warum sie sich dafür entschieden hat, sich botoxen zu lassen:
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist eine Zumutung, als Frau immer schön, jung und elastisch sein zu sollen. Noch perfider ist allerdings die Forderung, diesen Zustand auf ganz natürlich Weise und ohne den Einsatz wirksamer Hilfsmittel herzustellen.
Ihre Lösung ist es deswegen diesen Zustand eben nicht natürlich sondern durch Botox herzustellen.
Botox hilft nicht nur gegen Falten, sondern lässt gestresste Frauen entspannt aussehen und verhindert offenbar auch das Resting Bitchface.
Letzteres scheint v.a. hilfreich für Frauen in Machtpositionen zu sein, bei denen offenbar nicht zählt, was sie leisten, sondern ob sie dabei lieblich aussehen:
Während Männer in Machtpositionen durchaus ernst oder streng dreinblicken dürfen, wird dies Frauen jeglichen Erfolgsgrades nicht zugestanden. Das kann im Alltag sehr anstrengend sein. Botox nimmt ihnen die Verantwortung für den eigenen Gesichtsausdruck ein Stück weit ab.
Der Text hat mich unendlich traurig und zugleich ratlos gemacht.
Einerseits halte ich es wie Frau Vrouwel: Jede Frau soll mit ihrem Äußeren machen, was ihr gefällt. Achselhaare rasieren oder nicht, Fake Lashes, Tatoos, schminken, Glatze, Leo-Stoffe lieben (wir sprachen in der letzten Weisheit darüber), Leggins tragen oder eben gar nichts von all dem – whatever.
Wenn jemand möchte, dann soll er/sie sich botoxen.
Die unendlich schwierige Frage ist eher: Warum möchte das jemand?
In der wahnsinnig tollen BBC Kurzserie Fleabag (z.B. auf Amazon Prime zu sehen), geht eine meiner Lieblingsszenen wie folgt: Fleabag und ihre Schwester sitzen in einem Vortrag einer renommierten Feministin. Es geht um gesellschaftliche Schönheitsideale. Die Rednerin fragt als Warmup ins Publikum: „Wer von Ihnen würde zwei Jahre ihres Lebens für den perfekten Körper opfern?“
Fleabag und Schwester haben die Arme schneller oben als die Kamera auf sie schwenken kann. Alle anderen schauen entsetzt in ihre Richtung und schütteln den Kopf. Darf man als Feministin einem Schönheitsideal nachhecheln?
Ganz ehrlich, ich hätte mich auch gemeldet. So bitter und widersprüchlich das zu meiner inneren Haltung ist.
Deswegen verstehe ich die Zeit Magazin Autorin, die sich für den vermeintlich leichteren Weg gegen das Altern entscheidet.
Dennoch – es ist so viel im Argen. Neulich war ich z.B. mit meinen Kindern auf einer Veranstaltung, bei der wir uns mit Namen und Alter vorstellen sollten. Die Hälfte der anwesenden Frauen druckste um die Altersaussage herum, die andere Hälfte sagte sowas wie „Ü30“ oder lachend „deutlich Ü30“.
Lediglich die 28jährige, sagte: „Ich bin 28“.
Wenigstens das kann ich. Einfach sagen: „Ich bin 42.“ ohne peinlich berührt zu sein.
Ebenfalls im Zeit Magazin las ich neulich den Artikel „No Sports„, der angeteasert wird mit den Worten:
Unsere Art-Direktorin hat keine Lust, ihren Körper zu optimieren. Sie will nicht kämpfen, sondern einfach nur gut leben.
Schon da möchte ich rufen: OH GOTT JA! Ich auch verdammt!
Die Autorin Jasmin Müller-Stoy schreibt:
Ich treibe keinen Sport, nicht ein bisschen. Aber nicht aus Prinzip – es fehlt mir schlichtweg die Zeit. Beziehungsweise: Es ist einfach nicht meine Priorität. Ich habe zwei Kinder im Kita- und Schulalter, arbeite tagsüber, und wenn ich abends heimkomme, will ich Zeit mit meiner Familie verbringen, ohne Joggen und Sit-ups. Wenn ich dann nicht zu müde bin, schaffe ich es noch, die Folge einer Serie zu schauen oder in einem Buch zu lesen. Oder ich treffe mich mal zum Essen oder gehe ins Kino. Das ist mir alles anstrengend genug. Ins Schwitzen komme ich dabei allerdings nicht.
So geht es mir auch. Zwei Kinder, der Job, der Haushalt und alle sonstigen Verpflichtungen. In meiner Freizeit will ich v.a. eines: meine Ruhe.
Mit meinem Körper habe ich verschiedene Phasen durchlebt. Bis ich 28 war, war ich superschlank und fit und konnte wirklich den letzten Schrott essen ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen.
Manchmal stand ich auf der Waage und stellte mir vor, wie unfassbar DICK ich sein würde, wenn ich mit 1,68 m wirklich mein Idealgewicht von 62 kg hätte und sorgte mich, ob ich dann noch einen Typen abbekommen würde.
Ich hörte auf zu rauchen, nahm gut 10 kg zu, bekam ein Kind, hungerte mir die überschüssigen Kilos nach der Geburt wieder ab, bekam noch ein Kind, machte wieder Diät und machte regelmäßig Sport.
Dann bekam ich meine Herzmuskelentzündung und seitdem habe ich Scheu Sport zu machen (so richtig Spaß hat es mir körperlich nie gemacht, ich mochte lediglich das drumherum wie z.B. die Zombie Run App) und ganz offen gesagt: ich hab auch einfach gar keine Lust.
Ich habe immer wieder Phasen in denen ich nach der Arbeit innerhalb von 3 min auf dem Sofa einschlafe und dann um 21 Uhr nachdem die Kinder im Bett liegen und die Küche halbwegs aufgeräumt ist, wieder.
Alle zwei Wochen sind die Kinder beim Vater und da schaffe ich es dann sowas wie meinen Hobbys nachzugehen und nicht schon immer am frühen Abend einzuschlafen. Sport hat da keinen Platz.
Bevor ich 40 wurde, habe ich mich übrigens scheiden lassen und hatte eigentlich gar keine Lust jemals wieder eine langfristige Beziehung zu führen.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich auch aufgehört regelmäßig zu diäten. Ich hab alle meine Klamotten Größe 38 und kleiner an eine Freundin weitergegeben und mir einfach neue Klamotten in L und XL gekauft.
Irgendwie war ich es so satt. Die anschließende Erleichterung war phänomenal. Keine Relikte mehr im Schrank, die bei jedem Öffnen rufen: Hier kannst du dich vielleicht nochmal reinhungern! Was sind schon 5 kg?
Ich habe es mir auch so erklärt: So lange man noch nah am Jugend-, Schönheits- und Schlankheitsideal ist, sind Abweichungen schmerzhaft. Mit einigen Tricks, ein bisschen Diät und Schminke robbt man sich dann weiter an den Idealzustand.
Dann wird man 40 und älter und irgendwann sind es nicht fünf graue Haare sondern so viele, dass man sie nicht zählen kann und so viele Falten, dass man sie nicht wegschminken kann.
Dieser Übergang tut kurz weh und dann ist man zu weit weg von diesen Magazin-Schönheitsansprüchen und dann ist es einem (weitgehend) herzlich egal.
Ich habe immer wieder Rückfälle – zu dick, zu faltig, zu viele weiße Haare etc. pp – die Sozialisation wirft man eben nicht einfach über Bord.
Grundsätzlich habe ich aber für mich beschlossen, dass ich nicht durch mein Äußeres sichtbar sein muss.
Journelle hat zu diesem Thema (ebenfalls aufsetzend auf den Botox-Artikel) einen tollen Artikel geschrieben: Sichtbarkeit einfodern
Sie fragt:
Was für ein Ausmaß an Unterwerfung und Resignation offenbare ich, wenn ich mit einer Nadel voller Nervengift in der Stirn sage: „Es geht leider nicht anders. Wenn Du in unserer Welt wahrgenommen werden willst, musst Du den Männern gefallen.“
Weiter schreibt sie:
Sollten wir hieran etwas ändern wollen, kann die Antwort jedenfalls nicht lauten, Botox zu spritzen. Vielmehr geht es darum, Sichtbarkeit einzufordern, aber auch die vorhandene wirtschaftliche Macht zu nutzen. Ich habe einfach keine Lust Geld für Filme auszugeben, bei denen Männern ihre Wall-Street-Gott-Fantasien ausleben, ich lese keine Bücher von ehemaligen linken alten Männern, die nun verbittert Anerkennung fordern, ich zähle Frauen auf Podien und gehe Leuten auf den Sack, die dumme Sachen sagen. Ich fordere eine Quote, nicht obwohl, sondern weil ich mir wünsche, dass Posten nach Qualifikation und nicht Geschlecht vergeben werden. Mir ist es egal als dick, unfickbar, alt oder was auch immer zu gelten. Meine Existenz ist nicht an meine Attraktivität oder einen Prinzen gekoppelt. Ich führe eine Partnerschaft, keine Herrchen-Hund-Gemeinschaft.
Und da kann ich mich nur anschließen.
Deswegen glaube ich übrigens auch, dass es hilfreich ist selbst berufstätig zu sein und ein solides eigenes Einkommen zu generieren. Dann muss man z.B. nicht in Beziehungen ausharren, weil ja eigentlich der Mann das Haupteinkommen generiert (gräßlicher Text -> Die Ehe lebt vom Aushalten: „Ein Gehalt fällt weg, die Wohnung ist riesig, die Lage perfekt. Für eine freie Autorin ist das untragbar. Ihr Fast-Ex-Mann arbeitet in einer großen Werbeagentur.“) und kann gleichwertig Entscheidungen in der Beziehung treffen (vgl. „Studien deuten […] darauf hin […], als wirkten beim Ausgabeverhalten familieninterne Entscheidungsstrukturen und ökonomische Verhandlungspositionen“ – sprich – wer das Geld hat, entscheidet).
Es verleiht schon ein anderes Selbstbewusstsein, wenn man nicht Bittstellerin ist, wenn es um Ausgaben und Freizeitgestaltung geht.
Es macht vermutlich auch selbstbewusst zu wissen, was man kann, außer hübsch auszusehen.
Die letzten Tage war es schwer für mich meine Social Media Timelines auszuhalten. Die Videos, die ich während des G20 Gipfels gesehen habe, sind voller Gewalt. Besonders geschockt hat mich dabei das vereinzelte Vorgehen der Polizei. Ich schreibe vereinzelt, weil natürlich nicht alle Polizisten so gehandelt haben – aber es geht tatsächlich nicht um einige wenige Einzelfälle sondern um eine ganze Reihe von Gewalteskalationen.
Was ich an dieser Stelle erwarten würde, wäre ein kollektiver Aufschrei von Politik und Medien, der jedoch in meiner Wahrnehmung zu großen Teilen ausbleibt.
Bevor ich weiter schreibe, eine (anscheinend nötige) Vorbemerkung:
Ich weiß, vielen scheint das unmöglich, aber man kann die Polizeigewalt verurteilen UND die Krawalle in Schanze & Co. scheiße finden.
Die Menschen, die sich selbst als Schwarzer Block bezeichnen, haben Straftaten begangen. Gar keine Frage. Sie haben das Hamburger Schanzenviertel verwüstet, Polizisten, Demonstranten und Unbeteiligte verletzt und große Sachschäden angerichtet.
Mir ist übrigens völlig schnuppe, ob diese Gewalttäter nun links, rechts, nur doof oder Krawalltouristen sind.
Mir geht es um den Schaden, den diese Menschen angerichtet haben und der ist, neben dem rein materiellen Schaden, aus meiner Sicht mindestens zweifach:
1.) Ihr Auftreten und ihre Medienpräsenz haben das Anliegen vieler Hundert – wenn nicht Tausend friedlichen, politisch engagierten, demokratisch gewillten Menschen, unsichtbar gemacht.
Wo Autos brennen, schafft es kaum ein Foto einer friedlich demonstrierenden Gruppe ins Fernsehen oder auf ein Titelblatt.
Alle konstruktiven Ansätze werden damit ausgelöscht. Das Bild in den Medien verzerrt sich.
2.) Ihr gewaltsames Auftreten scheint außerdem für viele Argument genug, dass sich einige Polizisten so verhalten dürfen, wie in den letzten Tagen zahlreich per Videoaufnahmen und Augenzeugenberichten belegt.
Viele der Diskussionen, die ich in den letzten Tagen verfolgt habe, verlaufen nach folgender Logik: Polizisten sind auch nur Menschen, wenn die so unter Adrenalin stehen, dann kann es schon mal passieren, dass die rot sehen und ausrasten und auch mal zuschlagen.
Oder noch schöner: Allein schon der Name der Demo (Welcome to Hell) oder der Umstand, dass man sich – obwohl Eskalation möglich ist – auf einer solchen Demo aufhält, rechtfertigt, dass einem als Demonstrant auch Gewalt angetan werden darf.
Das geht schon alles sehr in die Argumentationsecke: Wer nicht vergewaltigt werden möchte, trägt halt keine aufreizenden Kleider.
Da wird mir wirklich schlecht.
Ich bin Bürgerin und ich habe das Recht meiner Meinung friedlich kund zu tun. Egal wie die Demo heißt. In einer Demokratie lebend, gehe ich davon aus, dass ich bei diesem Anliegen unterstützt und beschützt werde.
Ja, ein Polizist ist unterm Strich auch ein Mensch, aber er hat eine Ausbildung, die ihm ermöglichen sollte, dass es bei ihm selbst unter Adrenalin nicht „klick“ macht und er sich im Gewaltrausch wiederfindet.
Sollte er feststellen, dass dem so ist, sollte er dringend dafür sorgen nie wieder für solche Einsätze eingeplant zu werden.
Am besten fasst es dieser Tweet zusammen:
Die Vorstellung, eine Hirnchirurgin eskaliert mitten in der OP durch, weil sie die Verantwortung und die Situation überfordert, wäre bizarr.
Er [der Polizist] wird auch nicht als Hans-Peter angegriffen, sondern als Staatsorgan. Die Wut der Randalierer richtet sich nicht gegen die Person, sondern gegen den Staat, den diese Person repräsentiert, und gegen die „Klasse“ Polizei an sich. Hilft dem angegriffenen Polizisten da erst einmal nicht konkret, ist aber wichtig für das, was als Reaktion folgt und für unseren Diskurs. […] Polizisten sind darauf trainiert und diese Souveränität unterscheidet den Staatsdiener von der Privatperson. […]
Und wegen all dieser Dinge, wegen der diametralen Machtverschiebung und dem Unterschied in Waffen- und Schutzausrüstung muss man die Szenen, die sich in Hamburg abgespielt haben, ganz besonders scharf kritisieren und verurteilen.
Ich habe den letzten Teil des Zitats fett gekennzeichnet, weil ich dem zustimme. Weil mich Reaktionen großer Teile der Öffentlichkeit wirklich ratlos zurück lässt.
Sei es nun durch „Promis“ wie Nuhr, der anprangert, dass man sich über die Polizeigewalt aufregt
Immer wieder erstaunlich: Es wird geplündert und gebrandschatzt, und am Ende beklagen sich alle über Polizeigewalt.
Das Statement endet mit einem Danke an die Polizei:
Wir danken der Polizei und allen Rettungskräften für ihren Einsatz und wünschen allen verletzten Polizistinnen und Polizisten und Rettungskräften eine schnelle und vollständige Genesung
Oder Martin Schulz, der twittert:
Wir haben den PolizistInnen zu danken. Sie haben unter schwierigsten Umständen Leib & Leben riskiert, um unseren Rechtsstaat zu verteidigen.
Bei letzterem könnte man vielleicht noch als Ausrede heran ziehen, dass Twitter und die Beschränkung auf 140 Zeichen es wirklich schwer macht gleichzeitig denen zu danken, die sich korrekt verhalten haben und Aufklärung im Rahmen der durch die Polizei begangenen Straftaten zu verlangen.
(Das oben in Teilen zitierte Statement von Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir hätte genug Möglichkeiten zur Differenzierung gelassen. Ich bin wirklich maßlos enttäuscht. Maßlos!)
Bei sogenannten Großlagen muss die Polizei zweierlei schaffen: Sie muss Gewalttätigkeiten verhindern und sie muss das Demonstrationsgrundrecht schützen. In Hamburg, beim G 20-Gipfel, hat sie leider beides nicht geschafft.
[…]
Das Versammlungsgrundrecht nach Artikel 8 war das Grundrecht der soeben zu Ende gegangenen Woche; es ist so malträtiert worden wie schon lange nicht mehr.
Lest bitte den ganzen Text, ich würde ihn am liebsten von irgendeiner Kanzel runterschreien:
Und jetzt warte ich auf klare Statements von Politiker und Politikerinnen in dieser Sache. Ich warte darauf, dass sie deutlich machen, dass das was seitens der Polizei passiert ist, aufgearbeitet wird und dass diejenigen, die sich falsch verhalten haben, dafür Rechenschaft ablegen müssen.
Leider ist zu mir noch nichts durchgedrungen.
Im Übrigen verstehe ich auch nicht warum Menschen wie Dudde weiterhin (Gesamteinsatzführer der Hamburger Polizei) im Amt bleiben.
Was man anmerken muss, vielleicht vorwerfen, ist, dass ihre Positionen und Handlungen nicht dem Erkenntnisstand in der Polizei-Wissenschaft entsprechen. Jahrelang haben wir an der Hochschule der Polizei in Münster Versammlungsszenarien durchgespielt und immer wieder festgestellt, dass eine harte Linie nur zur Eskalation führt und es dann eine seltsame Achse zwischen den Hardlinern der Polizei und den gewaltbereiten Chaoten gibt
Genauso viel könnte ich jetzt nochmal über den Umgang mit der Presse schreiben. Muss ich aber nicht, weil Jasmin Schreiber das bereits getan hat (Absatz „Polizeigewalt gegen Regierungs- und Pressevertreter„).
Zahlreich auch die Beispiele wie mit nahezu unbeteiligten Menschen umgegangen wurde. Ein Beispiel habe ich hier ergänzt.
Wieder so ein Fall über den wir laut Kollegen von @faznet oder @welt nicht reden sollen, weil die Polizei ja alles richtig gemacht hat pic.twitter.com/79pyqnlSxU
Ich finde dieses Bild sehr stark. Vom Beschützer zum Krieger. Das Bild kam mir während des G20 Gipfels sofort in den Kopf. Hamburger Linie eben. Hart durchgreifen. Eskalation und Kollateralschäden werden dann in Kauf genommen.
Ich bin sehr gespannt, wer dieses Thema nachhalten wird. Große Teile der Medien tun es nicht, die großen Parteien wohl auch eher nicht. Wer also?
— Nachtrag: Kommentare sind jetzt ausgestellt, weil ich gerade keine Möglichkeit zur Moderation habe —
Der 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ist da. Anlass für manchen Journalisten (in der Kurzbiographie als Experte für Hartz IV, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Armuts- und Gerechtigkeitsdebatten angepriesen) sich zum angeblichen Gender-Gejammer zu äußern. Denn Forschung hin oder her – natürlich sind es die Frauen selbst schuld, wenn sie Nachteile erleben, denn sie entscheiden sich ja aus freien Stücken einen schlecht bezahlten Job zu haben, zu heiraten, Kinder zu bekommen und in Elternzeit zu gehen und schließlich zur Rückkehr in Teilzeit.
Is klar. Ist bestimmt sehr schön in dieser neoliberalen Welt. Zumindest wenn man auf der Plusseite ist. Da kann man sich dann sagen, dass man das auch alles selbst verdient hat. Mit Strukturen und Privilegien hat das schließlich nichts zu tun.
Leider kann nicht jeder Journalist gut mit Komplexität umgehen und auch Logik ist nicht jedermanns Sache. Da kann es schon mal passieren, dass man aus „Die Straße ist nass, weil es geregnet hat“ schließt, dass es umgekehrt immer geregnet haben muss, wenn die Straße nass ist.
Aber gut.
Ich hab mir den Bericht durchgelesen und kann das sehr empfehlen. Er ist erstaunlich verständlich geschrieben und doch sehr erhellend.
Vor einigen Tagen schrieb ich über „Betriebswirtschaftlich maximierte Elternschaft“ und dem ewigen Argument, der Mann verdiene ja mehr und deswegen bleibe logischerweise die Frau zuhause, wenn das Kind krank ist und was das für den Lebenslauf der Frau langfristig bedeutet.
Im Gleichstellungsbericht klingt das wie folgt:
Viele Paare artikulieren heute ein Beziehungsideal der egalitären Arbeitsteilung.
Im Anschluss an die Familiengründung ist jedoch bei vielen eine Retradi-tionalisierung zu beobachten: In erster Linie sind es die Mütter, die ihre berufliche Karriere unterbrechen, ihre Erwerbsarbeit einschränken und die Sorgearbeit im Haushalt übernehmen; die Väter konzentrieren sich auf die Erwerbsarbeit.
Zwar streben Eltern dieses Modell der intrafamilialen Arbeitsteilung oft nur für eine vorübergehende Lebensphase, in der die Kinder noch klein sind, an.
In der gelebten Wirklichkeit verfestigt es sich jedoch vielfach, es prägt sich die Zuverdienst-Ehe aus. In dieser Konstellation arbeiten Frauen – oft in geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen – Teilzeit, tragen nur einen klei- neren Teil zum Haushaltseinkommen bei und sind auf Einkommensübertragungen, also Unterhaltsleistungen, ihres in Vollzeit verdienenden Partners angewiesen.
Sprich: In der Theorie wollen sich Paare alles gleichberechtigt aufteilen – in der Praxis tun es viele nicht, v.a. dann nicht, wenn Kinder geboren werden und auch da ist dieses Ungleichverhältnis theoretisch lediglich für die ersten Jahre angedacht, wird dann aber dauerhaft praktiziert.
Zu dieser Entwicklung im Lebensverlauf tragen nicht nur Schwierigkeiten beim beruflichen Wiedereinstieg nach einer sorgebedingten Erwerbsunterbrechung bei, die mit arbeitszeitlichen und arbeitsorganisatorischen betrieblichen Strukturen, mit Qualifizierungs- und Qualifikationsproblemen und Defiziten bei der Betreuungsinfrastruktur zusammenhängen.
Vielmehr enthalten das Einkommensteuer- und das Sozialversicherungsrecht für Verheiratete und – sofern rechtlich gleichgestellt – Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner Anreize für eine innerfamiliale Arbeitsteilung, bei der ein Elternteil hauptsächlich Erwerbsarbeit, der andere hauptsächlich Sorgearbeit leistet.
[…]
Einkommensteuer- und Ehegüterrecht beeinflussen auch die Ressourcenverteilung innerhalb von Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften. So wird bei der Einkommensteuer in der Steuerklassen- kombination III/V die Wirkung des Ehegattensplittings nicht gleichmäßig auf die gemeinsam veranlagenden Personen verteilt.
Damit fällt das laufende Nettoeinkommen für den Partner oder die Partnerin in Steuerklasse V, gemessen am Beitrag zum Erwerbseinkommen des Paares vor Steuern, relativ gering aus.
Im gesetzlichen Ehegüterrecht führt die Gütertrennung in der sogenannten Zugewinngemeinscha dazu, dass in Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen auch nur vorübergehend eine asymmetrische Arbeitsteilung besteht, lediglich die vermögende Person oder die Person mit dem höheren Erwerbseinkommen wirtschaftliche Verfügungsgewalt über den gemeinsam erarbeiteten ehelichen Zugewinn erhält.
Institutionell vermittelte Ressourcenzuweisungen dieser Art beeinflussen die Entscheidungs- und Verhandlungsmacht bei Paaren in einer Weise, die partnerschaftlichen Lösungen abträglich sein kann.
Bereits der Erste Gleichstellungsbericht stellte fest: Recht setzt oder unterstützt Rollenbilder, die auf das Entscheidungsverhalten von Männern und Frauen einwirken und damit Risiken und nachteilige Folgen im Lebensverlauf vor allem für Frauen begründen, aus denen sich gleichstellungspolitischer Handlungsbedarf ableitet.
Quelle: 2. Gleichstellungsbericht, S. 123
Man könnte meinen, dass diese Zeilen selbst für bestimmte FAZ Journalisten verständlich sein könnten (setzt natürlich voraus, dass man überhaupt mal in den Bericht gelesen hat – was ich stark anzweifle, denn sonst wäre man mit so einem Kommentar nicht als undifferenziert, sondern schlichtweg als blöd zu bezeichnen).
Jedenfalls: Mitnichten entschließen sich Frauen und Paare aus freiem Willen zu entsprechenden Modellen.
Wen es interessiert: Ab S. 124 kann man dann die entsprechenden politischen Forderungen, die sich aus dem oben genannten Ungleichgewicht ableiten lassen, nachlesen:
Abbau einkommensteuerrechtlicher Anreize zur Spezialisierung auf Erwerbs- und Sorgearbeit in der Ehe, hierbei:
Streichung der Lohnsteuerklasse V
Weiterentwicklung zu einem Realsplitting
Für die beitragsfreie Mitversicherung, lauten die Empfehlungen der Sachverständigenkommission:
Einführung eines eigenständigen Zugangs zur Kranken- und Pflegeversicherung
zeitliche Begrenzung der beitragsfreien Versicherung
Ausweitung der beitragsfreien Versicherung auf Angehörige von Wahlfamilien
Und schließlich bezogen auf Minijobs:
Besteuerung von Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung
Einführung einer Sozialversicherungspflicht für geringfügige Beschäftigung
Die Sachverständigenkommission empfiehlt in Bezug auf das Güterstandsrecht:
Einführung des gesetzlichen Güterstands der Errungenschaftsgemeinschaft
Informationspolitik betreffend: Umbenennung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft; frühzeitige Vermittlung von Informationen über die Folgen von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft; Einbeziehung ehe- und familienrechtlicher Fragen in Programmen zur Förderung der finanziellen Allgemeinbildung („financial literacy“)
Untersuchung der Praxis der Eheverträge und eine Beratungspflicht vor Vereinbarung einer Gütertrennung
Dass das Allein- oder Zuverdienermodell in Deutschland die Regel ist (v.a. in Haushalten mit Kindern unter 16 Jahren), belegen die Zahlen auch:
Der Anteil der Paare mit Kindern unter 16 Jahren, bei denen beide vollzeiterwerbstätig sind, macht nur 22,2 % aus;
bei 45,4 % dieser Paare arbeiten die Mütter in Teilzeit, bei 20 % ist die Frau nicht erwerbstätig (Wanger/Bauer 2015: 7f.).
Quelle: 2. Gleichstellungsbericht, S. 41
Man entscheidet sich also in der Mehrheit für die Variante Mann ist Hauptverdiener und die Partner gehen davon aus, dass das verdiente Geld im Anschluss beiden Partnern gleichermaßen zur Verfügung steht. Dem scheint aber nicht so zu sein.
Studien deuten allerdings darauf hin, dass die Partnerinnen und Partner ihre Ressourcen keineswegs zur Verwendung „in einen Topf werfen“; vielmehr sieht es danach aus, als wirkten beim Ausgabeverhalten familieninterne Entscheidungsstrukturen und ökonomische Verhandlungspositionen (Beblo 2012: 193; Beblo/Beninger 2013; siehe auch Rees 2017).
Quelle: 2. Gleichstellungsbericht, S. 41
D.h., der, der mehr verdient, entscheidet dann auch was mit dem Geld passiert.
Logisch. Wenn meine Partnerin nicht weiß, was ich genau verdiene, dann kann Gleichverteilung gar nicht erst eingefordert werden.
Fest steht – hat man sich einmal für das Ungleichgewicht entschieden, ist das auch langfristig kaum auszugleichen.
Die Nachteile eines auch nur vorübergehenden Ausstiegs aus der Erwerbsarbeit oder einer länger andauernden Teilzeitbeschäftigung lassen sich über den Lebensverlauf hinweg kaum kompensieren.
Quelle: 2. Gleichstellungsbericht, S. 42
Und (wenig überraschend), wer mehr verdient, hat größeren Einfluss auf die Entscheidungen:
Für die Ergebnisse der Aushandlungsprozesse innerhalb von Paaren über die Verwendung von Zeit und Einkommen im Haushalt spielt eine Rolle, wie stark sich die eigenen Einkommenspotenziale der beiden Verhandelnden voneinander unterscheiden.
Was die Gleichverteilung der Care-Arbeit angeht, ist es tatsächlich so: je früher sich der Vater entscheidet sich mit seiner Partnerin die Care-Arbeit zu teilen, desto besser klappt es tatsächlich mit der Gleichberechtigung.
Je früher Väter Verantwortung in der Betreuung und Erziehung von Kindern übernehmen, desto nachhaltiger lässt sich eine partnerschaftliche Arbeitsteilung zwischen den Eltern verwirklichen (vgl. C.V).
Quelle: 2. Gleichstellungsbericht, S. 42
Zusammenfassend kann man also sagen: Es geht mitnichten um freie Entscheidungen. Die Aushandlungsprozesse sind abhängig von gesellschaftlichen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen.
Die oben genannten Rahmenbedingungen stellen somit die Weichen für bestimmte Entscheidungen und begünstigen bestimmte Szenarien eben so, dass es sich im Durchschnitt negativ für Frauen auswirkt (Gender Pay Gap, Gender Time Gap, Gender Pension Gap).
P.S. Fürs Protokoll: Der Gleichstellungsbericht behandelt noch sehr viel mehr Fragen als die hier angesprochenen. Der Blogartikel ist nicht annähernd eine Zusammenfassung des Berichts.