Hilfe! Mein Humor ist kaputt

Boah, guck mal, die Cammarata hat wieder zu viel Zeit und dann auch noch keinen Humor!

In zahllosen Varianten kann man auf Instagram das oben gepostete Video sehen. SIE hat zu viel Geld ausgegeben. Natürlich für nicht nachvollziehbaren Quatsch. Deswegen bittet ER zum Rechtfertigungsgespräch. Sie weiß das und weil diese Gespräche so unangenehm sind, zögert sie das bis zum getno hinaus, indem sie mit einem schmutzigen Mini-Pinsel den Boden witscht.
LOL! Wer kennts? Mario Barth Fans schlagen sich auf die Schenkel.

Für mich ist nicht so sehr die Tatsache traurig, dass es diese Videos gibt. Erschütternder ist für mich viel mehr der Umstand, dass man mit dieser Art Humor mehr als zwei Millionen Likes generieren kann. Die Kommentare beinahe durchweg „Haha, lol, @mention, kennste auch, oder?“

Also: warum ist das Video (nicht) witzig? Ich finde es sogar gewaltvoll, aber ich bin auch nur eine hyperkritische Feministin.
Das Video legt nahe: ER verdient das Geld bzw. zumindest ist er derjenige, der über die Ausgaben verfügt. Wenn also sie Geld ausgibt, dass vorher nicht durch ihn freigegeben wurde, muss sie sich mindestens im Nachhinein rechtfertigen.

Dem liegen zwei Probleme zugrunde:
1. Wer Geld hat, hat Macht
2. Wer Sorgearbeit leistet, bekommt kein Geld und hat damit auch keine Macht

Vielleicht auch noch ein 3.:
Wenn einer Geld verdient und der andere Sorgearbeit leistet, ist es nicht normal, dass das Geld beiden gehört.

Und da liegt die Crux. 30% aller Familien n Deutschland haben sich für das Alleinverdienermodell entschieden. D.h. (und ich schreibe jetzt generisches Maskulinum, denn es sind 27% alleinverdienende Männer bei denen die Frauen die Sorgearbeit zu 100% übernehmen) hier folgen 1/3 aller Familie dem staatlich vorgesehenen Modell der Arbeitsteilung. Vorgesehen deswegen weil die Steuerersparnis durch Ehegattensplitting am größten ist, wenn einer Geld verdient und eine Sorgearbeit leistet und damit kein Geld verdient.

(Von der Grundidee zumindest theoretisch nicht doof*, denn alle, die ein anderes Modell gewählt haben, in dem Erwerbsarbeit UND Sorgearbeit gleichzeitig zu leisten sind, wissen: das ist kaum zu leisten. Wenn überhaupt, dann durch Ausbeutung der eigenen Ressourcen)

Das Modell wäre ja völlig in Ordnung, würden die meisten Paare das erwirtschaftete Einkommen wirklich als gemeinsame Einnahme sehen, die zu 50% der Sorgeperson zustehen.
Logisch wäre dann, dass man vom gemeinsamen Einkommen die Festkosten/Lebenshaltungskosten zahlt und der Rest wird durch zwei geteilt. Das ist dann was den beiden Partnern zur freien Verfügung zusteht. Frei bedeutet: Man muss nicht fragen, ob man das Geld für Glitzernagelack, Temperatursensoren oder fünf Spaghettieis im Monat ausgibt.

Der „Witz“ des Reels oben funktioniert ja nur weil sie schon wieder sein Geld ausgegeben hat offensichtlich. Weiber, ey. lolz.

Lachen kann man also so lange wie man findet, dass es normal ist, dass eine Person in einer Beziehung finanziell abhängig ist.

Leider trifft das für viele Frauen zu. Sie müssen sogar fragen, wenn sie Dinge für die gemeinsamen Kinder kaufen. Das trifft übrigens auch in den Fällen oft zu wenn es ein großes Gehaltsgefälle gibt und die Frau auch erwerbsarbeiten geht. Halten wir im Kopf: „Nur zehn Prozent der Frauen in Deutschland zwischen 30 und 50 verdienen mehr als 2000 Euro netto“ und „63 Prozent der verheirateten Frauen haben ein Einkommen von unter 1000 Euro.“. Sind das die Frauen, die sich Verzögerungstaktiken vor Rechtfertigungsgesprächen überlegen müssen?

Keine Ahnung. Ich kann für mich nur feststellen, seit mir bestimmte Zahlen gewahr sind, seit ich um die Ungleichverteilung von Sorgearbeit und Geld zwischen den Geschlechtern weiß, ist mein Humor einfach kaputt.

P.S. Schickt mir Witze, Videos und Gifs, die lustig sind ohne Sexismus, Rassismus, Ableismus, Adultimus, Klassizismus oder sonstige Ismen. Sonst kann ich nie mehr zum Lachen in den Keller gehen.


*Hinfällig zu erwähnen, dass es langfristig ein wackeliger Deal ist, denn teilt man es so, ist die Sorgeperson in finanzieller Abhängigkeit und zwar langfristig. Wer sich dann nach 10-15 Jahren scheiden lässt, ist am Arsch. Job finden und ausreichend Geld verdienen ist dann wirklich schwer, die Rentenlücke ist riesig etc. pp.

P.P.S. Wenn man mehr ausgibt als das übrig gebliebene Geld zulässt, ist das natürlich nicht okay. Aber sollte man dann Angst vor einem klärenden Gespräch haben und es deswegen mit einem „Trick“ rauszögern. Wie alt sind die Beteiligten? Fünf?

126 Gedanken zu „Hilfe! Mein Humor ist kaputt“

  1. Rano64 sagt:

    Ähem…ich finde das Video nicht im mindesten witzig, sondern zum Kotzen. Das ändert aber nichts daran, dass es in der Realität die Frauen sind, die über das Gros der Ausgaben bestimmen. Ein kurzer Gang durch eine beliebige Fußgängerzone deiner Wahl reicht für eine Bestätigung. Oder möchtest du ernsthaft behaupten, dass viel, viel mehr Waren für das Geschlecht angeboten werden, das angeblich kein Geld hat?

    Und immer noch regelt das Ehegattensplitting lediglich die Höhe der Vorauszahlungen, hat aber keinen Einfluss auf die Steuerlast. Es ist außerdem ein Wahlrecht, also freiwillig. Es gibt also demjenigen, der nicht Hauptverdiener ist (in der Regel die Frau) die Freiheit, in Absprache mit dem Partner sein Lebensmodell frei wählen zu können, ohne vom Finanzamt eins übergebraten zu bekommen. Wird aber vermutlich demnächst von der treusorgenden Regierung abgeschafft und würde ohne Modifikationen bedeuten, dass Ehepaare 8 Mrd. mehr Steuern im Jahr zahlen müssen.

    Und wer sich nach 10 – 15 Jahren scheiden lässt, ist mitnichten „am Arsch“. Renten- und Versorgungsansprüche werden zwingend vom Gericht hälftig geteilt und es gibt noch viele schöne Instrumente. Z.B. „Ehebedingter Nachteilsausgleich“ (§ 1.578 b BGB), der für die entgangene fiktive Karriere entschädigt. Oder „nacheheliche Solidarität“ (gleicher Paragraph) der dazu verpflichtet, der Ex-Frau noch für einige Jahre (1/4 bis 1/3 der Ehedauer) den gewohnten Lebensstandard zu sichern. Nach § 1.569 BGB kann sogar ein lebenslanger Unterhaltsanspruch bestehen, wenn man nicht für sich selber sorgen kann. Usw., usw. Zusammenfassend: es gab mal vor ca. 15 oder 20 Jahren den Versuch, tatsächlich die Frauen von der Versorgerehe zu emanzipieren, aber das ist längst durch die Hintertür wieder zurückgedreht worden.

  2. Uwe sagt:

    [OffTopic] Warum steht hier über den Kommentaren „123 Gedanken zu …“, aber tatsächlich kann ich nur 10 Kommentare lesen?

    1. dasnuf sagt:

      Müsste „Reaktionen“ heißen – es werden die Likes und RT auf anderen Sozialen Netzwerken angezeigt.

  3. Dennis sagt:

    Es bedient noch ein anderes Vorurteil, die Frau geht online shoppen. Während der Mann das natürlich nicht tut, wie auch, ist ja den ganzen Tag am malochen.

    1. Goldschakal sagt:

      Stimmt, das alte „er arbeitet, sie shoppt von seinem Geld“ ist impliziert.

  4. Goldschakal sagt:

    Was mich persönlich auch immer anpikst: Diese Shops, die für [Autoteile, Musikinstrumente, Schuhe, Sportutensilien] auf Wunsch eine „Rechnung für den Ehefrieden“ auf den halben Betrag ausstellen. Weil, haha, die zweite Hälfte des Haushalts ja nicht wissen darf was man ausgibt für Hobbies. Das ist wahlweise kindisch (wenn man das Geld übrig hat) oder ein massiver Vertrauensbruch (wenn man es nicht übrig hat).

  5. Judith sagt:

    Witzig finde ich das Video auch nicht und du hast sehr richtige Kritik geübt.
    Allerdings kann man es auch anders sehen: dass gemeinsames Budget aufstellen und über Ausgaben sprechen in einer Partnerschaft super wichtig ist, egal wo das Geld herkommt. Und dass die Gefahr im Internet unnötige Dinge zu bestellen durchaus sehr real ist.

  6. Mara Ende sagt:

    Mein Mann guckt auch immer so wenn er, selten genug, merkt das ich mal wieder im Minus bin mit MEINEM Konto :)
    Da wir aber beide eine eigenes haben, merkt er es höchst selten.
    Ach ja, ein netter Mitarbeiter der deutschen Rentenversicherung hat uns vor Jahren, kurz nach Eheschließung, den Tipp gegeben beide in Steuerklasse 4 zu gehen und über sie Steuererklärung die zuviel gezahlten Steuern zurück zu bekommen. Bei einem Gehaltsunterschied bei bis zu 1500€ macht das immer noch Sinn. Dato hatte ich mehr verdient als mein Mann und würde es auch heuten noch, gehe aber Teilzeit arbeit und verdiene trotzdem wie Vollzeit. Wir haben das nie geändert. So ist die jährliche Steuererklärung unser Urlaubsgeld ;)
    Kann ich nur empfehlen.
    Eigentlich beschreiben diese Videos nur eine Konfliktscheu, auf Insta gibt es davon noch 100000000000000000000 mehr, allerdings auch zu anderne Themen.
    Ich finds witzig….
    Entspannt mich ungemein…..
    Abends um vom Mental Load runter zu kommen……
    :D

  7. Malik sagt:

    Oh wie herrlich du wieder schreiben kannst! Die lustigste und treffendste Humorlosigkeit der Welt! ??? #neid

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