Alle Rentner doof, außer Omi und Opi natürlich

Damit ein Kind in der Pubertät nicht zum uncoolen Kunstliebhaber wird, empfiehlt es sich bereits ab der Geburt regelmäßig Museen aufzusuchen. Eine Jahreskarte Plus der SMB hilft die Ausgaben hierfür im Rahmen zu halten.
Da Berlin nach den unsäglichen MoMA-Wartezeiten dazu gelernt hat, kann man sich mit Baby sogar in angesagte Impressionistenausstellungen wagen. Theoretisch jedenfalls.
Theoretisch läuft das nämlich so. Irgendwann, wenn man Lust hat in die Neue Nationalgalerie zu gehen, holt man sich eine Eintrittskarte. Auf der Eintritteskarte steht eine Nummer. Anhand der Nummer ermittelt man die Eintrittszeit. Nehmen wir an, man kauft die Karte um neun Uhr und entnimmt der Wartetafel, dass man voraussichtlich eine Stunde später das Museum betreten kann. Daist es naheliegend in der Zwischenzeit einen Latte Macchiato zu sich zu nehmen und dann um zehn gutgelaunt zum Eingang zu gehen.
So, wie gesagt, lautet die Theorie. Doch womit man nicht gerechnet hat, ist die Aggressivität von verzweifelten Rentnern, die offensichtlich kurz vor ihrem Ableben stehen und unbedingt vorher noch in die Ausstellung müssen.
Erste Konfrontationen gibt es, wenn man sich an der Ticketkasse anstellen muss.
„Sie müssen die Reihe schnurgerade fortsetzen, so ist es vorgesehen!“, schreit mich einer an und schubst mich samt Kinderwagen gebissklappernd in die Anstellreihe zurück, denn ich habe versehentlich beim Anstellen einen Winkel von zwei Grad erzeugt.
Vier Kassen sind geöffnet, doch leider muss ich wegen meiner Jahreskarte an die erste. Vor mir ein großes Schild Bitte benutzen sie alle Kassen. Noch bevor ich meinen Hintermann bitten kann, dass er mich überhole und zu Kasse II vorrücke, erhalte ich einen Bodycheck, kippe auf den Kinderwagen und werde an die nächste Kasse gerollt. Als ich von dort zurück möchte, schreit mich der Hinterhintermann an, ich solle mich ganz hinten anstellen, er sei nun an der Reihe. „Ekelhafte Jugend. Kinderwagenwegversperrer. Zumutung, dreiste Vordränglerin!“ So werde ich wieder ans Ende der Schlange bugsiert.
Drei Runden muss ich machen bis ich endlich an der Zielkasse bin. Hundert Wartenummern hat es mich gekostet, doch einen Säugling habend, habe ich einiges an Geduld und Güte dazu gewonnen.
Ich erhalte eine Nummer, die mir sagt, dass ich noch eine halbe Stunde Zeit habe einen Kaffee trinken zu gehen.
Als ich wiederkomme, säumt eine Warteschlange die Neue Nationalgalerie.
Wohlerzogen frage ich den letzten Wartenden, welche Nummer er hat. Meine plus 150. Ich entschließe mich nach vorne zu gehen.
Ich fühle mich dabei wie Steve Jobs, der 1997 unter Buhrufen seine Kooperation mit Microsoft bekannt gibt. Glücklicherweise hat niemand faule Eier oder alte Tomaten dabei.
Einige Rentner versuchen mir den Weg zu versperren, doch ich bin schneller und umrunde sie mit meinem wendigen Kinderwagen.
Vorne angekommen, teilt mir der Museumswärter mit, dass ich prinzipiell rein könne, man aber vermute, dass es noch andere mit noch niedrigeren Nummern in der Schlange gäbe und man deswegen jetzt doch lieber der Reihe nach einlasse.
Hinter mir wird geklatscht. Eine stark geschminkte Buckelige zerrt mich mit knochigen Fingern nach hinten. Welch Triumph! Rein kommt, wer ansteht. So ist es seit jeher gewesen. So wird es immer sein. Das ist das Gesetz. Wartenummern! SMS-Service! Anstellen lautet die Devise.
„Nicht mit mir meine Damen und Herren!“, kreische ich. Der Geduldsfaden ist gerissen, „Projektmanagerin war ich in meinem Leben vor der Mutterschaft!“.
„ALLE DAMEN UND HERREN MIT DER NUMMER 290 bis 340 VORTRETEN, ALLE ANDEREN ZURÜCK!“
Ich rolle meine Infobroschüre zum Wartesystem zum Sprechrohr.
Fünfzig Falschwarter sind ob der Aussicht auf baldigen Einlass plötzlich meine Verbündeten. Es gibt eine kurze Revolte. Ein Paar Brillen gehen zu Bruch und am Ende liegt eine einsame Perücke am Asphalt, doch was soll ich sagen. Nummer 290 bis 340 und ich, wir sind drinnen!
Nur das Kind, das findet Impressionisten doof. Die Farben zu blass, die Landschaftsmotive der plein air zu öde. Rodinskulpturen zu düster.
Wir gehen.

Linklisteneröffnung

Natürlich habe ich in der Schwangerschaft keine Sackleinen getragen, sondern Unmengen an Geld ausgegeben halbwegs attraktiv zu bleiben. Da mir aufgefallen ist, dass es einige Leserinnen in guter Hoffnung gibt, hier eine Liste von Läden, in denen man glücklich und arm werden kann:

9 Monate Berlin

Formes

Jibboo

Klamutter

Mia Nana

Mother

Punkt und Pünktchen

Sexymama

Dicke Dinger

Ohne Laden gleich bestellen bei Mamarella

Bei den meisten gibt es übrigens auch Still-BHs und praktische Stillmode, die es nicht nur ermöglicht das Baby dezent zu säugen sondern auch den Ex-Schwangerschaftsbauch ansehlich kaschiert.

Es werden folgen: Linkliste zu Baby & Berliner Museen, Linkliste zu arm werden mit schönen Babydesignerklamotten und Linkliste zu Secondhandläden

Der garstige Anblickszwilling

Gestern fragt mich eine Wurstverkäuferin doch tatsächlich, ob es mir irgendwie nicht gut geht. Das muss man sich mal vorstellen! In Berlin!
Ja was solls, mag der Leser aus der Provinz sagen. Ne, ne, ne!
Wer in Berlin lebt, der weiß wie scheiße man aussehen kann. Augenränder, eitrige Pickel, Ekzeme, offene Wunden. Alles kein Grund jemanden anzusprechen, dass er schlecht aussehe.
Das geht mir durch den Kopf, als die Fleischereifachverkäuferin mich mitleidig über den Tresen anblickt und versonnen ihr Mett streichelt.
„Hach, danke mir geht’s aber nicht schlecht,“ fletsche ich mein bestes gekünsteltes Lächeln.
Sie schüttelt den Kopf „Wollen se vielleicht ein Glas Wasser, se sehen wirklich nich jut aus.“
„Mir geht es hervorragend, aber danke für ihre Sorge,“ wieder versuche ich den Eindruck des frischen Frühlings in Person zu machen.
„Se sinn doch öfter hier, hm? So mit schwarzer Felljacke sons?“
„Hab keine Felljacke, sie verwechseln mich wohl.“
„Ach?“
„Ja.“
„Na die andere sieht aber echt besser aus, wa?“
„Vielen Dank auch.“
„Nu wenn et ebben so is?“
[…]
„500 Gramm handwarmes Fleischmett mit Zwiebeln bitte.“

Stefan1972 sucht…

Dass Hip Hop sich als Musikrichtung durchgesetzt hat, hat vielerlei Gründe. Allen voran, so nehme ich an, ist die Parkplatzsituation in Großstädten zu nennen.
Gegner der öffentlichen Verkehrsmittel loben ihr Auto meistens aufgrund einer für mich nicht nachvollziehbaren Flexibilität. Gemeint ist damit der Umstand, dass man von der Arbeit rund vierzig Minuten Fußweg zum geparkten Auto läuft und sich dann weitere zwei Stunden durch den schleppenden Berufsverkehr quält, um schlussendlich den eignen Kietz auf der Suche nach einem Parkplatz vorm Haus durch stundenlanges konzentrisches Kreisen wieder zu verlassen, um am Ende wieder in der Nähe der Arbeitsstätte zu parken, wo es nach Feierabend schließlich reichlich Parkmöglichkeiten gibt.
Um das Ganze erträglicher zu machen, hört man Arm aus dem Fenster baumelnd P. Diddy und nickt sich im Takt der Musik in einen meditativen Gelassenheitszustand und erkennt dabei nicht mal, dass das Eigentliche was einem an der Musik gefällt, die eingespielten Samples sind, die einem schon Ende der siebziger Jahre gefallen haben, als man noch walkmanhörend auf dem Fahrrad in die Schule fuhr.
Um nun sowohl Hip Hop als auch der nervtötenden Parkplatzsuche ein Ende zu bereiten, habe ich ein Online-GPS-Parkplatz-Swap-Community-System erfunden, denn man darf nie aus dem Kopf verlieren: den Parkplatz, den man gerade irgendwo aufgibt, möchte gerne jemand anderes haben.
Man braucht dafür nur ein GPS-fähiges Handy, einen Internetzugang und los geht’s. Man registriert sich in meiner neuen Online-GPS-Parkplatz-Swap-Community unter www.Super-Cleveres-Online-GPS-Parkplatz-Swap-Community-System.de an und meldet dort fünfzehn Minuten bevor man losfährt seinen aktuellen Standpunkt und gibt ein Gesuch für die Zielposition auf. Das kann dann z.B. so aussehen:
„Stefan1972 gibt 17.13 Uhr voll legalen Parkplatz in der Rykestraße, Prenzlauer Berg, Berlin, auf und sucht Parkplatz am Boxhagener Platz, gerne mit Parkverbot ab 8.00 Uhr.“
Wenige Sekunden später meldet sich Sammy_Sahne mit dem komplementären Angebot und der Tausch ist perfekt.
Eine Mitgliedschaft in meiner Onlinecommunity kostet nur 50,00 € im Monat. Das ist im Vergleich zu den ganzen Falschpark- und Abschlepptickets, die man andernfalls ausgeben muss, ein echtes Schnäppchen. Ganz zu schweigen, dass man aufgrund der GPS-Ortung auf jeden Fall sein Auto wieder finden kann. Das ist eigentlich unbezahlbar.

Put your phones in the air for Germany

Vor noch zwei Jahren wäre ich gestern auf dem Depeche-Mode-Konzert in der Waldbühne gewesen. Leider stellte ich nach dem letzten und somit ca. zehnten Depeche-Mode-Konzert in Folge fest, dass ich keine Depeche-Mode-Konzerte in meinem Leben mehr brauche. Die neue Platte ist unerträglich und die Publikumsreißer der Achtziger, die sonst gespielt werden, hängen mir zu den Ohren raus.
Also war ich gestern beim Black Eyed Peas Konzert, zu dem ich sogar meinen Brit-Pop-Freund überreden konnte. Schön sah er aus, mit seiner Brit-Pop-Frisur unter den ganzen Yo-Man-Hip-Hop-Jogginganzugträgern.
Mit Rücksicht auf unser Alter hatten wir Sitzplätze in der Rentner- und Familienloge erworben. Wunderbar. Neben uns total aufgeregt kichernde präpubertierende Mädchen mit Deutschlandflaggennagellack: „Geht’s jetzt los Papa? Geht’s jetzt los?“. Hinter uns verpickelte Typen, bei denen ich befürchtete, dass sie aufgrund ihres überhöhten Testosteronwertes jeden Moment ejakulieren könnten „Yoyo I wanna see your boobs, ha, ha“. Vor uns freie Sicht auf die Bühne und mit uns die Angst, welche Konzerte wir wohl mit unseren Kindern besuchen werden müssen.
Die Mädchen machten sich vor Begeisterung fast in die Hose, trauten sich jedoch nicht aufzustehen und zu tanzen. Folglich mußten die Väter das Ganze vormachen, damit sich die Kinder locker machen konnten. Ich will mir die Qualen gar nicht ausmalen, wenn ich eines Tages zu Tokio Hotel oder schlimmeren (Virgina Jetzt!) Begeisterung heucheln muss.
Die schlecht vermarktete World-of-Football-Arena blieb bis zum Ende nur halb voll. Aber was soll man anderes erwarten, bei einem Projekt, dass sich auf einer ausschließlich flashbasierten (Version 7.0) Seite präsentiert.
Die Vorgruppe war grauenerregend langweilig und der darauffolgende Umbau dauerte eine weitere halbe Stunde. Kein Wunder also dass der Großteil der erfahrenen Berlinkonzertbesucher erst um 21.30 Uhr erschien. Eine weitere Viertelstunde später ging es los und schon nach den ersten zehn Sekunden war klar, das Warten hatte sich gelohnt.
Insgesamt spielten die Black Eyed Peas rund 1.5 Stunden, in denen sie wiedererkennbar ca. sieben Lieder performten. Der Rest war Improvisation oder Abwandlungen von anderen bekannten Liedern. U.a. zu meiner großen Freude Sweet Child of Mine von den Guns and Roses und Jump Around von Cypress Hill House of Pain.
Dafür liebe ich die Black Eyed Peas. Auch für ihre instrumentelle Untermalung der Lieder mit E-Gitarren, Schlagzeug, Saxophon und Trompete, die mindestens 70% tatsächlich live eingesetzt wurden. Fergie hat eine Stimme die man eigentlich nicht als Stimme sondern als Organ bezeichnen muss (Wie gerne würde ich Sweet Child of Mine hochladen, wäre es nur nicht so furchtbar verboten!) und Will.I.Am atmet ganz offensichtlich ausschließlich durch die Ohren. Zu meinem Erstaunen sind Apl.de.ap und Taboo zu 80% optisches Beiwerk und singen so gut wie gar nicht. Die Bandmitglieder haben während ihres Auftritts eifrig gefilmt und fotografiert und kündigten an, dass das Material bald auf deren offizieller Seite zu bewundern sein wird.
Sehr schönes Sommerkonzert mit einer sehr publikumsnahen Band, das mir mal wieder mein Alter vor Augen geführt hat. Statt Feuerzeuge, werden jetzt nämich Handys in die Luft gehalten. Unglaublich!

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