Billy und die Musik-High-Potentials (formerly known as Smashing Pumpkins)

Man soll der Erinnerung wegen auf keine Konzerte gehen. Gut gespielt ist leider nicht gut gespielt.

Mein Musikgeschmack ist recht seltsam. Aus familiären Gründen höre ich beispielsweise heimlich BeeGees, obwohl sie laut Heinz Rudolf Kunze wie Ziegen klingen, die in der Mikrowelle ums Überleben kämpfen (Zitat via ankegroener). Sehr gitarrenlastige Musik ist mir ein Gräuel. Ich habe keine Hypothesen wie das mit den Smashing Pumpkins zusammenpasst, die ich auch sehr gerne mag. Genau genommen mag ich die Smashing Pumpkins der 90er Jahre. Die Mellon Collie an the Infinitite Sadness (1995) habe ich schätzungsweise sieben Millionen Mal gehört. Die Adore (1998) ebenso oft. Zu unserer Trauung haben wir uns das Lied Landslide ausgesucht. Glücklicherweise hat die Standesbeamtin vergessen den Play-Knopf zu drücken. Andernfalls hätte ich einen schlimmen Gefühlsanfall bekommen und mein mühsam aufgetragenes Make-up wäre unansehlich verschmiert, so sehr berührt mich das Lied, das ich immer noch nicht tot gehört habe. Es wird nicht weiter verwundern, dass ich die Band unbedingt mal live hören wollte – wozu sich gestern die Chance bot.

Wir kamen kurz bevor die grauenhaft dröhnenende Vorband aufhörte zu spielen und ich konnte die Sache nur ohne Hörschaden überstehen, weil ich mir ein nur wenig angerotztes Taschentuch von Kind 3.0, das ich in meiner Jackentasche fand (das Taschentuch nicht das Kind), in die Gehörgänge stopfte.

Es wurde ein bisschen umgebaut und gegen 21 Uhr begannen die Smashing Pumpkins zu spielen. Richtiger wäre es zu sagen: begannen Billy Corgan und seine drei Musik-High-Potentials zu spielen. Die ursprüngliche Besetzung der Band gibt es schließlich seit Anfang des neuen Jahrhunderts nicht mehr.

Der zweifelsohne sehr virtuose Corgan wirkte auf mich wie ein überehrgeiziger Berufsmusiker ohne rechten Spaß am Spiel, der vor allem der Bassistin ununterbrochen Zeichen gab wie sie zu spielen hätte (vielleicht wedelte er auch einem unsichtbarem Tontechniker geheime Zeichen zu – ich weiß es nicht).

So wie ich, hat Corgan seit den 90ern gut zehn Kilo zugelegt und seine Kleidung mutete seltsam an, so als habe er sein Lieblingslongsleeve versehentlich zu heiß gewaschen. Seine Selbstverliebtheit stellte er mit ungefähr drei Gitarrensolos pro halbe Stunde zur Schau. Auch hatte der erste Teil der Show etwas von „meine neuen Songs sind auch super und die hört ihr euch jetzt an!“. Ich glaube jedenfalls, dass sie den ersten Teil des Konzerts hauptsächlich neue Stücke gespielt haben, denn erkannt habe ich nichts zwischen den endlosen Gitarrenriffs. Als wir durch das Pflichtprogramm durch waren, wurden freundlicherweise noch ein Paar Hits aus den 90ern gespielt.

Ich hätte dem Konzert unterm Strich trotzdem einiges abringen können, wenn a) die Ordner, die sehr hart gegen zu wildes Getanze vorgingen, sich um die Leute gekümmert hätten, die ununterbrochen qualmten und b) der Typ hinter mir sich geräuschemäßig nicht in einen Seehund transformiert hätte.

Mangelnden Fleiß und/oder Pflichtbewusstsein kann man den Pumpkins jedenfalls nicht vorwerfen. Sie spielten über zweieinhalb Stunden und rangen sich sogar eine Zugabe ab. Die großen Zeiten scheinen jedoch vorbei zu sein. Das Tempodrom war weit davon entfernt ausverkauft zu sein und die anderen Termine in Deutschland wurden mangels Enthusiasmus der Fangemeinde abgesagt.

Infinitite Sadness.

 

Anscheinend war ich nicht die Einzige, die mehr erwartet hatte.

Put your phones in the air for Germany

Vor noch zwei Jahren wäre ich gestern auf dem Depeche-Mode-Konzert in der Waldbühne gewesen. Leider stellte ich nach dem letzten und somit ca. zehnten Depeche-Mode-Konzert in Folge fest, dass ich keine Depeche-Mode-Konzerte in meinem Leben mehr brauche. Die neue Platte ist unerträglich und die Publikumsreißer der Achtziger, die sonst gespielt werden, hängen mir zu den Ohren raus.
Also war ich gestern beim Black Eyed Peas Konzert, zu dem ich sogar meinen Brit-Pop-Freund überreden konnte. Schön sah er aus, mit seiner Brit-Pop-Frisur unter den ganzen Yo-Man-Hip-Hop-Jogginganzugträgern.
Mit Rücksicht auf unser Alter hatten wir Sitzplätze in der Rentner- und Familienloge erworben. Wunderbar. Neben uns total aufgeregt kichernde präpubertierende Mädchen mit Deutschlandflaggennagellack: „Geht’s jetzt los Papa? Geht’s jetzt los?“. Hinter uns verpickelte Typen, bei denen ich befürchtete, dass sie aufgrund ihres überhöhten Testosteronwertes jeden Moment ejakulieren könnten „Yoyo I wanna see your boobs, ha, ha“. Vor uns freie Sicht auf die Bühne und mit uns die Angst, welche Konzerte wir wohl mit unseren Kindern besuchen werden müssen.
Die Mädchen machten sich vor Begeisterung fast in die Hose, trauten sich jedoch nicht aufzustehen und zu tanzen. Folglich mußten die Väter das Ganze vormachen, damit sich die Kinder locker machen konnten. Ich will mir die Qualen gar nicht ausmalen, wenn ich eines Tages zu Tokio Hotel oder schlimmeren (Virgina Jetzt!) Begeisterung heucheln muss.
Die schlecht vermarktete World-of-Football-Arena blieb bis zum Ende nur halb voll. Aber was soll man anderes erwarten, bei einem Projekt, dass sich auf einer ausschließlich flashbasierten (Version 7.0) Seite präsentiert.
Die Vorgruppe war grauenerregend langweilig und der darauffolgende Umbau dauerte eine weitere halbe Stunde. Kein Wunder also dass der Großteil der erfahrenen Berlinkonzertbesucher erst um 21.30 Uhr erschien. Eine weitere Viertelstunde später ging es los und schon nach den ersten zehn Sekunden war klar, das Warten hatte sich gelohnt.
Insgesamt spielten die Black Eyed Peas rund 1.5 Stunden, in denen sie wiedererkennbar ca. sieben Lieder performten. Der Rest war Improvisation oder Abwandlungen von anderen bekannten Liedern. U.a. zu meiner großen Freude Sweet Child of Mine von den Guns and Roses und Jump Around von Cypress Hill House of Pain.
Dafür liebe ich die Black Eyed Peas. Auch für ihre instrumentelle Untermalung der Lieder mit E-Gitarren, Schlagzeug, Saxophon und Trompete, die mindestens 70% tatsächlich live eingesetzt wurden. Fergie hat eine Stimme die man eigentlich nicht als Stimme sondern als Organ bezeichnen muss (Wie gerne würde ich Sweet Child of Mine hochladen, wäre es nur nicht so furchtbar verboten!) und Will.I.Am atmet ganz offensichtlich ausschließlich durch die Ohren. Zu meinem Erstaunen sind Apl.de.ap und Taboo zu 80% optisches Beiwerk und singen so gut wie gar nicht. Die Bandmitglieder haben während ihres Auftritts eifrig gefilmt und fotografiert und kündigten an, dass das Material bald auf deren offizieller Seite zu bewundern sein wird.
Sehr schönes Sommerkonzert mit einer sehr publikumsnahen Band, das mir mal wieder mein Alter vor Augen geführt hat. Statt Feuerzeuge, werden jetzt nämich Handys in die Luft gehalten. Unglaublich!

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