Endgegner Computerspiel

Dreißig Minuten am Tag müssen reichen
Computerspiele und Elternängste
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„Wenn wir mal richtig großzügig sind, dann darf er 30 Minuten spielen. Meistens aber eher 20 Minuten am Tag.“

Es liegen rund 70 Minuten Vortrag über Computerspiele und mindestens acht Beiträge aus dem Publikum hinter mir, die v.a. eines zeigen: Ein Großteil der Eltern hat Angst vor Computerspielen.

Sie fühlen sich unwohl wenn ihre Kinder Interesse oder gar Spaß an Computerspielen haben. Am Besten man verbietet das ganz oder aber, man reglementiert so stark wie es geht.

Ich halte es nicht mehr aus. Ich bin jetzt alles andere als eine exzessive Computerspielerin – aber 20 Minuten? Ich glaube, Computerspiele ganz zu verbieten ist unterm Strich weniger frustrierend als sie täglich 20 Minuten zu erlauben.

In welchem Spiel kann man denn in dieser Zeitspanne irgendwas erreichen? Ein Level vollenden? Ein Rätsel lösen? Einem Handlungsstrang folgen? Seine Mitspieler zusammentrommeln? (Ausser in Idle Clickern, aber wollen die Eltern, dass die Kinder Idle Clicker spielen? Ok, Super Hexagon ginge auch – da sind 20 Minuten quasi unendlich lang…)

Ich drehe mich um und frage die Person, die sich eben gemeldet hat, um zu verkünden, dass ihr Kind 20 bis 30 Minuten am Tag spielen darf: „Ich verstehe wirklich ganz schlecht, wieso man Computerspiele so stark reglementiert. Würden sie auch sagen: 30 Minuten Lego spielen und dann ist aber Schluß? 30 Minuten lesen und dann Buch weg!

Das ist doch frustrierend fürs Kind. Das kennt man doch selbst. Da hat man vielleicht gerade angefangen zu lesen, steckt mitten im Kapitel, die Handlung wird gerade spannend und dann weg mit dem Buch.

So stelle ich mir das auch beim Computerspielen vor. Woher kommt denn ihre Angst? Was genau befürchten sie?“

„Lesen und Computerspiele kann man nicht vergleichen.“

„Warum nicht?“

„Das ist was ganz anderes. Lego auch!“

„Warum? Ich verstehe es wirklich nicht.“ In der Zwischenzeit bin ich rot angelaufen. Ich will nicht rumstänkern. Ich möchte das wirklich verstehen. Wir reden hier nicht von Kleinkindern, die die Welt vielleicht erstmal haptisch erfahren (be-greifen) sollen. Die Kinder, um die es hier geht, sind zehn Jahre und älter.

Die besorgte Person schaut mich mit einer Mischung aus Verduztheit und Überheblichkeit an. Wie kann es sein, dass ich mir diese Frage nicht selbst beantworten kann?

„Glauben sie, es werden verschiedene Fähigkeiten angesprochen, beim Lesen die Fantasie und beim Computerspielen… ?“

„Ja.“

Jetzt bin ich sprachlos. Die Diskussion geht mit anderen weiter. Ich merke, bis auf einen einzigen Vater, denken alle anderen Anwesenden, ich hab sie nicht mehr alle. Ich halte also meinen Mund.

Teufel Computerspiel

Der Vortrag hieß eigentlich „Phänomen Computerspiele: Fluch oder Segen?“. Wir sind mit dem Thema Sucht eingestiegen und da irgendwie hängen geblieben. Es geht v.a. um World of Warcraft.

Später versuche ich rauszubekommen, von wie viel Prozent Süchtiger wir überhaupt sprechen. Ich finde Zahlen zwischen 3 und 10% aller Jugendlichen in Deutschland. Meistens geht es in den Studien aber nicht nur um Computerspiele sondern auch um Onlinesucht.

Immer wieder begegnet mir die Studie, die sagt, das angeblich 560.000 Menschen in Deutschland internetsüchtig sind. Vor einigen Jahren hatte ich mir die Studie genauer angeschaut und festgestellt, dass es hier Kriterien gibt wie „beschäftigt sich x Stunden am Tag damit“ und auf der anderen Seite auch Internetradio oder Streaming mit erfasst wurde.

Interessehalber habe ich mich auch mit den Thesen von Manfred Spitzer befasst. Er geht so weit und verteufelt z.B. das Lesen von Büchern in eReadern.

In den Zahlen und Studien konnte ich unterm Strich nichts finden, das mich wirklich überzeugt hat, dass man Kinder von Computerspielen fern halten sollte oder dass es schlimmer ist, wenn sie Computer spielen als wenn sie lesen oder einfach nur chillen.

Ich glaube auch, dass die Zeit der Pubertät, die Zeit ist, in der generell exzessiv Hobbys betrieben werden. Von morgens bis abends lesen, Computer spielen, beim Pferd abhängen, Karate machen, Brettspiele spielen.

Früher war alles anders – oder?

Bei mir fing das so mit acht Jahren an. Ich hatte am Anfang selbst keinen Computer und verbrachte deswegen viel Zeit bei einem Schulfreund, der einen sehr großen Computer hatte (ich könnte schwören, es war ein Apple Lisa, was ich aber aufgrund des irrsinnigen Anschaffungspreises nicht glauben kann). Ich durfte den Computer nie selbst anfassen, ich durfte lediglich die 5¼-Zoll-Disketten anreichen und dann zuschauen, wie er spielte.

Die nächsten Jahre sah mein Alltag so aus: Schule bis Mittag, nach Hause gehen, mir Essen warm machen, Hausaufgaben machen, zum Schulfreund gehen und beim Computer spielen zuschauen.

Dann bekam ich selbst einen C16 mit Datasette und dazu eine BASIC-Kurs-Software inklusive BASIC-Buch (wenn ich mich richtig erinnere) und spielte alleine Zuhause. Mir wurde das Spielen irgendwann langweilig und ich fing an mir sehr einfache Spiele selbst zu programmieren.

(Nebenbei las ich genauso exzessiv Bücher von Wolfgang und Heike Hohlbein: Elfentanz, Heldenmutter, Drachenfeuer etc.)

Ich kann mich nicht erinnern, ob sich meine Eltern Sorgen gemacht haben. Tatsächlich kann ich mich nicht mal erinnern, dass sie gesagt haben: So. Heute aber nur eine Stunde Computer und dann aber Schluß.

Wahrscheinlich kann man das ohnehin nicht mit heute vergleichen. Ich durfte auch ohne Limit fernsehen, v.a. in den Schulferien.

Aber egal. Ich frage mich wirklich, warum Eltern so große Angst vor Computerspielen (und der Online-Welt) haben.

Wo liegt eigentlich der Angst-Hund begraben?

Zurück zum Computer-Spiele-Vortrag: Ein bisschen später meldet sich eine weitere Person und bittet den Referenten: „Halten Sie auch in Schulen Vorträge über die Gefahren? Es wäre doch gut, wenn nicht immer nur die Eltern warnen, sondern die Kinder auch mal von anderen Menschen hören, wie gefährlich das ist!“.

Ich atme.

Es bleibt mir ein Rätsel. Warum sind einige Eltern nicht bereit sich die Frage zu stellen warum sie Computerspiele so schlimm finden. Was genau sie für die Entwicklung ihrer Kinder befürchten. Warum sie das Digitale im weiteren Sinne so verteufeln. Warum sie glauben, dass exzessives Lesen gut, exzessives Computerspielen schlecht ist. Und v.a. „Computerspiele“ – ich möchte mal wissen, wie viele Eltern überhaupt wissen WAS ihre Kinder spielen (wollen) und was das für Spiele sind, um was es da geht oder was ihnen dabei Spaß macht. Wie viele ängstliche Eltern haben sich zum Beispiel schon mal auf YouTube ein Let’s play angesehen?

Ich glaube (so wie ich das bei dem Onlinethema auch glaube), die meisten Ängste kommen von Unwissenheit.

Gerade im Thema Computerspiele gibt es dann noch starke Vorurteile in der Gesellschaft, die unreflektiert von vielen Medien verbreitet werden. So glauben bestimmt eine nicht unwesentliche Anzahl an Eltern, dass Ego-Shooter Gewaltbereitschaft fördern und quasi der direkte Weg zum Amoklauf sind. Kein Wunder, wenn man sich dann große Sorgen macht…

Wenn man von Computerspielen in der Medienwelt lesen kann, dann v.a. selektiv. World of Warcraft ist wahrscheinlich genau wegen der Suchtthematik eines der wenigen Spiele, das vielen namentlich bekannt ist.

Was dringt sonst noch in den Mainstream? Bestenfalls die großen Blockbuster.

Interessant ist ja auch, was überhaupt als Computerspiel wahrgenommen wird und was nicht. Ein Großteil der ängstlichen Erwachsenen – eine Nachfrage hatte das zum Start des Vortrags ergeben – spielt selber diverse Handy- oder Facebookspiele (FarmVille, Candy Crush und Co.). Auf die Frage „Wer spielt selbst Computerspiele“ melden sich diese Leute nicht. Erst als der Referent nochmal konkret fragt: „Und auf dem Smartphone?“ gehen die Finger zögerlich nach oben.

Selbst schlau machen

Jedenfalls. Ich würde mir wirklich wünschen, dass Eltern sich mit dem beschäftigen, was Kinder beschäftigt. Sich erzählen lassen, was die Kinder machen, was die Faszination ausübt.

Mein Gefühl ist, dass v.a. die jüngeren Kinder ihre Eltern sogar gerne beim Spielen dabei hätten. Wenn ich Kind 3.0 zu Minecraft befrage, erzählt es so lange bis mir die Ohren bluten.

Bei den Älteren ist das vielleicht nicht mehr so – aber ich glaube, dass sie auch bereitwillig berichten, was die Faszination des Spiels ausmacht.

Würden Eltern sich selbst ein bisschen für die Neuerscheinungen auf dem Spielemarkt interessieren, dann könnte das sogar die Möglichkeit eröffnen  gelegentlich mit den Kindern gemeinsam zu spielen oder Spiele zu empfehlen.

Ich denke, es gibt für Erwachsene super Einsteigerspiele – Spiele, die Brettspielen gar nicht mal so unähnlich sind (Tricky Towers z.B.), für die man in dem Sinne keine besonderen Computerspiele Skills (auch nicht in der Bedienung der Konsole) braucht und die man auch gut und mit viel Spaß gemeinsam spielen kann.

Es ist immer wieder erstaunlich, was Kinder interessant finden. Wir haben z.B. im Urlaub mal The Witness gespielt – ein Spiel bei dem es v.a. um das Lösen von Logikrätseln geht. Als es irgendwann so absurd schwer und kaum mehr nachvollziehbar wurde, dass ich das Interesse verlor, waren die Kinder noch Feuer und Flamme und ehrgeizig bei der Sache. So viel Durchhaltevermögen kann ich wirklich nur bewundern.

Was ich sagen will: Wenn man selber spielt (oder sich mal ein paar Beiträge zu Spielen anhört oder den ein oder anderen Artikel dazu liest), hat man einen ganz anderen Zugang zu dem Thema und findet dann vielleicht auch zu einem anderen Umgang damit.

Am Ende geht es aber ja nicht darum die Spiele selbst zu spielen, sondern einen kompetenten Umgang damit zu vermitteln oder sich einen gemeinsam mit den Kindern zu erarbeiten und die eigenen Unsicherheiten abzubauen.

Der einfachste Weg dorthin ist das Gespräch – der Austausch. Das halte ich alles für zielführender als irgendwelche übertriebenen Reglementierungen oder gar Verbote.

Zum Abschluss noch ein Video, das die Frage beleuchtet, warum der Zugang zum Thema Computer/Videospiele so schwer ist und warum es dennoch wichtig ist, sich um „Basic Game Literacy“ zu bemühen.

Video gefunden bei Marcus Richter

Wo wir schon bei Marcus Richter sind: der kann ja eigentlich ganz gut erklären, was es so gibt und warum Menschen Computerspiele spielen:


Und P.S. Wäre ich meine Eltern gewesen, ich hätte mir nur in meiner frühen Adoleszenz Sorgen um mich machen müssen. Das war die Phase in der ich Sims gespielt habe. Dagegen ist DOOM ein fröhliches Alien-Spiel.

Who you gonna call? ALSO AUF KEINEN FALL EINE FRAU!!1!

Ich hab es endlich geschafft. Ich habe das Ghostbusters Reboot gesehen. Sie erinnern sich? Der Ghostbusters Film mit den vier Frauen und dem etwas dümmlichen Eye-Candy Chris Hemsworth.

Mit der Veröffentlichung des Trailers im März 2016 ging das Gezeter los. Unter dem Trailer die absonderlichsten Kommentare. Vier Frauen? WTF? Das geht ja mal GAR nicht.

„Women are NOT funny. Deal with it.“

„Feminism is cancer.“

„Here..ladies and gentlemen is your fucking boring politically correct world…“

Insgesamt über eine Millionen Dislikes. Kein Trailer hat bislang jemals mehr Dislikes bekommen und das obwohl Sony rund 400.000 (!) negative Kritiken entfernen lassen konnte. In den Kommentaren verspricht Man(n) aktuell sogar „Do not worry guys, with Donald Trump this won’t happen again.“

Die Empörung war groß und warum? Einfach weil vier Frauen die neuen Ghostbusters sind. Ein wesentlich anderer Grund lässt sich nicht festmachen.

Der Film ist voller liebevoller Referenzen an seine beiden Vorgänger und auch Bill Murray, Dan Aykroyd, Ernie Hudson und Sigourney Weaver haben Gastauftritte.

Ich habe die beiden Vorgänger Mitte der 1980er auf VHS gesehen und fand sie superlustig und Sigourney Weaver wahnsinnig toll.

Über diese Erinnerungen hab ich mich gefreut, wie ich mich über den grünen Schleim gefreut habe. Ich bin nämlich ein furchtbar schreckhafter Mensch. (Ich hab schon mal davon berichtet, dass mir jemand die Handlung von „The Ring“ nacherzählt hat und ich deswegen zwei Wochen kaum schlafen konnte?) Wenn die Musik im Film spannend wird, hab ich schon Angst. Ein Geisterfilm in dem Geister neongrünen Schleim auf Menschen erbrechen, das ist genau das Richtige für mich.

Zu meinem großen Erstaunen hab ich mich auch über die Witzchen schlapp gelacht. Kevin, der Rezeptionist z.B. hat einen Hund, der Mike Cat heisst (Michael Cat eigentlich. Das ist wie die Katze von Helge Schneider, die Orang-Utan-Klaus heisst, oder? Ich lache schon wieder!).

Der Film hat mich wirklich schwer amüsiert. Leicht bekömmlich, schöne Wortgefechte und wunderbarer Unfug mit dem „wissenschaftlichen“ Geisterkram (man muss nur den Protonenstrom strambultieren, um dann über quantenmechanische Quarulenzen die Energie zu akkumulieren!).

Genau wie seine Vorgänger und mein Intellekt hat sich offenbar in den letzten dreißig Jahren auch nicht wesentlich weiterentwickelt. Ich kann immer noch hervorragend über Pupswitze lachen.

Ob Ghostbusters jetzt wirklich ein feministischer Film ist, weil vier Frauen die Hauptpersonen spielen sei mal dahin gestellt. Immerhin besteht er den Bechdel-Test…

1. It has to have at least two [named] women in it – Ja
2. Who talk to each other – Ja
3. About something besides a man – Ja

Über die eigentliche Qualität eines Films sagt der Test zumindest erstmal nichts aus.

Es ist aber sehr bedrückend mitzuverfolgen wie hart die Darstellerinnen zum Teil attackiert wurden. Diese beiden Tweets nur als Beispiel:

Ich fand den Film auch deswegen interessant, weil ich am 33C3 das erste Mal den Podcast Teenagersexbeichte vollständig gesehen (ja gesehen nicht gehört, er war im Sendezentrum auf der Bühne) habe.

Aus meiner Filterbubble habe ich schon viele lobende Worte vernommen. Alles irre witzig (v.a. weil ja Parodie und so). Während also mein Umfeld intellektualisiert hat, was die Teenagersexbeichte nun wirklich so irre lustig macht* – hab ich mich gefragt: ist das vielleicht alles nur albern und eine Art Comic Relief für die redlich bemühten Männer in Sachen Feminismus und politischer Korrektheit?

Es ist ja im Alltag schon anstrengend, dieses politisch korrekt sein, das gendern, das Frauen ausreden und zu Wort kommen lassen…
Ist es dann nicht eine große Erleichterung endlich mal all die sexistischen Witzchen zu machen, die einem einfallen? Endlich mal irgendwas mit ficken und Pipikackawitze und einfach nur lachen – ganz ohne schlechtes Gewissen?

(Ich muss dazu sagen, den einen Typen von der Teenagersexbeichte hab ich ja sehr, sehr gern und den anderen (neu kennengelernt), finde ich sehr sympathisch.)

Ich will gar nicht festlegen, ob der Podcast auf der Metametaebene kluges Ad Absurdum Führen sämtlicher Klischees ist oder nicht.

Meinem stichprobenartigen Eindruck nach ist es einfach Klamauk mit sich wiederholenden Referenzwitzen. Ich konnte sogar 2x lachen.

Allerdings habe ich mich gefragt: Wenn zwei Frauen genau das selbe machen würden, würde da auch gelacht werden?

Ghostbusters 3 gibt mir die Antwort. Denn für einen Großteil der Menschen sind Frauen eben per se nicht witzig. Fertig.

Sicherlich gäbe es keinen Shitstorm wenn die Teenagersexbeichte mal von zwei Frauen gemacht würde, aber ich wette für die Fanschaft wäre das schwer zu verschmerzen.

 

Die selben Witze von einem Mann gemacht und alle liegen schenkelklopfend auf dem Boden.

So ist das auch 2016.

Frauen sind nicht witzig und wenn man einen Remake einer Filmreihe macht, die für eine halbe Generation identitätsstiftend war, dann bloss nicht mit Frauen. Da hört der Spass einfach auf.

(Die armen Männer mussten ja auch schon die Feminisierung von Mad Max verkraften!)

Mir hingegen haben Leslie Jones, Kristen Wiig, Melissa McCarthy und Kate McKinnon als Geisterjägerinnen gut gefallen. Vielleicht ist die Welt eines Tages sogar so weit den Charakteren unabhängig von der Hautfarbe einen akademischen Grad zu verleihen.

2099 oder so.


* u.a. Ralf Stockmann im Sendegate

Natürlich sind Malik und Johnny Kunstfiguren, das ganze ein Hoax. Auf der SUBSCRIBE8 habe ich dazu von der Seite jemanden sagen hören: „mann muss schon ein sehr guter Musiker sein, um so falsch spielen zu können“. Das trifft es sehr gut – was die beiden wirklich auszeichnet, ist dass sie über 40 Minuten ernst bleiben können, in einer gelangweilten „so wir müssen das hier durchziehen“ Attitüde. Das ist schon ziemlich großes Tennis, in Anbetracht der oft ins Dadaistische reichenden Absurdität, an der auch Helge Schneider seine Freude hätte. […] Das ist schon zum Schreien komisch:

2016

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Ich bewundere ja diese Menschen, die sich Dinge aufschreiben, die Listen führen und alles erfassen. Wenn man irgendwann alt ist, dann ist das bestimmt wunderbar. Ich merke immer wieder wie viel ich vergesse und wenn ich dann Fotos sehe oder Texte lese, dann frage ich mich, wie ich das alles vergessen konnte und bedauere sehr, so nachlässig in der Dokumentation zu sein.

Ich finde ja, wenigstens Netflix und Co. könnten am Ende des Jahres eine schöne Statistik zusammenstellen. „Sie haben 273 Stunden Serien geschaut. Folgende Serien waren das: …“ Aber nein! Alles muss man sich selbst merken.

Aber zurück zum eigentlichen. 2016 war ein Jahr mit vielen Auf und Abs. Für mich ist das ganz neu: Gefühle. Den janzen Tag! Für meine Kinder hatte ich schon immer große Gefühle, doof finden konnte ich auch immer ziemlich viel, aber Nuancen das ist neu!

Wobei, ich bin immer noch ein ein bisschen aus dem Takt geratener Roboter. Früher war alles schön 0 oder 1. SUPERTOLL! oder eben TOTAL DOOF! HUNGER! oder PAPPSATT! AUF JEDEN FALL! oder NIEMALS! AN oder AUS.

Jetzt gibt es gelegentlich Abstufungen. Wobei mir das immer noch sehr schwer fällt.

Was gab es aber an großen Veränderungen?

Die großen Kinder

Eine irrsinnige Veränderung ist die Selbständigkeit der Kinder. Ich kann es manchmal gar nicht glauben, was alles plötzlich ohne mich geht und ich muss mich zusammenreißen nicht wimmernd hinter den Kindern herzuschleichen – weil früher! früher hab ich das doch alles (mit)gemacht.

Jetzt kann ich auch mal länger arbeiten, die Kinder bringen sich selbst nach Hause und manchmal komme ich in die Wohnung und muss in den Kalender schauen, wo die Kinder eigentlich sind.

Sie haben eigene Interessen und Freunde und bewegen sich frei im Kiez. Manchmal finde ich einen Zettel. „Mama, ich bin bei Paula. Zum Abendessen bin ich zurück.“

Sie machen ihre Hausaufgaben, geben Infozettel aus der Schule ab und verpacken die Geschenke für die Kindergeburtstage, bei denen sie eingeladen sind, selbst.

Oft helfen sie freiwillig im Haushalt, oft nur unter Protest, aber ich arbeite daran, das auszuhalten. Wäsche sortieren, Wäsche auf- und abhängen, manchmal zusammenlegen, wegräumen, Tisch decken, abdecken, Spülmaschine ein- und ausräumen, beim Kochen helfen, Tee und Kaffee machen, staubsaugen, darf ich bitte bitte bügeln?

Ich bestehe darauf, dass wir ein Team sind. All diese Aufgaben machen nur mäßig Spaß, jeder muss altersgemäß mitanpacken.

Das Durch- und „Ausschlafen“

Ich hab es nicht für möglich gehalten, aber es ist tatsächlich so, dass die Kinder irgendwann einfach von abends bis morgens schlafen und der Erwachsenenschlaf sich erholt.

Alles ist so wie früher. Abends die Augen schließen, morgens wieder öffnen. Sieben Stunden am Stück geschlafen. Verrückt.

Im Februar haben wir Winterurlaub gemacht. Da hat der bis dahin größtenteils kinderfrei lebende Freund zu den Kindern gesagt: „Ihr lasst uns bitte bis halb zehn schlafen, ja?“

Trocken gelacht habe ich da (Unwissender!) und mit den Augen gerollt (als wenn die Kinder auf sowas hören!).

Was soll ich sagen: Seitdem schlafen* wir Erwachsenen am Wochenende und im Urlaub bis 9.30 Uhr.

Irre.

Winterurlaub

Da haben wir auch angefangen Gesellschaftsspiele zu spielen. Sowas wie Robo Rally [Werbelink] oder Rage [Werbelink].

GROSSARTIG! Spiele spielen, bei denen man nicht immer gegen Kinder verliert (Memory) oder sich zu Tode langweilt (Socken zocken und ähnliche Spiele).

Das ist so großartig, dass wir regelmäßig einen Spielenachmittag machen (Nur Monopoly bleibt verboten)

(Wer Spieletipps hat, immer her damit!)

Apropos Urlaub

Ich habe geschafft 2016 meinen Geiz zu reduzieren. Es muss jetzt nicht immer das billigste vom billigen sein. Zur Entspannung gehen wir manchmal Pizza essen oder fahren ein Wochenende irgendwo hin. Wenn die Ferienwohnung 10 Euro am Tag mehr kostet, weil sie eine Spülmaschine hat… ich kann es aushalten.

Das tut uns allen gut. Dafür werde ich wahrscheinlich niemals meine Küche renovieren oder mir ein neues Sofa kaufen oder einen Fernseher – aber ich denke, damit lässt sich ganz gut leben.

Mein Buch

Ja, mein Buch. Es bereitet mir immer noch Freude. Ich bekomme oft wunderbare Emails, die darüber berichten wie Elternpaare sich Kapitel gegenseitig vorlesen und sich dabei schlapp lachen und darüber manchmal vergessen, dass so ein Leben mit Kindern doch auch anstrengend sein kann.

Da geht mir wirklich das Herz auf.

Toll waren auch die Lesungen in Hannover und in Stuttgart und die anschließenden Gespräche und Signierstunden, in denen ich mir vorkomme wie ein Weltstar, weil ich meinen Namen in mein Buch schreiben darf.

Kinderfrei

Ich hatte viel kinderfrei. Zum einen natürlich aufgrund der Trennung und der damit verbundenen Zeiten, die die Kinder beim Vater verbringen, zum anderen aber auch weil die Kinder auf Klassenfahrten sind oder bei Freundinnen und Freunden übernachten. Ja, sie sind sogar so alt, dass man sie mit diesem Bahnbegleitservice quer durch Deutschland zu Verwandten reisen lassen kann.

Ich denke oft, wenn ich mit dem Kinderhaben nochmal neu anfinge, dann würde ich auch mit dem Kinderfreihaben früher anfangen. Das hilft bei so vielem.

Tatsächlich weiß ich nicht, ob ich das wirklich könnte. V.a. im Baby- und Kleinkindalter fiel es mir sehr, sehr schwer von meinen Kindern getrennt zu sein.

Selbst für einen Abend im Kino oder ein Essen mit einer Freundin. Richtig frei und wohl hab ich mich nie gefühlt.

Ich weiß nicht, wie die Faktoren sind, damit man sich gut fühlt als Mutter ohne seine Kinder zu sein. Vermutlich ist es einfacher, je größer sie sind und je mehr man der Person vertraut, bei der die Kinder sind.

Vielleicht ist es die ersten Jahre auch anders, wenn man Familie in der Nähe hat und die Kinder dort abgibt. Ich weiß es nicht genau.

Ich hab tatsächlich fast zwei Jahre gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Ja, vielleicht muss man es wirklich trainieren. Denn jetzt ist es fantastisch und ich fühle mich, während ich diese Zeilen schreibe nur noch ein bisschen wie eine Rabenmutter. Weil darf man überhaupt sagen, dass man auch Zeiten ohne Kinder schön findet?

Am Anfang habe ich die Zeit genutzt und bin wie irre ins Kino, in Lesungen, ins Theater und in Ausstellungen gegangen.

Nachdem diese Bedürfnisse gestillt waren, nutze ich die Zeit v.a. zum abhängen, basteln (!) und Podcasts hören. Manchmal nehme ich mir auch irrsinnige Koch- oder Backprojekte vor oder ich schaue Serien bis mir der Kopf brummt.

Zu meinem großen Erstaunen habe ich auch die Langweile für mich wiederentdeckt.

Der Tod

Es gibt wirklich dieses Alter in dem sich Todesfälle plötzlich häufen. Das ist sehr grausam – zumal der Tod in unserer Gesellschaft keinen festen Platz hat. Wenn er dann kommt, dann wirft er einen total aus der Bahn.

Den Tod meiner Freundin 2014 habe ich immer noch nicht verwunden. Sie ist jeden Tag bei mir. Im Milchschäumer, in der Farbe Gelb, in einem Zucchiniröllchen, in der Karl-Marx-Allee.

In meinem Mailfach ist die Vergangenheit konserviert. Immer wieder stoße ich auf Zeilen, die Menschen verfasst haben, die es nicht mehr gibt. Das tut sehr weh, denn sie fehlen.

Auch dieses Jahr ist eine Freundin völlig unerwartet gestorben. Die Beerdigung war einer der traurigsten und gleichzeitig erwärmendsten Tage meines Lebens. Mir ist klar geworden, dass die Liebe, die ein Mensch gegeben hat, in denen bleibt, die noch hier sind und dass sie weiter strahlt. Das ist so wahr wie es vielleicht kitschig klingt.

Ich hoffe, dass der Tod mich achtsamer und behutsamer macht und mich lehrt zu schätzen, was ich habe und das ist sehr, sehr viel.

Tatsächlich hilft mir die Erfahrung des Verlusts mir klarer zu werden, wer oder was mir gut tut und lässt mich erkennen, wie ich anderen gut tun kann und es fällt mir leichter mich von dem zu entledigen, das nur Energie absaugt.

Ich bin dankbar für meine fabelhaften Kinder, für meinen Partner (<3) und für meine Freundinnen und Freunde, von denen es nicht viele gibt, aber die wenigen, die bedeuten mir sehr, sehr viel.

2016 insgesamt

Alles in allem gefällt mir mein Leben im Moment gut.

40+ zu sein habe ich mir eingeengter und ernsthafter vorgestellt.

Ich frage mich, ob andere auch so leben in meinem Alter? Ob sie ihre Kleidung auch kaum bügeln, Fertigpizza aufbacken, wenn sie zu müde zum Kochen sind und sich mit großer Freude statt der Tagesschau Studio Ghibli Filme anschauen.

Wahrscheinlich ist das aber auch egal. Denn es soll ja jede so machen, wie es sie glücklich macht.


*Ich schlafe nie bis 9.30 Uhr. Das geht überhaupt nicht. Mein ganzes Leben ging das nicht. Aber ich schlafe bis 8 Uhr und dann lese ich und trinke Kaffee im Bett. Das ist super!

Dunkelziffer der Lesesüchtigen unbekannt

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Ich bin in einem Dorf groß geworden. Immerhin hatte dieses Dorf eine Bibliothek. Entdeckt habe ich die Bibliothek irgendwann in der Grundschule. Mit dem Wechsel ins Gymnasium hatte ich alle verfügbaren Kinderbücher gelesen.

Damals hat man die ausgeliehenen Bücher noch von Hand in seinem Ausweisbüchlein eingetragen.

Ich erinnere mich, wie ich stundenlang die Regale absuchte, Titel scannte, einzelne Bücher rausnahm, die Inhaltsangabe durchlas und mir nach und nach einen Stapel zusammensuchte.

Dann nahm man die Leihkärtchen aus den Büchern und ging mit seinem Ausleihblock an die Theke.

Immer wenn dieser Block voll war, war ich sehr, sehr stolz.

Nach einigen Jahren hatte ich alle Bücher gelesen, die mich interessierten. Ich las dann aus Langeweile auch die, die mich eigentlich nicht interessierten. Sehr selten, gab es mal ein neues Buch – aber das war die absolute Ausnahme.

Irgendwann in den Sommerferien in Italien lernte ich Kinder aus der Nachbarstadt kennen. Die berichteten von ihrer Bibliothek. Ich merkte mir den Namen und schaute, nachdem wir wieder Zuhause waren, die Adresse im Telefonbuch nach. Dann suchte ich die Adresse auf dem Stadtplan, den meine Eltern im Auto liegen hatten.

Am nächsten Wochenende fuhr ich mit dem Bus in die Stadt und lief dann zur Bibliothek. (Um ins Gymnasium zu kommen, musste ich ohnehin schon Bus in die Stadt fahren. Die Abfahrtszeiten am Wochenende sind nach wie vor abenteuerlich. Ein Bus fährt am Vormittag, einer am frühen Nachmittag).

Ich hatte Glück, ich war früh genug losgefahren! Die Bibliothek war geöffnet. Nach Öffnungszeiten hatte ich nämlich gar nicht geschaut – und tatsächlich schloss sie samstags um 14 Uhr, wie eben alle Geschäfte früher an Samstagen.

Ich erinnere mich an den beeindruckend großen Eingangsbereich, an meine Aufregung und an meine völlige Desorientierung, weil es in alle Richtungen Abteilungen hab, in denen bis (für mich) in unerreichbaren Höhen Bücher standen.

Wie ich es von der Bibliothek meines Dorfs gewohnt war, stapelte ich Bücher und Kassetten (! sie hatten auch Kassetten!!!) und lief zur Ausleihe, um dort zu erfahren, dass ich ohne die Zustimmung meiner Eltern keinen Ausweis bekäme.

Schweren Herzens liess ich meine Auswahl zurück und fuhr aufgebracht nach Hause. Ich war ja wohl schon alt genug, um selbst zu entscheiden, ob ich einen Bibliotheksausweis haben konnte oder nicht!

Bücher waren lange, lange Zeit eine wichtige Freizeitbeschäftigung für mich. Besonders Fantasy Literatur und Science Fiction fand ich faszinierend und ich erinnere mich wie ich mich abends und am Wochenende müde las, mit dem Buch einschlief und dann im Traum den Inhalt weiterträumte.

Die gräßlich langen Sommerferien hätte ich ohne Bücher nicht überstanden.

In der Zwischenzeit lese ich kaum noch Bücher und ich finde es deswegen doch etwas erstaunlich, dass meine Kinder ebenfalls Lesewürmer geworden sind.

Am ausgeprägtesten ist es beim 2. Kind. Das liest quasi immer. IMMER.

„Mama, kannst du mich morgens früher wecken, damit ich lesen kann?“

„Nein, Kind 2.0, wir stehen alle um 6.15 Uhr auf, noch früher aufstehen möchte ich nicht.“

„Mama, kann ich abends länger wachbleiben, um zu lesen?“

„Eine halbe Stunde, dafür bist du jetzt alt genug, aber wirklich nicht mehr. Du brauchst deinen Schlaf!“

„Mama, kannst du mir meine Bücher mitbringen?“

„Mama, kann ich in die Bibliothek?“

„Mama, kann ich die Bücher mit in die Schule nehmen?“

Es liest beim Laufen, es liest in den Pausen, es kommt von der Schule nach Hause, vergisst Hausaufgaben, liest und liest.

Selbst die Anschaffung eines Smartphones hat nicht geholfen. Dieses Kind, es ist SÜCHTIG!

Ehrlich gesagt, weiß ich auch gar nicht mehr, wie das Kind genau aussieht, es hält sich ja immer Bücher vors Gesicht.

Im Urlaub, habe ich ihm Nachrichten und Fotos geschickt, aber das Kind hat sie alle nicht gelesen. Was macht man da als Mutter? Muss ich schimpfen, dass es nie auf das Smartphone schaut? Kann ich fordern, dass es mindestens einmal am Tag auf das Gerät schaut?

Abends will es am Vorlese- und Singritual nicht mehr teilnehmen. Es will selbst lesen. Erst alle Ella Bücher, dann alle Kiki Bücher, dann 264 Pferdebücher, dann ??? Kids und jetzt diese Cat Warrior Bücher.

Wenn es spricht, dann verstehe ich nicht viel. Flußclankatzen? Die Knochen der Vorfahren um den Hals tragen? Hundemeute? Wasser? Da! Loch! (Das Kind lacht).

Allerdings – eine gute Sache hat diese Marotte – ich bin die liebste Mama der Welt. Ich hab dem Kind nämlich gezeigt, wie man sich eBooks in der Bibliothek leiht. Zum Beispiel abends um 20 Uhr, wenn man den einen Band gerade fertig gelesen hat, der einen fiesen Cliffhanger hat und man UN-BE-DINGT weiter lesen möchte.

Das ist schon sehr, sehr toll.

(Ein bisschen schade ist nur, dass man geliehene eBooks nicht zurück buchen kann. Ist die Ausleihzeit einmal festgelegt, ist das Buch erst nach Ablauf dieser Frist wieder ausleihbar.)

Dennoch. Mir hätte das auch gefallen. Vor allem dann, wenn man nicht stöbern will, sondern einfach den nächsten Band verschlingen möchte.

Wie Kind 2.0 sagt: Bibliotheken sind Netflix für Buchstaben. Man kann einfach weiter und weiter und weiter lesen und am nächsten Tag sehr unausgeschlafen sein.

Und hat’s mir geschadet?*


*Bitte antworten Sie nicht.

Make your Kühlschrank smart and revolutionier your Family Life

Links: ich, rechts: mein nicht smarter Kühlschrank
Links: ich, rechts: mein nicht smarter Kühlschrank

Neulich habe ich eine Pressemitteilung über einen Kühlschrank bekommen. Tatsächlich habe ich sie gelesen, weil ich mich derzeit für Kühlschränke interessiere. Meiner ist aus der Zeit in der ich noch jung war. Damals war er State of the Art. Er glänze durch zwei Funktionen:

  1. kühlen und
  2. Innenbeleuchtung (aber nur wenn er geöffnet ist. Ich hab das gewissenhaft untersucht)

2006 ist die Innenbeleuchtung leider kaputt gegangen und die letzten beiden Sommer hat der Kühlschrank nur noch unter großen Mühen gekühlt. Das Kühlen hat ihn so angestrengt, dass er sehr viel Wasser ausgeschwitzt hat, das ich ihm regelmäßig mit einem Lappen entfernt habe. So alle drei Stunden.

So ist der Kühlschrank zum Familienmitglied geworden. Alle paar Stunden muss er versorgt werden, er macht seit geraumer Zeit komische Geräusche und leider steht er auch im Weg herum.

Meine Küche ist klein. Der Kühlschrank hingegen sehr, sehr groß, aber Platz fand er damals nur genau in der Mitte der Küchenzeile. So bleibt links des Kühlschranks nur 40 cm Arbeitsfläche.

Aber ich komme schon klar. Der Kühlschrank und ich, wir sind gute Kumpels. Wir wissen beide, dass Perfektion nicht alles ist.

Jedenfalls bekam ich heute eine Pressemeldung über einen Kühlschrank. 4.299 Euro soll er kosten. Und nein, da habe ich nicht aus Versehen eine Stelle zu viel getippt.

4.299 Euro. Ich glaube, wenn ich den Wert aller technischen Geräte, die ich besitze, aufsummiere, komme ich auf diese Summe. Ich sag mal so: Das ziemlich überteuerte iPhone, an das ich mich aber leider gewöhnt habe, ist da schon eingerechnet.

Also 4.299 Euro. Eigentlich steht das nicht am Anfang der Pressemitteilung. Wahrscheinlich wollte sich der Hersteller diesen Preis als Pointe aufheben, die ich jetzt leider so ein bisschen verpatzt habe.

Also nochmal zurück zum Kühlschrank, der übrigens natürlich nicht Kühlschrank sondern Family Servant heisst und als smarter Partner fürs Leben angepriesen wird. Denn – ein kluger Produktentwickler saß vermutlich morgens mal auf der Toilette und da fiel ihm auf: Ein Kühlschrank, der nur kühlt, das ist doch totale Platzverschwendung. Mach ich ihn doch einfach smart! Und wie macht man das? Richtig! Mit einem Tablett vorne dran.

Also verbaut man ein drölfzig Zoll großes WLAN fähiges Tablett an diesem Kühlschrank. Und jetzt kommts! Auf dem kann man malen! Es. ist. nämlich. ein. Touchscreen. (Super Idee so ein Touchscreen in der Küche zwischen all den Fettdämpfen und schmutzigen Kinderhänden – aber was solls, dann dürfen die störenden Kinder eben nicht mehr in die Küche).

Crazy Shit oder?

Das ist aber nicht alles: Man kann auch darauf schreiben!
JA!

Das ist aber immer noch nicht alles. Das Tablett kann auch Sprachnachrichten abspielen („Nuf, mach‘ sofort wieder die Tür zu! Es ist nach 18 Uhr, du bist doch schon wieder an den Kohlenhydraten!“) und TV-Mirroring*

Der Kühlschrank wird somit das Zentrum des Family Lifes.

Aber richtig cool ist eben, dass der Kühlschrank Kameras hat, die den Innenraum überwachen. So kann man ihn beim Shoppen quasi fragen was fehlt.

(Ob man das irgendwie hacken kann? Also dass man z.B. die Schulranzen da rein kippt und der Kühlschrank einem dann sagt, welche Hausaufgaben noch fehlen? Oder die gepackten Koffer für den Urlaub „Eh Nuf, Du hast drei Schlüppis zu wenig eingepackt!“)

Doch nicht genug, er meldet auch abgelaufene Lebensmittel.

Ein bisschen enttäuscht war ich allerdings, dass er sie nicht gleich eliminiert. Per Laserstrahlen oder Vaporisator. Das könnte bei dem Preis eigentlich drin sein, oder? Ich stelle mir das toll vor. Die Tür des Kühlschranks müsste natürlich transparent sein und natürlich würde ich extra abgelaufene Lebensmittel reinwerfen nur um zu sehen wie sie zerstört werden (bestimmt kann man mit der Abwärme die Wohnung heizen – das wäre für mich ja auch ein sehr angenehmer Nebeneffekt).

Jedenfalls, ich habe die Firma angeschrieben, ob ich wohl ein Rezensionsexemplar haben könnte. Ich bin gespannt, was sie antworten.

(Wobei ich ja eigentlich lieber so eine smarte Wohnung wie mein Kollege hätte, der kann zB seiner Frau beim Kacken das Licht ausschalten obwohl er im Büro sitzt. Aber sowas gibt es nicht Out of the Box. Das muss man sich dann eben selbst bauen.)


 

*im Kleingedruckten steht: WLAN erforderlich. Was da nicht steht: TV erforderlich. Hab ich nämlich nicht. Da wäre ich ja ganz schön enttäuscht gewesen!

 

Vater sein braucht Zeit

Vater sein braucht ZeitIch war auf einer Väter-Veranstaltung und obwohl ich es mir kaum vorstellen konnte, kam diese ganze fünf Stunden ohne Heldenmetapher aus. Das möchte ich lobend vorab erwähnen. Die Wetten standen im Vorfeld 4 zu 0 dagegen.

Das Thema Väter (und deren Einsatz im Familienalltag) treibt mich umher. Deswegen war ich sehr neugierig, was auf der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiierten Veranstaltung „Vater sein braucht Zeit“ zu hören sein würde.

Das Programm war schonmal vielversprechend.

In einem kleinen Panel wurde über das Thema „Vatersein heute“ gesprochen. Es beteiligten sich Dr. Elke Ellner (Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager), Andreas Heimer (Prognos AG) und Stefan Reuyß (SoWiTra).

Danach ging es in die Workshops zu den folgenden Themen:

  • Elternzeit und Familienalltag – wie klappt das?
  • Politik für aktive Väter – Erfahrungen und Wünsche
  • Getrennt erziehen – gemeinsam Beruf und Familie vereinbaren
  • Vater sein im Beruf – wie kann das gehen?

Frau Schwesig konnte dann leider nicht kommen und ließ sich von Caren Marks vertreten (Parlamentarischen Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), die das Konzept der Familienarbeitszeit vorstellte und bewarb und auch deutlich machte, dass es für Unternehmen letztendlich wirtschaftlich ist, familienfreundlich zu sein.

Zum Abschluss gab es eine weitere Gesprächsrunde zum Thema „Zeit für Väter“.

Vatersein braucht Zeit

Als Mutter auf einer Vaterveranstaltung

Im Vorfeld hab ich mich gefragt, wie es wohl ist als Frau zu einer explizit an Männer gerichtete Veranstaltung zu gehen. In meiner Fantasie würde ich ganz allein zwischen all den Männern stehen.

Dann musste ich über mich selbst lachen, denn:

a) ist es natürlich ein total gewohntes Gefühl: als Frau zu einer Veranstaltung zu gehen, bei der hauptsächlich Männer sind

und

b) waren da nicht hauptsächlich Männer – es ging schließlich um Kinder und Erziehungszeiten – offenbar für viele immer noch kein echtes Männerthema – tatsächlich würde ich denken, waren dort maximal 60 – 70% Männer (naja immerhin!).

Es gibt nicht DIE Väter

Das Themenspektrum war groß und deswegen sehr interessant.

Es gab sowohl die Väter, die leider unter gar keinen Umständen niemals nicht auch nur länger als und selbst das war sehr schwierig, 14 Tage Elternzeit nehmen können. Denn: sie sind unersetzlich. Niemand kann sich in deren Themen einarbeiten, niemand kann das wuppen, die Kunden wollen das auch nicht, die wollen überhaupt ständige Verfügbarkeit, die wollen nur ihn.

(Ich höre solchen Männern aufmerksam zu und beobachte ihr Gesicht dabei und stelle immer wieder fest: die glauben das wirklich. Sie glauben es von Herzen und auf eine bizarre Art leiden sie unter ihrer Unverzichtbarkeit. Doch sie nehmen ihr Schicksal hin. Auch wenn sie sonst eher so wirken, als würden sie in einem Meeting auch mal mit der Faust auf den Tisch schlagen um sich durchzusetzen. Dass ihnen nicht gestattet wird sich als Vater einzubringen, das ist eben so.)

Dann gab es die „Ich würde gerne mehr machen, aber ich befürchte Karriereknicke“-Männer, die sich aber immerhin einen Papa-Tag freigeschaufelt haben. Ein Papa-Tag ist ein Tag, an dem ein Mann in der Regel (es sei denn es steht etwas wichtiges an) um 15.30 Uhr frei nimmt, um sich um die Kinder zu kümmern. Solche Väter nehmen sich auch zu Sonderevents frei. Immer wieder wurde der Laternenumzug genannt. Die Sie-wollen-ja-Väter können zwar nicht am Bastelnachmittag freinehmen – den Laternenumzug, den lassen sie sich aber nicht nehmen.

Und ganz zuletzt gab es die Männer, die womöglich ein halbes Jahr und länger Elternzeit genommen haben, die alle Höhen und Tiefen der Care-Arbeit durchlebt haben und die gar nicht verstehen, was das Problem an einer aktiven Vaterschaft sein könnte. Klar gibt es Hindernisse und auch finanzielle Einbußen, aber das erleben Frauen seit Jahrzehnten und so hat man(n) das pragmatische Ziel gemeinsam an der Ebnung des Weges der Elternschaft zu arbeiten. Ohne ewige Lobhudelei, ohne Extraorden, ohne Superpapa-Status – einfach weil diese Männer es wollen – weil sie für ihre Kinder ernstzunehmender Elternteil sein wollen. Weil ihnen die Beziehung zu ihren Kindern wichtig ist.

Ergebnisse des Väterreports „Vater sein in Deutschland heute“ 2016

Interessant fand ich einige Ergebnisse des aktuellen Väterreports 2016, die genannt wurden.

So z.B. der Umstand, dass viele Männer ihre Wünsche aktiver Vaterschaft nicht in die Realität umsetzen, weil sie Karrierehindernisse fürchteten, die in der Realität tatsächlich gar nicht so bestehen.

Oder je länger Männer Elternzeit nehmen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich an normalen Arbeitstagen um die Kinder kümmern, Zeit mit ihnen verbringen und in ihre Pflege eingebunden sind.

Sowie die Erkenntnis, dass familienfreundliche Unternehmen betriebswirtschaftlich erfolgreicher sind. Sie haben zufriedenere Mitarbeiter, geringere Fehlzeiten und eine höhere Produktivität.

Zusammenfassend kann man aber sagen: Wunsch und Wirklichkeit klaffen immer noch weit auseinander. Was sich Väter wünschen und was sie dann wirklich umsetzen wenn die Kinder geboren werden, steht auf zwei unterschiedlichen Blättern.

Ermüdende Argumente

Ich muss auch sagen, dass es mir sehr schwer fällt, einige Argumente, die immer wieder kommen, zu ertragen: So z.B. das Quality Time Argument

Immer wieder wird gesagt, dass es nicht auf die Menge sondern die Qualität der Zeit ankommt, die Eltern mit ihren Kindern verbringen.

Artikel wie „Wie Sie ein toller Papa mit nur 15 Minuten Zeit am Tag sein können“ geben dabei Tipps, wie man(n) seine täglichen 15 min wertvoll einsetzen kann.

Das ist schon sehr absurd.

In der Netflix Doku „Beginning of Life“ sagt eine Mutter (sinngemäß): „Wenn ich diesen Quatsch von Quality Time höre. Das sage ich einem Chef morgen auch. Ich arbeite jetzt jeden Tag nur 15 Minuten, aber das wirklich mit einer sehr hohen Qualität. Bei voller Bezahlung versteht sich.“

Daran muss ich immer wieder denken: Wie absurd es wäre, wenn man an anderen Stellen so argumentiert. Auch für eine Beziehung zum Kind ist es wichtig, dass man präsent ist. Und mir kann keiner erzählen, dass fünfzehn Minuten täglich das selbe Ergebnis bringen, wie wenn man mit den Kindern frühstückt, weiß was sie in ihre Brotdosen möchten, sie in die Schule bringt, abholt, mit ihnen spielt, bastelt, Hausaufgaben macht, Abendessen macht, ihnen zuhört, was sie beschäftigt, ihnen vorliest, sie ins Bett bringt, bei Kummer ein offenes Ohr hat, ihnen Wärmekissen bringt, wenn sie Bauchschmerzen haben etc.

Zumal auf der anderen Seite: die Väter, die sich jeden Tag nur einige Minuten Zeit für ihren Nachwuchs nehmen (können), denen ist natürlich nicht zuzumuten, dass sie mal Kotze aufwischen oder Kackwindeln wechseln. Das ist ja keine Quality Time. Quality Time ist von der Arbeit kommen und den zähnegeputzen Kindern im Schlafanzug 20 min was vorlesen und ihnen dann ein Bussi zu geben und zu sagen: Jetzt aber ab ins Bett. Papi schaut jetzt Auslandsjournal.

Ähnlich ermüdend das Argument, man(n) könne nicht in Elternzeit gehen, weil das erhebliche finanzielle Einbußen nach sich zöge. Der Höchstsatz ist ausserdem so niedrig. Ergo kann sich kein Chirurg und kein Pilot leisten in Elternzeit zu gehen… (muss ich noch erklären über was im Detail ich mich da aufregen kann? Wie konnten sich all die hochbezahlten Männer eigentlich vor 2007 Kinder leisten? – Achso, da mussten einfach ihre akademisch ausgebildeten Ehefrauen ihre Karrierewünsche zurück stecken? Alles wie immer also)

Hmpf.

Jetzt ist es mir doch wieder etwas entglitten.

Es gibt aber Hoffnung

Dabei gab es viele, sehr gute Aspekte bei der Veranstaltung.

So zum Beispiel der Gedanke, dass es einen Paradigmen-Wechsel geben muss, was die Rollenbilder angeht und dass es vielen (älteren) Personalern und auch Chefs schwer fällt diesen Paradigmenwechsel mitzumachen, weil sie eben jahrzehntelang eine andere Idee von Elternschaft/Vaterschaft hatten.

Das Neue anzuerkennen und zu fördern, bedeutet eben auch immer das eigne (vergangene) Leben in Frage zu stellen: Und wem fällt es da schon leicht festzustellen, dass er vielleicht das halbe Leben seiner Kinder verpasst hat, weil er die Karriere vorgezogen hat.

Viele merken das erst als Großväter.

Das Thema ist schwierig und es wurde auch immer wieder betont, wie viel sich in den letzten dreißig Jahren getan hat und dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Ich bin auch immer hin- und hergerissen zwischen der Frage: Muss ich Gabriel dankbar sein, weil er Elternzeit überhaupt als Spitzenpolitiker ins Gespräch bringt (auch wenn er sie natürlich nicht nehmen kann, weil ja Wahlkampf und so) oder darf ich das albern finden (weil er könnte ja auch einfach sagen: mein Kind wird geboren und ich möchte das alles miterleben und selbst wenn das bedeutet, dass ich einen Karriereknick erlebe… diese Zeit kommt nie wieder und ist durch nichts zu ersetzen).

Ist es im Sinne der Politik der kleinen Schritte die Super-Väter zu beklatschen oder passiert Veränderung nur, wenn es auch wirklich Veränderungsdruck und Fordernde gibt?

Am Ende sind ja viele Diskussionen nur für einen ganz bestimmten Teil der Gesellschaft überhaupt relevant. Elternzeit, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, feste Meetingzeiten… auf wie viele Berufe trifft das zu?

In der Stadt – in den ehemaligen ostdeutschen Gebieten sieht das mit der Kinderbetreuung ohnehin völlig anders aus (und damit auch die Möglichkeiten für Mann und Frau arbeiten zu gehen).

Frau Schwesig betont auch immer wieder wie katastrophal in Deutschland die Hortbetreuung ist. Selbst wenn Mann/Frau nach der Geburt relativ zügig wieder arbeiten gehen, wird die Einschulung des Kindes plötzlich ein Problem.

Was ist eigentlich mit den Polizisten, Krankenpflegern, Verkäufern im Einzelhandel, Industriearbeitern und Handwerkern? Und was mit den Hartz IV Empfängern, den dann noch Kindergeld und Elterngeld abgezogen wird?

Es bleibt kompliziert. Wenigstens ist es nicht hoffnungslos und ich freue mich, dass ich bei solchen Veranstaltungen immer wieder zwischen Männern stehe, die sich auch fremdschämen wenn irgendwo wieder ein Foto von einem Mann gepostet wird, der sich rühmt für seine Frau nachts auch mal das eigene Kind für zwei Stunden zu übernehmen und dann Männer darunter kommentieren: „UND TROTZDEM GIBT ES NOCH FRAUEN, DENEN DAS NICHT GENUG IST!“ oder Frauen schreiben: „Mein GöGa macht das auch. Weißt du noch Joachim? Vor zwei Monaten als ich Geburtstag hatte, bist du auch mal aufgestanden mit Susi.“

Wählt links – das macht gesund, reich und alle Babys werden immer durchschlafen

Bahnhof

Die systematisierte Drittgenerationskontingenz hat in jüngster Vergangenheit zu einer Erhöhung der Aktionsparalaxe geführt. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die marxistischen Antidependenzen der allgemeinen Inkontertabilität zum Opfer gefallen sind.

Die ambivalente Aktionsebene torpediert an dieser Stelle die weltweit kompensierte Avisierung der induktiven Change-Management-Aktion der Hybridisierung.

Ich äh… so geht es mir manchmal wenn ich Texte lese. Ich versteh‘ einfach nix.

Frisch von der Uni hatte ich noch ein ganz beachtliches Arsenal an Fremdworten in meinem aktiven Wortschatz. Doch ach, das schnöde Alltagsleben, die duziduzi Kinder, vielleicht auch nur meine Altersverblödung… ich verstehe einfach immer weniger.

Die Welt ist zunehmend komplexer geworden. Wie soll ich das auch verstehen? Globalisierung, Bankensysteme, Immobilienmärkte, Gentrifizierung, Europa, der Nahostkonflikt, das US-Wahlsystem etc. etc. etc.

Alles viel zu komplex für mich um das wirklich zu verstehen. Ich bemühe mich. Lese „Zeitung“, lese Bücher, höre mir Vorträge, Paneldiskussionen und Podcasts an – doch am Ende… wie viel habe ich wirklich verstanden?

Hinzu kommt, was ich oben schreibe. Komplexe Zusammenhänge werden von klugen Menschen oft mit vielen Fremdworten, verschachtelten Sätzen, mit Exkursen und Studienergebnissen erklärt.

Mein internetkaputtes Gehirn, meine nervöse Aufmerksamkeitsspanne, mein Arbeitsspeicher, der mit Alltagsfragen gefüllt ist (wann muss ich die Kinder nochmal abholen? Hab ich das Fälligkeitsdatum ins Ticket geschrieben? Welchen Teil meiner Altersvorsorge kann ich nochmal steuerlich absetzen?) und mein dünnes Nervenkostüm zucken schon zusammen wenn ich auf einen Text stoße, der mit Longread gekennzeichnet ist. Ich bin schnell überfordert.

Ich glaube, es geht nicht nur mir so.

Ich verstehe die Welt nicht mehr

Warum erzähle ich das nochmal? Achja.

Ich bin auf der Suche nach Antworten. Spätestens nach dem Wahlsieg von Trump, der mich unvorbereitet in meiner zarten „zu 80% gewinnt Clinton“-Filterbubble erwischt hat, sorge ich mich ernsthaft.

Die AfD Wahlerfolge der jüngsten Vergangenheit, das Europa, das bröckelt, der Putsch in der Türkei… um mich herum bricht alles zusammen.

Und ich bleibe hilflos zurück. Wählen gehen. Ja, ja. Als würde das helfen. Ich gehe wählen seit ich 18 bin. Keinen fucking Volksentscheid habe ich ausgelassen. Immer Gebrauch von meiner Stimme gemacht. Und hat es geholfen?

Spoiler: Hat es nicht.

Und wird es für die nächste Bundestagswahl helfen?

Ich sach ma so: ich bin nicht zuversichtlich.

Ich weiß nicht, wie ich jetzt den gedanklichen Bogen bekomme, aber ich rätsle seit Monaten warum bestimmtes (rechtes) Gedankengut immer erfolgreicher wird.

Die Schlechtigkeit der Menschen alleine kanns nicht sein. Die Menschheit ist ja nicht plötzlich schlechter geworden. Aber irgendwie werden mehr Menschen mobilisiert sich erzkonservativen bis rechtem Gedankengut anzuschließen und während es immer mehr werden, „man“ nicht unsichtbar unter der 5% Hürde dahinkrepelt, kann „man“ sich auch gerne mal öffentlich bekennen, muss sich auf Pegida Demos nicht mehr schämen in laufende Kameras zu sprechen.

Aber warum ist das so?

Mich beschleicht das leise Gefühl, dass das Ganze etwas mit Komplexitätsreduktion zu tun hat.

Sag es einfach, dann kann man es verstehen

Die unverständliche, vielschichtige Welt macht vielen Menschen Angst. Es wird immer schwerer einen stabilen Erwartungshorizont zu bilden, sichere Vorhersagen über die Zukunft zu machen. Was genau erwartet uns?

Düster sieht die Zukunft aus. Ungewiss. Auf jeden Fall wirds nicht besser werden. Mehr Geld werden wir auch nicht haben.

Und wer oder was ist schuld?

Da will man nun nicht lange in irgendwelchen multikausalen Erklärungsmodellen rumgraben.

Es gibt doch einfache Antworten: Die Ausländer, die Frauen, die linksversifften Gutmenschen und die Veränderung an sich.

Daraus lassen sich schöne Parolen stricken. Ganz wunderbar einfache wenn-dann-Beziehungen. Scheinbar höchst logische Zusammenhänge.

Die kann man sich merken, die kann man verstehen, die kann man wiederholen.

Mit dem „Danke Merkel„-Mem kann man sich über solche vereinfachten Zusammenhänge lustig machen. Egal was ist, egal was stört, Frau Merkel ist schuld. Die Milch ist sauer? Danke, Merkel! Der Lidstrick verwischt. Na, vielen Dank, Frau Merkel. U-bahn verpasst. Danke, Merkel.

Ich glaube, das ist, was die Rechten „richtig“ machen. Komplizierte Zusammenhänge einfach erklären und dabei auch einen scheiß darauf geben, was die Statistik oder sonstige Analysen sagen.

Dir gehts schlecht? Die Flüchtlinge sind schuld.

Die Rente ist knapp? Die Ausländer im allgemeinen sind schuld.

Dein Job ist weg? Die Frauenquote ist schuld.

Kann man sich dann auf Schilder malen oder vor sich her schreien.

Die Linken hingegen: An den niedrigen Renten ist die Riester Rente und die Agenda 2010 schuld, die zwar mehr Menschen Arbeit verschaffte, allerdings in prekären Arbeitsverhältnissen. Es war absehbar, dass das Rentensystem erodieren würde.

(Ich hätte das jetzt noch komplizierter schreiben können, aber der Unterschied wird deutlich. Schreiben Sie sich mal ein Demo-Schild zu diesen Zusammenhängen…)

Sie erklären sich zu Tode.

Was ich sagen will: Ich sehe Rettung in der Veränderung der Sprache und zwar die der sogenannten Linken/Linksintellektuellen.

Keine Vorträge mehr, sondern klare Ideen

Es geht eben nicht darum in ellenlangen Doktorarbeiten mit Fakten aufzufahren, sondern darum die linken humanistischen Ideen einfach runterzubrechen.

Ich weiß auch nicht genau, wie das gehen soll. Ich selbst bin nicht in der Lage die entsprechenden Narrative himmelherrgott Parolen und Schlagworte zu erfinden – aber vielleicht gibt es andere. Andere, wortgewandte Menschen, die schaffen all das, was ich für erstrebenswert halte (Umweltschutz, Toleranz, Gleichberechtigung, Sozialsysteme, Europa, Menschenrechte) in kurze, knackige Botschaften zu packen und damit unsichere Wähler:innen oder Nichtwähler:innen zu erreichen.

Ach, mir gelingt es nicht alle Gedanken auf einen Punkt einzudampfen. Deswegen hole mich mir Hilfe:

Wenn es um den politischen Diskurs mit dem politischen Gegner geht, versuchen die braven Bürger […] zu überzeugen. Wir glauben, dass wir mit besseren Argumenten die wachsende Gruppe an Obskuranten in die Mitte der Gesellschaft zurückführen können. Wir hoffen auf unseren Humanismus und stehen sprachlos vor Trump’schen Methoden der “postfaktischen Welt”, in der egal ist, was stimmt und was nicht stimmt.

[…]

Während uns der politische Gegner mit Halbwahrheiten und Gerüchten manipuliert, widerkaubares Infofutter serviert und Wähler vom Wählen abhält, glauben wir immer noch, dass wir die Neue Rechte mit guten Argumenten überzeugen können.

Quelle: Liberale müssen Populismus lernen

Werden wir aber wohl nicht können. Und in der Kindererziehung ist es ganz einfach (um mal was als Mutti zu sagen): Wenn eine bestimmte Erziehungsmethode nicht wirkt, dann wirkt es leider auch nicht wenn man diese Erziehungsmethode hundert mal einsetzt. Was hilft, ist meistens mal was neues zu probieren. Was völlig anderes. Irgendwas, gegen das das Kind nicht schon eine Immunität ausgebildet hat.

Und vielleicht ist es an der Zeit, dass nicht mehr doziert wird und die komplexe Welt in multivariaten Varianzanalysen auseinander genommen wird, sondern es ist an der Zeit alles in schöne kleine, gut zu verdauende Häppchen zu schnippeln.

Nur dass wir linksversifften Gutmenschen im Genderwahn den Belag der Häppchen selbst bestimmen.

Nachtrag zum Thema unterschiedliche Meinungen

Persönlich kann ich es ziemlich gut aushalten, dass es unterschiedliche Meinungen gibt [1]. Ich mag das Medium Blog tatsächlich auch, um die eigene Meinung einmal zu ordnen und dann „zu Papier“ zu bringen.

Wenn es dann unpöblige, sachliche Antworten gibt, hilft mir das, meinen eigenen Standpunkt zu prüfen und Achtung! zu überdenken.

In manchen Fällen ändere ich sogar meine Meinung.

Öffentlich einsehbares Paradebeispiel: meine Haltung zu Kinderfotos im Netz. Erst war ich völlig dagegen – dann habe ich Caspar Clemens Mieraus Artikel gelesen, der gute und wichtige Argumente bringt, die mir bis dahin entgangen waren. Die Argumente haben eine Zeit in mir gearbeitet und während ich dann den Vortrag für die denkst ausgearbeitet habe, hat sich plups 11 Monate später meine Meinung geändert.

Ich empfinde das als positiv und v.a. als Weiterentwicklung. Ich mag den Diskurs. Denn – auch wenn ich es gerne wäre – ich bin nicht allwissend, habe nie alle Fakten und Perspektiven im Blick und meine Gefühle sind manchmal einfach da ohne dass ich überhaupt weiß worauf genau sie fußen.

Ich habe das Gefühl, dass Meinungsänderungen nicht sehr populär sind. So wie es auch keine Kultur gibt, die es zulässt, dass man Fehler macht und daraus lernt.

Offenbar ist es besser eine Haltung auf Biegen und Brechen zu haben, die für alle Zeiten zu vertreten und alle anderen Auffassungen nicht gelten zu lassen. Die Meinung zu ändern (sich vielleicht im Extremfall sogar zu entschuldigen, weil man tatsächlich etwas falsch gemacht hat), wird einem als Charakterschwäche ausgelegt, als Instabilität, als Verweichlichung.

Damit man die eigenen Haltungen überhaupt überdenken kann, braucht es aber den Diskurs.

Doch konstruktiver Diskurs – am Ende vielleicht mit einer Art Comic Relief, weil man den nötigen Abstand zu sich selbst und der eigenen Haltung gewinnt und es schafft, sich über sich selbst lustig zu machen – ist jedoch ebenfalls höchst unerwünscht.

Ich beobachte in Netzdiskussionen meiner Elternfilterbubble sehr oft diesen Verlauf: Ich hab Meinung A! Ich hab Meinung B! Dritte Person: Jetzt hört sofort auf zu streiten! Jede/r soll machen was er will. Leben und leben lassen!

Wenn ich aber genau nachlese, dann erkenne ich oft gar keinen Streit, gar kein gegenseitiges Angehen und gar kein Runtermachen der anderen Position sondern lediglich ein sofortiges Zurruherufen.

Ich würde mich wirklich gerne mal reiben können, ohne dass die ungefragten Schlichter/innen kommen und beiden Parteien den Mund verbieten.

Wie gesagt: Ich kann andere Meinungen gut aushalten (solange sie sachlich vorgetragen werden) und ich kann gut hinhören. Tatsächlich liebe ich Blogs auch nach mehr als einem Jahrzehnt, weil sie mir immer wieder ein Tor zu einer anderen Welt öffnen.

Wie soll denn sonst Weiterentwicklung stattfinden?

Ich finde es schade, wenn man sich hinstellt und sagt: Das ist eben meine Meinung und so ist das und mir ist egal, was du sagst, weil das ist ja nicht meine Meinung.

Einmal durchatmen und die Argumente der Gegenseite kurz an sich rankommen lassen, würde vielleicht schon helfen für mehr Verständnis oder mehr Rücksichtnahme und zwar ohne dass man sein eigenes Verhalten komplett ändert oder die eigene Meinung um 180 Grad dreht.

Zuhören auch wenn es unbequem ist, das würde vielleicht in bestimmten Situationen Lösungsansätze schaffen, die man so nie gesehen hätte. Eventuell entstehen am Ende manchmal sogar Kompromisse, mit denen beide Seiten (besser) leben können.

Das geht natürlich nur, wenn man überhaupt bereit ist, seine Position zu verändern (und sei es nur um drei Millimeter). Das ist natürlich Arbeit. Bequemer ist es zu sagen: ich mache das schon immer so, warum soll ich das jemals ändern? Ich mache also mein Ding für immer weiter und du eben deins.

 


[1] Mittelteil Normalverteilung, Ränder rechts und links ausgeschlossen

P.S. Die Bemerkung, das Patriarchat reibe sich die Hände, wenn sich Mütter an bestimmten Themen reiben, geht für mich in die selbe Richtung… Mütter dürfen also untereinander keine Reibung haben, weil sie sonst dem Patriarchat zuspielen? Also sollen sie lieber ruhig sein, sich gegenseitig ignorieren und Harmonie vorgaukeln?

P.P.S. Ich meine keine bestimmte Person. Der Artikel versucht nur meine Beobachtungen der letzten Tage und das damit verbundene Gefühl zusammenzufassen – und da haben ziemlich viele, unterschiedliche Menschen was gesagt.