Manchmal versuche ich mir vorzustellen wie es sein könnte als Mann zu leben. Für immer in einem Hotel leben. Das hat nicht nur schlechte Seiten. Es ist ja ganz angenehm wenn die Hotelbar immer gefüllt, das Essen gekocht, das Bad gereinigt und die Handtücher stets fluffig und frisch sind.
Was mich aber echt stören würde, ist, nie zu wissen, wo sich die Gegenstände des täglichen Lebens befinden. „Schaaaahaaatz?! Wo sind die tiefen Teller?“, „Schahaaaatz??? Wo sind meine Strümpfe?“, „Schaaahaaatz?!! Wo sind die neuen Zahnbürsten?“
So etwas schreit mein Mann. Jeden Tag, seit gefühlten 234 Jahren.
Die Antworten sind total crazy und immer gleich. Im Küchenschrank. Im Kleiderschrank. In der Badkommode.
Ich habe mir lange Gedanken gemacht warum mein Mann das immer durch die Wohnung brüllt. Da er weder an Korsakow erkrankt ist, noch sein IQ unter 100 liegt, kann es nicht sein, dass er diese Dinge nicht weiß. Selbst wenn er sie nicht wüsste, er könnte es einfach mal wagen einen der Schränke zu öffnen.
Um die wahren Gründe zu verstehen, muss man mehrere zehntausend Jahre in die Vergangenheit der Männer blicken. In einer Kultur der Jäger bewegen sich Gegenstände nämlich nicht eigenständig von A nach B. Der Mann erbeutet einen Procamptoceras brivatense-Schenkel, schleppt ihn zum Lagerfeuer und benutzt seinen Lieblingsfaustkeil um das Hirschlein seiner die Antilope ihrer zähen Haut zu entledigen und lässt diesen am Abend müde neben der Feuerstelle fallen. Die Feuerstelle befindet sich sieben Schritte nordöstlich des Höhleneingangs. Die Höhle liegt zweihundert Fuß südwestlich von der einzigen Kerb-Buche der Steppe entfernt. Der Mann notiert geistig die Position. Das praktische Werkzeug bleibt dort liegen und bewegt sich nicht. Die urzeitliche Frau rührt den Steinklotz auch nicht an. Sie hat eben wichtigeres zu tun, muss z.B. die siebzehn Sprösslinge sauber lecken oder Beeren sammeln gehen.
Wenn das Männchen abends von der Pirsch zurückkehrt, um den neuen Braten in spe zu häuten, dann liegt das Steinwerkzeug dort wo es am Vorabend lag und nicht in einem Steinwerkzeugregal. So ist es bis zum Anbruch des siebten Jahrtausend vor Christus gewesen.
Wenn ein Mann also Teller, Socken oder Zahnbürsten sucht, dann da wo er sie zuletzt fallen gelassen hat. Findet er die aufgezählten Gegenstände nicht, bleibt also nur der Schrei nach externer Hilfe. Und weil der Schock so tief sitzt, kann keine neue Information gespeichert werden und das Debakel wiederholt sich immer und immer wieder.
Ich rate von daher dringend ab den Computer ihres Mannes mal auf Vordermann zu bringen. „Schaaahaaatz?!? Wo ist das Internet?!?“
„In der Luft! In der Luft, da wo es immer ist!“
Schlagwort: ordnung
Die andere Hälfte des Lebens
Erziehung ist eine schwierige Sache. Irgendwann habe ich festgestellt, dass wir unseren Kindern die meisten Dinge nur beibringen, damit sie es generell können um die neu erlernte Fähigkeit wieder zu verwerfen oder um irgendwelchen absurden Gesellschaftsnormen zu entsprechen.
So z.B. die Fähigkeit Ordnung halten zu können. Da reicht es wirklich völlig, dass man es theoretisch könnte und gerne denke ich an die Studentenzeit zurück, in der mir böse Zungen schimmelndes Geschirr nachsagen.
Jedenfalls halten wir unseren Kindern selbstverständlich täglich den Ordnung-ist-wichtig-Vortrag. Als zu erwartende Reaktion schaltet unser Nachwuchs schon beim ersten Satz auf Durchzug und so verschwindet Spielzeug oft im Zimmernirvana und auch Kleidung reduziert sich auf wundersame Art und Weise relativ regelmäßig. (Ein weiterer Beitrag unserer Kinder für die stagnierende Wirtschaft in Deutschland übrigens).
Die Wahrheit jedoch lautet: Ordnung ist für die Katz und Chaos ist wunderbar. Persönlich räume ich zwischen 8 und 15 Uhr – wenn die Kinder außer Haus sind – gar nichts weg. Ich ahle mich in Unordnung, schaue zufrieden auf Geschirrberge, lasse Verpackungen rumliegen und öffne das Fenster, damit die Vögel die Brotkrumen vom Boden picken können.
Manchmal gehe ich sogar zum Kleiderschrank und zerwuschele meine Wäscheberge.
Pünktlich um 15.10 Uhr beginne ich aufzuräumen. Schließlich kommen die Kinder bald nach Hause. Wenn ich es mal nicht rechtzeitig schaffe, weil ich nach sechs Stunden fernsehen bei Pizza und Schokolade nicht zum Aufräumen gekommen bin, sammele ich einfach alles ein und räume es in unser fünftes Zimmer. Von diesem Zimmer haben wir unseren Kindern nichts gesagt. Die Gründe sind nahe liegend.
Manchmal verstecken wir uns auch einfach so im Geheimzimmer. Die Kinder irren dann rufend durch die Wohnung aber wenn man sich eine halbe Stunde ruhig verhält, fangen sie an sich selbst zu beschäftigen. Im Geheimzimmer haben wir zwei große Ohrensessel, W-LAN und einen Automaten mit Heiß- und Kaltgetränken. Fenster gibt es dort nicht. Wofür auch? Das Tageslicht würde nur den ganzen Schmutz und Unrat sichtbar machen und dann würden wir uns nicht mehr wohl fühlen.