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Der Arbeitsalltag bestimmt zu gut einem Drittel das Leben. Die anderen zwei Drittel verbringen wir mit schlafen, putzen, einkaufen, kochen und ein bisschen Freizeit. Kein Wunder also wenn die Gewohnheiten hauptsächlich durch den Job bestimmt werden. Für meinen Teil musste ich feststellen, dass ich ohne Moderationskärtchen und Flipchart absolut nicht mehr in der Lage bin irgendetwas zu entscheiden.
Manchmal denke ich sogar, ich muss zum Arzt weil ich fast alles vergesse, was ich nicht visualisiere. Wenn ich beispielsweise mit meinem Freund diskutiere, dauert es keine dreißig Minuten und mein Gehirn wischt sich alle Vorkommnisse aus dem Hippocampus. Wenn er mir bei der nächsten Diskussion sagt, wir hätten die Sache bereits besprochen und zitiert was ich dazu gesagt habe, kann ich lediglich aufgrund seiner Wortwahl rückschließen, dass ich es tatsächlich gesagt haben muss, da er sich niemals so ausdrücken würde. Ich kann mich gerade noch bremsen, meine to dos im Privatleben als Powerpointpräsentation darzustellen. Es ist grauselig. Wenn ich nicht alles in Meilensteinpläne mit Qualitygates hinterlege, kann ich Nachts nicht schlafen. Was in meinem Kopf ist, rotiert so lange bis ich es schriftlich als Checkliste festhalte. Wenn irgendwas nicht nach Plan läuft, bekomme ich ein nervöses Zucken in den Augenliedern. Termine, die nicht im Palm stehen, lassen sich nicht memorieren und ich schwöre, ich kann keine einzige Telefonnummer auswendig. Nicht mal meine eigene. Von Adressen ganz zu schweigen. Ich meine, wann schreibt man schon Snailmails? Ich kann auf Fragen nur antworten, wenn ich Internetzugang habe und google mir eine Antwort gibt. Alles was sich in meinem Langzeitgedächtnis befindet, ist aus der Zeit vor exzessiven Internetgebrauch.
Ich arbeite jetzt seit 1999. Wie seltsam werde ich erst sein, wenn ich die ersten zehn Jahre hinter mich gebracht habe?

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Vergangene Woche habe ich ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk bekommen, welches der Haarke ebenbürtig ist. Das Duden Bildwörterbuch.
Es enthält 30.000 Wörter, von denen ich gut 80% bislang mit „Dingens“ bezeichnet habe. Abende könnte ich darin lesen und meinen bescheidenen Wortschatz befüllen. Als aller erstes macht mich das eloquenter und ich lasse in Gesprächen gerne mal die Worte Stufengraukeil, Haspelkufe, Tubusdeckel, Teubenskabiose, Okulette oder Randbearbeitungsautomaten fallen.
Zum anderen bin ich dank des Buches nun in allen Gefahrensituationen gewappnet und kann jeden Fernsupport nutzen, wenn es darum geht etwas zu reparieren, auszutauschen oder instandzusetzen.
Stellen wir uns folgende Situation vor. Ich fliege als Passagier in einem Flugzeug nach Los Angeles. Wir befinden uns über dem Pazifik. Die Tür zum Cockpit öffnet sich, der Pilot tritt in den Passagierraum, zittert und fällt um wie ein Baum. Kurz entschlossen das Leben aller Passagiere zu retten, laufe ich zu dem Instrumentenbrett. Ich setze die Kopfhörer auf und erbitte Hilfe.
– Hallo? Hier nuf. Ich brauche Hilfe. Der Pilot ist gerade zusammengebrochen.
– Nuf? Nun gut. Was sagt die Zylindertemperaturanzeige?
– Hä?
– Was sagt die Zylindertemperaturanzeige?
– Wo is die denn?
– Gleich neben dem Amperemeter!
– Wat? Wo?
– Sie müssen die Seitenruderpedale in Position bringen, damit Sie die Hochachse auf 180 Grad steuern können!
– Hä?
Völlig klar. Ohne Duden Bilderwörterbuch ein hoffnungsloses Unterfangen.
Mit Bildwörterbuch kein Thema.
Nuf: Quatsch, Zylindertemperaturanzeige! Wir haben an Höhe verloren weil das Turboproptriebwerk einen Defekt hat. Aber seien Sie unbesorgt. Ich werde die Getriebeeingangswelle lösen und so den Lufteinlauf erleichtern auf dass die Luftschraubenwelle sich wieder dreht!

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Über das Blogdings an sich und warum ich im Moment wenig Lust habe, etwas zu posten
Seit über einem Jahr blogge ich jetzt. In der Zeit habe ich gut 900 Geschichten gepostet und meine Leserschaft ist von beeindruckenden 3 auf gut 400 gestiegen. Es freut mich, wenn ich sehe, regelmäßige Leser zu haben. Ich habe mich auch über den Preis der ZEIT gefreut und freue mich, wenn meine Beiträge im Handelsblatt oder in der Chip zitiert werden.
Ich habe noch nie gerne über mich privat geschrieben. Natürlich stecken in meinen Geschichten wahre Begebenheiten aber ich habe mir immer Mühe gegeben, weder allzu viel über mich als Person noch über meine Freunde preis zu geben. Gerne bezeichnet man mich deswegen als leicht paranoid.
Vor knapp einem Monat wurde ich vom Stern gefragt, ob ich ein Interview geben möchte. Natürlich habe ich mich geschmeichelt gefühlt, aber als ich versuchte mir die Folgen auszumalen, wenn jeder der den Stern liest gleichzeitig weiß wie ich aussehe und wie ich heiße. Die Folgen konnte ich mir nicht ausmalen. Sicher schien mir nur, dass ich bekannter würde, aber ob das für mich positive oder negative Folgen hat, konnte ich nicht abschätzen. Ich lehnte dankend ab.
Auch entschied ich mich aufgrund verschiedener Vorkommnisse mein Bild aus dem Header zu entfernen.
Durch die Ereignisse der letzten Zeit, weiß ich wieder, dass es gut ist, misstrauisch zu sein. Es hat sicherlich einen Grund warum es viel weniger weibliche Blogger als männliche gibt. Es hat genauso gut einen Grund, dass es fast keine Frauen gibt, die unter real name posten oder im Impressum ihren Namen samt Adresse angeben.
Der Grund sind schlechte Erfahrungen, die man im Laufe seiner Internetzeit gemacht hat. Es gibt nicht wenig Stalker und nicht wenig Kerle, denen wahrscheinlich nicht klar ist, wie man sich als Frau fühlt, wenn man das Gefühl hat, jemanden ausgeliefert zu sein.
Mir ist klar, dass ich mich dieser „Gefahr“ selbst aussetze indem ich einen Blog habe. Seltsame Menschen gibt es überall. Auch in der Öffentlichkeit. Nur hat man dort das Gefühl, dass man sie sehen und somit einschätzen kann und eine Chance hat adäquat zu reagieren. Im Internet fühlt man sich belauert und es gibt Menschen, denen es offensichtlich Freude bereitet stundenlang zu googlen um dann das schöne Spiel „ich habe Infos, die Du mir nicht gegeben hast und ich zeige sie dir damit du dich unsicher fühlst und siehst wie klug ich bin“ spielen.
Das gibt es in verschiedensten Ausprägungen. Ich nenne keine Namen aber ich finde es wirklich das allerletzte. Mir vergeht die Lust aufs bloggen und mein Humor kommt auch an Grenzen.
Leute wie ihr, sorgen dafür, dass sich Vielfalt reduziert und dass Frauen sich unsicher fühlen. Ich finde das sehr bedauerlich und es macht mich wütend. Vielleicht unterstelle ich sogar zu viel Böses. Dennoch bitte ich darum einfach mal das Gehirn einzuschalten bevor man gewisse Emails abschickt oder bestimmte Kommentare postet.
Jetzt geht’s weiter mit Musik

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Suche Zwischenmieter für meine schöne Wohnung. Die hat 2 Zimmer, 48qm, Altbau in Mitte, abgezogene Dielen, verputzte Wände, hell im ersten OG., Wannenbad mit Fenster und Küche, die groß genug für einen Tisch ist. Das Ganze kostet nur 380 warm. Zeitraum 1.11 bis 21.12.05. Wer Interesse hat, melde sich bitte per Mail. Dann schicke ich gerne weitere Fotos und wir machen einen Termin.

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Einen Nachmieter nehme ich auch gerne zum 1.11., allerdings kostet die Wohnung dann 430 warm und es sind kleine Malerarbeiten zu übernehmen.

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Mal ganz aus dem Kontext gerissen. Es ist ein Drama dass Smashing Pumpkins sich getrennt haben. Ich trauere ihnen jedes Mal, wenn ich ihre Platten höre, nach. Für die Trennung gibt es kein Surrogat.

Und noch was: Zwei Jahre habe ich darauf gewartet Brothers Grimm kommen endlich ins Kino. Endlich! ENDLICH!

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Es ist normal, dass der Haushalt darunter leidet wenn man mit einer Frau zusammen zieht. Das sollte jeder Mann akzeptieren. Männer verfügen meist über wenig ästhetisches Empfinden und haben über die Jahre ausschließlich praktische Dinge angehäuft, die jeder Optik spotten. Leider geht es meist nicht, einen LKW zu bestellen und den gesamten Haushalt zur Mülldeponie zu fahren und so muss man andere Wege finden. Beim letzten Freund entsorgte ich die schlimmsten Gegenstände in jahrelanger Vorbereitung heimlich oder sehr offensichtlich indem ich sie im Streit an Wände warf. Mit letzterem lassen sich oft zwei Gegenstände auf einmal entsorgen. Sofern man zielen kann. Man sucht sich eine hässliche Kommode und wirft die einfach auf die Schnapsglaskollektion et voilà wieder ein bisschen mehr Platz geschaffen.
Im Laufe der Jahre bin ich sensibler geworden und habe verstanden, dass Männer ein Recht auf Eigentum haben, wie augenbeleidigend es auch sein mag.
Mit meinem jetzigen Freund habe ich demzufolge einen Kompromiss geschlossen. Jeder darf drei der schlimmsten Gegenstände aus dem Haushalt des anderen auswählen und widerredelos entsorgen. Aus seinem Besitzstand muss als erstes eine eicherustikalgebeizte Jugendzimmerübrigbleibselregalschrankwand daran glauben. Ich lieh mir eine Axt und zerlegte das Teil, was im übrigen anstrengender war, als ich vermutet hatte. Dann lies ich die giftgrüne Kaffeemaschine aus dem vierten Stock in die bereitgestellte Mülltonne fallen. Gegenstand drei muss ich mir noch ausdenken.
Ich bin bislang ziemlich glimpflich davon gekommen. Mein Freund hat lediglich meinen Radiowecker und einige Latte Macchiatogläser ausgesucht. Das Radio sei eine Beleidigung seiner Ohren, worauf er es ergriff und auf die Dachterrasse stieg, es an dem Stromkabel einige Male temperamentvoll wie ein Lasso schwung und es der untergehenden Sonne entgegen schleuderte. Es machte einen schönen Boden und zerschellte im Innenhof der Nachbarn. Die Gläser wurden aufwändiger entsorgt. Wir fuhren zur Mülldeponie, erklommen den Berg zu dem Höllenschlund und versuchten mit ihnen die gut 15 Meter entfernte Wand zu treffen. Auch für mich steht der dritte Gegenstand noch aus. Ich denke, es ist strategisch richtig noch zu warten.

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Endlich Italien in Deutschland
Seit wann bedeutet Demokratie eigentlich, dass man ignoriert was die Wähler sagen? Ohne ein Freund der Linken zu sein, denn auch mit Lafontaine und Umbenennung bleibt die schlicht und ergreifend die Nachfolgepartei der SED, aber zählt die Linke nicht zu den demokratisch anerkannten Parteien Deutschlands?
Wenn dem nicht so ist, sollte dringend jemand beim Bundesverfassungsgericht Klage einreichen. Das Abwegigste scheint es derzeit zu sein, sich hinzusetzen und Ähnlichkeiten in Parteiprogrammen zu suchen. Anstatt dessen spielen alle Kindergarten und weil Guido sagt, dass er mit Gerhard nicht spielen will, sagt Gerhard, dass er nicht mit den bösen Gebrüdern Oskar und Gregor spielen will und die sagen dann, dass sie es nicht dulden werden, dass Gerhard mit Joschka die Kindergartentruppe anführen wird. Wobei Joschi sagt, Hauptsache irgendwie spielen, nur lieber nicht mit Angela, weil wenn er das tut, finden ihn die anderen Kinder doof.
Mein Vorschlag: eine Minderheitenregierung gebildet aus der FDP und den Linken, geduldet von SPD und CDU und die Grünen werden Opposition. Kanzler werden im Gegenzug zur Duldung Schröder und Merkel gemeinsam, die vorher noch heiraten und ein Kind bekommen, welches politischer Sprecher des Kanzlerpaares wird.
Reporter: Was passiert nun mit der Mehrwertsteuer?
Kind Schröder-Merkel: Mama und Papa tun noch ganz dolle streiten. Ich soll
von Mama sagen, ja, wobei Papa das aber nich will. Kann ich nen Keks haben?
Oder wir gehen noch mal wählen und endlich sind Mehrfachnennungen erlaubt.

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Mein Nachbar, der leider, da ich umziehe, bald nicht mehr mein Nachbar ist, hat mir sein altes Handy geschenkt. Ich wiederhole g e s c h e n k t.
(Für alle Kinder der kapitalistischen Hemisphäre hier eine Erklärung zum Verb „schenken„).
Mein erstes Handy habe ich 2000 gekauft. Ich erinnere mich noch genau an das erste Mal. Ich kam vom Land und hatte einen Freund aus Berlin. Der wiederum hatte ein Handy. Etwas was ich bislang nur als Attrappe aus meinen Italienurlauben kannte. Jedenfalls war ich zu Besuch in Berlin, es war der 22. Januar 2000 und ich stand im Eingangsbereich von H&M women in der Tauentziehstraße und plötzlich klingelte das Handy. Ich wurde puterrot, kramte hektisch in meiner Tasche, lief wie ein Huhn auf der Straße ab und auf, um einen ruhigen Platz zu finden und meldete mich dann mit vollständiger Grußformel, gefolgt von Vor- und Nachnamen. Mein Herz konnte sich erst im Verlauf der anschließenden Stunde beruhigen.
Jedenfalls bekam ich ein Jahr später ein Handy von meinem Arbeitgeber und das war bis gestern im Einsatz. 2003 überlegte ich kurz, ob ich mir vielleicht eines Tages ein neues Handy gönnen wollte. Ich verliebte mich in das kleine Sony Ericsson T610, erkundigte mich nach dem Preis, legte meine leidenschaftlichen Gefühle auf Eis um reumutig zu meinem alten Telefon zurückzukehren.
Als mir gestern mein großherziger, nobler, selbstloser, blendend aussehender, über die Maßen kluger, begabter, kreativer, geistreich und lustiger Nachbar genau jenes einfach schenkte, konnte ich mein Glück nicht fassen. Auf dem Weg nach Hause hielt ich Passanten an und zeigte ihnen meine neue Errungenschaft. Nachts legte ich das Handtelefon neben mich ins Bett und immer wenn ich aufwachte, streichelte ich es sanft.
Großherziger Nachbar, ich danke Ihnen!