Im März hat meine Timeline mir eine Folge eines Podcasts in meine „Muss ich mal reinhören“-Liste gespült. Es war Folge 6, Staffel 8 „Solvejg und Christoph: Zurück in die 50er Jahre?“ des BR-Podcasts „Eltern ohne Filter“.
Mich hat es emotional total mitgenommen wie die beiden über ihr Leben in der Pandemie sprechen und wie unmöglich es geworden ist, ohne Kita und Schulbetrieb das System vollzeitarbeitender Mann mit teilzeitarbeitender Frau (in dem Fall Lehrerin und damit noch mal stärker von der Pandemie betroffen als viele andere Berufsgruppen) mit drei Kindern aufrechtzuhalten, ohne dass eben v.a. die Frau langsam ausbrennt.
Ich habe daraufhin der Redaktion geschrieben, weil ich dachte: Bestimmt geht es ganz vielen Paaren so und irgendwas muss man dem doch entgegensetzen. Irgendwie Hoffnung spenden, weil es geht auch anders, das erlebe ich ja in meiner neuen Beziehung in den letzten sechs Jahren.
Gestern ist die Folge erschienen und der Sendungshost Ruslan Amirov fasst es am Ende ganz großartig zusammen und ich feiere sehr, dass er das tut: Mein Partner und ich leben mit vielen Privilegien und dennoch ist es hart gleichberechtigt und auf Augenhöhe zu leben. Sollte das nicht leichter sein und v.a. sollte das nicht allen Menschen möglich gemacht werden? Gleichberechtigung sollte nicht von Privilegien abhängen. Natürlich nicht. Aber wie weit wir das überhaupt innerhalb eines kapitalistischen Systems erreichen können, in dem Sorgearbeit nichts zählt, weil sie keinen Gewinn, keine Euro erwirtschaftet… ja das ist die interessante Frage.
Komplexes Thema, aber wie es anders gehen kann, ist schon viele Jahre klar. Ich verweise deswegen nur auf das Equal Care Manifest.
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Ganz kleine Ergänzung zur Folge: Mental Load ist für mich erstmal neutral und noch nicht der Erschöpfungszustand. Mental Load ist, wenn man Sorgearbeit in seiner Gesamtheit als Eisberg sieht, der unsichtbare Teil unter der Wasseroberfläche. Der planerische Teil, der nötig ist, damit hinten raus die ganzen konkreten To-Dos rausfallen.
Eine Überlastung entsteht nicht durch Mental Load selbst sondern durch die Ungleichverteilung von Sorgearbeit und der Sicht „Ich arbeite nicht“ wenn man eigentlich sagen will: „Ich leiste 100% Sorgearbeit und gehe nicht erwerbsarbeiten„, deswegen aber leider nie Feierabend, nie Urlaub, nie Ruhezeit und nie Wochenende hat.
Danke für deine Arbeit und deine Texte. Ich freue mich auf mehr von diesem Content.
lg. Sabrina Wolfsberg
Ich möchte inhaltlich nicht allzu tief in die bekannte Diskussion über die faire Entlohnung von Pflegedienstleistungen (wobei Sorgearbeit schöner klingt) einsteigen. Ich arbeite in einem anderen Bereich, musste allerdings in meinem persönlichen Umfeld für mehrere Wochen mehrere Kinder betreuen, Vollzeit arbeiten und Partner zu Hause und später im Krankenhaus pflegen.
Irgendwie hätte es nicht klappen können, aber dank eines netten Arbeitgebers trotzdem (und das bei einem kapitalistischen Großunternehmen ;) ). Stress ohne Ende war es trotzdem. Dabei ist mir aber aufgefallen, das nicht jeder der Typ Sorgemensch ist. Ich habe nach wenigen Wochen mich zusammenreißen müssen, die zu pflegende Person überhaupt noch zu leiden, das hat mich wirklich erschrocken. Entweder ist es eine Fähigkeit, die auch entsprechend entlohnt werden sollte, oder ein Defekt meiner Persönlichkeit. Hier sind wirklich Fähigkeiten gefragt, die nicht jeder Mensch hat und nicht einfach anzutrainieren sind, wie sonstige Qualifikationen. Seitdem sehe ich sorgende Personen mit noch mehr Respekt an, ich kann das nicht (auf Dauer).
In der aktuellen Ausgabe von publik-forum.de ist ein sehr ausführlicher Artikel über Mental Load mit starker Bezugnehme auf Ihr Buch und Leseempfehlung.