Zeit ist nicht Geld, Geld ist aber Macht

Neulich auf Instagram haben sich ein paar Frauen beschwert, ich würde ja immer so tun, als ob Frauen kein Geld verdienen. Das sei Quatsch.

Anlass war folgendes Posting:

Vorab die Statistik:

  • 58% der Männer nehmen gar keine Elternzeit.
  • Nur 2% der Frauen nehmen keine Elternzeit
  • Von den Männern, die Elternzeit nehmen, nehmen 7,6% zehn Monate
  • Bei den Frauen sind es 95,4%, die zehn Monate nehmen.

Interessant wird es danach! Wenn nämlich die Mutter wieder erwerbsarbeiten geht, dann tut sie es „obwohl“ das Zeit und Geld kostet. So jedenfalls die geistige Verrechnung. Das Einkommen der Mutter wird nämlich nicht als Erweiterung des Familieneinkommens gesehen, sondern es wird verrechnet mit den Kinderbetreuungskosten[1], Kosten für die Mobilität (z.B. 2. Auto, zusätzliche Jahreskarte öffentliche Verkehrsmittel…) und ggf. mit den Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen.
Die zeitliche Belastung wird auch nicht als Einsatz der Frau für die Familie gesehen. Sondern als etwas, das der Familie jetzt fehlt!

Die Entscheidung der Frau nach der Elternzeit wieder erwerbsarbeiten zu gehen, ist also gegen die Familie. Wow. 

Schauen wir uns das ganze mal umgedreht an. Wenn der Mann, der bislang 100% erwerbsarbeitet seine Arbeitszeit einschränkt, um mehr Sorgearbeit zu leisten… dann reduziert sich das Gehalt und ratet…Das wird geistig als Nachteil für die Familie gesehen!

Deswegen ist es statistisch sogar so, dass je mehr Männer verdienen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie a) Elternzeit nehmen und b) ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren.

Danke Kapitalismus und Volkswirtschaft!
In sich natürlich komplett logisch, wenn man nur in Euro rechnet und das ist ja wie der Staat das sieht und begünstigt. Stellt euch vor, in welcher Welt wir leben würden, wenn Sorgearbeit etwas wert wäre.

Das macht wirklich einen Knoten ins Hirn: Erwerbsarbeit wird in unserer Gesellschaft als wertvoll angesehen und Sorgearbeit als naja bestenfalls selbstverständlich, allerdings nur wenn der Mann erwerbsarbeitet und die Frau Sorgearbeit leistet.

Soweit also mein Posting auf Instagram und dann der Hinweis, dass Frauen doch nicht nur so ein Taschengeld dazu verdienen und dass man deswegen niemals so rechnen würde.

Hmja. Naja.

  • Ein eigenes Nettoeinkommen über 2.000 Euro haben nur 10% aller Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren (bei den verheirateten Frauen sind es 6%)
  • 68% aller verheirateten Frauen zwischen 30 und 50 Jahren haben ein Einkommen von weniger als 1.000 Euro.
  • Trotz entsprechender Berufsqualifikation sind nur 39 % der Frauen im Alter von 30 – 50 Jahren Vollzeit erwerbstätig

bzw.

  • In 27% der Familien ist der Mann Alleinverdiener
  • In weiteren 14% der Familien erwerbsarbeitet die Frau max. 20 Stunden

und

  • v.a. Frauen arbeiten in Mini-Jobs

und

  • Eine Frau mit Kind wird in ihrem Leben 40% weniger verdienen als ein Mann (bei 3 Kindern sind es 70%)

und

  • Entscheidet sich ein Paar nach der Hochzeit für die Lohnsteuerklassen III und V, so sieht die Verteilung wie folgt aus: 89,6% der Frauen und nur 10,4% der Männer haben Lohnsteuerklasse V

Also so richtig krass viel tragen Frauen durchschnittlich wirklich nicht zum Familieneinkommen in EURO bei. V.a. wenn man (was bekloppt ist, aber nun denn) auf den Nettolohn der Erwerbsarbeit schaut.

Tja und Geld regiert die Welt. Wenn die Erwerbsarbeit alleine zählt und nur das Geld als wertvoller Beitrag zur Familie gesehen wird… dann sind Frauen beim Verhandeln statistisch gesehen einfach sehr oft im Nachteil (Gender Pay Gap lässt lieb grüßen). Verhandlungsmacht hat in den meisten Fällen derjenige, der das Geld hat und so höre ich wirklich nicht selten, wenn Frauen mit ihren Männern über die gerechte Verteilung von Sorgearbeit verhandeln wollen, dass Männer Verhandlungsversuche abschmettern mit dem Satz: „Verdien‘ du erstmal so viel Geld wie ich, dann reden wir.“

Wow. Dieser Satz ist so hart und so respektlos, da liegt mir eigentlich auf der Zunge: „Vielleicht ist trennen auch eine Alternative“ Nur ach, wäre da nicht die finanzielle Abhängigkeit… es ist wirklich übel.

Mein Merksatz dazu kommt aus der Broschüre Gleichstellungspolitik für Jungen u. Männer in Deutschland: „Die Saite einer Geige kann nur klingen, wenn sie an beiden Enden eingespannt ist“

Erwerbsarbeit ist überhaupt nur möglich WEIL jemand kostenlos Sorgearbeit leistet. V.a. da wo es Kinder gibt oder da wo es Angehörige gibt, die gepflegt werden. Sorgearbeit und Erwerbsarbeit sind beides Investments für die Familie. Und weil das eine bezahlt und das andere unbezahlt ist, muss beides in Form von Zeit und nicht in Form von Geld verargumentiert werden.

Paare, die sich Sorgearbeit fair aufteilen wollen, die sollten rückwärts planen und zwar vom Ausgangspunkt „Gleichviel Freizeit für jeden“. Nur dann landet man irgendwann bei einer Verteilung, die gerecht und am Ende auch gesund ist.

Deswegen bitte: Ich möchte wirklich einfach nie mehr etwas vom bereinigten Gender Pay Gap hören. Welches halbblinde Wirtschaftsgenie hat sich diesen Kniff bitte ausgedacht? Wenn wir alles weglassen, was strukturell benachteiligt, dann wow! ist der Gender Pay Gap ja viel kleiner!!1!
No shit, Sherlock?


[1] Wenn die Mutter 100% kümmert, ist es ja KOSTENLOS!

Quellen:
Bundesfamilienministerium: Väterreport, Update 2021
Correctiv: Datenauswertung: So viele Frauen tappen in die Minijob-Falle
Bundesfamilienministerium: Mitten im Leben
Hans-Böckler-Stiftung: Ehefrauen zahlen für ihre Männer

147 Gedanken zu „Zeit ist nicht Geld, Geld ist aber Macht“

  1. Robert sagt:

    Da mich solche Texte ziemlich interessent finde, habe ich hier auch eurem Beitrag bis Ende gelesen und finde ihn sehr interessant und hilfreich. Freue mich schon jetzt auf eure weitere Beiträge die sich mit ähnliche Themen beschäftigen.

  2. Der Alex sagt:

    Oh man … ich hätte nicht bis zu den Kommentaren scrollen dürfen.

  3. Ich hab den Text gelesen und er beschränkt sich meiner Meinung zu sehr auf das Geschlecht. Es sollte darum gehen, wer sich um Kinder oder Eltern pflegt mindestens so sehr wertzuschätzen ist, wie andere zur Zeit besser wertgeschätzte Tätigkeiten.


  4. Für mich ist das ein gesellschaftliches Problem.
    Der Text lässt sich auch ohne Geschlecht schreiben.
    – Fehlende Anerkennung von Sorgearbeit (Pflege der Familie und Kinder)
    – Diskrepanz von Gehalt zu Lebenshaltung zum Lohn
    etc..
    Mein Papa war für mich daheim und so kenn ich es.

  5. „Verdien du erstmal so viel wie ich“ ist auch maximal zynisch, wenn die Frau aufgrund der Sorgearbeit maximal Teilzeit arbeiten kann, Steuerklasse V hat und womöglich nur das Nettoeinkommen betrachtet wird. WTF.
    Frauen verdienen viel. Sie bekommen es nur nicht.

  6. Ich liebe es, wenn diese alten Denkmuster offengelegt werden, die wir mitunter haben – egal wie intensiv man/frau sich mit der Thematik bereits auseinandergesetzt hat. Danke dafür!!!

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