Endgegner Computerspiel – die Ergebnisse

Zusammen mit SCHAU HIN! habe ich gestern auf der re:publica zu einer Austauschrunde zum Thema „Kinder und Computerspiele“  eingeladen.

Die Idee entstand, weil das Thema „Kinder und Computerspiele“ mit zunehmenden Alter meiner Kinder ein Dauer(frust)thema in Elternrunden geworden ist. Wie soll man Medienzeit reglementieren? Was macht man gegen die ausdauernde Lust der Kinder Videospiele zu spielen? Im Grunde ging es in diesen Runden tatsächlich fast nur ums Reglementieren und am Ende um Verbote.

Computerspiel
10 Eltern unterhalten sich mit 10 anderen Eltern über Computerspiele und Medienzeiten.

Die gängigen medienpädagogischen Tipps sind dabei bekannt: Medienzeiten vereinbaren, Interesse signalisieren, das Gespräch suchen und Alternativen bieten. Allerdings gibt es eben erhebliche Schwierigkeiten diese Tipps in der Praxis umzusetzen.

Mir kam irgendwann der Gedanke, dass diese Tipps zu allgemein sind und dass es an Konkretisierungen fehlt. Denn woher soll man denn Tipps für neue, gute Spiele haben, wenn man sich selber nicht auskennt und/oder nicht für Computerspiele begeistert? Worüber soll man denn genau ins Gespräch mit den Kindern kommen? Wie soll man denn wissen, dass man Kinder frustriert, wenn man noch vor dem nächsten Speicherpunkt sagt: „Jetzt ist Schluß, die 30 min Medienzeit sind um.“, wenn man nicht weiß was ein Speicherpunkt ist?

Deswegen hier einige Informationen und konkrete Ansätze:

Wie kann ich mich über Spiele informieren?

Wenn Eltern Windeln, Schulranzen oder Helme für Kinder kaufen, nehmen sich die meisten Zeit vorher zu recherchieren: Was ist empfehlenswert und warum? Worauf muss man achten? Das selbe sollte man in Sachen Computerspiele machen. Anregungen und Spielerezensionen gibt es z.B. hier:

Darüberhinaus gibt es weitere Formate oder Orte an denen sich Eltern gut über Computerspiele informieren können:

Welche Spiele kann man gut zu mehreren Personen spielen?

Ihr wollt verstehen, warum Computerspiele Spaß machen? Spielt doch einfach mit euren Kindern zusammen. Die hier genannten Tipps habe ich selbst ausprobiert. Mir war wichtig Spiele zu nennen, die man u.a. gut spielen kann, ohne jahrelang den Umgang mit dem Controller geübt haben zu müssen.

Oft werden auf medienpädagogischen Veranstaltungen Lernspiele empfohlen. Die können, wenn sie gut gemacht sind, natürlich auch Spaß machen. Allerdings eben nicht so wie Spiele, die einfach das Ziel verfolgen zu unterhalten. Ich kann wirklich allen ans Herz legen: Probiert gemeinsam Spiele aus, die lustig sind. Leiht euch z.B. eine Switch bei Freunden und findet bei 1-2-Switch heraus, wer schneller beim Safeknacken ist oder wer besser Kühe melkt.

Ansonsten hier meine persönlichen Highlights:

Weitere Tipps der Teilnehmenden, findet ihr unten im Artikel. Wenn ihr selbst Tipps habt – ich bin immer auf der Suche, gerne in die Kommentare schreiben.

Welche Stolpersteine gibt es sonst noch?

Viele, v.a. kostenlose Spiele bringen Ärgernisse mit sich. Zum einen kann das Spiel durch Werbung unterbrochen werden. Das stört nicht nur das Spiel als solches, sondern konfrontiert Kinder auch mit z.T. unangemessenen Inhalten. Einige Spiele haben als festen Bestandteil In-App-Käufe. Damit man weiterkommt, muss man eigentlich Dinge kaufen. Abgesehen von den Kosten, die entstehen können, ist die Spielemechanik oft so kaputt gemacht, dass es ab einem gewissen Punkt kein Vorankommen im Spiel gibt, wenn man nicht doch Geld in die Hand nimmt.

Es lohnt sich die knapp 7 Minuten zu investieren, um sich klar darüber zu werden wie bescheuert manche Free-To-Play-Spiele eigentlich sind – vorgerechnet und erläutert am Beispiel von „Hogwarts Mystery“:

Zusätzlich ziehen viele Spiele alle möglichen persönlichen Daten (z.B. Standortdaten, Telefonbuch). Kinder Menschen klicken schnell mal „OK“ beim Installieren und sind sich gar nicht bewusst, welche Informationen sie zur Verfügung stellen.

Bei uns waren diese Punkte Dauernervthema und ich bin irgendwann zu der Erkenntnis gekommen, dass wir lieber Geld für eine Konsole und Spiele ausgeben. Das erscheint am Anfang teuer – mit ein bißchen Erfahrung spart man aber schnell Geld. Zum einen, weil man die meisten Spiele auch gebraucht kaufen (und resetten) kann und zum anderen, weil beispielsweise Bibliotheken oft Spiele anbieten. Kauft man eine gängige Spielkonsole, können Kinder auch gut Spiele untereinander tauschen.

Denkt generell über die Höhe des Taschengelds nach. Wenn Kinder gute Spiele spielen sollen, kostet das Geld.

Und sonst noch?

Wenn ihr ohnehin in den sozialen Medien unterwegs seid, folgt doch z.B. Computerspielerinnen. Dann generiert euch eure Timeline von alleine den ein oder anderen Tipp.

Hört Podcasts rund um das Thema Computerspiele und zwar sowohl aktuelle als auch Retrospiele (ich habe noch nicht in alle reingehört):

Apropos Retrospiele: Hier habt ihr eine riesige Auswahl und gerade für jüngere Kinder ist das ein großer Pool an tollen, eher einfach gehaltenen Spielen. Kauft z.B. neu aufgelegte Retro-Konsolen. Die sind gar nicht sooo teuer und kommen meist mit mehr als 20 fest installierten Spielen. Oder ihr besorgt euch alte Original-Hardware. Gameboys z.B. gibt es oft ziemlich günstig, weil die Displaybeleuchtung kaputt ist. Das ist sehr lustig, denn es gab bei den alten Modellen nie eine Beleuchtung. Jahaaaa – so haben die Menschen früher gespielt!

Hört euch mal an, wie Leitmedium das in seiner Familie macht. In unserem Podcast Mit Kindern Leben, Folge 4 „Computerspiele“ reden wir darüber und er berichtet davon, wie seine Familie sich mit nicht internetfähigen Vintage-Geräten an den aktuellen Stand der Technik bzw. der Computerspiele ranarbeitet.

Computerspiele sind Kulturgut

So wie es Buchrezensionen gibt, gibt es auch Rezensionen zu Computerspielen. Hört euch deswegen Radiobeiträge an: z.B.

Und ganz am Ende: Versucht wirklich mal vorurteilsfrei mit euren Kindern zu sprechen, was und warum sie spielen. Fangt früh damit an. Im Grundschulalter wollen die Kinder noch stundenlang mit euch über Computerspiele sprechen. Das kann man nutzen, um eine vertrauensvolle Gesprächsbasis aufzubauen.

Computerspiele können inspirierend sein. Ich bin immer total baff, was Kind 3.0 produziert:

Durch Pokemon GO ist bei uns das Thema Pokemon wieder hip geworden und so erfindet Kind 3.0 selbst Pokemon am laufenden Band:

Computerspiel

Es baut sich selbst „Spielkonsolen“:

Computerspiel

Und weil es Minecraft so gerne wie Pokemon mag, baut es Pokemon in Minecraft:

Computerspiel
Floink

Hier noch die Antworten aus den Fragebogen:

Die beiden Fragebogen können gerne noch ausgefüllt werden. Ich werde die Liste unten fortlaufend ergänzen. Mir haben viele computerspiel-affine Eltern nach der Session gesagt, dass sie auch ständig auf der Suche nach guten, neuen Computerspielen sind.

Meine Lieblingsspiele:

  • Alto‘s Odyssey, Pinball Crystal Caliburn II, Framed (iOS)
  • Commander Keen, Arcanum, beliebiges Autorennen – PC
  • Zelda, Mighty Micros, Monument
  • Portal (PC), Hotel Dusk: Room 215 (Nintendo DS), Brothers – A Tale of Two Sons (PC)
  • Mario Kart, Super Mario, Unravel, Minecraft

Lieblingsspiele für mehr als eine Person:

  • Love You to Bits
  • Age of Empires, Diablo, beliebiges Autorennen
  • SongPopParty, Raving Rabits, New Mario Bros.
  • Overcooked (PC / PS4), Secret of Mana (Super Nintendo / in HD auf PS4), Rockband (XBOX)
  • Martio Kart, Minecraft, Pflanzen gegen Zombies: Garden Warfare

Lieblings-Apps:

  • Hidden Folks
  • Die MausApp, unblock car, Merge Dragons
  • Fiete, „die Masken“ (Snapchat), Kamera
  • Thinkrolls (4+), Kapus Wald (2+), Kleiner Fuchs: Tierarzt (4+)
  • Fiete, Wo ist mein Wasser

So regeln wir Medienzeit in unserer Familie:

  • 2x 30 Minuten/Tag, Kinder stellen Timer
  • Nur am Wochenende oder in den Ferien, dann aber so lange sie wollen. Es sei denn wir machen einen Ausflug oder sie eskalieren irgendwie und es muss vorher aufgeräumt werden bzw. die Pflichten erledigt sein.
  • Es wird gefragt, bevor gespielt wird; wenn das Schlußzeichen kommt darf noch das Level oder die Runde zu Ende gespielt werden
  • In der Woche 30 Minuten „screen time“ für das Kind, da es sonst abends nicht zur Ruhe kommt. Dazu zählt alles am Bildschirm. Am Wochenende leicht aufgeweicht, Spiele bei Regentagen/Autofahrten usw auch länger und Sonntags manchmal einen gemeinsamen Familienfilm. Für uns gilt auch dass bei Verpflichtungen, die anliegen, abends nicht die ganze Zeit gezockt wird.
  • keine klaren, festen Regeln. Vidos gibt es auf Nachfrage, aber nicht jeden Tag und selten mehr als eins pro Tag (bisher wird selten danach gefragt, aber oft nach einem Zweiten, wenn sie erst mal dabei ist)
  • wir denken uns was aus, scheitern, versuchen was neues

So beurteile ich Spiele:

  • Testen; werbefrei, faire In App-Käufe oder angemessener Preis
  • Ich google es oder lese mir die Spielbeschreibung durch, dann schaue ich es mir selbst an und Frage das Kind ggf woher es das kennt, warum es das spielen will etc. Ggf spiele ich das selbst erstmal an meist zusammen mit dem Kind. Falls ich es ungeeignet finde erkläre ich dem Kind auch warum.
  • Ich spiele es selbst vorher
  • Ich lese vor dem Kauf Rezensionen im Netz und spiele die ersten Runden mit ihm gemeinsam.
  • Selber spielen

Das gebe ich dir mit auf den Weg:

  • Selbst spielen, Bewertungskriterien gegenüber den Kindern offenlegen und Medienzeiten vorleben.
  • Ich habe als Kind und Jugendliche selbst exzessiv gespielt. Stundenlang, jeden Tag. Ich spiele heute noch viel auf meinen diversen devices. Ich bin weder gewalttätig geworden, noch kriminell. Ich habe einen guten Abschluss und ich bin glücklich verheiratet und auch ein ganz guter, zufriedener, netter Mensch geworden. Und ich hatte immer und habe auch echte soziale Kontakte mit echten Menschen. :) Ich habe auch viele Spiele gespielt bei dem explizit auch Wissen vermittelt wurde und ich glaube auch sonst vermitteln Spiele durchaus strategisches Denken. Für mich war es einfach eine Freizeitbeschäftigung. Als Mutter finde ich es wichtig zu sehen WAS meine Kinder konsumieren. Das beschränkt sich nicht nur auf Computerspiele, auch TV, Videos, Bücher, Zeitschriften sind Medien und ich schaue auch welchen Umgang sie haben. Verbietenn mag ich nicht oder nur im Ausnahmefall aber ich äußere klar mein Missfallen und begründe das auch. Im Kontakt bleiben ist mMn das wichtigste.
  • Mach mit, laß dir erklären, was so toll an dem Spiel ist, schlag Puzzler & Logik-Spiele vor
  • Computerspiele haben mir nicht weniger oder mehr „beigebracht“ als Musik und Filme. Sie haben in meinem Leben genau denselben bereichernden Stellenwert. Sie isolieren genauso wenig zwangsläufig, wie es z. B. eine Serie tun würde – wie alle Medien kann man theoretisch vor ihnen versumpfen, aber sie auch als Familie gemeinsam erleben. Als Beruhigung: Trotz teilweise sehr exzessivem Computerspielkonsum in unserer Jugend haben sowohl ich als auch mein Mann alle Abschlüsse und den Eintritt ins Berufsleben geschafft.

Danke an alle, die den Fragebogen ausgefüllt haben und Danke an alle, die da waren <3

Und für alle, die aufgrund der begrenzten Anzahl an Plätzen nicht teilnehmen konnten: Es tut mir wirklich leid. Zwei Gesprächsrunden parallel wären einfach von der Geräuschkulisse zu viel gewesen.

Danke auch für das tolle Feedback und ja, kopiert das Format (Kurzpräsentation der Veranstaltung als PDF) und nehmt es mit zum nächsten Elternabend!

https://twitter.com/svensonsan/status/992164815920664577

113 Gedanken zu „Endgegner Computerspiel – die Ergebnisse“

  1. Zusammen Computer spielen? Bei älteren Kindern eine ganz schlechte Idee, finde ich. Wollte mal mit dem Sohn zusammen „World of Warcraft“ spielen und obwohl ich viel mehr Erfahrung hatte, war er in kurzer Zeit viel, viel besser als ich. Und hatte dann natürlich keinem Bock, den lahmen alten Sack mit durchzuschleppen.

    1. Man muss eben die richtigen Spiele miteinander spielen. Wenn es um Skill geht und das „Kind“ hat Übung, hat man keine Chance. Bei den Spielen, die ich oben genannt habe, hat man unabhängig von der Vorerfahrung eine Chance oder aber man muss wirklich als Team miteinander spielen, um was zu erreichen.

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