Let’s Plays

Let’s Plays? Was ist denn das schon wieder?

Let’s Plays zeigen Personen, die Computerspiele spielen und dieses dabei kommentieren. Das passiert live (z.B. auf twitch.tv) oder aufgezeichnet (z.B. auf YouTube). Let’s Plays gibt es schon seit über zehn Jahren. Auf YouTube erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Im deutschsprachigen Raum sind die meist abonnierten Let’s Player Gronkh (mit fast 5 Mio Abonnenten) und Paluten (ca. 3,3 Mio Abonnenten).

Warum Let’s Plays schauen?

„Mein Mann liebt Let’s Plays und ich würde es ihm gerne abgewöhnen“

Habe ich neulich so als Kommentar gelesen. Ob nun der Mann oder die Kinder gerne Let’s Plays schauen – in bestimmten Kreisen stößt diese Leidenschaft auf wenig Verständnis oder wirft zumindest Fragen auf, denn die meisten schauen Let’s Plays eben nicht, um die Lösung zu einem bestimmten Problem in einem Computerspiel zu erfahren.

Tatsächlich finde ich es aus eigener Erfahrung total nachvollziehbar Let’s Plays zu schauen. Denn ich habe als Kind und Jugendliche Let’s Plays geschaut – nur eben ohne YouTube, weil es YouTube erst seit 2005 gibt.

Mitte der 80er hatte ein Schulfreund von mir einen hochmodernen Computer weil sein Vater beruflich Computerhardware entwickelte. Das Gerät war eine Art Heiliger Gral und zumindest in meiner kindlichen Erinnerung so groß wie der halbe Tisch. Der Computer durfte nur von meinem Schulfreund bedient werden. Nach der Schule bin ich oft zu ihm gegangen und wir haben gespielt. D.h. er hat gespielt und ich habe zugesehen. Ich fand das großartig und hab das viel lieber gemacht als selbst zu spielen. Denn ich war ein sensibles Kind und konnte Spannung, die entsteht, wenn man Computer spielt, nicht gut aushalten. Selbst bei ganz harmlosen Jump n Run Spielen bekam (und bekomme) ich Herzrasen. Hinzu kommt, dass ich selbst nie genug gespielt habe, um Joysticks oder Controller blind zu beherrschen. Mein Skill war meistens viel zu niedrig, um die Herausforderungen von Computerspielen zu bewältigen.

Was gibt es da also besseres als anderen beim Spielen zuzuschauen? Ich kann mir gut vorstellen, dass das bis heute für viele Kinder ähnlich ist. Man kann Erfolgserlebnisse haben, ohne sich selbst abzumühen.

Außerdem kann man natürlich Unmengen von Spielen kennenlernen, die man nie so im Detail kennenlernen würde, wenn man sie alle selbst kaufen ($$$) und durchspielen müsste. Spielen andere das Spiel, kann man gleich kompetent mitreden und steht nicht außen vor. Unter Umständen ist man sogar Expertin, weil man die kniffeligsten Dinge schon kennengelernt hat und deren Lösung kennt.

Und abgesehen davon lernt man natürlich bei Let’s Plays viel. Kind 3.0 weiß gefühlt alles über Minecraft weil es sich stundenlang Let’s Plays anschaut. So kann es beim Selbstspielen einfach loslegen ohne erst durch Trial and Error und damit verbundeen Frusterlebnissen alles selbst zu lernen.

Nicht zuletzt identifizieren sich viele mit den Let’s Play Spielern selbst. Es ist wahrscheinlich genau durch das Format besonders leicht sich in die Person hineinzuversetzen und eine Nähe aufzubauen. Auch sind es v.a. die Kommentierungen, die den Unterhaltungswert darstellen.

Fußball im Fernsehen zu verfolgen ist aus meiner Sicht übrigens nichts anderes. Da mühen sich 2 x 11 Menschen ab, man selbst sitzt bequem mit Chips und Bier im Sessel und hört dem Kommentator zu und weiß alles besser. Die Kommentatoren werden im Laufe der Zeit eine weitere, unsichtbare Person auf dem Sofa mit der man freundschaftlich dem Spiel folgt.

Für Eltern sind Let’s Plays übrigens auch hilfreich, weil sie informieren, wie ein Spiel funktioniert und aussieht. Möchte ein Kind also ein bestimmtes Spiel spielen, können sich Eltern Let’s Plays anschauen. Wie bei Recherchen im Allgemeinen kann ich aber empfehlen immer mehrere Quellen zu nutzen. Es gibt in der Zwischenzeit nämlich extra auf Eltern ausgerichtete Let’s Plays, die nur das von einem Spiel zeigen, das man bedenkenlos erlauben würde. Kinder sind ganz schön clever, wenn es um das Erreichen von Zielen geht.

Über Let’s Plays, Tik Tok und andere Internetphänomene, die Kinder interessieren, spreche ich mit Katja Seide und Danielle Graf in Folge 4 „Digitale Medien“ in ihrem Podcast „Das gewünschteste Wunschkind“ (iTunes Link und Spotify Link). Insgesamt haben die beiden vier Teile zu dem Themenkomplex aufgenommen. Sie beschäftigen sich u.a. mit Elternängsten, Ballerspielen und Impulskontrolle. Hört also unbedingt mal rein!

Ich freue mich jederzeit über Kaffeespenden. Vielleicht nehme ich mal ein "Let's drink" auf. Da könnte ich in blumigen Worten kommentieren wie furchtbar Kaffee oft aus Vollautomaten schmeckt.

65 Gedanken zu „Let’s Plays“

  1. Ich schaue auch immer mal wieder gerne Let’s Plays.
    Vor allem wenn jemand spielt, der es richtig kann. Oft in Spielen aus Genres in denen ich zwar verstehe was abgeht, aber mangels Zeit/Übung nicht auf einem vernünftigen Nivau mitspielen kann.

    Schade finde ich, dass im Gegensatz zum echten spielen natürlich die aktive Komponente ein wenig fehlt, es ist mehr passives konsumieren, wie Fernsehen. Das ist für mich schon ein Minuspunkt, ich finde aktives Spielen ist zu bevorzugen. Aber so zum entspannen und/oder was über ein Spiel lernen, warum nicht? Besser als irgendein Unterschichtsfernsehen oder so.

    Gruß
    Aginor

  2. Ich, Bj. 74, twitche gerne, wenn ich Home-Office praktiziere. Dann gerne im Livestream einer Designerin – let’s paint sozusagen. Ich finde es nett, dass da gerade auch jemand alleine zu Hause hockt, ihren Job macht und ich dabei zusehen kann – mein virtueller Officepartner. Ohnehin habe ich gerne Zeichen-, Mal- und Zockstrams als Hintergrundberieselung, finde das mal lehrreich, mal einfach nur unterhaltsam.

    1. Die führe ich auch immer wieder gerne an, wenn es darum geht., warum ich anderen beim spielen zusehe…

      Gelegentlich kommt dann noch, dass das doch immerhin (!!!) ‚echte‘ sportliche Betätigungen sind, denen man dabei Fußball & Co zuschaut.
      Dieses ‚Argument‘ verstehe ich dann aber irgendwie gar nicht mehr. Macht es das besser? Anders?
      Andere Menschen tun etwas, ich sehe dabei zu und tue es nicht selber. Ist doch exakt das Gleiche.
      Auch Fernsehen/Kino basiert doch größtenteils auf diesem Prinzip. Dass jetzt das eine Anschauungsobjekt besser/schlechter sein soll als ein anderes…mir völlig unverständlich.

  3. Wir haben uns als Kinder schon immer viel gegenseitig zugeschaut.
    Ich zum Beispiel mag gerne realtime Strategie Spiele, bin aber selber total schlecht darin. Mein Cousin war aber super, dass hat immer Spaß gemacht.

  4. Eine tolle Erklärung. Ich selbst mag keine online let’s plays, da fehlt mir die Interaktion, aber schaue seit Jahren dem Mann zu und arbeite durch aufpassen (ich bin die Schatzbeauftragte) und Ideen/Vorschläge indirekt mit. Ich liebe es. Und ganz ohne Herzrasen und Frust!

  5. Mein Mann guckt auch unheimlich gern Let’s Plays und ich persönlich kann dem nicht viel abgewinnen – wenn ich etwas spiele, dann lieber selbst.
    Aber das was du schreibst klingt durchaus sinnvoll, auch gerade in Bezug darauf als Eltern sehen zu können, wofür das Kind sich interessiert.
    Und ich sehe mittlerweile auch bei uns den Vorteil, dass mein Mann durch das Schauen weniger Geld für Spiele ausgibt :)

    Liebe Grüße, Biene

  6. Ich finde es – wie immer – cool, wie elegant du hier den geneigten Lesern (Eltern) Dinge nahebringst, die Vielen arg fremd sein dürften. Das sind halt ganz andere Welten, in denen sich die Kinder manchmal bewegen.

    Persönlich finde ich Let’s Plays eher langweilig und schaue sie nur, wenn ich unbedingt muss. Denn bei World of Warcraft gibt es viele Aufgabenstellungen, die man als Gelegenheitsspieler beim besten Willen nicht bewältigt bekommt.

    Der Sohn schaut die aber gerne und oft.

  7. Danke.
    Wir sind ein sehr Computerspiele-affiner Haushalt und haben einen sehr entspannten Umgang mit digitalen Medien. Aber das mit den Let’s Plays habe ich erst durch deinen Artikel so richtig kapiert.
    Hart du eine Empfehlung für Minecraft let’s plays? Die K1 schaut hasse ich!

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