Schöne Kinderbücher

Gerne lasse ich mich ausführlich darüber aus wie schrecklich ich die meisten Kinderbuchserien finde. Allen voran Conni. Conni das Mädchen, das mich zu Tode langweilt. Conni, Conni, mit der Sch****e im Haar! Kind 3.0 liebte Conni. Ich musste alle Conni-Bücher immer und immer wieder vorlesen.

Ich hab mich immer damit aufgebaut, dass es der Kinderseele gut tut völlig vorhersehbare Geschichten in Dauerschleife vorgelesen zu bekommen. Sie lernen ja erst wie die Welt funktioniert. Wenn sie dann selbst Vorhersagen über die Zukunft, zumindest im Rahmen der Vorlesegeschichte machen können, wenn sie sich also einen stabilen Erwartungshorizont bilden können und dann wirklich eintritt, was sie vorausdenken, dann stabilisiert das das Selbstbewusstsein.

Wie glücklich und dankbar bin ich deswegen, wenn uns Kinderbücher in die Hände kommen, die nicht nur den Kindern beim Vorlesen Freude bereiten. (Eine zuverlässige Quelle für Inspirationen beim Kinderbuchkauf sind übrigens die Empfehlungen von Rike Drust. )

Erst kürzlich wurde uns „Das große Buch vom Räuber Grapsch“ geschenkt und dazu muss ich jetzt unbedingt schreiben. Räuber Grapsch, das sind eigentlich mehrere Bücher, geschrieben von Gudrun Pausewang. Ein Kinderbuchklassiker, wie mir gesagt wurde. Offensichtlich einer, den ich komplett verpasst habe – auch als Kind.

Gudrun Pausewang war mir zumindest ein Begriff als Autorin. Von ihr stammt auch das Buch „Die Wolke„, das ich damals in der Schule gelesen habe und das mich sehr stark beeindruckt und emotional mitgenommen hat.

Zurück zum Räuber Grapsch. Als ich das Inhaltsverzeichnis gelesen habe, bin ich davon ausgegangen, dass mich eine Geschichte nach Art Räuber Hotzenplotz erwartet:

„Der Räuber Grapsch mit seinen zwei Metern Länge und dem struppigen Bart sieht wirklich zum Fürchten aus. Besonders klug ist er nicht, aber dafür sehr stark. Weder Fledermausdreck in der Suppe noch Eiszapfen in seiner Räuberhöhle können ihn aus der Ruhe bringen. Und wenn er Stiefel braucht, dann raubt er sie sogar dem Polizeihauptmann persönlich! Alle Leute haben vor ihm Angst, bis sich eines Tages Olli in seinen Wald verirrt – und sich keineswegs vor ihm fürchtet. Sie wird sogar seine Räuberfrau. Dazu muss er sich aber erst mal bei Ollis Tante vorstellen, was gar nicht gut läuft … Die witzig-skurrilen Geschichten über den furchtlosen Räuber, von Rolf Rettich mit viel Detailfreude illustriert, sind längst ein Klassiker geworden.“

Dass ich ein großartiges Buch über die Liebe, Freundschaft, Verlust und Tod in den Händen halte, das zudem noch sehr, sehr lustig ist, hätte ich nicht gedacht.

Wenn mich Bücher begeistern, dann möchte ich sie gerne anderen Familien schenken. Ich steuerte deswegen Amazon an und bin über eine Rezension gestolpert, die mich sehr amüsiert hat:

anfangs war ich etwas genervt von der heteronormativen darstellung der frau olli, die kaum in der höhle sämtliche hausarbeiten an sich reißt, aber nach und nach wird doch ein bild entworfen von einer sehr ausgewogenen beziehung zwischen den beiden. kein heiteiteibuch, sondern irgendwie erfrischend lebensnah.

Denn genau das trifft auch meine Empfindung. Ohne ein paar Jahre Twitterbeschallung, wäre mir der Begriff heteronormativ um Zusammenhang mit einem Räuberbuch vermutlich nicht in den Sinn gekommen, aber jetzt passt es einfach.

Denn das Räuberbuch dreht sich in großen Teilen um die Beziehung von Räuber Grapsch und einer sehr kleinen Frau namens Olli. Olli ist fasziniert vom großen, wilden und starken Räuber Grapsch. Oberflächlich gesehen erfüllt er alle Männlichkeitsklischees, die man sich denken kann.

Grapsch führt ein freies Räuberleben, jenseits gesellschaftlicher Strukturen und lebt in den Sümpfen in einer Höhle im Wald. Olli ist gefrustet von ihrem gutbürgerlichen Leben, in dem sie als Fabrikarbeiterin tagein tagaus Sparschweinchen bepinselt. Als sie durch Zufall den Räuber Grapsch kennenlernt, fühlt sie sich zu ihm hingezogen, denn er besitzt alles, was sie nicht hat: grenzenlose Freiheit.

Kaum sind die beiden ein Paar, zieht sie zu ihm in die Räuberhöhle und plötzlich muss aufgeräumt werden, die Fledermäuse stören und der Räuber soll bitteschön seinen Beruf an den Nagel hängen und rechtschaffen werden. Wie zu erwarten durchleben die beiden viele Konflikte. Doch was sie beide verbindet ist eine tiefe Liebe, die ihnen ermöglicht die schönsten Kompromisse auszuhandeln.

„Aber Fledermäuse und Sauberkeit, das verträgt sich nicht“, sagte [Olli] eigensinnig.

„Du bist hier nicht mehr bei deiner Etepetete-Tante“, rief [Räuber Grapsch]. „Du lebst jetzt in einer Räuberhöhle!“
„Und warum solles ncht auch saubere Räuberhöhlen geben?“, fragte sie. „Ich will jeenfalls keinen Fledermausdreck in meiner Suppe haben.“
„Dann iss du draußen“, brummte er. „Ich esse drin. Und die Fledermäuse bleiben in der Höhle.“
Es regnete. Olli konnte die Suppe nicht vor der Höhle löffeln. Trotzdem fiel ihr kein Dreck in den Teller, denn sie spannte ein Tuch unter den Fledermäusen aus, genau über dem Tisch. Da konnte nichts mehr fallen. Und sie versöhnten sich wieder

S 50/51

Oh, es klingt so kitschig und spießig, aber es hat mir wirklich das Herz erwärmt wie die beiden immer wieder erkennen, dass sie sich gegenseitig so lieben, weil sie sind, wie sie sind und dass sie versuchen aufeinander zuzugehen, so dass es beiden gut geht. Sie handeln ihre Beziehung aus und wachsen miteinander. Sie lernen ihre Beziehung zu pflegen und wertzuschätzen und überwinden so alle Hindernisse, die das Leben ihnen in den Weg stellt.

Ich mochte auch die Botschaft, dass es nie die EINE richtige Lösung gibt, sondern dass es immer viele Lösungen gibt, auf die man ohne das miteinander reden nie gekommen wäre.

Würde ich jetzt Kind 3.0 fragen, um was es bei Räuber Grapsch geht, würde mir das bestimmt nicht sagen: „Top Beziehungsratgeber!“. Es war einfach amüsiert und gespannt, was der Räuber so erlebt, ob ihn die Polizei schnappt und konnte einige Male einwenden, dass der Grapsch wohl gar nichts von ordentlicher Kindererziehung wisse.

Zugleich kann ich aber versichern, dass sowohl Kind 3.0 als auch ich mehrere Male laut gelacht haben beim Lesen.

[Olli und Grapsch brauchen eine Säge]
„Du, ich hab eine Säge!“
„Geraubt, was?“ sagte sie, ohne sich umzudrehen.
„Was sonst?“, fragte er gereizt. „Es ist sogar eine Motorsäge. Allerdings hängt ein Waldarbeiter dran. Er will die Säge nicht hergeben, was machen wir mit ihm?“
Olli warf einen Blick hinter sich. Tatsächlich zerrte ein finster dreinblickender Mann an der Säge, die Grapsch in den Fäusten hielt. „Ganz einfach“, sagte sie. „Zeig ihm die Bäume, die er fällen soll [und dann lass ihn wieder laufen.] Samt der Säge.

S. 158

Auch der Fäkalhumor kommt nicht zu kurz und selbst das Männlichkeitsklischee wird nach und nach aufgelöst. Denn der Räuber wird Vater und bekommt Gefühle:

Als Max Kartoffeln und Rührei auf Grapschs Teller häufte, winkte der Räuber traurig ab und wischte sich mit seinem Bart über die Augen.
„Du hast keinen Hunger?“, rief Max bestürzt. „Dann geht’s dir schlecht. Erzähle! Kratz dir’s von der Seele, Mann!“
Da geschah etwas Unglaubliches: Grapsch, der riesige, haarige Kerl fing an zu weinen. Er weinte so heftig, dass sein Bart troff und das Rührei vom Tisch geschwemmt wurde. Vor Rührung weinte Max mit.“

S. 207/208

Kind 3.0 hat lediglich kritisiert, dass Olli und Grapsch ständig Kinder bekommen, ohne dass ausführlich Sexszenen beschrieben werden. Das sei irritierend, man wird schließlich nicht einfach so schwanger.

Also langer Rede kurzer Sinn: Wer den Räuber Grapsch noch nicht kennt, der sollte ihn kennenlernen.

Eintopf-Monopol

Eine Woche lang wachen wir mit der Sonne auf und werden müde wenn sie untergeht. Dazwischen strahlend blauer Himmel. Wenn wir die Fenster unserer Unterkunft öffnen, hören wir das Meer rauschen – ganz selten mal eine Möwe schreien.

Die Siedlung ist so leer, dass ich nach einigen Tage google, ob wir gerade wirklich Winterferien haben oder ob ich mir das nur ausgedacht habe. Alles hat geschlossen – selbst die Cafés, die Google als „geöffnet“ angibt. Wenn man anruft, nimmt meistens jemand den Hörer ab und vertröstet uns auf Ostern. Die nächste Einkaufsmöglichkeit ist drei Kilometer entfernt. Ein kleiner EDEKA mit Bäckerei. Wochentags geöffnet von 7 bis 13 Uhr. Wenn man reinkommt, wird man mit „Moin, Moin“ begrüßt. Ich bestelle Brötchen fürs Frühstück und Butterkuchen für den Nachmittag. Auf einem Schild steht „Cappuccino – 2 Euro“. Tatsächlich sehe ich auch eine Maschine. „Einen Cappuccino hätte ich gerne noch.“ „Cappuccino haben wir nicht“, sagt die Verkäuferin „erst Ostern wieder. Filterkaffee könnense haben.“ „Ok, dann einen Filterkaffee bitte.“ Ich habe keine Erwartung an den Kaffee. Er soll mich nur wärmen. Während ich in meinem Kaffee rumrühre, kommt ein zweiter Kunde: „Moin, Moin“ grüßt man sich wieder. „Na, Sandra? Wie gehts?“ „Muss ja“, sagt Sandra „Und Dir Jörgen?“ „Ich muss zum Zahnarzt. Aber nur Kontrolle.“ Sandra und Jörgen schweigen sich kurz an. „Wie immer, Jörgen?“ Wie immer.“ „Ich musste heute kratzen. Von innen. Das hatt‘ ich noch nie.“ „Is kalt“, bestätigt Jörgen.

Ich nehme meinen Kaffee und meine Brötchen, stopfe alles in meinen Rucksack. Während wir wieder die drei Kilometer am Strand zurück laufen, fällt mir auf, dass das Boot an Strandaufgang 26 „Sandra“ heißt.

Die Sonne steht noch tief, sie macht unsere Schatten lang. Die Luft ist klar und ich stelle fest, wie wunderschön ich das Meer finde. An Wald und Bergen sehe ich mich schnell satt. Es dauert keine zwei Tage und da habe ich das Gefühl: Kenn‘ ich einen Baum, kenn‘ ich alle. Mit dem Meer ist es anders. Ich kann mich an der Weite nicht satt sehen. Der unverstellte Blick, das Wasser mal dunkelblau, mal schwarz, mal klar, mal eine braune Brühe.

Ich blicke auf den Boden. Überall Muscheln und Steine. Als Kind wollte ich immer Bernstein finden, dabei ist Bernstein so häßlich. Orangenes, fossiles Harz. Immerhin brennt er. Viel schöner sind glatt geschliffene Glasscherben, trüb, in braun, milchig weiß, grün. Ich nehme sie alle hoch, betrachte sie und stecke sie mir in die Manteltasche.

Am Nachmittag laufen wir wieder am Strand entlang, diesmal noch weiter im Westen. Drei Stunden lang. Die Häuser hinter dem Damm stehen alle leer. Aus den Kaminen steigt kein Rauch auf. Wie es hier wohl im Sommer aussieht? Obwohl ich meinen wärmsten Mantel und mehrere Schichten Kleidung trage, bin ich irgendwann durchgefroren. Was gäbe ich jetzt für eine warme Suppe. Das nächste Restaurant, das geöffnet hat, gehört zu einer Klinik. Uns kommen ältere Damen mit Rollatoren entgegen. Die Tische und Stühle sehen aus wie in allen Alten- und Pflegeheimen, die ich bereits besucht habe. Helles, abgerundetes Holz, die Bezüge irgendein Farbton zwischen Lachs und Pflaume.

Ich trete an den Tresen und frage: „Was haben sie denn Warmes zu essen da?“ „Pichelsteiner Suppe.“ Ich warte noch ein bißchen, aber Pichelsteiner Suppe bleibt die Antwort. Kein und – keine Aufzählung. Pichelsteiner Suppe. „Was ist Pichelsteiner Suppe?“, frage ich. Die Frau hinter der Kasse sieht mich entgeistert an. „Ein Eintopf mit Kohl.“ „Dann hätte ich gerne eine.“ Die Frau nickt, verschwindet in der Küche und reicht mir einen Eintopf mit Kohl, Möhren und Fleischstücken. Ich zahle, setze mich an einen der Plätze und denke darüber nach, wie das Leben hier ist.

In Berlin wird man von der Auswahl erschlagen. Welches Restaurant hat nur eine Suppe, geschweige denn ein einziges warmes Gericht? Ich hasse eigentlich Auswahl, wenn ich ehrlich zu mir bin. Monopole sind an sich eine gute Sache. Der EINE Stromanbieter, der EINE Mobilfunkanbieter, die EINE Versicherung. Wie viel Lebenszeit würde ich sparen, wenn ich vor jeder Entscheidung tagelang Features und Preise vergleichen müsste. „Guten Tag, was kann ich für sie tun?“ „Ich habe Hunger.“ „Schön, setzen sie sich, ich bringe ihnen unser Gericht.“ Unvorstellbar.

Ich weiß auch gar nicht, ob ich das aushalten würde. Was wenn ich nicht mehr zwischen Bao Burger, Sushi, Bibimbap und Shakshuka entscheiden kann? Ich glaube meine Seele braucht die Möglichkeit theoretisch die Wahl haben zu können. Am Ende gehe ich dann doch immer in den selben Laden und rege mich innerlich auf, wenn es mal anders als sonst schmeckt.

Apropos aufregen. In unserer Siedlung sind wir wirklich die einzigen. Gleich hinter dem Damm gibt es keinen Durchgangsverkehr. Keine Restaurants, keine Imbisse, keine Supermärkte und auch sonst keinen Grund hier vorbei zu fahren. Absolute Stille. Als am Donnerstag die Müllabfuhr durch das Viertel rollt, bekomme ich fast einen Nervenzusammenbruch. Was soll dieser Krach? Was ist hier los??? Eine Stunde später fährt sogar ein fremdes Auto durch unsere Straße. Nicht auszuhalten! Interessant dass sich die Sensorik je nach Angebot anders eicht.

Putz doch mal

So sieht es auf meinen Arbeitsflächen nie aus! Ich hasse Krümel auf Arbeitsflächen!

Die Mär der unterschiedlichen Sauberkeitsstandards ist vielleicht gar keine Mär, habe ich mir neulich beim Nichtputzen überlegt. Für meinen Teil ertrage ich z.B. Krümel und anderen groben Dreck auf dem Boden außergewöhnlich gut. Ich laufe meist ohne Hausschuhe durch die Wohnung und kann ihn deswegen ganz gut fühlen. Schnell hat man sich Maiswaffelreste oder eine vom Wind verwehte Knoblauchschale eingetreten. An pedantischen Tagen pule ich sie von der Fußsohle und werfe sie in den Müll. An entspannten Tagen schnipse sich sie einfach in die Weiten des Raumes, in dem ich mich gerade befinde.

Eine Freundin von mir, deren Wohnung ich jetzt auch nicht für instagramtauglich halten würde, kann Krümel nicht ertragen. Nach jedem Essen kommt sie mit einem besenartigen Gebilde, das vorne eine Art Schwamm angeschnallt hat und fegt. Aus den Fenstern kann man kaum schauen, die Kacheln im Bad haben bei genauem Hinsehen kleine Kalk-Stalaktiten. Auf dem Boden kann man jedoch zweifelsohne Operationen durchführen.

So scheint jede/r Dreck zu haben, der entweder wahnsinnig oder überhaupt nicht stört. Für meinen Teil liebe ich blitzeblanke Arbeitsflächen (weswegen ich sehr gerne von dort auf den Boden fege). Das finde ich sehr hygienisch.

Manchmal wenn ich sinnierend in meiner Küche sitze und Kaffee trinke schaue ich auf den Dreck und denke: „Wie glücklich ich mich schätzen kann, dass mein Partner diesen Dreck so gut ignorieren kann.“ Hui! Da erschrecke ich mich vor meinen Gedanken selbst. Denn eigentlich sagt das gar nicht mein Kopf sondern die Stimme meiner Mutter, die lobt, dass mein Partner so tolerant mit meiner Unordentlichkeit umgeht.

Tatsächlich glaube ich, dass es meinem Partner herzlich egal ist, wie es bei mir aussieht. Ich traue ihm sogar zu, dass er, sofern er sich gestört fühlte, selbst einen Staubsauger in die Hand nehmen könnte.

Um ehrlich zu sein, ich meine, ich habe noch nie einen Mann in meinem Freundeskreis getroffen, der viel Wert auf Sauberkeit gelegt hätte – im Sinne von – es soll sauber sein, aber dafür ist die Frau zuständig. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend oft davon gehört, dass Haushalt und Sauberkeit meine Aufgabe sein würde, aber als ich dann mit 17 ausgezogen bin, ist mir kein Mann begegnet, der verlangt hätte, ich solle doch bitte mal putzen.

(Vielleicht hatte ich einfach Glück weil sie allesamt schlampiger waren als ich)

Ich muss dazu sagen, seit die Kinder geboren sind, ist es schon immer einigermaßen ordentlich bei mir. Früher war das anders. Ein Ex-Freund hat sich bei einer meiner Freundinnen im Smalltalk mal erkundigt, ob bei mir das Geschirr immer noch in der Spüle schimmele.

Tut es seit Jahren nicht mehr. Ich war mir des Problems durchaus bewußt und habe damals einfach mein Geschirr reduziert. Wer nur ein Glas hat, muss das Glas spülen bevor er es (wieder) benutzen kann. Klug bin ich ja!

Heute ist alles ordentlich, alles hat seinen Platz, die Arbeitsflächen sind poliert, die Kacheln glänzen, durch die Fenster fällt ausreichend Licht. Lediglich der Boden weist eine leichte Dauerverkrümmelung auf, wird aber ebenfalls regelmäßig gesaugt und dann meine Damen und Herren, sauge ich sogar die Fußleisten, Steckdosen und Lichtschalter ab!

Und doch spüre ich immer wieder dieses Gefühl der Dankbarkeit, dass der Partner nicht schimpft. Wie stark die Erziehung doch in die Seele eingewachsen ist.

Mein Clickbaitbeitrag – weniger Stress zu Weihnachten

In Kinderarbeit hergestellt, schmecken sie noch besser: Plätzchen

Besinnlich soll man sich ja fühlen die Wochen vor Weihnachten. In Teilen gelingt mir das die letzten Jahre. Zum Beispiel haben „wir“ es geschafft Plätzchen zu backen – denn nur wer Plätzchen backt, kann an den Adventssonntagen besinnlich Plätzchen futtern.

Damit das klappt, muss man so 7 bis 8 Jahre vorher Kinder machen, die dann die Plätzchen machen. Zugegebenermaßen ein wagemutiger Plan, aber er geht die letzten Jahre immer besser auf.

(Alternativ kann man bei Geschwistern bejammern, dass man über wenig bis keine Plätzchen verfügt und die backen dann – großherzig wie sie sind – und schicken Vanillekipferl und andere Leckereien.)

Dennoch versetzt mich die Weihnachtszeit immer wieder in Stress. Die Familie und viele Freunde leben über die Republik verteilt und so möchte man ihnen gerne Pakete schicken.

Bislang habe ich das gemacht, wie ich es als Kind gelernt habe: Ein Paket fertig stellen und mir dann in der Warteschlange der Postfiliale die Beine in den Bauch stehen.

Man muss dazu sagen, unsere Postfiliale ist sehr schön. Nettes Personal, ein wenig Rockmusik und man lernt die tätowierte Nachbarschaft und die zwanzig Hunde kennen, die hier so leben.

Doof ist, dass man die erste halbe Stunde draußen auf der kalten Straße anstehen muss und nur die letzten zwanzig Minuten im kuschligen Innenbereich wartet.

Auf der Suche nach Alternativen habe ich, topmodern wie ich bin* entdeckt, dass es weit angenehmere Arten gibt, Pakete zu verschicken.

  1. per Hermes-App

Das ist wirklich crazy einfach. Man packt sein Paket, dann öffnet man die App und klickt: „Ich möchte ein Paket verschicken“. Danach sind noch 2 Dinge zu tun. Erstens entscheidet man welche Größe und zweitens übernimmt man aus dem Telefonbuch** die Daten der Person, an die das Paket gehen soll.

Die App generiert einen QR-Code (ja, es gibt Szenarien, in denen QR-Codes sinnvoll sein können!), man geht in den Hermes-Shop, der Verkäufer scannt den Code, das Gerät druckt die Etiketten aus, der Verkäufer klebt die Etiketten drauf. Fertig! Man musste nicht mal selbst drucken und kleben. IST. DAS. NICHT. TOLL?

2. per Packstation

Man ruft die Seite DHL Online Frankierung auf. Hier geht man ähnlich vor wie in der App oben beschrieben. Man wählt, was man auf die Reise schickt, gibt Adressdaten ein und dann kann man entweder das Etikett selbst drucken oder aber man generiert einen Code, so dass man erst an der Packstation (DHL Paketshop und Filiale geht natürlich auch) das Etikett drucken lässt.

HOCHMODERN! SO AUFREGEND!

Man läuft dann also mit dem Paket zu einer Packstation. Tippt dort auf dem Bildschirm „Ich möchte ein Paket abgeben“, wählt die Größe des Türchens, dieses öffnet sich von Geisterhand (ja, ich weiß, es sind keine Geister, sondern kleine Wichtel, welche die Türentriegelung bedienen), man legt das Paket rein, bestätigt, dass man es reingelegt hat und bekommt seinen Beleg. Ohne Anstehen. Einfach so.

Bei 20 verschickten Paketen, für die man sonst je 20 Minuten ansteht, hat man fast 7 Stunden Lebenszeit gespart!

Ansonsten nervt mich in der Vorweihnachtszeit der Konsumrausch. Kaufen, kaufen, kaufen. Am schlimmsten, wenn man eigentlich nicht so genau WAS man eigentlich kaufen soll. Bestimmte Mitglieder meiner Familie wünschen sich zu Weihnachten regelmäßig „nix“ – sind dann aber tödlich gekränkt, wenn ich wirklich nix besorge.

Also schlendere ich ideenlos durch vollgestopfte Innenstädte, wo ich Menschen begegne, die ebenso missmutig wie ich sind (meistens Verkäuferinnen – in der Regel in einer Zweierkonstellation auftretend, die sich gerade angeregt unterhalten und sich arg gestört fühlen, wenn ich als Kundin ein Anliegen habe. Sie versuchen es erst indem sie sich weiterunterhalten als sei ich unsichtbar, wenn ich jedoch darauf beharre, nicht unsichtbar zu sein, drehen sie sich genervt in meine Richtung und fragen: wiekannihnendennjeholfenwerdenSTÖHN).

Es ist außerdem abwechselnd zu kalt, zu heiß und zu laut, zu grell und überhaupt (Leise singe ich mein Loblied auf den Onlinehandel, wo kein Verkäufer ein Buch im Regal unter M sucht, wenn ich ein Buch von Saramago [Wer? Sarah Mago???] haben möchte).

Irgendwann kaufe ich dann ächzend eines dieser fertig zusammengestellten Pakete, die extra für Menschen erfunden worden sind, die Sachen für Menschen kaufen, die keine Wünsche haben.

Auf dem Weg nach Hause kommt dann in mir der Wunsch auf, ich hätte die Geldscheine gleich verbrannt. Das hätte nicht so lange gedauert UND ich hätte nicht unter Menschen gemusst UND meine Hände hätte es auch gewärmt.

Jedenfalls – dieses Jahr habe ich das nicht mehr so gemacht, denn während ich all die Zeit gespart hatte, weil ich nicht in einer Menschenschlange zur Abgabe eines Pakets warten musste, hatte ich einen hellen Moment.

Ab jetzt spende ich für solche Menschen, die keine Wünsche haben, aber Geschenke wollen.

Ist das nicht schön? Deswegen meine Empfehlung: Wenn ihr jemanden etwas schenken wollt und nicht wisst was, dann bringt euer Geld zu Organisationen, die es brauchen können, weil sie sinnvolle Dinge damit tun. Ärzte ohne Grenzen, die Kältehilfe, Projekte, die Flüchtlinge unterstützen, Hospize, Kinderheime, Netzpolitik, wasweißich. Es gibt unendlich viele Organisationen, die Geld brauchen können.

Malt dann einen schönen Spendenbeleg und schenkt den. Ich verspreche, niemand beschwert sich: WAS FÜR EINEN GUTEN ZWECK HAST DU GELD AUSGEGEBEN????

So. Das waren meine drei Supertipps zur Entspannung der Vorweihnachtszeit. 2018 jetzt natürlich erst, aber immerhin.

Ich wünsche jedenfalls allen Wärme und Liebe im Herzen und eine schöne Weihnachtszeit!

 


*beides gibt es vermutlich seit Anfang des Jahrhunderts. Ich hatte es nur verpasst bislang.

** *seufts* Faulheit vor Datenschutz

 

2017

Wisst ihr noch? Damals? Anfang der 2000er als wir BloggerInnen diese Jahresendzeitfragebogen ausgefüllt haben? Hatte ich gerade mal wieder Lust drauf.

Zugenommen oder abgenommen?
Interessiert das wirklich noch? Zugenommen, weil ich bin jetzt in diesem Alter, in dem Rosenkohl plötzlich geil schmeckt und überhaupt alles geil schmeckt und essen eine solide Freizeitbeschäftigung ist.

Ich schaue außerdem auf meine dünnen Omis, die Probleme mit ihren Zähnen haben oder irgendwie andere Gebrechen, die es schwer machen überhaupt noch was mit Genuss zu essen und dann kommt in mir ein seltsam bockiges Gefühl auf, dass ich niemals an den einen Burger /Braten/Pizza denken möchte, die ich damals nicht gegessen habe, weil ich Angst hatte, ich könnte zu dick werden.

Außerdem muss ich nicht mehr frieren. Wirklich. Mit den 10 bis 15 kg mehr, die ich im Vergleich zu den Vorjahren wiege, friere ich viel weniger.

Haare länger oder kürzer?
Wer hat sich diese Fragen ausgedacht? Ich glaube länger. Ich bin zu faul zum Frisör zu gehen. Ich hasse zum Frisör gehen ohnehin. Diese Gerüche und dann diese fremden Menschen, die einen am Kopf anfassen wollen und das allerschlimmste ist der Smalltalk.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Gleichbleibend seit 1999.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Mehr. Fürs Essen und für Urlaube. Ich glaube, ich bin schwer genusssüchtig geworden.

Mehr bewegt oder weniger?
Weniger. Der Arbeitsweg hat sich geändert und ich kann jetzt von der Haustür ins Büro fahren ohne mich zu bewegen.

Die Kinder gehen alleine auf den Spielplatz. Ich muss nicht mehr rennen, klettern, schaukeln.

Für Bewegung über die Alltagsbewegung hinaus geht, keine Energie. Oft denke ich: „Mensch, du könntest mal wieder joggen gehen.“, aber dann fängt es an zu regnen. Wirklich immer und dann tun mir die anderen so leid, weil die doch keinen Regen mögen und dann denke ich auch nicht mehr so oft ans Joggen.

Der hirnrissigste Plan?
Einerseits habe ich keine hirnrissigen Pläne mehr – andererseits ist es natürlich wahnsinnig hirnrissig überhaupt Pläne zu machen, wenn man Kinder hat.

Die gefährlichste Unternehmung?
Mein Leben ist so gefährlich wie die Einnahme von Globuli.

Die teuerste Anschaffung?
Ich glaube, so richtig im Sinne von bezahlen und behalten, war das teuerste dieses Jahr die Reparatur des Klos. Sehr sinnvoll, wenn ihr mich fragt. Ansonsten stehe ich gar nicht so auf Konsumgüter anhäufen.

Das leckerste Essen?
DAS leckerste Essen. Wer kann denn DAS EINE leckerste Essen hier eintragen? Richtig lecker war es beim Italiener in Polen und sehr empfehlenswert ist immer wieder das Nudo und natürlich selbst kochen!

Das beeindruckenste Buch?
Ich hab es dieses Jahr wirklich wirklich versucht: das Bücher lesen. Aber so richtig beeindruckt hat mich kein Buch. Gerne gelesen habe ich „Das Problem mit den Frauen“ und laut gelacht habe ich bei „Der Ursprung der Welt“. Mit den Kindern zusammen habe ich sehr gerne „Ich so du so: Alles super normal“ und die „Good Night Stories for Rebel Girls: 100 außergewöhnliche Frauen“ gelesen.

Die Liste, der Bücher, die mich enttäuscht und gelangweilt haben, wäre ungleich länger.

Der ergreifendste Film?
Ich schaue so viele Filme, dass sich alle Storys miteinander vermischen. Sehr schöne Bilder habe ich noch von „Ewige Jugend“ im Kopf und sehr positiv überrascht hat mich tatsächlich „Wonder Woman“.

Warum gibt es keine Frage zu Serien?

Fleabag! Please like me! Ozark! This is us!

Die beste CD?
CD?

Das schönste Konzert?
Deine Freunde mit den Kindern – wobei nach wie vor unklar ist, wer in Wahrheit wen begleitet hat.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Job. Leider. Nicht dass ich ihn nicht mögen würde, aber wäre ich Millionärin, ich würde doch lieber andere Dinge tun.

Die schönste Zeit verbracht damit…?
Zu sehen, wie die Kinder selbständig und groß werden. Es ist wirklich ganz erstaunlich wie diese Dinger, die man doch kürzlich erst aus sich rausgepresst hat, einen plötzlich in Debatten in Grund und Boden reden.

Schön ist es auch, wenn ich den Kindern meinen infantilen Humor erläutere und sie mich dann peinlich finden.

Mit dem Partner hatte ich auch sehr schöne Zeiten. Z.B. wenn er Schuhe für die Kinder gekauft hat und ich nicht dabei war. Nein, ganz im Ernst. V.a. die Zeiten, die wir gemeinsam verbracht haben, waren sehr schön. Wir sind ein super Bärchen*, wie man in Franken sagen würde.

Vorherrschendes Gefühl 2017?
Zu wenig Zeit.

2017 zum ersten Mal getan?
Ein Getränk getrunken, in dem eine Scheibe Orange schwamm. Aufgrund meiner Obstphobie war mir das die letzten 42 Jahre leider nicht möglich. Aber ich befand mich in vornehmer Gesellschaft und da wäre hysterisches Geschrei und Geheule für die Anwesenden irritierend gewesen. Also habe ich mich zusammengerissen und das Getränk einfach getrunken. Dabei hatte ich die Orangenscheibe aber immer im Blick. Nicht dass sie meine Lippen berührt. Das hätte ich dann doch nicht verkraftet.

Ich fand mich sehr tapfer. Es hat aber mal wieder niemand applaudiert.

2017 nach langer Zeit wieder getan?
Job gewechselt.

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Bestimmte Dinge schreibe ich hier ja nicht. Mir fällt sofort etwas ein – war auch schon im Vorjahr und im Jahr davor und im Jahr davor verzichtbar – aber hey – manches ist eben Bestandteil des Lebens.

Ansonsten eindeutig: Kulturpessimismus in Form von spitzerisch angehauchter Mitelternmeinungen. „Früher haben wir noch mit Lehm gespielt und ganz dolle Spaß gehabt. Heutzutage sitzen die Kinder nur vor ihren Smartphones!11!“.

Nazis im Bundestag sind auch nicht so prall.

Die wichtigste Sache, von der Dich jemanden überzeugen wollte?
Ausschlafen kann auch schön sein. Wir verhandeln allerdings noch, ob ausschlafen gleichzeitig bedeuten sollte: länger als bis 7.45 Uhr schlafen.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Freiwillig Teil meines Lebens zu sein und auch die Dinge mitzutragen, die Mühe machen.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
„Für die Liebe genügt mir eine solide Körperhygiene.“

Wem gilt noch ein bisschen Extra-Liebe?
Dem Weisheits-Team. Ich liebe das Podcasten und ich liebe meine Mit-PodcasterInnen, die Treppenwitze und den Austausch. Ich weiß zwar nicht, warum wir HörerInnen haben (WEN INTERESSIERT DAS?), aber ich freue mich auch darüber.

2017 war mit einem Wort…?
Warum denn nur ein Wort?

Und ihr so?

*Pärchen zu Hochdeutsch

Früher war alles besser™

Bloggen ist eine wahre Gelddruckmaschine

Durch die Blogosphäre schleicht wieder das „Früher war alles besser“-Tierchen. In diversen Blogs, zuletzt im jawl-Blog lese ich wie beklagenswert es im Grunde doch sei, dass es einigen Bloggerinnen und Bloggern gelungen ist mit ihrer Bloggerei Geld zu verdienen.

Zugegebenermaßen fühle ich mich da angesprochen.

2004 habe ich angefangen zu bloggen. Ganz ohne Hintergedanken, einfach an der Lust zu schreiben und wahrscheinlich auch, weil ich ein Mitteilungsbedürfnis hatte und mein Freundeskreis schon alle Storys kannte.

Ich habe nie auf die Zugriffszahlen geschaut und war der festen Überzeugung, dass ich ungefähr fünf Leserinnen und Leser hätte.

2005 war ich dann sehr überrascht bei Zeit Online einen Preis gewonnen zu haben. Wer außer Mutti liest denn noch mit?

So entwickelte sich die Bloggerei. Ich war ein paar Mal im Radio, hab einige Vorträge gehalten, an einem Buch mitgewirkt, ein eigenes Buch geschrieben und irgendwann auch Geld mit Werbung verdient.

Buuuuhhhh!

Ich überspringe den „bloggen kostet auch Zeit und Mühe, wäre es da nicht schön, wenn man dafür entlohnt würde-Vortrag“ und weise nur auf eine Buchrezension, die mich doch sehr zum Lachen gebracht hat:

Ich liebe den Familienblog der Autorin (dasnuf.de), weswegen ich mir sofort nach Erscheinen das Buch der Autorin gekauft habe, in der Hoffnung auf neue, unbekannte und längere Episoden aus dem Leben von Frau Cammarata zu stoßen. Ich liebe ihre unkomplizierte Art zu schreiben und ihren Humor.

Leider kannte ich ca. 90% der Kurzgeschichten aus Ihrem Blog, den ich regelmäßig verfolge. Daher war das Buch in meinen Augen das Geld einfach nicht wert.

Da ist also jemand, der vielleicht seit 2004 mitliest. Über 2.500 Artikel kostenlos gelesen hat, sich daran mal mehr mal weniger erfreut hat, die ein oder andere Anregung mitbekommen hat und sich dann ärgert (damals) 8,99 Euro ausgegeben zu haben. Dafür dass es neue Geschichten, großartige Zeichnungen und ein Lektorat gab. OK.

(Das treibt mir umso mehr die Tränen der Rührung in die Augen, wenn ich daran denke, dass viele meiner Bloggerfreundinnen sich das Buch gekauft haben, obwohl sie ein kostenloses Rezensionsexemplar hätten haben können – aber so sind die Bloggerinnen eben – geldgierig!)

Ups, jetzt hab ich den Vortrag doch gehalten.

Apropos Zugriffszahlen. Ich habe irgendwann den Provider gewechselt und deswegen nicht alles lückenlos mitgebucht, aber seit 2009 hatte ich 4,5 Mio Seitenbesucher. Wenn ich da seit 2004 für jeden Klick 20 Cent bekommen hätte, nun, Sie dürfen mir glauben, ich hätte nie übers Werbungmachen nachgedacht.

Mal abgesehen davon kommt es vielen auch nicht in den Sinn, dass es in Sachen Vereinbarkeit kaum was besseres geben kann als mit dem Bloggen Geld zu verdienen.

Das kann man nämlich immer und überall, mit Baby und Teenagern, mit eins, zwei, drei und vier Kindern machen, mit gesunden Kindern und mit kranken.

(Hihi, ihr Influenza. Hahaha.)

Schön alle Bloggerinnen und Blogger über einen Kamm scheren. So ist fein.

Ich gebe mir zum Beispiel sehr große Mühe, sehr klar zu kennzeichnen. Auf Twitter verwende ich sogar ein Hashtag, so dass man die Werbebeiträge rausfiltern kann. Im Feedreader ist das Wort Werbung so deutlich in der URL, dass man einfach den Beitrag nicht klicken muss.

Dass dieses stetige – ih, die werben jetzt, wo geht sie hin, die Authentizität auch dazu beiträgt, dass manche davon absehen ordentlich zu kennzeichnen, das könnte ja auch mal einen Gedanken wert sein.

Dass es außerdem ein Privileg ist, es sich leisten zu können (zeit- und geldmäßig) kostenlos zu bloggen, wird ebenfalls nie erwähnt.

Denn entweder man ist die nicht ernstzunehmende Back- und Bastelmutti, die so dämlich ist kostenlos zu bloggen oder man ist das geldgierige, unauthentische Ekelwesen. Dazwischen gibt es nichts.

Ich verstehe diese Haltung nicht.

Auf der einen Seite soll ich bitte kein Geld verdienen, auf der anderen Seite wird gemeckert, weil mein Indie-Plugin nervt oder die Seite nicht für mobile Endgeräte optimiert ist. Das soll ich doch bitteschön mal fixen.

Tatsächlich gibt es Blogs von früher, die ich heute nicht mehr lese, weil dort nur Werbung zu lesen ist. So what? Muss ich mich deswegen theatralisch beschweren? (Mache ich nur, wenn es Schleichwerbung ist)

Es gibt außerdem ganz viele tolle neue Blogs, die es früher™ nicht gab.

Und es gibt etablierte Blogs, die Werbung machen, die ich total gerne lese. Weil ich nämlich sehe, dass sie nur dann eine Kooperation eingehen, wenn es passt.

Glänzendes Beispiel Susanne Mierau von geborgen-wachsen. Ich habe auch schon Dinge gekauft, die sie empfohlen hat. Hui! Werbung funktioniert.

Sie soll bitte ordentlich Geld verdienen, damit sie sich leisten kann auf immer und ewig weiterzuschreiben.

Das wünsche ich allen Blogs und Podcasts, die ich regelmäßig konsumiere.

Aber weil sich viele so anstellen, dass man teilweise Geld mit Blogs und Podcasts verdienen kann, wird in Zukunft eines passieren: Angebote werden hinter Paywalls verschwinden.

Da kann dann höchst authentisch weitergebloggt werden. Das haben sich die „Früher war alles besser“-Menschen dann redlich verdient.

(Ja, sorry, ich hatte ein Gefühl und bin jetzt maulig)

Jetzt muss ich aber in meinem Geldspeicher schwimmen gehen bzw.

**PRODUKTEMPFEHLUNG**

foxifixautomat @pixabay

Käme das Kind nach Hause und würde mir sagen: „Ich brauche einen Stift, den man wieder wegmachen kann.“ Ich würde einen kaufen. Vielleicht einen Füller mit einem Tintenkiller, vielleicht einen Bleistift und einen Radiergummi, vielleicht einen radierbaren Kugelschreiber. Beschwert hätte ich mich nicht.

Das Kind kommt aber nicht nach Hause und braucht irgendwas Allgemeines. Es braucht bestimmte Produkte. Weil der Lehrer Produkte empfiehlt. Einen Pilot Frixion Ball.

Dieser Stift kostet 2,50 Euro (günstigstenfalls) und ist gefühlt alle zwei Wochen leer.

Pelikan Wasserfarben, sollen es dann sein. Ein „Hausaufgabenheft für Faule“ bitteschön. Knete! Unbedingt brauchen Erstklässler von Habichvergessen Knete. Der ergonomische Tintenroller – STABILO EASYoriginal soll es für die Kleinen sein.

Ich finde das einfach nur ätzend. Trotzdem kaufe ich den ganzen Mist, weil es nämlich das Kind abbekommt, wenn ich es wage mich zu widersetzen.

„Warum hat die Mami denn nicht xy gekauft? Hast Du das der Mami nicht gesagt? Das ist aber nicht schön. Ich habe doch xy empfohlen.“

Es gab sogar Kritik weil das jüngste Kind das Lesebuch des Geschwisterkindes nochmal benutzt hat: „Das ist aber nicht so gut. Warum hast du denn kein eigenes bekommen?“

WEIL DAS FUCKING VERSCHWENDUNG IST??!!

„Wir benutzen Silbenstifte. Es ist nämlich nicht so schön für ihr Kind, wenn es beim Schreiben den Stift wechseln muss.“

Altes T-Shirt zum Malen? Faber-Castell hat doch Malschürzen! Wasserbecher? Einen aus Plastik, den man über hat? Nenenenene! Entschuldigung? Es gibt doch extrateure Pinselbecher.

Ich übertreibe jetzt ein wenig. Aber die Hälfte ist wahr und v.a. ist wahr, dass wann immer ich nicht mache, was der Lehrer sagt, das Kind subtil angemeckert wird.

Das Kind möchte es dem Lehrer aber perfekt recht machen und quält sich deswegen sehr, wenn sich die reaktante Mutter weigert, ebenjene tollen Superprodukte zu kaufen und anstatt dessen andere, billigere Alternativprodukte kauft.

Meine Reaktanz geht soweit, dass ich dieses Jahr sogar Dinge ge-bastelt! habe.

Nachdem ALLE Kinder nach der ersten Klasse die scheißteure Markenknete unbenutzt und leicht vertrocknet wieder nach Hause gebracht haben, war ich verleitet beim jüngsten Kind einfach farbige Fakewürste in die Knetpackung zu legen.

Und ja, ich rege mich aus Prinzip auf. Leisten kann ich mir das Zeug. ABER EIGENTLICH WILL ICH NICHT. Eben auch, weil es nicht für jede Familie einfach ist, Schulsachen im Wert mehrerer hundert Euro zu kaufen.

Ich will v.a. nicht, dass eine Autoritätsperson (ja, die Lehrerinnen und Lehrer sind für die Kinder Halbgötter, sie wollen ihnen immer alles recht machen, niemand darf sie anzweifeln, auch wenn die Englischlehrerin sagt es heisst „My best book is Harry Potter“ und nicht „My favorite book is Harry Potter“.) meinen Kindern eintrichtert, dass man immer teure Markenprodukte kaufen muss.

Aber wenn ich so eine Diskussion am Elternabend anfange, dann muss das mein Kind ausbaden. Also halte ich die Klappe.

Nebenbei

Buch: Das Versagen der Kleinfamilie

Versagen der Kleinfamilie Mariam Tazi-Preve
Rezensionsexemplar „Das Versagen der Kleinfamilie“ von Mariam Tazi-Preve

Vor einigen Wochen wurde ich gefragt, ob ich das Buch „Das Versagen der Kleinfamilie“ von Mariam Tazi-Preve lesen möchte. Wie immer in solchen Fällen, habe ich mir die Kurzzusammenfassung durchgelesen und dann, weil es mich tatsächlich interessierte, geschrieben: „Gerne lese ich das Buch, ich kann allerdings nicht garantieren, dass das zeitnah geschieht oder dass ich das tatsächlich schaffe, zu verschriftlichen. Wenn das OK ist, dann schicken Sie mir gerne das Buch zu.“

Tatsächlich habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Sehr stark komplexitätsreduziert geht es um die Feststellung, dass es in der Klischeefamilie der industrialisierten Welt Vater-Mutter-Kind fast unmöglich ist, ohne Burnout oder sonstige Schäden Kinder groß zu ziehen.

Frau Tazi-Preve geht ausführlich auf die Gründe ein und zeigt alternative Lebensformen in anderen Gesellschaften, die besser funktionieren als die landläufigen Klischees des Westens.

Beim Lesen habe ich immer wieder an Susanne Mieraus Ansatz des Online-Clans gedacht, den sie schon 2014 ausführlich geschildert hat. Tatsächlich hat mir mein Leben auch gezeigt: Ohne Hilfe geht es nicht. Vollzeitjob und Kinder miteinander zu vereinigen, ohne eine zweite, dritte, vierte und manchmal sogar fünfte erwachsene Person, funktioniert nicht.

Dabei geht es nicht nur ums organisatorische – wer holt die Kinder ab, wer bringt sie in Kindergarten und Schule, wer kauft ein, wer kocht, wer bringt sie ins Bett – sondern eben um all die Lebenszeit, die man miteinander verbringt jenseits der morgen- und abendlichen Abfertigung, in der man kuschelt, vorliest, sich unterhält, zusammen spielt und Lebenzeit miteinander teilt.

Ganz nebenbei bin ich übrigens auch der festen Überzeugung, dass es für die Seele der Kinder wichtig ist, dass sie nicht ausschließlich die Mutter als erwachsene Bezugsperson haben.

(Ich schreibe hier absichtlich die Mutter, denn im klassischen Versorgermodell, gibt es zwar Väter, die sind aber aufgrund ihrer starken Erwerbszentriertheit leider oft nur mittelmäßiger Ersatz, wenn es um das Thema Bezugsperson geht (vgl. „Liebe in Worten oder die Schönwettervaterschaft“ und „Ich liebe meine Kinder vom Büro aus„)

Ich kann jedenfalls jedes Wort von Tazi-Preve unterschreiben, da ich an der Kleinfamilie grandios gescheitert bin.

In meinem Alltag waren keine Großeltern, keine Geschwister und auch sonst niemand, den ich einbinden konnte UND wollte. (Sich helfen lassen, musste ich auch erst lernen).

Seit einigen Jahren läuft es anders. Neben der gleichberechtigten Partnerschaft, habe ich liebe Freunde und Freundinnen, die z.B. regelmäßig am Nachmittag oder abends die Kinder betreuen, die uns zur Seite stehen, die uns schon eingekauft haben oder sogar Essen vorgekocht haben und uns zum Einfrieren vorbei gebracht haben, die vorlesen, malen, basteln.

Auch hierzu kann ich einen weiteren Blogbeitrag von Susanne Mierau empfehlen: Unterstützung (anbieten) – ohne um Hilfe bitten zu müssen.

Genau diesen Gedanken hatte ich nach dem Zuklappen von Tazi-Preves Buch: Wie kann ich meinen Freundinnen helfen?

Tatsächlich fällt einem schnell etwas ein, das man anbieten kann.

Ein ausführliches Interview mit Frau Tazi-Preve findet ihr bei Mama arbeitet und in der Süddeutschen.

Dort geht es außerdem ausführlich um den Aspekt wie absurd es ist, dass die romantische Liebe und das sichere Aufwachsen von Kindern so eng miteinander verknüpft werden und die Kleinfamilie als Ort der alleinigen Glückseligkeit gesehen wird.

Sehr beschäftigt hat mich auch der Punkt wie entgegengesetzt Arbeits- und Familienleben konnotiert sind. Im Job geht es um Konkurrenzdenken, Kosten-Nutzen-Logik und Profitmaximierung. Im Familienleben hingegen um emotionale Zuwendung und Empathie wichtig.

Das Buch hat in mir vieles zusammengebracht, was mir im Kopf schon lange herumschwirrte:

  • Familie als selbstgewählte Beziehungen sehen (und nicht als Geburts- und Genkonstellation)
  • Hilfe zulassen und selbst anbieten
  • den Kindern zusätzliche Herzensbezugspersonen schenken
  • im Arbeitsleben auch auf Empathie und Beziehungen setzen
  • Konsum reduzieren und kleiner denken (wer keine riesige Wohnung, keinen teuren Urlaub, keine Designermöbel und -klamotten braucht, braucht weniger Geld, muss weniger Arbeiten, hat mehr Zeit etc.)
  • Beziehungen leben (sich Zeit nehmen, nicht auf morgen verschieben, etc.)

Die einzelnen Aspekte auszuformulieren, würde am Ende wahrscheinlich ein weiteres Buch entstehen lassen. Deswegen am Ende nur die Empfehlung: Das Buch lesen und schauen, wo die Stellhebel im eigenen Leben sind.

Buch: Muttergefühle II

Foto: Rike Drust, Stickerei auch

Das neue Buch Muttergefühle. Zwei von Rike Drust habe ich auch gelesen – besser gesagt: durchgekichert.

Im ersten Teil, Muttergefühle. Gesamtausgabe, geht es um den lustigen Gap zwischen dem Leben ohne Kinder und dem mit Kindern und all den Absurditäten, die einem vorher keiner sagt.

Muttergefühle. Zwei beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Frage, warum man – nachdem man nach dem ersten Kind weiß was auf einen zukommt – dennoch ein weiteres Kind möchte.

Rike schreibt wirklich wahnsinnig lustig, schon am Anfang habe ich mich über folgende Passage schlapp gelacht:

[Die Entscheidung zum ersten Kind] fühlte sich nach Freiheit à la Hollywood an: Als wenn man mit einem Cabriolet bei perfektem Wetter einen amerikanischen Highway runterfährt, aufsteht und voller Glück und Abenteuerlust die Arme hochreißt. Beim zweiten Kind würde man lieber sitzen bleiben, weil man inzwischen weiß, dass einem sonst nur Insekten in den Mund fliegen, dass die Wangen vom Fahrtweg unvorteilhaft flattern und es nichts mit sexy zu tun hat, wenn man krampfhaft versucht, sein Gleichgewicht zu halten, wenn das Cabriolet zu schnell um die Kurve braust.

Es ist aber nicht nur der Humor, der das Buch so lesenswert macht. Viel wichtiger sind die dahinter liegenden Fragen. Denn Muttergefühle. Zwei beleuchtet all das, was man geistig zu bewältigen hat:

  • Bin ich jetzt nur noch Mutter? Darf ich eigene Bedürfnisse und Ambitionen haben?
  • Wie ändert sich die Partnerschaft, welche Rolle spielt der Partner, wie findet man sich als (Eltern)paar (neu)?
  • Wie bewahre ich die Nerven, die Geduld, die Liebe? Wie schaffe ich es zu lachen statt durchzudrehen?
  • Wie wirkt eigentlich Politik, wie Werbung auf das Familiensystem, wieso ist Familie nicht Privatsache?
  • Warum soll Feminismus uns kümmern?

Das wunderbare – sie schreibt es im Buch selbst:

Ich lese eigentlich gern in anderen Blogs, aber viele Texte nicht bis zum Schluss. Ich bin nämlich sofort raus, wenn es zu belehrend oder unterschwellig anklagend wird.

– das Ganze funktioniert ohne Zeigefinger und schaut-wie-toll-wir-hier-das-geregelt-bekommen und ist deswegen so lesenswert.

Deswegen: Bitte kauft dieses Buch, verschenkt es damit es verfilmt werden kann. Aber ihr müsst sehr, sehr viele Bücher kaufen, sonst reicht das Verfilmungsbudget nur für Veronica Ferres und Til Schweiger und dessen Kinder und nicht für Elisabeth Moss und Josh Thomas in den Hauptrollen.

Serie: Stranger Things II

Seit 27.10. ist auf Netflix Stranger Things II zu sehen. Ich bin noch nicht ganz durch, aber im Grunde ist Stranger Things II wie Stranger Things I. Ein gigantisches Where’s Waldo der 80er.

Die Story ist ein bißchen egal, zentral ist die Kulisse, die Optik und die musikalische Begleitung und die ist wirklich phänomenal.

Aus jeder Folge könnte man einzelne Standbilder aufarbeiten und dann daraus eines dieser statischen Computerspiele machen, wo man Zeug suchen muss: Finde die David Bowie Schallplatte, finde die Goonies-Referenz, finde das River Phoenix Double, klick, klick, klick, bing, bing bing, Highscore.

Nach drei Folgen will ich mir blonde Strähnchen machen, Lockenwickler ins Haar drehen, die Haare toupieren, zwei Kilo Haarspray reinsprühen, meine alte Zahnspange in den Mund legen, gleichzeitig Kaugummi dabei kauen und noch einmal die Liebe spüren, die ich zu Morten Harket gespürt habe, als ich mit leichter Erregung darauf wartete, ob bei Formel 1 das Take on me Video gespielt wird*.

Das reicht mir für diese Serie schon.

Stranger Things II Mad Max
Wobei ich auch die Mädchen-Charaktere der Serie mag

Serie: The Fall, 3. Staffel

Die ersten beiden Staffeln von The Fall (imdb 8,2) gibts auf Netflix und ich habe mich unter beinahe körperlichen Schmerzen durchgeschaut.

Der Plot ist im Grunde einfach: Es gibt einen Serienmörder, Peter Spector (gespielt von Jamie Dornan**), der von einer Polizistin, Stella Gibson, (gespielt von Gillian Anderson) zu Fall gebracht werden soll.

Das Faszinierende – im Grunde weiß man ab Szene 1 wer der Mörder ist. Ähnliche Serien basieren ja auf der Enthüllung, dem Ungewissen, dem Hin- und Her.

The Fall bezieht seine ganze Spannung aus der Gewissheit und dem Charakterspiel der beiden Hauptprotagonisten.

Und dafür nimmt sich die Serie viel, viel Zeit. Das Erzähltempo ist so langsam, so detailreich, so realistisch, dass es stellenweise nur schwer zu ertragen ist.

Wo andere Serien Spannung durch 543 Schnitte, Verfolgungsjagden und Explosionen erzeugen, nimmt sich The Fall die Zeit das Zucken einer Augenbraue oder das Atmen durch die Nase zu filmen.

Was vielleicht langweilig klingt, erzeugt wirklich unfassbare Spannung, drei Staffeln hindurch, bis in die letzte Einstellung.

Demogorgon
Der Demogorgon ist im Vergleich zu Peter Spector ein liebenswerter Zeitgeselle

*Zugegebenermaßen will ich auch eine Zigarette nach der anderen rauchen und grummelig wie Chief Jim Hopper Donuts essen und ein bisschen mit meinem Revolver rumballern.

**Wenn man zuerst The Fall schaut und dann Fifty Shades of Grey, ist Fifty Shades of Grey beunruhigend beängstigend.