Schweiget! und schreibet!

SprachnachrichtenNiemals wollte ich Dinge sagen, die meine Eltern gesagt haben. Doch ach! Es ist so schwer mit den guten Vorsätzen. Wie oft z.B. denke ich „Für jedes Mama ne Mark und ich wäre reich!“

„Mama?“

„MAMA?“

„MMAAAMAAA!“

„MAAAMAAA!!1!“

„Mama?“

Allein zwischen Feierabend und Bettbringzeit würde ich eine stattliche Summe dazu verdienen. Auf den Monat hochgerechnet, könnte ich meine offiziell bezahlte Arbeitszeit um gut die Hälfte reduzieren und meinen Lebensstandard dennoch halten. Ach was! Ein stattlicher Urlaub mit allem Pipapo wäre drin!

Auch wollte ich nie Kulturpessimistin werden. Ich wollte immer mit dem technischen Fortschritt mithalten. Jede relevante Plattform kennen, nicht aufhören Apps  zu testen, meine Mikrowelle mit ihren 542 Programmen bedienen können, offen für jede Neuerung sein, mir immer klar machen, dass es oft Bequemlichkeit ist, die einen daran hindert am Puls der Zeit zu bleiben, niemals nicht in die Das-haben-wir-schon-immer-so/Das-haben-wir-noch-nie-so-gemacht-Mentalität verfallen… doch ach. Ach. ACH.

Bei Sprachnachrichten hört es eben auf.

Es gibt einfach Grenzen!

MAN MUSS AUCH NICHT JEDEN SCHEISS MITMACHEN!

Früher ging es auch ohne. Da haben wir noch getippt! Sogar bevor es die Smartphones gab! Selbst da haben wir uns SMS geschickt. Wir haben die Zifferntasten als Buchstabenauswahl genutzt, mussten teilweise 3x auf die Taste drücken, bis endlich der gewünschte Buchstabe erschien und es gab gar keine Wortvorschläge. Wir haben jeden fucking einzelnen Buchstaben ausgewählt! Jedes Wort einzeln und bis ganz zu Ende getippt. So war das damals! Disziplin hatten wir! Durchhaltevermögen! Ehrgeiz! Echter Kommunikationswille!

Außerdem hat das SMS-Schreiben Geld gekostet. 30 Cent pro Nachricht.

Wir haben uns also gut überlegt, was wir schreiben.

160 Zeichen, die eine Aussage hatten.

Niemand hätte einfach einen Smiley geschickt oder „OMG lol“. Niemand! 3 SMS = eine Woche Taschengeld!

Sprachnachrichten

In der Zwischenzeit hat sich vieles geändert und ich bin auf dem Stand, dass ich einfach nur froh wäre, wenn die JUGEND VON HEUTZUTAGE wenigstens „lol“ schreiben würde. Wenn sie überhaupt schreiben würde. Aber das tut sie nicht! Sie redet! Sie schreibt nicht mehr. Sie schickt Sprachnachrichten.

Sie ist zu faul! Also das hätte es früher bei uns nicht gegeben. So schwer ist das doch nicht. HIMMELHERRGOTT! Wie lange dauert es denn zu tippen: „Kann ich noch zu Lisa? Ich bin 17 Uhr wieder da.“ Fünf verdammte Sekunden. Fünf Sekunden! FÜNF!

Aber nein. Die Jugend von heutzutage schickt lieber Sprachnachrichten.

 

(Wenigstens weiß ich jetzt was diese jungen Menschen machen, die ihre Telefone waagrecht vor ihre Münder halten während sie durch die Gegend laufen.)

Danke Merkel!

Sprachnachrichten nerven. Sie nerven! Ich höre sie nicht ab. Ich höre sie nie ab. Selbst wenn ich Kopfhörer hätte. Sie entsprechen einfach nicht meinen Kommunikationsgewohnheiten und die sind hier schließlich der Maßstab.

Sprachnachrichten sind Trump! Sprachnachrichten sind Kim Jong-un! Sprachnachrichten sind Sauron.

Endlose Spielenachmittage

Es ist so. Kind 2.0 war irgendwann doch etwas genervt weil ich immerzu in mein Telefon schaue. Es ginge dabei ja auch nicht nur um die ständige Ablenkung, es sei auch besorgt, weil ich wirkte beinahe süchtig und Sucht, das sei eine schlechte Sache, das wüsste schließlich jede/r. Als ich dennoch nicht hören wollte, erarbeitete Kind 2.0 einen Kompromiss. Ich darf alle Tage ins Handy schauen – nur Mittwoch Nachmittag nicht. Da sei ab jetzt ein echter Spielenachmittag. Echt heißt in dem Fall, dass die Kinder nicht nur jedes für sich oder miteinander spielen, sondern dass ich mit den Kindern spielen muss. Mit der Auslegung des Wortes spielen sei Kind 2.0 jedoch flexibel. Wir könnten auch am Computer spielen, fernsehen (diabolisches Grinsen während es diese beiden Aktivitäten vorschlug), basteln, kochen oder Gesellschaftsspiele spielen.

Was es nicht gesagt hat, wir müssen im Hintergrund immer Radio Teddy hören. Schlimme Sache und als Strafe für mein Handyverhalten wirklich ausreichend.

Die ersten Tage bastelten wir, dann kochten wir, dann buken wir, dann puzzelten wir, dann machten wir Knickbilder, dann spielten wir Karten und gestern spielten wir Monopoly.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich als Kind Monopoly sehr toll fand. Meine Eltern haben gefühlt zehn Mal in meiner gesamten Kindheit mit mir gespielt. Davon drei Mal Monopoly, vier Mal Spiel des Wissens und den Rest so ein Spiel mit kleinen Autos, in die man Stäbchen reinsteckte je nachdem wie viel EhepartnerInnen und Kinder man während des Spiels anhäufte.

Was das Monopolyspielen angeht, kann ich mich jedoch nicht erinnern, WAS mir daran so gefiel. Ich glaube, ich habe nicht einmal gewonnen.

Im Hinterkopf die Begeisterung meiner Kindheit, willigte ich ein und wir spielten los. Kind 3.0 wurde als hauptamtlicher Würfler für mich eingestellt. In Runde 5 musste das eifrige Kind ausgeschlossen werden, weil es mit großem Ehrgeiz und auch Treffsicherheit ständig alle Häuschen vom Feld würfelte. Das alleine wäre noch ok gewesen. Jedoch dauerte die Zielphase sehr, sehr lange. Kind 3.0 nahm dabei den Würfel in die Hand, kniff die Augen zusammen, suchte sich eine Ansammlung Häuser am Spielfeld und schüttelte dann den Würfel. Erst langsam und dann immer schneller. Währenddessen visierte es das Ziel an, schob die Zunge zwischen die Lippen und warf erst nach endlosen Minuten des Zielens die Würfel mit maximalem Schwung auf das Feld.

Hätte ich gewusst wie langweilig das Spiel ohne Kind 3.0 ist, ich hätte es nicht weg geschickt.

Wir spielten eine ereignislose Stunde und als ich dann wirklich nicht mehr konnte (Ich habe versucht das Spiel als Demutsübung zu sehen, so wie das geduldige Stehen an autolosen, roten Verkehrsampeln, WIRKLICH), bat ich um Beendung. Nein, das Spiel ist erst beendet, wenn ein/e Spieler/in kein Geld mehr hat.
Der Haufen Geld vor mir wollte aber einfach nicht weniger werden. Spätestens wenn ich über Los oder versehentlich auf das Feld Wundertüte (wir spielen Kindermonopoly) kam, war ich wieder solvent.

Nach 1,5 Stunden begann ich mein Guthaben heimlich in die Kasse zurück zu stecken. Erst die großen Scheine und dann nach und nach die kleinen Scheine. Ich musste zwischendurch auf Toilette und als ich wieder kam, waren meine Häuschen, die ich bislang noch nicht auf Felder stellen konnte, plötzlich verschwunden bzw. sie standen offensichtlich irgendwo auf dem Spielfeld. Meine Kassen klingelten endlos.

Dann neigte sich das Geld von Kind 1.0 dem Ende zu, was Kind 2.0 gleich bemerkte: Ich werde dein Unterstützer! Hier hast du ein Paar Scheine, gib mir einfach ein bisschen was zurück wenn Du wieder Einnahmen hast.

Ich war entsetzt. Das, das geht nicht! Das erlauben die Regeln nicht!, protestierte ich.

Man soll doch teilen? Beide Kinder schauten mich fragend an. Bei Geld hört das wohl auf? Was ist mit den Bedürftigen, hm? 

Aus Gründen der Erziehung zum moralisch Guten blieb mir nur, die Regelanpassungen zu akzeptieren. Das Spiel ging endlos. Es war durch nichts abzubrechen. Habt ihr jetzt nicht mächtig Hunger? (Es war 19 Uhr)

– Nö!
– Vielleicht ein bisschen fernsehen?
– Nein, gerade macht es doch so Spaß.
– Süßigkeiten?
– Ne, danke.
– Tropical Island?
– Ist doch zu spät jetzt, Mama.
– Disneyland Paris?
 Mama! Jetzt spiel, Du bist dran!

Und wenn sie nicht fertig geworden sind, dann spielen sie noch heute.

 

P.S. Wir spielen Kinder-Monopoly und zwar streng nach den vorher vorgelesenen Spielregeln. Die scheinen sich von den Erwachsenen-Monopoly Regeln zu unterscheiden und die scheinen nach Verstreichen der Kindheit nicht mehr gelesen zu werden. Anstatt dessen spielt man nach Gedächtnis. Die Erinnerungen scheinen den Kinder-Monopoly Regeln zu entsprechen und zu einem endlosen Spiel zu führen. Spielt man nach Anleitung, scheint Monopoly irgendwann aufzuhören und „Spass“ zu machen.