The Haus

The Haus
H – wie The Haus

Am Sonntag bin ich mal wieder einem meiner Lieblingshobbys nachgegangen: dem Schlangestehen

Vier Stunden stand ich damals für die MoMa Ausstellung (und hatte Glück – denn nie wieder war die Wartezeit so kurz während der gesamten Ausstellungsdauer!), fast eine Stunde für den Photography Playground, anderthalb Stunden für Frida Kahlo, eine Stunde für Olafur Eliasson.

Wie dem auch sei: es hat sich jedes Mal gelohnt – so auch für THE HAUS.

Was ist THE HAUS* überhaupt? Laut Beschreibung der Homepage:

THE HAUS ist die fresheste* Urban Art Galerie – ever! Auf dich warten 108 überkrasse Kunsträume zum Anschauen, Fühlen, Erleben und Erinnern. Alles geschaffen von 165 Künstlern aus Berlin und der ganzen Welt. Doch sei dir bewusst, dass THE HAUS geschaffen wurde, um zerstört zu werden – Ende Mai schließt THE HAUS seine Pforten und die Abrissbirne folgt!

Also: Es handelt sich um ein altes Bankgebäude, das im Juni abgerissen werden wird. Bis dahin wurde das Gebäude 165 Künstlerinnen und Künstlern überlassen, die dort 108 Räume auf fünf Etagen gestaltet haben.

Wo? Nürnberger Str. 68 (quasi gegenüber des Aquariums)

Wann? Jetzt bis 31. Mai, Dienstag bis Sonntag 10 bis 20 Uhr

Wir standen so ein Stündchen, aber das war wirklich sehr OK, denn was man dafür bekommt, sind verhältnismäßig leere Räume, die man dann auch wirklich in Ruhe entdecken kann.

Aus der Frida Kahlo Ausstellung habe ich optisch v.a. Hinterköpfe mitgenommen. Das war im THE HAUS gar nicht so. Die 199 Leute, die rein dürfen, verteilen sich gut auf die Räume.

Was mich etwas genervt hat, war das Gebot die Handys in Tüten zu packen. Ich finde ja, man kann erwachsenen Menschen auch einfach sagen: „Leute, Handy bitte in die Tasche.“

The Haus
Handyverbot für die Gäste

In allen Reportagen zu THE HAUS und auch dort in der Schlange gabs immer einen kulturpessimistischen Vortrag darüber, dass Handys nerven, dass sie den Kunstgenuss kaputt machen, dass niemand mehr hinschaut, dass alle nur knipsen und dann weiterziehen.

Finde ich argumentativ total albern. Selbst wenn: Was geht das eine andere Person an, wie ich Kunst verdaue?

(Tatsächlich drucke ich immer einige Fotos aus und klebe sie in unser Familientagebuch, wo wir festhalten, wem welches Kunstwerk von wem warum am besten gefallen hat. Ich google dann die Künstlerinnen und Künstler, folge ihren Seiten oder instagram-Streams und habe dann zukünftig auf dem Schirm, wo sie wieder ausstellen.)

Was ich verstehen könnte, wäre ein Argument derart, dass fotografiert und verbreitet wird, ohne dass die Künstlerinnen und Künstler Anerkennung dafür bekommen oder dass sie auf dem Foto oft nicht genannt werden. Damit bringt es ihnen ja nichts, wenn tausende von Menschen ihre Werke liken und teilen.

Ich finde aber, sowas kann man auch anders lösen. Twittername oder Facebookseite z.B. an die Räume, Schilder mit Hashtags, die man verwenden kann etc.

Die Ausstellung selbst (keine Fotos, ihr müsst selbst hingehen, das Buch zur Ausstellung, das ich sehr gerne gekauft hätte, war schon 8 Stunden nach Ausstellungseröffnung ausverkauft und kann auch nur vor Ort und nicht im Internet gekauft werden…) war wirklich sehr sehenswert.

Ein Großteil Graffiti, viel Kunst mit Klebebändern, Gips, ein Raum, der mich an den Nebelraum von Olafur Eliasson erinnert hat, Bäume, Moos, Laub und mein persönliches Highlight – eine Art Höhle mit leuchtenden Blüten und flirrenden Kiefernadeln.

Ich hab leider ein sehr schlechtes Gedächtnis und konnte mir wegen des Fotoverbots auch nicht die Namen der Künstlerinnen und Künstler „notieren“, sonst hätte ich die hier gerne verlinkt. Nach über 100 Räumen, kann ich leider auch nicht über die Homepage rekonstruieren wer wo ausgestellt hat.

Sehr schön auch die Filme, die dort gezeigt wurden. U.a. über Ad-Busting. Ad-Busting war mir bislang unbekannt und ich musste wirklich laut lachen als ich das Schredderprojekt von Farewell gesehen habe, der an diese Werbekästen, die Werbeplakate rauf- und runterfahren, einfach Cutter anbaut und sie so zu großen Schreddermaschinen umfunktioniert.

Die ganze Serie „Urban Explorers“ auf ARTE Creative kann ich sehr empfehlen!

Ein bisschen metalustig fand ich auch dem Umstand, dass bei einigen Künstlern, die ihre Kunst v.a. im öffentlichen Raum auf Züge und Gebäude sprühen, stand: Please respect the artwork

Ach, ich klinge jetzt ein wenig übellaunig wie Luise Koschinsky… dabei ist die Ausstellung wirklich absolut großartig. Geht hin.

Man kann sogar in Kunst pullern! (Die Toiletten sind auch komplett umgestaltet, aber offiziell benutzbar – was ein bisschen lustig ist, wenn man wirklich pullern muss und sich an den Kunstinteressierten vorbei quetscht und zu verstehen geben muss, dass man jetzt wirklich mal Pipi müsste)

Ich hab auch gesehen, dass Schwangere, Menschen mit Kleinkindern und sehr alte Leute netterweise aus der Schlange gezogen und vorgelassen werden.

Der Eintritt ist frei und somit ist der Kunstgenuss nicht abhängig davon, ob man sich sowas leisten kann oder nicht. Extraliebe dafür!

(Und alle, die es sich leisten können – am Ende der Ausstellung kann man spenden – was man auch tun sollte – denn Kunst kostet Material und Arbeitszeit).

Einen guten Eindruck zu den Räumen bekommt man übrigens hier im Lunatix Dance Project Video.

Ansonsten:

 


 

*Bitte immer ganz hip aussprechen, ja? [Sii Haus!] [frräscheste Örban Art!]

U-Bahn Cabrio Tunnel-Tour

Großes Hallo an jedem Bahnhof. Wir sind ein fahrender Zoo.
U-Bahn Cabrio
U-Bahn Cabrio

Eine sehr vornehme Dame mit leichtem Schlafzimmerblick blickt träge auf, hebt ihren Arm und winkt dann sehr königlich.

Ein paar Meter weiter steht eine Gruppe Jugendlicher in Baggyjeans mit Basecaps. Einige Sekunden schauen sie ziemlich unbeteiligt, aber dann winken sie auch begeistert.

In unserer Lore hebt ein dicklicher Herr ohne Haare seinen Helm zum Gruß.

Wir rollen noch ein Stück weiter, ich sehe die Treppe zur U-Bahn-Station. Einige Mädchen, die gerade herunter kommen, entdecken uns und kreischen vor Freude. Sie lachen schrill, laufen auf den Bahnsteig und wedeln mit ihren Händen.

Allein dafür lohnt es, die U-Bahn Cabrio Tunnel-Tour in Berlin zu machen. In wirklich jedem Bahnhof, in den wir einfahren, lösen wir Überraschung, Freude und überschwängliches Gewinke aus. Mir geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie sich Menschen herzlich lachend zuwinken.

In jedem Bahnhof lösen wir ein großes Hallo aus
In jedem Bahnhof lösen wir ein großes Hallo aus
Nicht billig und schwer zu bekommen: Die Tickets

Ich habe fast ein Jahr gebraucht Tickets für diese Fahrt zu ergattern. Alle paar Monate werden einige Tickets online gestellt und sind innerhalb von zwei Tagen vergriffen.

Im Juni hab ich es dann endlich geschafft. Der Preis für die Tour (50 Euro pro Erwachsenen) treibt mir etwas die Tränen in die Augen. Aber ich wollte das unbedingt mal machen.

Tatsächlich „bezahlt“ man von den 50 Euro einen Triebfahrzeugführer, pro Wagon einen Sicherheitsmann, den begeisterten Kommentator, den Einsatz des Sonderwagens, Strom, Diesel, wahrscheinlich irgendwelche wahnwitzigen Versicherungsprämien…

Los geht es am U Bahnhof Deutsche Oper. Die Tour dauert 2,5 Stunden. Wir fahren ca. 20 km/h und legen rund 40 km zurück. Auf der Hälfte der Strecke gibt es eine kurze Pause. Die jetzige Tour verläuft von der U2 über die Tunnel der U7, zur U9, weiter auf der Strecke der U8 und dann zurück über die U7 zum Startbahnhof zurück, der gleichzeitig Endbahnhof ist.

Wir durchkreuzen also Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln. Wir unterqueren (!) die Spree, den Landwehrkanal und die Panke.

Aber ist es wirklich so spannend stundenlang durch dunkle Tunnel zu fahren?

Ja, ist es. Die Komplette Tour über kommentiert ein Moderator, der sowas (und das meine ich sehr freundlich) wie die allwissende Müllhalde der BVG zu sein scheint.

Der Mann scheint tatsächlich alles zu wissen. Er berichtet von Fahrzeugen, Tunnelbauweisen, Streckenverläufen, architektonischen Besonderheiten, Stellwerken, Signalen, Weichen… er weiß historisches zu berichten, kennt Vergleiche aus Peking und San Francisco – es wurde wirklich keine Sekunde langweilig.

Eckige Tunnel, weil eben nicht gebohrt sondern gegraben wird
Eckige Tunnel, weil eben nicht gebohrt sondern gegraben wird
Sehr hohe Decken, wenn mehrere U-Bahn-Linien übereinander fahren (hier der Übergang)
Sehr hohe Decken, wenn mehrere U-Bahn-Linien übereinander fahren (hier der Übergang)
Runde Tunnel (eher die Ausnahme)
Runde Tunnel (eher die Ausnahme)

Ich fand es sehr spannend zu erfahren, wie U-Bahnen gebaut werden (tatsächlich werden eher Gruben ausgegraben als dass Tunnel gebohrt werden), dass es tatsächlich freigehaltene Trassen gibt, für den zukünftigen U-Bahnbau, wie Beton die letzten Jahrzehnte verbaut wurde, wann welche U-Bahn-Stationen gebaut wurden, warum manche so heruntergekommen aussehen, warum sich die Deckenbauweisen unterschieden, wie sich Politik auf den Bau und die Planung von U-Bahnen auswirkt, wie die U-Bahnen in Zeiten von Ost- und West-Berlin betrieben wurden, wie Fahrten gesteuert werden, welche Probleme es bei unterschiedlichen Schnittstellen gibt, wie tief die einzelnen Linien liegen, dass sie zum Teil unter dem Kanal oder einem See verlaufen, wie schnell U-Bahnen fahren und warum, wie groß die Abstände zwischen einzelnen Stationen es gibt und und und.

Es rauschen die U-Bahnen aus dem Regelbetrieb an uns vorbei
Es rauschen die U-Bahnen aus dem Regelbetrieb an uns vorbei

Kurz gesagt: Ich fand es so interessant, ich würde am liebsten eine Blogserie oder einen Podcast daraus machen.

Ich finde es wahnsinnig toll diese Details alle zu kennen, denn dann versteht man nämlich erst wie komplex so ein System ist, man lernt als Fahrgast zu verzeihen, dass U-Bahnen ausfallen, dass es gelegentlich Verspätungen oder Verzögerungen gibt.

Was ich bemerkenswert finde ist, dass man in bestimmten Branchen (so z.B. auch bei der Bahn) so viel Begeisterung und Leidenschaft für das Thema bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spürt.

Streckenverlauf der U-Bahn Tunnel-Tour
Streckenverlauf der U-Bahn Tunnel-Tour

Der Moderator der Tour berichtete z.B. vom Wissensverlust durch Rente. Oft sind solche Systeme historisch gewachsen und das Wissen wird an keiner Stelle systematisch dokumentiert. So bleiben am Ende einige Rätsel, dessen Antwort niemand mehr kennt. Das ist nicht nur schade sondern tatsächlich auch ein wirtschaftlicher Faktor für das Unternehmen.

(Das ist übrigens nicht alleiniges Problem der BVG. Ähnliches ist mir von der Bahn bekannt. Durch extrem lange Betriebszugehörigkeiten – die meisten lieben ihre Jobs da wirklich – die tägliche Arbeit und die Gestaltung der Prozesse bleibt Dokumentation am Ende oft auf der Strecke.

Ich arbeite im Bereich Wissensmanagement, ich weiß wovon ich spreche.)

Jedenfalls, ich bin schwer begeistert und werde das in ein, zwei Jahren bestimmt nochmal machen, denn die jetzige Strecke weicht aufgrund der Bauarbeiten auf der U5 von der urspünglichen Tour ab. D.h. im Grunde gibt es noch eine andere Tour, die man dann machen kann.

tldr: Tut es

Gestern habe ich Abitur gemacht

Gestern habe ich mein Abitur geschafft. Notendurchschnitt 2,0 nur – aber immerhin. Ich war reich und sehr gesund und bis zum Ende meines Lebens musste ich kein einziges Mal arbeiten. Ich hatte eine Luxuswohnung und einen Mann, der fast Bürgermeister geworden wäre. Die Flitterwochen auf der Insel waren, naja – nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte, denn man musste Elche abschießen – dafür hab ich mich aber tätowieren lassen. Ich war übrigens Wahlhelferin und Sie werden es nicht glauben, aber in der Chefetage wird geraucht, man trinkt Martini und im Hintergrund laufen asiatische Pornos, während man darüber diskutiert in was man die Steuergelder investiert.

Keine Sorge, ich bin nicht verrückt geworden, ich habe nur „Das Spiel des Lebens“ gespielt. (Wer denken könnte, dass das Spass macht, bitte nicht weiterlesen, am Ende werden Sie mich hassen, es sind nämlich alle Vorstellungen bereits ausverkauft).

Foto 1 (1)

Es ist Samstag Abend, 19h, ich bin etwas aufgeregt. Gleich werde ich geboren. Die Tür ist eine pinkfarbene Vagina. Da muss ich erstmal durch. Auf der anderen Seite stehen zwei Leute und begrüßen mich: „Hallo! Herzlichen Glückwunsch zu Deiner Geburt!“ Ich bin ein bisschen erleichtert, denn als ich durch die Vagina schritt, hatte ich Angst, dass ich womöglich mit einem Eimer glibbrigen, roten Schmodder überschüttet werde – für die Authentizität des Erlebnisses. Anstatt dessen darf ich mir ein Kärtchen ziehen, es wird ein Foto gemacht und man stellt mir die alles entscheidende Frage: „Wer willst du sein?“ PANIK, ICH MUSS JETZT WITZIG UND KREATIV SEIN. Hinter mir warten 29 andere Menschen gespannt auf ihre Geburt. „Patricia!“, platzt es aus mir. Herzlichen Glückwunsch, du bist so kreativ wie ein Käsebrötchen und zwar mit Butterkäse!1!!, denke ich mir.

Foto 1

Ich schreibe den Namen auf mein Identitätskärtchen, es wird ein Foto von mir gemacht. Auf meinem Kärtchen steht, dass ich reich bin und vermutlich gesund, denn der Wert hinter dem Arztköfferchen beträgt 75. Bei der Sonne steht „0“. Gemeinsam mit den anderen frisch Geborenen beschließen wir, dass es um Karma geht, dass wir erst sammeln müssen. Die anderen Buchstabenkombinationen sagen mir nichts. Wir warten gemeinsam auf die Einschulung.

Foto 2

Als alle MitspielerInnen geboren sind, geht die erste Tür auf. Über der Tür steht „Schule“. Unsere Lehrerin begrüßt uns und führt uns in einen kargen Raum mit Schulbänken. Die Fenster sind geschmückt mit selbstgebastelten Papierchen. Auf den Tischen sind Sprüche gekritzelt. Wir werden nach Status geordnet. Ich komme zu den Reichen ans Fenster. Die Armen – es sind viel mehr – teilen sich den knappen Platz auf der anderen Zimmerseite. Nach ein wenig Vorgeplänkel müssen wir den Abschlusstest machen. Wir erhalten einen Doppelbogen mit Aufgaben. Wir Reichen dürfen beginnen. Die armen Kinder fangen erst später an und müssen früher aufhören. Ich bin aufgeregt. Ich habe 15 Aufgaben zu lösen. Ich schaue mir zuerst die Bepunktung an und entscheide welche Aufgaben ich zuerst löse. Manche Fragestellungen verstehe ich nicht. Ich schreibe bei meinem Sitznachbarn ab. Der ist empört, aber was solls, es geht hier schließlich um meinen Abschluss.

13,5 Punkte habe ich am Ende. Das ist Abi mit Note 2,0. Ich bin peinlich berührt. Einige der armen Kinder haben bessere Noten, obwohl sie viel weniger Zeit hatten. Hoffentlich reicht das. Für was eigentlich?, der Referendar, der mir mein Abi überreicht, empfiehlt mir die Uni. Wir werden entlassen und dürfen in den nächsten Raum. Ich steuere auf die Uni zu. Ich sehe eine Bühne, eine Bar, viele verschlossene Räume: Amt, Bank, Fitnessraum, Nest, Krankenhaus, Raum der Stille, Chefetage…

In der Uni suche ich mir einen Studiengang. Endlich kann ich tun, was ich im echten Leben hätte tun sollen: ich strebe eine Karriere im Öffentlichen Dienst an. Dafür muss ich eine Liste auswendig lernen. Neben mir tippt einer auf der Schreibmaschine einen Text ab. Ein anderer schreit „Lass den Hass raus“. Zwei Menschen mit Schwimmärmchen steigen auf eine Leiter und singen. Es ist chaotisch. Egal, ich muss das nicht verstehen, ich muss diese Liste auswendig lernen. Zehn Minuten später bin ich so weit. Vorsichtshalber kritzele ich mir ein Akronym der Liste als Spickzettel auf meinen Handrücken. Es dauert ziemlich lange bis ich die Aufmerksamkeit der Leiterin der Uni auf mich ziehen kann. Ich werde immer aufgeregter. Was wenn ich den Test nicht bestehe?

„So, jetzt bitte auf die Leiter steigen! Ich bin jetzt bereit Ihre Prüfung abzunehmen“, sagt die Dame. Ich klettere die Leiter hoch. YES! Ich bestehe auf jeden Fall, oben kann die Professorin nicht sehen, wenn ich spicke, freue ich mich. Ich bin immer noch zittrig. „Welchen Tag haben wir heute?“, fragt die Professorin. „Samstag?“, antworte ich zögerlich. „Super, Sie können runter kommen, Sie haben bestanden!“ Ich bin empört! Aber die Liste! „Ich habe doch extra diese Liste auswendig gelernt?“ Die Professorin winkt ab: „Ach was! Für den öffentlichen Dienst muss man doch nichts können. Sie haben eine 1+ und 1.000 Karmapunkte extra.“ Sie scannt meine Identitätskarte und gibt irgendwas ein.

„Und jetzt?“, frage ich. „Ab zum Amt!“

Foto 2 (1)

Ich laufe also zurück und klopfe zögerlich an die Tür auf der „Amt“ steht. Der Vorraum ist laut. Ich höre nicht, ob innen jemand antwortet und öffne zögerlich die Tür. Ich sehe: NICHTS. Gleißendes Licht blendet mich von vorne, der Raum ist mit Fäden verspannt, eine Stimme vom anderen Ende ruft: „Bitte erst eintreten, wenn Sie aufgerufen werden.“

Ich gehe wieder raus. Wenige Sekunden später kommt jemand aus dem Raum. Ich öffne die Tür und krieche unter den Fäden nach vorne. Eine streng dreinblickende Dame begrüßt mich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Ich möchte eine Karriere im Öffentlichen Dienst anstreben.“ „So, so, zeigen Sie mal ihr Kärtchen“ Ich zeige mein Kärtchen, es wird wieder gescannt. „OHA!“ Die Dame ist angetan. „Sehr gut! Sie haben einen Abschluss mit eins, zwei, drei, vier, fünf, … zwölf Sternchen! Respekt!“ Ich bin etwas stolz. Öffentlicher Dienst, das war ja eigentlich schon immer mein Traum. Wir unterhalten uns wie schön und bereichernd es ist im Amt zu arbeiten. Schlussendlich bekomme ich eine Aufgabe. Ich erhalte eine laminierte Karte und soll draußen Leuten auf französisch erklären mit welcher Ausbildung sie an welchen Job kommen. „Ich kenne mich aus! Ich habe die ganze Liste auswenig gelernt!“, prahle ich. „Wirklich?“ Die Dame vom Amt strahlt mich an „Lassen Sie mal hören!“ Ich sage brav meine Liste auf – ohne spicken! Ich habs noch drauf, wie damals im echten Leben in der Schule. Ich bin die größte Auswendiglernerin sinnloser Fakten ever! Gut gelaunt krieche ich aus dem Zimmer. Draußen hab ich dann aber keine Lust zu arbeiten und setze mich erst mal an die Bar. Ich bin durstig und bestelle ein Wasser. Ein junger Mann setzt sich neben mich. „Hallo, ich bin Paul.“ Wir stellen uns vor, er lädt mich zu einem Bier ein. Paul will Bürgermeister werden. Ich soll seine Wahlhelferin sein. Ich denke an The Good Wife. Gerade hat sich die Staffel damit beschäftigt, Alicia zum States Attorney zu machen. Ich glaube, ich bin optimal für den Job vorbereitet. Ich willige ein. Ich werde Paul unterstützen. Stimmen für ihn sammeln. Ich bekomme dafür eine Luxuswohnung, das verspricht er mir. Paul sieht vertrauenswürdig aus. Per Handschlag bestätigen wir unseren Deal. Ich trinke mein Bier aus und krieche ins Amt zurück. Die Dame und ich sind bereits so gut befreundet, dass ihr gar nicht auffällt, dass ich faul war. Sie schenkt mir eine ihrer beiden Halsschleifen. Wir sind jetzt quasi Schwestern.

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Die Luxuswohnung hab ich schon mal in Aussicht, um in die Chefetage zu kommen, muss ich noch heiraten, erfahre ich. Also ab zum Speeddating. Während ich die Macarons, die da auf dem Tisch stehen, in mich rein schaufle, stelle ich meinem Gegenüber Fragen, die in kleinen rosafarbenen Umschlägen vor mir liegen. Der Typ scheint in Ordnung zu sein. Ich kann mir eine Hochzeit vorstellen (mal angesehen davon, die anderen Tische sind gerade leer, es gibt im Moment nur den einen und ich habe Karriereziele!).

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Wir stellen uns jeweils drei Fragen, dann ist klar, wir werden heiraten und zwar noch an Ort und Stelle. Diesmal sogar mit Goldringen. Das hat im echten Leben ja nicht geklappt. Die Zeremonie ist kurz, aber sehr romantisch. Wir müssen wieder zum Amt, um unser Dokument zu holen. Vor uns eine lange Schlange, als sich die Tür öffnet, greift mich mein Mann und zieht mich an der Schlange vorbei in den Raum. Hinter uns lauter Protest: „Hey! Wir warten viel länger!“ Mein Mann, er heißt übrigens Manfred, hat sich auf den Boden geworfen und robbt wie ein Soldat Richtung Amtsdame, ich staksel ihm würdevoll hinter her. Wir nehmen gemeinsam auf dem einen Stuhl, der da steht, Platz und erläutern unser Anliegen. Unsere Karten werden gescannt. „Jetzt noch das Ehegattensplitting“ stellt die Dame vom Amt fest und ich denke „Verdammte Scheiße! Schon wieder! Schon wieder nicht an dieses ******** Ehegattensplitting gedacht.“ Immerhin bin ICH reich und keine Ahnung was Manfred ist. Am Ende hab ich Glück, Manfred hat 100 Geld mehr als ich. Die Hochzeit macht mich also wenigstens nicht ärmer. Die Dame vom Amt bewirft uns mit Reis. „Herzlichen Glückwunsch. Sie können jetzt gehen!“ Wir kriechen wieder aus dem Amt.

Dann geht alles ganz schnell: Wir kaufen gemeinsam eine Luxuswohnung. Meinen Anteil des Geldes bekomme ich von Paul. Er hat es wirklich geschafft und ist Bürgermeister geworden. Die nächste Legislaturperiode kandidiert Manfred auch zum Bürgermeister und verliert knapp. Ich drücke ihn, das hat er nicht verdient. Der Arme! Auf der Bühne war er großartig. Wir entschließen uns erstmal Flitterwochen zu machen. Geld genug haben wir, wir wählen den Luxusurlaub. Wir kommen in einen Raum mit Sand am Boden, trinken scheußlichen Erdbeerprosecco und lassen uns Partnertattoos machen. Manfred ist ein echter Romantiker.

Im Grunde wars das – mein Leben. Zeit für Kinder hatte ich nicht. Als ich mal am „Nest“ klopfe, bin ich schon 45. Zu spät dafür. Manfred wird zwischenzeitlich krank und verschwindet ziemlich lange. Ich nutze die Zeit und schaffe es in die Chefetage. Wenn schon keine Kinder, dann Karriere. Dort setze ich mich für Bildung und eine bessere medizinische Versorgung ein.

Draußen setzt laute Musik ein. Es geht aufs Ende zu. Wir werden bald alle sterben, schreit es aus den Lautsprechern. Ich bekomme Panik. Ich war noch gar nicht im Kunstraum oder der Fabrik. Hab keinen Sport gemacht. Überhaupt! Ich hab so viel verpasst, mir zu viel Zeit gelassen! Ich irre unentschlossen hin und her. Eine Frau mit großer Brille kommt auf mich zu, scannt meine Identitätskarte: „Sie müssen dringend arbeiten, es ist fast kein Geld mehr da!“ Was? Jetzt arbeiten? Ich bin doch schon im Rentenalter!, denke ich und setze mich an die Bar. Da taucht auch Manfred wieder auf.

Jetzt ist es soweit. Ich schaue auf die Uhr, fast 24h, wir sterben gleich alle. Wenigstens nicht alleine. Ich hab Manfred an meiner Seite und die anderen SpielerInnen sind auch da. Wir dürfen am Ende entscheiden, ob es im Leben Gewinner und Verlierer gibt oder ob wir alle einfach gemeinsam zu Asche werden. Die Mehrheit entscheidet sich für das klassenlose zu Asche werden. Wir sterben. D.h. die anderen sterben, ich hab eine Tür mit der Aufschrift „Unsterblichkeit“ gefunden, durch die gehe ich.

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Mehr zum Spiel des Lebens, hier auch als Radiobeitrag und als Video.

Ein Land für Flauschziegen

Dass unsere Familie Duplo liebt, ist kein Geheimnis. Wir lieben Duplo sogar mehr als Lego. Das hat verschiedene Gründe.
Die neueren Lego-Sets sind z.B. so konzipiert, dass sie einmal aufgebaut, nie wieder auseinander genommen werden und dann in den Regalen einstauben. So mein Eindruck. Das war früher, als ich Kind war, irgendwie anders. Zumindest habe ich als Kind wahnsinnig viel auf- und abgebaut und kann mich nicht erinnern, dass Sets unantastbar in Regalen stehen mussten. (Einmal auseinandergenommen und wild vermischt, setzt die Baulust übrigens wieder ein!)

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Jedenfalls, wir besitzen ca. eine Tonne Duplosteine* und die werden von den Kindern bespielt und zwar unabhängig vom Alter. Selbst Kind 1.0 und ich spielen noch mit Duplo. Der Grund ist einfach: Im Software-Entwicklungsbereich würde man bei Duplo von Rapid Prototyping sprechen. D.h. man hat eine Idee und mit einigen großen Steinen, kann man das Modell dieser Idee umsetzen. Ein Hochhaus, eine Tankstelle, eine Burg – mit Duplo in einer Stunde umgesetzt. Dann wird damit gespielt und das nächste Mal wird alles eingerissen und ein neues Vorhaben wird umgesetzt.

Ich habe mich deswegen sehr über eine Einladung zur Eröffnung des neuen Duplo-Bereichs im Lego Discovery Center Berlin gefreut. Gemeinsam mit einigen anderen Bloggerinnen wurde uns der neue Bereich, der unter dem Motto Bauernhof steht, gezeigt. Schwerpunktmäßig soll er die Altersgruppe 1,5 bis 5 Jahre bedienen. Die Managerin erzählte uns, dass v.a. der Anteil an begleitenden Geschwisterkinder die letzten Jahre stark gestiegen sei und der Bereich auf deren Bedürfnisse abgestimmt sei.

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Alle Fotos Pressematerial Lego Discovery Center Berlin

Kind 3.0 war dort eine gute Stunde glücklich, während ich versuchte die 200 Bagel, die uns zum Frühstück hingestellt wurden, zu verspeisen. Danach durften wir noch alle anderen Attraktionen begutachten. Als Mitgebsel bekam jedes Kind ein Duplo-Set. Das Set beinhaltete zur großen Freude von Kind 3.0 eine echte Flauschziege.

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Ich habe bei der Eröffnung noch zwei weitere Sachen gelernt: Duplo heisst so, weil die Steine doppelt so groß sind, wie die normalen Legosteine. Ein bisschen banal – aber so klar war mir das nicht. Uns ist auch erst neulich aufgefallen, dass man Duplo und Lego miteinander verbauen kann. Wir sind offenbar Spätzünder.

Außerdem gibt es im Lego Discovery Center Bauworkshops für Erwachsene. Einmal im Monat abends ohne Kinder. Traumhaft. Alle Eltern kennen bestimmt dieses frustrierende Gefühl wenn man in Ruhe Lego spielen will und die Kinder ständig stören oder einem die besten Teile wegnehmen oder gar andere Ideen haben als man selbst. Die Workshops nennen sich Erwachsenen Fan-Abend und ich hätte auf jeden Fall mal Lust an einem teilzunehmen.

 

*Wer gerne auf Flohmärkte geht oder sich ein bißchen mit Ebay beschäftigt hat, weiss das: Ähnlich wie Schleich-Tiere haben Duplosteine einen hohen Wiederverkaufswert. Wir haben zur Sicherung unserer Rente nicht in Immobilien sondern lieber zukunftssicher in Kinderspielzeug investiert. Kann ich sehr empfehlen. Ist inflationssicher.

Kinder, Kinder

Vor Jahren habe ich mal ein Wiki mit Freunden gestartet. Mir war aufgefallen, dass es zwar duzende Berlin-mit-Kind-Führer gab, dass mir aber oft entscheidende Informationen fehlten. In den Beschreibungstexten stehen Dinge wie „bezaubernde Bedienung“ oder „das Waffelsortiment lässt keine Wünsche offen“ oder unspezifisch „Das Schwimmbad hat ein Nichtschwimmerbecken“.

Was mich aber interessiert hätte: Für welches Alter ist das Schwimmbad besonders geeignet? Beginnt das Nichtschwimmerbecken direkt bei 1 Meter Wassertiefe (doof für Babys) oder geht es langläufig von 0 auf 1,40 Meter? Gibt es Wickelkommoden in der Umkleide? Gibt es einen Abstellplatz für den Kinderwagen draußen? Gibt es Laufställe oder ähnliches, in die man die Kinder ganz kurz reinsetzen oder stellen kann, wenn man sich selbst duschen möchte?

Das selbe bei Spielplätzen: Können Zweijährige alleine die Rutsche erklimmen oder müssen die Eltern immer dabei stehen? Ist das Spielplatzareal umzäunt? Lässt sich das Tor ordentlich schließen? Gibt es in der Nähe eine Möglichkeit für die Eltern sich einen Kaffee zu holen? Gibt es eine Wasserpumpe (toll im Hochsommer – total nervig, wenn sie an kalten Apriltagen schon angestellt ist…)? Wie sieht es aus mit Schatten? Bietet das Gelände irgendwas, das auch noch Zehnjährige aus dem Kinderzimmer locken könnte?

Ich schrieb also über unsere Ausflüge Berichte und machte ein Paar Fotos und stellte sie in das Wiki. Brav kategorisierte ich nach Alter und Wetterlage.

Der Erfolg des Wikis war atemberaubend. Drei der dreißig Eltern, die ich eingeladen hatte, loggten sich einmal ein. Keiner schrieb oder ergänzte jemals einen Eintrag. Nach ein Paar Monaten verlor ich die Motivation meine Einträge selbst zu verfassen (ich bin ja FFRR-abhängig und das kann ich mir nicht selbst geben).

Jahre später stehe ich wieder vor dem gleichen Problem. Meine Schwester kommt nach Berlin und ich würde ihr gerne unsere Kinderhighlights beschreiben – nur leider sind meine Eintrage zum Teil veraltet oder ich hab sie noch gar nicht geschrieben, weil zwischen Wikitod und Schwesterbesuch fünf Jahre liegen.

Ein anderer Aspekt ist übrigens das Geld. Mir geht es total auf den Geist, wenn Unternehmungen mit Kindern ständig (viel) Geld kosten sollen. Gar nicht mal so sehr wegen des Geldes – sondern vor allem wegen der Erwartungshaltung, welche die Kinder mit der Zeit bekommen. Wäh? Nur Spielplatz? Ihhh! Schon wieder nur Park?! Kotz!

Meiner persönlichen Erfahrung nach gibt es wirklich sehr viele Angebote für Kinder, die großartig und kostenlos sind. Angefangen bei den zum Teil sensationellen Spielplätzen (Hasenheide!) über die großartigen Bibliotheken (inkl. kostenlosem WLAN ) über die großen Planschen im Berliner Osten (z.B. die im Plänterwald/Dammweg) bis zu den Angeboten einiger Schwimmbäder wie dem Prinzenbad, dass Kinder in der letzten Stunde der Öffnungszeiten für das eifrige Müllsammeln im Areal des Schwimmbads eine Eintrittskarte für den nächsten Tag bekommen können.

Was Spielplätze angeht, gibt es beispielsweise diese Seite, die nicht nur zahlreiche Bilder von jedem Spielplatz in Berlin bietet, sondern auch eine ortsabhängige Suche. (Unbedingt klicken, die Seite ist sensationell, da steckt irre viel Arbeit drin, weil man 757 bebilderte Spielplätze anschauen und bewerten kann)

Vielleicht kennt ihr andere Angebote oder habt Tipps, die ich hier nach und nach teilen kann. Es gibt z.B. Blogs wie BerlinFreckles, die ausführlich Eltern-Kind-Cafés getestet haben – aber wie gesagt – richtig begeistern würden mich Tipps, die kostenlos sind und von denen man ableiten kann, ob man da wirklich hin möchte. Auch gibt es günstige Angebote für Tagesausflüge in der Nähe von Berlin – so wie der Familiengarten in Eberswalde (3 Euro pro Erwachsenen und 1,5 für Kinder zwischen 3 – 16 – dafür aber mit kostenlosem unterirdischen Tretbootfahren und Tretautoparcours) oder auch den Dinopark Germendorf (4 Euro pro Erwachsenen und 1 Euro für Kinder), die nicht zu vergleichen sind mit den utopischen Preisen des im Lichte des Legolands (regulär für 5 Personen 80 Euro) oder SEA Life (72,50 Euro regulär für uns) noch günstig erscheinenden Zoos (35 Euro für das große Familienticket).

D.h. alles, was schon hunderte Male beschrieben ist und Unmengen an Geld kostet: Zoo, Aquarium, Legoland etc. interessiert mich eher weniger. Sollte ich jemals mein Passwort zum Wiki wieder finden, werde ich nach und nach meine bereits geschriebenen Einträge veröffentlichen.

Puh! Fast vergessen: Gratis in Berlin – Kategorie Kinder & Jugendliche. Da stehen auch Flashmobs (Kissenschlacht-Flashmob war großartig) und Events wie die Brückenschlacht Kreuzberg und Friedrichshain drin.

Ergänzung: Kinderbauernhof Pinke Panke

Berlin, Hejo!

Die Berliner machen einiges anders als die anderen. Zum Beispiel feiern sie bereits eine Woche vor Restdeutschland Karneval. Aus Rücksichtnahme. Denn dann können alle Karnevalsjecken mit den Berlinern gemeinsam feiern und müssen sich nicht entscheiden, ob sie in Köln, Düsseldorf oder Berlin feiern. Dementsprechend gab es auch dieses Jahr 2.456 Karnevalsbegeisterte, die den Karnevalsumzug begleiteten. Rücksicht ist für die Berliner ohnehin das Hauptthema beim Karneval. Der Umwelt zuliebe wird kein Konfetti geworfen, den Vögeln und Anwohnern zuliebe sind Freudesrufe und Musik maximal 75 dB laut und den missmutigen Karnevalshassern zuliebe verzichtet man sogar auf eine Übertragung ins TV.

Weil wir keine Schwaben sondern Hessen und Bayern Rheinländerinnen sind, integrieren wir uns in solche langjährigen Traditionen und rufen gemeinsam „Berlin Hejo!“. Hejo ist übrigens der karnevalistische Gruß in Berlin und setzt sich aus „Heiterkeit“ und „Jokus“ zusammen.

Der Preis für das beste Kostüm ging dieses Jahr an den Bodybuilder, der sich als Hulk verkleidete und wütend auf die vorausfahrenden Polizeiautos sprang und versuchte sie umzuschmeißen. Da ich eine feine Beobachtungsgabe besitze, entging mir nicht, dass andere Familien thematisch einheitlich verkleidet waren. Wir sahen eine Familie Feuerstein, eine Familie Gefangene und Polizisten, eine Familie Glücksbärchi und eine Familie, die als Wald (also Bäume in unterschiedlichen Größen) verkleidet war. Wir gehen nächstes Jahr als Elvis.

Seit 2006 sind wir nun dabei. Mein Mann, der größte Karnevalist in der Familie, ist dabei unübertroffen in seiner Kreativität der Kostümwahl. Auch dieses Jahr verneige ich mich ehrfürchtig:

(Super Bunny Verkleidung)

Kind 1.0 war dieser Aufzug sehr peinlich. Besonders schön war dabei zu beobachten, wie fließend Normalität ist. Wir starteten in Friedrichshain und waren natürlich die einzigen Verkleideten und wurden angestarrt, als seien wir frisch gelandete Aliens. Je näher wir dem Kudamm und damit dem Karnevalsumzug kamen, desto mehr Verkleidete begegneten uns in den öffentlichen Verkehrsmittel. Als wir schließlich in der Uhlandstraße ankamen, waren nur noch wenige Unverkleidete in der U-Bahn. Wir kicherten laut und fotografierten sie heimlich.

Berlin hat mich verdorben

Die Lego-Ausstellung in Hamburg ist für Playmobilfans unbedingt zu empfehlen.

Erwähnde ich an irgendeiner Stelle schon mal, dass ich in Bayern [Aufschrei] in Franken groß geworden bin? Bis 1999 war ich dort und habe mich, so wie es die CSU auch gerne möchte, ordentdich indegrierd. Zum Integrieren gehören einige Verhaltensweisen wie das ewige Siezen. Unsere Nachbarn z.B., neben denen wir ein gutes Jahrzehnt lebten und auch regen Kontakt hatten, die sieze ich bis heute. LehrerInnen natürlich, die Eltern der FreundInnen, VerkäuferInnen. Sogar Gleichalte und schlimmstenfall Jugendliche.

Dann kam ich nach Berlin. Mein damaliger Freund duzte alle. ALLE. Er hat auch mal den Berliner Bürgermeister gesehen und geduzt. Mir war das unglaublich peinlich.

Mehr als 10 Jahre später kann ich bestimmte Menschen nur unter großen Qualen siezen.

In Bayern war es neben dem Siezen sehr wichtig allerlei andere Regeln einzuhalten. Egal wie schwachsinnig die Regel auch sein mag. In Berlin fällt es mir immer schwerer mich an Regeln zu halten, v.a. wenn ich sie unsinnig finde. Glücklicherweise gibt es allgemein weniger Regeln an die man sich halten muss. Sobald ich jedoch Berlin verlasse, sind sie wieder da: die Quatsch-Regeln nach denen ich mich richten soll.

Vor einiger Zeit waren wir beispielsweise im Hamburger Helms Museum in der Lego-Ausstellung „Zeitreise“. Da trug ich einen Rucksack. Kaum hatte ich einen Fuß in die Ausstellung gesetzt, kam eine der Aufseherinnen und wies mich darauf hin, dass Rücksäcke verboten seien. Ich deutete fragend auf die Handtasche einer anderen Besucherin, in der man ohne Probleme ein kleines Pony hätte verstecken können. Mir wurde erläutert Handtaschen seien OK Rücksäcke hingegen nicht. 1995 in Bayern hätte ich meinen Rücksack mit den Taschentüchern, Kinderwechselsachen, Geldbeutel etc. sofort weg gebracht. 14 Jahre Berlin hingegen führten zu einer längeren Diskussion über den Hintergrund des Verbots. Nachdem Argumente wie „man könne etwas einstecken“ oder „Sicherheitsbedenken“ für mich unsinnig erschienen, einigten wir uns darauf, dass ich den Rücksack an einem Gurt unter dem Arm tragen dürfe.

Die Kinder hatten in der Zwischenzeit angefangen sich durch den bespielbaren Legoberg abseits der Ausstellung zu bauen. Ich zückte die Kamera und wollte ein Paar Bilder von den aufgebauten Szenarien machen. Zehn Sekunden später stand eine zweite Aufseherin neben mir und wies mich darauf hin, dass es verboten sei, die Ausstellungsstücke jenseits der Absperrung zu fotografieren. Die Absperrungen waren ca. 40 cm hohe Glaswände, die um die Szenarien gestellt waren. Sie ragten mir ungefähr bis zur Hüfte und ich nahm an, dass sie v.a. Kinder davon abhalten sollten kreativ in die Aufbauten einzugreifen. Ich hatte meinen Arm mit der Kamera in den Luftraum über den Ausstellungsobjekten gehalten… (über nicht dahinter!) um Bilder ohne fingerverschmierte Glasscheiben zu machen. Wir diskutierten eine Zeit lang, aber aus Diskutierunlust gab ich nach und fotografierte brav durch die Scheiben.

Meine Begleiterin, lobpreiste währenddessen die Spielmöglichkeiten für die Kinder und um nicht vollends als ekelige Spaßbremse abgestempelt zu werden, schwieg ich. Die Kinder hatten ja wirklich Spaß beim Bespielen der Duplo- und Legosteine. Ich ertappte mich jedoch bei dem Gedanken, dass in Berlin jedes noch so poplige Eltern-Kind-Café im Vergleich zur Hamburger Ausstellung besser ausgestattet und kinderfreundlicher sei.

Die Ausstellung selbst, fand ich „nett“. Also angelehnt an das Schimpfwort „nett“. Für Erwachsene nett anzusehen. Jedoch habe ich kein Konzept bei der Auswahl der dargestellten Objekte erkannt. Die chinesische Mauer, das Colosseum von Rom, ein Paar Wikinger, hmmm. Die Beschreibungen der Objekte tja für welche Altersgruppe sollten die sein? Ich glaube kaum, dass ein Kind unter 12 auch nur zwei Sätze freiwillig gelesen – geschweige denn verstanden hätte. Für mich war die Ausstellung kein Stück auf Kinder sondern ausschließlich auf deren Eltern ausgerichtet. Meine Kinder sind pflichtbewusst einmal durchgestapft, haben aber rein gar nichts mitgenommen (gedanklich).

Ich bin einfach zu verwöhnt was kindgerechte Ausstellungen angeht. An Konzepte wie ArtPod oder das Kindermuseum im Dresdner Hygienemuseum kann die Hamburger Ausstellung nicht mal im unteren 10% Bereich heranreichen.

Im Gegensatz zu Playmobil liebe ich Lego weil es so offen ist. D.h. wenn erst mal die Aufbauanleitungen verloren gegangen sind, dann lassen sich aus ein Paar Steinen die großartigsten Fantasien nachbauen. Immer und immer wieder anders. Zuhause hängen wir noch ein bißchen auf Duplosteinen. Sehr passend hat Grindcrank Duplo als als hervorragende Möglichekit des Rapid Prototypings bezeichnet. Mit ein Paar Steinen erreicht man schnell ansehliche Ergebnisse und wenn man geduldiger ist, baut man die Modelle in Lego mit vielen weiteren Feinheiten nach.

Playmobil hingegen ist eher ein Inszenierungsspiel. Da gibt es vorgegebene Sets und die werden immer wieder aufgebaut mit wenig Freiraum für Variationen. Man kann mal die Kühe unterschiedlich hinstellen, aber im Grunde gibt das Set vor, was am Ende dort steht. Mit einem Lego City Set, ist man viel flexibler. Da kann aus einer Feuerwehr am Ende trotzdem ein Bauernhof gebaut werden.

Jedenfalls – wer eigentlich ein Playmobil-Herz hat und versehentlich in der Kindheit Lego-sozialisiert wurde, dem sei die Ausstellung empfohlen. Die historischen Szenen sind in der Tat detailreich und liebevoll inszeniert. Mehr aber auch nicht.

ArtPod „Imaginäre Reisen“

ArtPod – zeitgenössische Kunst für Kinder mit der Ausstellung „Imaginäre Reisen“ hat uns schwer begeistert. Bis zum 16.12.2012 kann man sie noch im Amerika Haus bestaunen.

Mindestens einmal in der Woche schreit Kind 2.0 auf dem Weg in die Kita: „Maaamaaaa, schau mal daaaaa KUNST!!!“ Wir begutachten dann das referenzierte Objekt und wägen gemeinsam ab, ob der Wind Müll nur exotisch angeordnet hat oder ob es wirklich einen menschlichen Erschaffer gibt. Eindeutig bestimmen lässt sich das nicht immer.

Auf Kunst im  Lebensraum ist Kind 2.0 durch Werke der Straßenkünstlergruppe bosso fataka aufmerksam geworden. Für sehr kurze Zeit konnten wir z.B. einen Stuhl bewundern, der an einer der Säulen am Frankfurter Tor befestigt war.

Ich habe von kunsttheoretischen Ansätzen keine Ahnung und kann nur schwer erklären, warum mir eine bestimmte Art von Kunst zusagt und v.a. auch warum ich sie für lebensnotwendig halte – aber den meisten Bezug habe ich zur zeitgenössischer Kunst. V.a. dann wenn sie erfahrbar und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar ist. Zu meinen persönlichen Highlights gehört deswegen das von Hornbach gesponsorte Projekt in einem Haus in der Torstraße 166 und auch viele Ausstellungselemente unterschiedlicher Ausstellungen im Hygienemuseum Dresden (z.B. „Gehirn und Denken“ oder „Glück – Welches Glück„)

In meiner Elternzeit hatte ich jeweils eine Museumsjahreskarte und habe die Kinder schon im Babyalter munter mitgeschleppt. Zu einer meiner schönsten Erinnerungen gehört eine Szene mit meinem damals 4 jährigen Patenkind, mit dem ich eine Ausstellung anschaute. Es fragte mich bei jeder Skulptur und bei jedem Bild: „Wie heißt die Kunst?“ und „Warum hat der/die KünstlerIn das gemacht?“.

Ich weiß, dass v.a. letztere Frage nach der Intention, das typische Was-will-uns-der-Kunstschaffende-sagen, v.a. den Kunstschaffenden selbst auf die Nerven geht. Aber mir gefällt die Frage. Ich weiß es nämlich ebenso wenig wie das Kind, das fragt. Also unterhalten wir uns und stellen Hypothesen auf und ich finde, die kindlichen Ansätze sind völlig gleichberechtigt zu meinen Interpretationen und manchmal lenken sie meine Aufmerksamkeit zu ungesehenen und unbedachten Aspekten.

Wie für mich gemacht ist deswegen die Galerie ArtPod im Amerika Haus, die am 03.11.2012 ihre erste Ausstellung namens „Imaginäre Reisen“ eröffnet hat:

ArtPod stellt in wechselnden Ausstellungen Arbeiten von international agierenden Künstlern aus, die sich auf das Experiment freuen, ihre künstlerische Neugier mit Kindern zu teilen. Die ausgewählten Werke zeichnen sich aus durch ihre Kraft, die Phantasie der Ausstellungsbesucher in Schwingung zu versetzen, Freude und Staunen hervorzurufen.

Die Ausstellung ist unfassbar großartig. Das ganze Konzept ist toll. Am Eingang können die Kinder sich einen Stempel aussuchen. Kinder und Stempel ist schon ein Mysterium für sich. Ich habe gesehen, wie ein ca. 13 jähriger Junge nach uns reinkam und sich richtig freute, dass er einen Eingangsstempel aussuchen durfte. Dann bekommen die Kinder erklärt, dass es Exponate gibt, die man anfassen darf (grüne Hand) und welche, die nur zum Anschauen bestimmt (rote durchgestrichene Hand) sind. Ich würde schätzen, dass das Verhältnis grün zu rot ca. 80 zu 20 ist.

Während der ganzen Ausstellung gibt es außerdem ReisebegleiterInnen. Ich vermute KunststudentInnen – ähnlich wie damals die MOMAnizer. Sie passen auf, dass im Enthusiasmus nicht gleich das ganze Kunstwerk zerlegt wird und ermuntern die Kinder (und Erwachsenen) andererseits die Ausstellungsstücke zu erfahren. Sie stellen Fragen oder lenken die Aufmerksamkeit auf ungesehene Details. Sie schlendern durch die Räume und Gänge und unterhalten sich mit den Kindern. Beispielsweise gibt es ein großes Holzschiff, das man herumschieben kann. Es sieht aus wie aus Papier gefaltet. Kind 2.0 saß darin und ruderte und ruderte. Einer der Ausstellungsbegleiter kam zu ihm und hat gefragt, wohin die Reise ginge. Man tauschte sich kurz aus und eine halbe Stunde später, als Kind 2.0 erneut im Boot saß, hielt man wieder Smaltalk. Wie sei es in Indien gewesen, was hätte Kind 2.0 erlebt – es entstand ein erstaunliches Gespräch.

Kind 3.0 stand im wesentlichen vor Begeisterung kreischend in einem Raum, der komplett zu einer Half-pipe verbaut war. Die Half-pipe war mit Hunderten von Pingpongbällen befüllt und diese wurden durch ein Gebläse im Kreis geschleudert. Die Kinder durften Bälle aus dem Kreislauf entnehmen und an unterschiedlichen Stellen wieder reinwerfen.

Das waren nur zwei von über 20 Objekten (22 Künstler in 12 Räumen). Die Kinder konnten sich frei bewegen und haben sich teilweise sehr lange an einzelnen Ausstellungsstücken erfreut. Als Erwachsene würde ich normalerweise nie 20 Minuten bei einem Objekt verbringen – aber ich fand das wunderbar, denn tatsächlich gibt es selbst an einem schnöden Holzstück viel zu entdecken.

Wir verbrachten gut drei Stunden in der Ausstellung. Ich schätze, ohne die Kinder hätten wir insgesamt zwanzig Minuten gebraucht. Aber genau das finde ich großartig. Ich bin regelrecht beseelt nach Hause gegangen. Ich weiß nach wie vor nicht, was mir so gut daran tut, aber es ist selten, dass ich so zufrieden bin wie am Ende dieses Nachmittags.

Deswegen: Wenn ihr Kinder habt oder mögt (es müssen ja gar nicht die eigenen sein) und wenn ihr Geduld und etwas für Kunst übrig habt, plant die Ausstellung bis zum 16.12.2012 ein.

Amerika Haus am Bahnhof Zoo
Hardenbergstr. 22-24, 10623 Berlin

 

03. November – 16. Dezember 2012
Öffnungszeiten: Mi, Do, Fr 14:00 – 17:00 (vormittags offen für Schulklassen
nach Anmeldung Tel: 0173-6079796 oder info@artpod.org), Sa – So 11:00 – 17:00

KünstlerInnen: Dominik Lejman (PL), Ellen Harvey (UK), Wolfgang Karl May (DE), Max Frey (AT), Egill Saebjornsson (IS), Ethan Hayes-Chute (US), Kirstine Roepstorff (DK), Michael Johansson (SE), Nina Braun (DE), Katharina Lackner (AT), Rebecca Raue (DE), Konrad Mühe (DE), Olafur Eliasson (DK), Stefan Saffer (DE), Andy Graydon (US), Thilo Frank (DE), Sophie Erlund (DK), Franz Hoefner und Harry Sachs (DE), Sebastian Hempel (DE), Hollie Chastain (US), Guy Ben-Ner (IL), Eduardo Basualdo (AR), Gaby Taplick (DE), Dustin Schenk (DE), David Krippendorff (DE)

Vielen Dank an Caroletta von Kinderzimmerkunst, die mich mit Ihrem Artikel zu dieser Ausstellung gebracht hat!