Am Wochenende hatte ich kinderfrei und wenn ich eins liebe, dann tagsüber Serien zu schauen (was ja mit Kindern nicht geht). Unter der Woche nach 20 Uhr (meist ist es eher 21 Uhr ehe ich mit allem fertig bin) bin ich meistens so müde, dass ich doch irgendwann einschlafe – egal wie spannend die Serie ist, die ich gerade schaue.
Am Sonntag also endlose 14 Stunden Zeit Serien zu schauen. Problem war nur: Die aktuelle Folge The Good Wife hatte ich schon gesehen, ebenso alle Folgen Limitless, Better Call Saul gab es aktuell von der 2. Staffel nur eine Folge… ich weiß gar nicht wie ich dann drauf gekommen bin, aber ich bin auf Netflix (erneut, wie ich dann feststellen sollte) auf Black Mirror gestoßen. Eine kurze Frage in meine Timeline: Black Mirror – yay or ney? Ergab 28 Mal: unbedingt schauen mit diversen Warnhinweisen, dass die Serie wirklich ans Gemüt ginge.
Ach was, ans Gemüt geht mir kaum was, das Gemetzel in Game of Thrones nicht, auch das bei Breaking Bad nicht und überhaupt*.
Die Beschreibung der ersten Folge Black Mirror macht einem höchstens Angst, weil sie maximal doof und uninteressant formuliert ist: „Premierminister Michael Callow hat mit einem schockierendem Dilemma zu kämpfen, als Prinzessin Susannah, ein geliebtes Mitglied der Königsfamilie entführt wird.“
Warum das in das Genre Sci-Fi und Fantasy einsortiert ist, erschließt sich beim Lesen der Beschreibung nicht.
OK, klang also erstmal nicht so als ob ich das unbedingt sehen möchte. Wir starteten die Folge und da Netflix sich merkt, welche Serien und Filme man schon gesehen hat und wo man als letztes war, zeigte sich: Ich hatte die ersten 15 min der Folge „Der Wille des Volkes“ bereits gesehen und anscheinend vor Langeweile oder Unverständnis abgeschaltet.
Nun denn: meine Timeline – völlig einheitlich: Schau Dir die Serie an. Ich mache ja grundsätzlich was meine Timeline sagt…
Montag Abend hatte ich dann alle 3 Staffeln (2 Staffeln à 3 Filme und einen Zusatzfilm nach der 2. Staffel) fertig geschaut.
Zur ersten Episode schreibt Felix Schwenzel sehr treffend:
„ich gebe 5 sterne, weil mich diese folge sehr beeindruckt hat, trotz einiger, kleinerer inszenatorischer schwächen und gelegentlicher unerträglichkeit.“
Ich bin ja sonst nicht so mit Spoilern, aber tatsächlich möchte ich über den Inhalt der einzelnen Folgen nichts verraten. Was mich nicht daran hindern soll zu sagen: Diese Serie ist das Beste, was ich an Dystopien je gesehen habe.
In der Regel bin ich von Kulturpessimismus sehr genervt. Es wiederholt sich ja seit Jahrhunderten das Gejammer, dass eine neue Technologie die Jugend verroht, die Menschen dumm macht, die Zukunft schwarz, den Untergang der Kultur bedeutet. Sei es nun der Buchdruck, das Fernsehen, das Internet oder sonst irgendwas. Schnell sind die Kulturpessimisten auf der Matte und predigen das Ende des Abendlandes.
Black Mirror zeichnet eine Zukunft (eine nahe), die so nach meiner Auffassung durchaus eintreten könnte. Alles ist da: die Technik, das Internet, die ganzen Plattformen wie Twitter und Co., die Medien, die Gier nach Views und die Haltung „Die Menschen sind eben so, wir geben ihnen nur, was sie wollen.“ Meine Gegenwart – nur ein ganz klein wenig weiter gesponnen.
In jeder Folge wird ein ekeliges Phänomen unserer heutigen Zeit (z.B. die Castingshows, Werbeeinblendungen, sensationslustige Medien, Reality Shows…) beleuchtet und auf eine Weise auf die Spitze getrieben, die mir beim Zuschauen teilweise Bauchschmerzen gemacht hat (und zwar echte, nicht metaphorische).
Folge 3, Staffel 1 „Das transparente Ich“ fand ich wirklich sehr, sehr beunruhigend. „Böse neue Welt“ (2. Teil, 2. Staffel) hat mir Alpträume beschert. Bei „White Christmas“ war mir dann durchgehend schlecht. Gerne würde ich meine Hände auf meine Ohren legen, um so zu verhindern, dass mir mein Ich… aber lassen wir das. Ich will schließlich nicht spoilern. Diesmal wirklich nicht.
In mir bleibt das Gefühl, dass ich jede Folge mit meinen Freundinnen und Freunden nachbesprechen möchte. Am liebsten wäre mir eine kleine Selbsthilfegruppe, ein Stuhlkreis, in den ich kommen kann und sagen kann: „Hallo, mein Name ist Patricia Cammarata und ich möchte über die furchtbare Zukunft sprechen. Vorher möchte ich aber umarmt werden.**“
Also – setzt euch und erzählt mir von euren Gefühlen (fast hätte ich jetzt einen Smiley getippt UNTERGANG DER KULTUR!!!1!) zu Black Mirror.
*Ich mache halt immer die Augen zu, was oft bedeutet, dass ich so 40-50% der Folge nicht sehe.
**Ich mag ja keine Menschen, aber in dem Fall würde ich eine Ausnahme machen…
P.S. Ende September 2015 gab der US-Streamingdienst Netflix bekannt, dass er eine dritte Staffel von Black Mirror mit insgesamt 12 Episoden bestellt hat und produziert*
P.P.S. Für die Serie spricht übrigens auch die große Diversity und die in meiner Wahrnehmung sehr gleichberechtigten und sichtbaren Frauenrollen. Das nur am Rande.