Ich habe nichts gegen Landleben. Ich habe sogar Freunde, die auf dem Land leben. Ja, was soll ich sagen, ich selbst besuche sogar manchmal das Land. Zum Beispiel neulich. Da hatten wir am Wochenende ein Häuschen mit Kamin. Allerdings entdeckte ich zunächst zum Kamin kein fertig gehacktes Holz und die Geschäfte in der naheliegenden Stadt hatten auch schon geschlossen. Da musste ich entscheiden: Ein Wochenende ohne Feuer trotz Kamin oder aber ich hacke selbst Holz. Als Frau der Tat schritt ich also in den Schuppen und schaute mich um. Überall gesägte Baumstücke, ein Klotz und eine ziemlich große Axt.
Ich hatte noch nie eine Axt in der Hand. Also ja, zum Posen für Selfies und so natürlich schon – nicht aber, um damit etwas zu hacken. Ich dachte an all die Männer, die mir in den Mental Load Artikeln vorgworfen hatten, ich hätte auf meiner Liste das Holzhacken vergessen. Das sei ein Teil des Mental Loads, den Männer zu tragen hätten, ein Teil, den ich ja mal wieder vergessen hätte. Schuldbewußt nahm ich die Axt in die Hand. Ja, sie hatten Recht. Ich hatte noch keine Holzhackerfahrung. Für meine Wohnung in der Berliner Innenstadt musste ich noch kein Holz hacken. Ich war praktisch eine Holzhackerjungfrau. Ich überlegte, wie ich nun vorgehen würde. YouTube Videos anschauen? Ich schaute auf mein Handy. Nicht mal Edge. Das war wohl nicht die Lösung. Ich ging in mich, versuchte ein inneres Bild vom Holzhacken aufzurufen und tatsächlich, als ich begann über männliche Männer nachzudenken, kam mir ziemlich schnell Liam Neeson in den Sinn. Liam Neeson, der Mann, der mit bloßer Hand zwanzig Bösewichte erwürgen konnte, konnte natürlich auch Holz hacken. Ich glaube allein in Unknown Identity, The Grey, 96 Hours – Taken I, Taken II und Taken III hackt er während einer rasanten U-Bahnfahrt, in einer venezianischen Gondel und auf einem Motorrad fahrend jeweils einen Kubikmeter Holz.
Jedenfalls hatte ich tatsächlich schnell ein klares Bild davon wie man Holz spaltet. Ich nahm also die Axt in die Hand und begann zu hacken. Parallel zur Holzfaser. So wie man Braten aufschneidet. Baumscheibe für Baumscheibe spaltete ich in vier Teile. In sehr kurzer Zeit war mein Holzkorb gefüllt. Ich war ein Holzhacktalent! War mir jemals etwas so leicht von der Hand gegangen wie das Holzhacken? Anfängerinnenglück? Ich hackte weiter. Doch es blieb dabei: Kein Glück – sondern pures Können. Als hätte ich noch nie etwas anderes als Holzhacken gemacht. Es hatte sich gelohnt sich all die Filme von Männern anzuschauen, die Holz hacken (Sehr empfehlenswert der letzte: Polar – allerdings hackt da Mads Mikkelsen, was dem Holzhacken aber keinen Abbruch tut). Die vorgebahnten Engramme meines Gehirns führten sicher mein Muskelgedächtnis.
Vielleicht war es schwieriger die Holzviertel kleiner zu hacken? Kleinere Holzstücke würde ich aber brauchen, wenn ich tatsächlich ein Feuer entfachen wollte. Also begann ich damit Kleinholz zu machen. Ebenfalls ein Kinderspiel! Ich verarbeitete ca. 1/6 meiner Scheite zu mittelgroßen und kleinen Holzstöckchen, lud alles in meinen Korb und stapfte zurück in das Ferienhäuschen.
Dort entdeckte ich zwei weitere Kubikmeter Holz, die fein säuberlich um den Kamin geschichtet waren. Logisch – das Holz im Schuppen war ein wenig feucht. Um ein ordentliches Feuer zu machen, sollte man ordentlich getrocknetes Holz nehmen.
Auf dem Gastzettel der Ferienwohnung wurde gebeten das Feuer „von oben“ zu machen. Umgekehrt wie ich es gelernt hatte. Die großen Scheite nach unten, dann die kleineren und ganz oben schließlich Pappe und der Anzünder, alles so geschichtet, dass der brennende Anzünder langsam nach unten durchbrennt und dabei das restliche Holz entzündet.
Was soll ich sagen? Jahre des umständlichen Holzauftürmens waren vorbei! Kein wackeliges Zusammenstellen von Holzscheiten mehr. Einfach alles übereinander werfen und anzünden und fünf Minuten später brennt ein wunderschönes Feuer. Warum hat mir das nie jemand vorher gesagt?
Ich saß total glücklich den Rest des Abends vor meinem Feuer. Um Mitternacht ging ich ins Bett und träumte von Äxten. Als die Sonne gegen 5.30 Uhr aufging wurde ich wach und hatte wieder Lust auf Holz spalten. Es ist so wahnsinnig befriedigend. Ich stand auf und mein geschundener Bürokörper ächzte. Ich hatte mich bestimmt zwanzig Minuten am Stück körperlich betätigt. Meine Finger schmerzten. Meine Rippen auch. Ich hatte überall Muskelkater. Unfassbar. Ich fühlte mich wie Reinhold Messner, der gerade den Kangchendzönga ohne Sauerstoffmaske bestiegen hatte. Ich war am Leben! Ich lebte! Ich spürte meinen Körper!
Für mich als Computerarbeiterin ein großartiges Gefühl. Wieso hatte der Kapitalismus dies noch nicht als Geschäftsmodell auf den Markt gebracht? Für dieses Gefühl würde ich Geld zahlen. Holz spalten macht glücklich!
Ich holte also mein Holzkörbchen und ging wieder zur Scheune. Dort hackte und hackte ich. Baumscheiben zu Scheiten, Scheite zu Holzstücke, Holzstücke zu Zahnstochern. Wie wunderbar! Wie unmittelbar war das Ergebnis da. Kein Lastenheft, kein monatelange Planes, keine Aufgaben in Tickets übertragen, kein Nachjustieren. Spalt! Klonk! Spalt! Klonk! Ergebnis! Ergebnis! Ergebnis!
In wenigen Minuten ein ganzer Korb Ergebnis!
Glücklich stapfte ich in das Häuschen zurück. Nie hab ich mich männlicher paeloüberlebenskompatibeler* gefühlt!
Damit ich zukünftig Holz spalten kann, muss ich ausreichend Kaffee trinken und freue mich deswegen über Kaffeespenden.
Moin! Herrlicher Artikel! Wir hätten da noch ein paar Berge zu spalten… Falls noch Körperertüchtigungsbedarf besteht!
Herzliche Grüße, Susann
Ich habe eine Freundin, deren Lieblingsbeschäftigung Holzhacken ist. Und wie ich sehe, ist sie nicht die Einzige. Wir müssen mindestens einmal im Monat vorbei kommen, um uns um die hauseigene Feuerschale zu stellen & der Verbrennung des Holzes beizuwohnen. Auch im Winter! Damit ihr die Gründe zum Holzhacken nicht ausgehen.
Holzhackende Frauen scheinen so ein erotisches Modeding zu sein. youtu.be/iShm2LBorbs zeit.de/kultur/musik/2…
… und zum Schluss eine Miete bauen – m. E. nochmal extra befriedigend! Am Montag danach tippe ich aber irgendwie doch langsamer …
Nun, wir hätten zufällig die Tage eine größere Holzaktion geplant…
Mal wieder sehr humorvoll. Sich ein wenig selbst auf die Schippe nehmen schadet nicht, denn das Leben ist schon ernst genug. Falls du noch nicht genug hast:
Du kannst vielleicht in der Jugendgruppe von meinem Sohn ein Wochenendpraktikum machen. Da lernst du dann auch noch Kochen mit Holz, navigieren mit Karte und Kompass, einen Unterschlupf bauen mit nichts als einer Plane und andere nützliche Dinge. Ich könnte dir noch schießen und dazu schlachten / rupfen / abziehen / ausnehmen / zerlegen von kleineren Tieren (bis Größe Reh) beibringen. Dann kann die Apokalypse wirklich kommen und du bist dabei, wenn der verwegene Trupp an deiner Tür klopft. ;-)
Kettensäge klingt auch sehr attraktiv
Die Idee hatte ich tatsächlich auch schon, als die Schulpraktikanten sich drum rissen, hacken zu dürfen. Frau Nuf, Sie sind herzlich eingeladen, regelmäßig zum hacken rumzukommen. Grenze Fhain/Lichtenberg. Alternativ haben wir auch noch ne Kreissäge oder Kettensäge zur Verfügung.
Echt?! Ich geb dir meine Adresse?
Jederzeit willkommen. Und: probier beim nächten mal umgraben. Umgraben ist auch toll.
Wenn es keine Robinie ist….
Es geht nix über so ne richtig dicke Spaltaxt (quasi wie ein Vorschlaghammer mit Schneide vorne dran). Rumms! Die hält ab nem gewissen Punkt nix mehr auf…
Axtdefloration und die parallelen Bratenfaserschnitte stimmten mich nachdenklich.
Wenn die Apokalypse kommt, bin ich bereit.
So und wenn Sie das jetzt noch schön ordentlich stapeln, passt da noch viel mehr hin.
Eine Idee für ein nächstes Geburtstagsgeschenk: einen Gutschein für 1 Stunde Holzhacken!
;-)
Nicht umsonst hat schon Albert Einstein gesagt “Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“
Hatte eine Freundin als Zitat vorne in ihrer Dissertation und es passt einfach.
Ein kluger Mann!
#brennholzverleih ?
Wenn ich einen Kamin hätte, würde ich dich buchen.
Juhu!