Die Mücken, der Freizeitstress, die Wanderung

Das Wetter

Der Wetterbericht hat Regen vorhergesagt. Vier Tage am Stück. Ich bin Stunde für Stunde durchgegangen und immer sagte die App: „Regenwahrscheinlichkeit 97%“. Ich stelle mich deswegen auf Tage in meiner Hütte ein. Das ist OK, schließlich hab ich einiges zu tun. Ich habe mir drei Bücher mitgenommen, ein bißchen Lego, ein sehr großes Set Mini-Steck (8.000 Teile), ich muss noch Familientagebuch schreiben, das Datenschutzverzeichnis bei „Mit Kindern Leben“ updaten, einen Vortrag zu „Mental Load“ schreiben und einen Blogbeitrag mit einem Kooperationspartner vorbereiten. Ich möchte außerdem 5 Folgen „The Good Fight„, die Serie „Killing Eve“ und die neue Staffel „Weissensee“ ansehen. Was ich mit der Restzeit an den anderen zwei Tagen mache, weiß ich noch nicht. Mal sehen. Ich lasse das ganz locker auf mich zukommen.

Bevor ich mich am Abend des 1. Tages hinlege, schüttle ich meine Bettdecke aus. Ich möchte sichergehen, dass ich nicht mit der Badspinne (oder eine ihrer Schwestern oder Kinder), die mir am Nachmittag entwischt ist, kuschele. Habt ihr im Zusammenhang mit Spinnen auch diese Ängste? Dass sich Spinnen auf Zahnbürstenköpfe setzen und man nicht hinsieht und sie sich dann auf die Zähne reibt? Dass sie sich an der Rückseite von Klopapier verstecken und man sie sich über… nein? Oh.

Es ist 23.30 Uhr als ich einschlafe. Es ist ruhig. Geräuschlos. Man hört nichts. Absolute Stille. Mein Gehirn ist verwirrt und erzeugt deswegen einen Ton. Sehr beruhigend. Um 5 Uhr wache ich dann vom ohrenbetäubenden Vogelgeschnatter und -gezwitscher auf. Wie eine Autobahn. Na vielen Dank auch Natur.

Allerdings regnet es nicht. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und es gelingt mir trotz des Lärms wieder einzuschlafen.

8.30 Uhr. Es regnet immer noch nicht. Ok, OK. Ich muss also raus, raus in diese Natur. Dafür bin ich ja hier. Vielleicht kommt die Katharsis ja heute! Gut wäre das und billiger als Therapie sowieso.

Ich entschließe mich heute Männertag zu machen. Ich bin schon wie ein Mann in den Urlaub gefahren. Mit Mehrfachsteckdose und ich kann es sehr empfehlen. Eine Mehrfachsteckdose wertet so einen Urlaub ganz schön auf. Als nächstes trinke ich Kaffee wie ein Mann (SCHWARZ!) und dann mache ich meine Morgentoilette wie ein Mann (Duschen, Zähne putzen, fertig). Es ist sensationell. Dann ziehe ich mich an wie ein Mann (kein BH!) und wandere los. Das Kloster Chorin soll schön sein, das gehe ich mir anschauen.

Die Wanderung

Na gut. „Ich wandere los“, war gelogen. Natürlich habe ich vorher auf Google Maps geschaut, wie weit es ist und wie ich laufen muss. 2,3 km sind es angeblich. 25 Minuten würde man laufen.

Was nehme ich mit? Ich meine, wenn ich mich verlaufe – was mehr als wahrscheinlich ist- brauche ich Proviant. Ich packe 1,5 Liter Wasser ein. Dann kann ich ungefähr 5 Tage überleben. Zwei Tage schafft man ganz ohne Wasser. Besser ist es aber, wenn man Wasser hat und dann alle 12 Stunden 10 ml trinkt. Sonst können die Nieren nicht richtig arbeiten. Die Bewegung (ich kann mich ja nicht einfach hinlegen und auf Rettung hoffen), würde dann aber wieder einen Mehrverbrauch nachsichziehen. Ich muss mal recherchieren, was Rüdiger Nehberg empfehlen würde, wenn man sich so eine Wanderung vornimmt. Die Kohlrabireste des Vortags packe ich besser auch ein.

Eine Bärenglocke wäre auch gut. Eigentlich ist so eine Glocke für Hunde. Ihr Lärm soll Bären und andere Wildtiere verjagen. Im Haus finde ich nur eine Kuhglocke. Ich glaube, die tuts auch.

Meine 26800mAh Powerbank wandert auch in den Rucksack. So kann ich der Nachwelt noch wichtige Botschaften aufnehmen, wenn ich es doch nicht mehr schaffe und bestimmt kann man mich mit „Find my iPhone“ dann noch finden.

Was nehmt ihr so mit, wenn ihr mehr als 2 km wandert?

Die Natur II

Gestern die Mücken waren unglaublich. Aber wahrscheinlich war das, weil es dämmerte und weil ich in der Nähe eines Sumpfgebiets spazieren gegangen bin. Heute wird es bestimmt besser. Das Anti-Mückenspray lasse ich deswegen schön in meinem Koffer. Langsam dämmert mir: das war ein Fehler. Denn sie verfolgen mich wieder. Sobald ich unter 5 km/h pro Std falle, greifen sie mich von allen Seiten an. Setzen sich auf meine Schultern, auf die Arme, auf die Hosenbeine und stechen.

Am Anfang hatte ich noch Hemmungen diese kleinen unschuldigen Insekten zu töten. Immerhin sind es Mütter, die mit meinem Blut ihre Kinder füttern wollen. Doch nachdem ich meine beulenübersähten Finger kaum noch bewegen kann und mein Körper überall schmerzt, weil er so zerstochen ist, schlage ich ohne Gnade nach ihnen. Hier! Da! Patsch! Patsch!  Nehmt das, ihr gierigen Blutsaugerinnen!

Von der angeblich so schönen Natur der Schorfheide bekomme ich so nichts mit. Ich muss mein Tempo halten. 8% Steigung sagt das Schild. Da muss ich mich schon etwas anstrengen. Ich denke an das Stephen King Buch „Todesmarsch“ und verstehe außerdem warum diese echten Wandersleute immer so straff marschieren. Wenn man nämlich ordentlich schnell läuft und dabei kräftig aufstampft, kann man einen Teil der Mücken abschütteln.

Hier draußen in der Wildnis habe ich keinen Internetempfang mehr. Ich kann deswegen nicht googeln, ob es helfen könnte, wenn ich auf die nächste Tour ein mit Blut vollgesogenes Tampon mitnehme. Schön handwarm. Vielleicht sind die Mücken dann bescheiden und lecken sich am Blut des Tampons satt und lassen mich in Ruhe. Ich frage mich nur: An welche Stelle meines Körpers hänge ich das Tampon und was wenn ich niemanden finde, der mir ein benutztes Tampon überlässt?

Nach 40 min Marsch komme ich am Kloster an. Angeblich einer der besterhaltenden Backsteinerotik äh -gotikbauten Deutschlands? Europas? Der Welt? Sehr hübsch, ja. Ich kann leider nicht stehen bleiben… die Mücken. Für den Preis von 12 Mückenstichen mache ich geschwind ein paar Fotos. Als Beweis meiner Existenz an diesem Ort zu diesem Zeitpunkt. Klick, klick und jetzt wieder schnurstracks in meine Hütte zurück. Wie eine dieser japanischen Touristen. Es ist nicht auszuhalten im Wald. Hoffentlich regnet es jetzt bald. Fotos namenhafter Bauten kann ich mir auch auf Flickr anschauen.

Das Essen

Mücken verfolgen angeblich die Kohlendioxid-Spur, die man hinterlässt. Doof für mich. Ich atme ja leider permanent Kohlendioxid aus und nicht nur das, jede Pore lässt Kohlendioxid  ab. Da fällt mir ein, dass Mücken angeblich bestimmte Gerüche nicht mögen. Zitrone und Knoblauch. Also koche ich mir in meiner Hütte Knoblauch mit Nudeln und nagele mir überall Zitronenscheiben an die Wand. Ich esse so viel Knoblauch, dass mein Blutdruck sich senkt und ich nur noch sehr langsam tippen kann. 12.30 Uhr. Ich gehe einen Mittagsschlaf machen. Draußen. Das Thermometer im Haus zeigt: Regen. Die Sonne scheint.

Lies auch Tag 1 meines Urlaubs im Wald.

49 Gedanken zu „Die Mücken, der Freizeitstress, die Wanderung“

  1. Du bist nicht allein mit deinen Spinnenängsten. Und wenn die Spinne unter der Klobrille sitzt… und ich mich nicht traue nachzugucken…? Bin mal mit fieser Kellerspinne im Gesicht aufgewacht. ? Ich hab als Kind auch Angst gehabt ein Hai könnte mich in den Allerwertesten beißen während ich auf dem Klo bin. Insofern…

  2. Ich will ja nicht die Hoffnung nehmen, aber das mit dem Knoblauch ist quatsch. Knoblauch hilft nicht. Sagt nicht nur meine Erfahrung, sondern da gab es sogar wissenschaftliche Studien zu.
    Was aber tatsächlich hilft: sich einfach ganz oft stechen lassen. Man wird dann weiterhin gestochen, aber es juckt nicht mehr und wird auch nicht mehr dick. Vielleicht klappt das ja noch in den verbleibenden Tagen.

  3. Och nö – ich bin ja sonst nicht so empfindlich – aber das „wie ein Mann“.. Musste das sein?
    Weil, wir Frauen trinken Kaffee mit Milch & Zucker (Pussy´s halt. Und wir wollen ja auch immer nur das „Frauenbier“. So mit Limo drinne) und waschen uns andauern?

    1. Ja, der Waschen-Witz ist nicht so gut, weil er Erklärung braucht. Tatsächlich ist mir der Gedanke gekommen, weil ich mich sonst nie einfach dusche, abtrockne und Zähne putze und dann fertig bin. Ich dusche mich normalerweise, dann creme ich mich ein, dann föne ich die Haare, dann mache ich mir irgendeine Frisur, dann putze ich die Zähne, dann creme ich wieder irgendwas und dann schminke ich mich. Alles in allem brauche ich min. 30 min und wenn ich das nicht mache, komme ich mir irgendwie nackt vor. Das hab ich mir so antrainiert/gewöhnt, dass die Variante duschen-fertig sich ganz verrückt anfühlte und da ist mir aufgegangen: Männer machen das vermutlich immer so.
      Da wollte ich auf dem Männer-Frauen-Klischee noch ein bisschen rumreiten im Text.

  4. Was ist denn das für ein Wandern wie ein Mann? Da fehlt das Bier!! :D
    Außerdem waschen sich Männer nicht, wenn sie alleine in einer Hütte hausen. Isso. *nickt überzeugend*
    :D :D

    Gruß
    Aginor

  5. Hab Tränen gelacht. Erinnere mich noch gut an meine eigene Reaktion auf diese Gegend; das ist da wirklich SEHR abgelegen. Krasserer Kontrast zu Berlin geht fast nicht.
    Wünsche gute Erholung (denke es braucht keine Erinnerung ans Mückenschutzmittel mehr ;-))

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