Seit ich die letzten Jahre zwischen Weihnachten und Neujahr am Chaos Communication Congress war, hatte ich ein bisschen die Lust auf die re:publica verloren.
Woran das jetzt genau lag, kann ich nicht sagen. Was mir auf jeden Fall besser dort gefällt, ist die kuschelige Stimmung. Obwohl da 10.000 Menschen sind, hatte ich auch nach vier Tagen nicht das Gefühl erstmal für zwei Wochen in das kanadische Hinterland ziehen zu wollen. Das ging mir nach anderthalb Tagen re:publica aber so.
Was mir am Chaos Communication Congress auch besser gefallen hat, ist die Möglichkeit und Vielfalt der Kinderbeschäftigung. Das ist aber letztendlich Äpfel mit Birnen vergleichen. Der Chaos Communication Congress findet ja in den Winterferien statt und da gibt es offensichtlich einen total anderen Kinderintegrationsbedarf. Daraus ist in den vergangenen Jahren sicherlich auch das irre vielfältige „Programm“ entstanden, das zumindest meinen Kindern das Gefühl gegeben hat, dass es sich um die großartigste Konferenz aller Zeiten handelt.
Ich habe meine Kinder dieses Jahr bewusst mit zur re:publica mitgenommen. Persönlich fand ich den re.play ein wenig, naja sagen wir, klein und unspannend – Kind 3.0 war aber zufrieden. Abends hat es eine gut gemeinte 2+ vergeben.
Für Kind 2.0 (deutliches Schulalter), das ich am Nachmittag dazu geholt habe, gabs viel mehr Spannendes zu erleben. U.a. eine Fragesession mit Randall Munroe. Da es „Kids only“ hieß, waren da auch wirklich nur Kinder (und ihre Eltern), was unterm Strich hieß, dass sich ca. sieben Kinder mit Randall Munroe unterhalten haben.
[Ich hab insgesamt überhaupt sehr, sehr wenig Kinder auf der re:publica gesehen. Gefühlt zwanzig am Tag. Witzigerweise wurden die aber ständig fotografiert. Das Alter der Besucherinnen und Besucher schien mir überhaupt sehr homogen, so zwischen Ende Zwanzig bis Ende Vierzig. Jüngere und ältere waren eher wenig zu sehen.]
Kind 2.0 fand die Möglichkeit Randall Munroe Fragen stellen zu können so klasse, dass es sich gleich drei Mal angestellt hat. Es wollte wissen:
- Was passiert wenn die Wüsten zur Antarktis werden?
- Was passiert wenn Insekten riesengroß und Menschen winzig klein werden?
- Sofern der Mond auf die Erde stürzt und alles Leben auslöscht – würde sich die Erdgeschichte und die Evolution dann wiederholen?
Die Antworten waren sehr unterhaltsam. Ich bewundere Randall Munroe für seinen Spaß und die Ernsthaftigkeit, sich den Kinderfragen zu widmen. Ich hab’s nicht recherchiert, ich denke aber, Randall hat keine eigenen Kinder. Wie sonst könnte man noch freiwillig Fragen beantworten können?
Wobei ich auch sagen muss, diese Kinder, die sind schon krass. Ein anderes Kind fragte: Wird Elon Musk die Welt retten?
Ich meine WTF? Woher kennen neunjährige Elon Musk?
Es gab jedenfalls für größere Kinder durchaus gutes re:publica Programm.
Im übrigen bin ich ab einem gewissen Alter dafür, die Kinder einfach mitzuschleppen – auch in Vorträge. Es ist ganz erstaunlich, wie informativ und unterhaltend Vorträge für Kinder sein können und was sie den Kindern mit auf den Weg geben.
Musterbeispiel dafür der Vortrag von Moritz Metz „Fliegende Computer und ihre tollkühnen Piloten“. Mehr dazu übrigens bei Deutschlandradio Kultur.
Kind 3.0 lässt anfragen, warum @moritzmetz nur EINEN Vortrag hält. #rpTEN ?
— Patricia Cammarata (@dasnuf) May 2, 2016
Kind 3.0 wollte im Saal sitzen bleiben und die anderen Teile von Moritz Metz Vortrag auch noch hören. Seit dem Vortrag werden bei uns Drohnen gemalt.
Wir haben uns außerdem den Vortrag „Kinderbücher: inklusiv. queer. interkulturell. Aber wie?“ angeschaut:
Und dann festgestellt, dass wir an unserem Buchbestand dringend noch arbeiten müssen.
Aus Gründen haben wir uns auch den Vortrag von Marcus Richter „What’s in a game?“ angeschaut. Ich musste Kind 3.0 nur kurz bei The Walking Dead die Augen zuhalten.
Marcus Richter gibt da einen sehr guten Einblick in die Spielarten, die es neben den bekannten Formaten wie Ego-Shootern und MOBA noch gibt. Er stellte die These auf, dass es um das Wissen um die Vielfältigkeit von Computerspielen noch bescheiden bestellt ist (und hat recht).
Ich fand den Überblick sehr vielfältig und anschaulich und war sehr davon fasziniert, dass man Keynote mit einer Wii-Fernbedienung steuern kann.
Rae Grimm schreibt zu dem Vortrag:
Marcus Richter wirft nicht (nur) mit knallharten Fakten um sich, sondern spricht allem voran aus einem Bauchgefühl heraus und nennt ein paar Spiele wie Firewatch, Life is Strange oder The Walking Dead, mit denen ihr versuchen könnt, die Nicht-Spieler in eurem Leben für euer Lieblingshobby zu begeistern und sie ebenfalls sagen zu lassen: „Ich wusste gar nicht, dass Computerspiele so etwas können.“
Beim Thema Spielen geht es mir ein bisschen wie mit Snapchat. Ich denke immer, ich müsste mich da mal mit beschäftigen, um den Anschluss an meine Kinder nicht zu verlieren.
Nach dem Vortrag hätte ich jedenfalls gerne alle vorgestellten Spiele ausprobiert. Ging wohl nicht nur mir so.
Jetzt will ich schnell heim und die ganzen #games spielen, die @monoxyd vorgestellt hat. #rpTEN https://t.co/PBvopIrb5A
— Heiko Bielinski (@heibie) May 2, 2016
Um nochmal den Bogen zum Anfang zu schlagen: Die re:publica dieses Jahr hat mir wieder sehr gut gefallen. Ich werde die nächsten Wochen damit verbringen Vorträge anzuschauen, die ich verpasst habe. Zum Beispiel den von Journelle „Das Internet hat mich dick gemacht“ oder den von Kübra Gümüsay „Organisierte Liebe„.
„The Walking Dead, mit denen ihr versuchen könnt, die Nicht-Spieler in eurem Leben für euer Lieblingshobby zu begeistern und sie ebenfalls sagen zu lassen: „Ich wusste gar nicht, dass Computerspiele so etwas können.““
Also mit dem TWD Spiel tut man sich da glaube ich keinen Gefallen… Dort wird unter anderem ein Fall von serienmäßigem Kannibalismus geschildert, den ich so widerlich fand, dass ich bereits nach der zweiten „Episode“ aufgehört habe zu spielen. Das Spiel grenzt für mich wie die Serie inzwischen an Torture Porn.
„Ich wusste gar nicht, dass Computerspiele so etwas können.“ ist ein Zitat, das eigentlich zu dem Spiel That Dragon Cancer gehörte. Da ging es darum, dass das Spiel einen auf eine (schwierige) emotionale Reise schickt.
Du hast recht, dass das von mir gewählte Zitat unter diesen Voraussetzungen sehr seltsam klingen kann.
Ich hatte dieses spezielle Kapitel nicht mehr im Kopf, aber finde es auch im Rahmen des Genres (Horror, Zombieapokalypse) nicht ungewöhnlich.
Der Horror findet da eher im Kopf statt, weil es darum geht, dass sich Menschen in der Apokalypse zurückziehen und andere Menschen wie Vieh halten und essen – ein Thema, dass bei Weltuntergangsszenarien immer wieder aufgegriffen wird, zuletzt ist es mir im Film Hell begegnet.
Was die explizite Gewaltdarstellung angeht, ist die natürlich sehr blutig, aber niemals Selbstzweck. Ich persönlich finde zum Beispiel die Szenen in Game of Thrones, die alles sehr deutlich und lange zeigen, „schlimmer“.
Ich will niemandem absprechen, dass The Walking Dead vielleicht nichts für einen ist, wenn man mit solchen Themen/Darstellungen nichts anfangen kann, will aber auch vermeiden, dass der Eindruck entsteht, dass Spiel sei gewaltverherrlichend. Mitunter blutiger Horror und fiese Weltuntergangsszenarien: Ja. Aber innerhalb des fiktiven Szenarios realistisch bleibend und mit einer spannend inszenierten Geschichte.
Danke für den lesenswerten Erlebnisbericht!
Ich will ja auch endlich das Video zum Vortrag von Marcus Richter sehen, gerade weil ich früher total gerne gespielt habe, aber seitdem die Kinder da sind nicht mehr dazu komme.
Wie jedes Jahr nehme ich mir für’s nächste Jahr vor mal auf die Re:publica zu gehen. Wie jedes Jahr werde ich dann wieder die Eintrittspreise sehen und zurückschrecken. Aber mal abwarten.
Im Vergleich zu anderen Konferenzen, ich hab das heute erst wieder gesehen, sind die Preise wirklich sehr moderat. 130 Euro kostet das Early Bird Ticket. Das sind 43 Euro am Tag. Die PHP Konferenz kostet über 400 Euro/Tag.
Wenn man das Geld nicht hat und nicht zusammen sparen kann, kann man als HelferIn unterstützen und bekommt den Eintritt und ich meine, man kann die Organisatoren sogar ansprechen, wenn es finanziell wirklich nicht geht.
Ja, im Vergleich zu anderen Konferenzen ist es schon günstig, da hast du recht. Vielleicht sollte ich mir den Eintritt einfach nächstes Jahr zum Geburtstag schenken lassen. Erlebnisberichte wie der von dir machen nämlich immer total Lust darauf.
Hast du irgendwelche Tipps für Erstbesucher*innen?
Ich würde mir das Programm schon vorher anschauen und einen Art Plan zusammensuchen. Inkl. Alternativen. Manchmal ist eine Session voll und dann steht man verwirrt und überfordert rum. Wenn man dann gleich weiß, wie der Plan B lautet, ist das super.
Es gibt neben den großen Sessions viel zu entdecken. Sprich einfach andere an oder lies deren Blogs, viele bloggen dazu im Vorfeld. Ich hatte den Eindruck, dass zB Sven und Sebat sehr schöne Dinge auf der rp entdeckt haben, die an mir vorbei gegangen wären.