Es passiert mir ja eher selten, dass mir Videos Gänsehaut machen.
Teilt das. Spielt das im Stadion.
Nicht ODER! NICHT ODER! UND! UND!
Eigentlich sagt der Arzt ja, ich soll mich nicht aufregen. Ich muss mich aber aufregen.
Gestern war ich nämlich einkaufen. Bzw. ich habe versucht einkaufen zu gehen. Ich weiß nicht wie, aber meine Kinder sind seit dem letzten Herbst so gewachsen, dass ich so ziemlich alles neu kaufen muss. Also gehe ich in ein Bekleidungsgeschäft. Auf meiner Liste stehen Kniestrümpfe, Jeans und Longsleeves.
– Guten Tag, ich hätte gerne Kniestrümpfe Größe 33
– Für Jungen oder Mädchen?
– Für Füße bitte— Patricia Cammarata (@dasnuf) September 3, 2014
Im ersten Laden: Geschlechtertrennung
Links: Rosa und Glitzer, rechts: Schwarz und Superheldenapplikationen.
Ich gehe in den zweiten Laden: Geschlechtertrennung
Ich gehe in den dritten Laden (Sie ahnen es): Geschlechtertrennung
Es ist quasi unmöglich Kniestrümpfe, Jeans und Longsleeves ohne (vermeintlich) geschlechtsspezifische Applikationen zu bekommen. Was ich eigentlich möchte sind unifarbene Kleidungsstücke in gelb, orange, rot, grün, türkis, blau ABER SOWAS GIBT ES NICHT. Selbst wenn der seltene Fall von einfarbig ohne doofen Aufnäher auftritt, dann sind da Puffärmelchen, Rüschen, Schleifchen oder sonst irgendein Kack dran genäht.
Und das sind nicht die einzigen Probleme.
Was mich auch sehr nervt, ist dass es kaum KINDERKLEIDUNG gibt. 80% der Kollektionen ahmen die Mode der Erwachsenen nach. Alles in gedeckten Tönen, unpraktische Schnitte, unbequem (warum es insgesamt so wenig schöne UND bequeme Kleidung für Erwachsene gibt, das ist mir übrigens auch rätselhaft). Jedenfalls stelle ich mir Kindermode anders vor. Praktisch, robust, ohne schwierige Knöpfe und komische Reißverschlüsse, so dass die Kinder sich selbst gut anziehen können und v.a. mit ausreichend Bewegungsfreiheit und nicht alles (v.a. für Mädchen) hauteng.
Ab Größe 134 sogar „sexy“. Was soll das? Das sind maximal 8jährige Mädchen.
Es ist wirklich eine Zumutung.
Dieser Genderzwang der Industrie hat so unfassbare Ausmaße angenommen, das ist bescheuert.
Normalerweise zieht das offenbar an mir vorbei, weil ich nie freiwillig „shoppen“ gehe und/oder 80% der Kleidungsstücke am Flohmarkt erwerbe.
Verdrängung macht mein Leben schön!
Wirklich. Ich gehe diesem Dreck einfach aus dem Weg sonst. Diesem ganzen Rosa-Hellblau-Scheiss. Ich werde sonst aggressiv, ehrlich.
Ich will an dieser Stelle nochmal Werbung (will ich wirklich von Herzen) für die „Die Rosa-Hellblau-Falle„* machen:
„Wir wollen unseren Kindern nicht zwei Alternativen bieten, sondern tausend.“ (S.11)
„Die Rollenklischees der Kinderwelt infrage zu stellen, ist kein Nischenthema für überambitionierte Eltern, sondern Voraussetzung für ein gleichwertiges Miteinander aller.“ (S.13)
Und das eben in allen Lebensbereichen. Auch der Kleidung, die ich jetzt mal exemplarisch rausgenommen habe. Ich habe mit meinen Kindern darüber gesprochen und wir haben eine Idee entwickelt, die das Problem löst und mit der man garantiert reich wird: Ein Laden für Kinderkleidung für Mädchen UND Jungen.
Abgefahren oder?
Man kommt da rein und es ist nicht alles nach Geschlecht sondern nach Art der Kleidung geordnet. Hosen, Oberteile, Strümpfe. Völlig verrückt!!! In allen Farben des Regenbogens und in Unisexschnitten. Robust, bequem, leicht anzuziehen, einfarbig.
Und jetzt kommt der Knüller (erfunden von Kind 3.0, das sehr unglücklich darüber ist, dass Accessoires dem weiblichen Geschlecht vorbehalten sind): es gibt zu den Kleidungsstücken optional Bügelbilder. Die Motive sind mit und ohne Glitzer erhältlich und umspannen Tiere (Pferde, Katzen, Hunde, Kraken, Fische – Zitat „Was Jungs und Mädchen eben toll finden“) und Symbole wie Wolken, Regenbogen, Blitze und Bäume.
Man kann sich dann z.B. entscheiden, ob man eine einfarbige Hose mit oder ohne Bügelbild kaufen möchte.
Kind 3.0 hätte gerne eine rote Hose mit glitzerndem gelben Blitz. Kind 2.0 eine blaue Hose mit Krake.
Und dann machen wir das ähnlich wie IKEA mit dem lebenslangen Rückgaberecht (hat ja jemand Schlaues durchgerechnet, funktioniert dann wohl): Wenn die Kleidung noch gut erhalten ist, kann man sie zurück geben und bekommt 1/3 des Neupreises zurück. Die gebrauchte Kleidung wird dann ebenfalls im Laden in der Sektion Second Hand verkauft.
Ist das nicht schön?
So ist für jeden Geldbeutel was dabei und die Kleidungsstücke können – wenn nicht zurück gebracht – an Geschwisterkinder weitervererbt werden. Weil da sind keine Puffärmel oder Rüschen dran, nä!
Und das Tolle für mich als Inhaberin des Ladens: Es gibt keine Konkurrenz. Alle, die diesen Rosa-Hellblau-Prinzessinnen-Fußballer-Dreck satt haben, kaufen bei mir ein! Und es wird Jungen geben, die pinkfarbene Sweatshirts tragen können, auf denen Pferde drauf sind. Weil es ihnen gefällt!
—
*Ein ausführlicher Artikel zum Buch folgt
Lieblingstweets 08/14
Last night my mate asked to use a USB port to charge his cigarette, but I was using it to charge my book.
The future is stupid.
— Dean Burnett (@garwboy) August 3, 2014
https://twitter.com/die_jule84/status/496237344140570624
Mein Leben in einem Wort: ReadLater.
— leitmedium (@leitmedium) August 4, 2014
Ich bin nicht melancholisch.
Ich bin naturtrüb.— Honig Suess (@honigsuess) August 7, 2014
Essen im Bett.
Sex unter der Dusche.
Lesen auf dem Klo.
Schlafen im Büro.Punk ist nicht tot, nur anders.
— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) August 8, 2014
"Orr! Sie haben schon 55% des Artikels gescrollt und lesen offenbar immer noch! Hier, ein Pop-up mit Artikelempfehlungen." (Onlinezeitungen)
— giardino (@giardino) August 8, 2014
Wenn Touristen mich fragen, ob es in Deutschland immer so kalt ist, kaufe ich ihnen einen Glühwein & gleite auf meinen Schlittschuhen davon.
— Benjamin Lauterbach (@kuenstlerpech) August 20, 2014
"Wie verhütest Du?"
"Beige Übergangsjacke."
— ¯_(?)_/¯ (@s_ill_e) August 20, 2014
Ich hoffe, dass ich bei der Zombieapokalypse der eine, besondere Zombie bin. Der, der die Klinke drücken kann und alle sind stolz auf mich.
— Alex (@Cynx) August 22, 2014
Drucker sagt NEIN pic.twitter.com/yNZWWFnLu8
— Chicky's Blog (@chickysblog) August 26, 2014
Morning. This is genius. Un-cropped road signs: ?? pic.twitter.com/f5NXJENVkG
— Rachel Jones (@rlj1981) August 27, 2014
Wo wollen sich Menschen verstecken, die rosa-weiße Camouflage-Hosen tragen? In Erdbeersahnetorte?
— Magnus Senior (@grindcrank) August 27, 2014
Bertolt Brecht, Gedichte (für die Jugend bearbeitet) pic.twitter.com/DllSwDhnBJ
— stephan porombka (@stporombka) August 27, 2014
"ich liebe dich."
"mahlzeit."— kewagi (@kewagi) August 27, 2014
Zombies lieben Frühstückscerebralien!
— giardino (@giardino) August 29, 2014
https://twitter.com/machmirdiewelt/status/505278800213860352
Gut, daß er die Leiter hat. pic.twitter.com/bR80lESopA
— ulumbamulumba™ (@ulumbamulumba) August 30, 2014
Wenn man sich liebt, sollte man sich öfters was schenken, ein Lächeln, den Rest der Diskussion, eine Kachel aus dem Ofen, was grad da ist.
— Ute Weber (@UteWeber) August 30, 2014
6. August 2014, 7 Uhr
Als Du gestorben bist, habe ich noch geschlafen. Als mich die Nachricht erreicht, fahre ich gerade Tretboot. Ich bin 500 km von dem Ort entfernt an dem es passierte. Du warst auf dem Weg zur Arbeit. Wir sind jahrelang gemeinsam in die Arbeit gefahren und auch wieder zurück. Ich denke an das letzte Mal, an dem wir uns gesehen haben. Im Büro. Wir haben gesagt „Bis Donnerstag!“. Das war der Tag, an dem Kind 2.0 mit im Büro war. Es korrigierte uns: „Donnerstag hast Du frei, Mama.“ Wir lachen. „Dann bis Freitag!“ „Da hast Du Homeoffice, Mama.“ Wir lachen noch mehr weil das Kind meinen Terminkalender besser kennt als ich. Also verabschieden wir uns bis nach dem Urlaub. Denn seit Montag habe ich frei.
An meinem ersten Urlaubstag telefonieren wir, weil noch etwas zu klären ist. Du stellst mich durch.
In der letzten WhatsApp-Nachricht schickst Du mir Regenbogenbildchen und wünschst mir eine schöne Zeit.
Wir sehen uns nie wieder.
Ich kann nicht glauben was passiert ist. Ich google nach dem Unfall und finde ein Bild von Deinem Fahrrad. Du hast es umlackiert. Ich erkenne es sofort. Es ist völlig verbogen. Auf dem Stadtplan schaue ich mir die Stelle an, an der es passiert ist. Als würde das helfen, besser zu verstehen, was passiert ist.
Den ganzen Tag denke ich: was wäre, wenn. Was wäre, wenn es geregnet hätte? Dann hättest Du das Auto genommen. Was wäre, wenn wir gemeinsam gefahren wären? Dann hättest Du eine andere Strecke genommen. Wenn doch eine der Ampeln auf der Strecke rot gewesen wäre. Nur zwei Minuten Verzögerung hätten genügt.
Ich weine den ganzen Tag während die Kinder im Freibad planschen. Abends trinke ich so viel Wein, wie ich kann. Ich hoffe, dass der Gedanke an deinen Todesmoment verschwindet. Dass ich müde werde. Aber ich kann nicht schlafen. Ich habe gelesen, dass Du nicht sofort tot warst, sondern Deinen Verletzungen erlegen.
Wir waren Freundinnen, haben uns fast jeden Tag gesehen. Wir waren aus zwei Welten und trotzdem hat uns so viel verbunden. Du hast immer ein offenes Ohr für mich gehabt und immer einen klugen Rat. Du hast nie oberflächlich oder sozial erwünscht geantwortet. Ich konnte mich darauf verlassen, dass Du mir sagst, was Du wirklich denkst. Was du mir aus deinem Leben erzählt hast, hat meine Probleme erblassen lassen. Du hast es nie leicht gehabt und ich hab nie verstanden, warum einem Menschen so viel Scheiße passieren muss. Du warst deswegen nicht verbittert. Hast Dich aus allem rausgewunden. Deine Energie hat nie nachgelassen. Du hast immer das Beste daraus gemacht. Immer einen Trick gewusst.
In unserem letzten privaten Gespräch hast Du gesagt: „Ich hab schon lange keine Lust mehr, Kompromisse zu machen.“
Mich tröstet der Gedanke, dass Du lebenshungrig warst und dass Du Deine Zeit nicht verschwendet hast.
Du hast mir unerschütterlichen Optimismus hinterlassen und die Gewissheit, dass es immer weiter geht. Ich danke Dir dafür.
Meine liebe Freundin, wo Du auch immer bist, danke für alles.
Lieblingstweets 07/14
Es ist traurig, dass die Schweriner Verkehrsbetriebe nicht "Schwerin Fahrt" heißen. Und die Müllabfuhr nicht "Schwerin Ordnung".
— Gerd Money (@sechsdreinuller) July 31, 2014
"Sie haben da eine Lücke in ihrem Lebenslauf."
"Da habe ich versucht, mein Kind am Strand mit Sonnenmilch einzucremen".
— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) July 30, 2014
— Schlonzi (@Schlonznase) July 30, 2014
Über 40 und ich weiß immer noch nicht, was ich mit meinen Gesichtsmuskeln machen soll, wenn mir jemand etwas völlig uninteressantes erzählt.
— Alex (@Cynx) July 30, 2014
Immer wenn ich den "Non-Break-Space" HTML-Code mehrfach hintereinander lese, höre ich in meinem Kopf jemanden beatboxen.
— Alexander Matzkeit (@alexmatzkeit) July 29, 2014
Wenn ich traurig bin, stelle ich mir vor, wie Andy Borg seine Familie mit "Wir sind die Borg." vorstellt. Dann gehts wieder.
— Indy Viduum (@netter_herr) July 28, 2014
Adorno am Strand. Jetzt gibts bei Suhrkamp die echten Adiletten. pic.twitter.com/xx8pRpRMoA
— stephan porombka (@stporombka) July 26, 2014
Vorspiel ist doch auch nur der unnötige "Gruß aus der Küche" wenn man tierisch Hunger hat.
— Journelle (@journelle) July 25, 2014
Was meine Kernkompetenz ist?
Mit geschlossenenem Mund gähnen und so aussehen, als wüsste ich, wovon sie reden.
Fahren Sie fort!— Alex (@Cynx) July 23, 2014
Could you crush them? pic.twitter.com/lZfhdLEqF1
— Faces in Things (@FacesPics) July 22, 2014
Wenn man meint, eine kritische Reply mit einem jovialen Smiley enden lassen zu müssen, könnte man die Reply auch einfach nicht schreiben.
— Frohmann Verlag (@FrauFrohmann) July 16, 2014
"Ich vermute, Sie leiden unter Begriffsstutzigkeit. Ich werde Sie in die Ontologie überweisen."
— Magnus Senior (@grindcrank) July 15, 2014
"Papa, kannst du mich hoch tragen?"
"Ich muss erst hier aufräumen, wenn du mir hilfst, gehts schneller."
"Schon ok, ich kann warten."— Child of Life (@wousel) July 14, 2014
Immer diese Klugscheißer! #Duplo #Twix pic.twitter.com/teMbKYN0WM
— wuppertroll (@wuppertroll) July 14, 2014
Es gibt verschiedene Arten von Intimität.
Die eine ist warm, wohlig und fußt auf tiefstem Vertrauen.
Die andere lässt die Klotür offen.
— Zirkusdiktatorin (@Zirkusdoktorin) July 14, 2014
Der versierte Umgang der Bahn mit technischen Problemen vermag mich immer wieder zu begeistern. pic.twitter.com/It323O1j7v
— Juliana Goschler (@JGoschler) July 14, 2014
Eigentlich bin ich total introvertiert.
Ich kann es nur nicht so zeigen.— Ilonka (@Sprosse21) July 13, 2014
Mein Steuerberater sagt, ich soll unbedingt mit diesem Stempel arbeiten. Gut, wenn er meint. pic.twitter.com/KDB0HwH4ya
— Ralf Heimann (@ralfheimann) July 13, 2014
Sad Atari is sad pic.twitter.com/Bl3f5zGTiv
— John Doe (@Frust_Kerlchen) July 11, 2014
Wir wiederholen jetzt die schönsten Regenschauer aus den 80ern, den 90ern und auch ein paar von heute.
— Max. Buddenbohm (@Buddenbohm) July 8, 2014
Kinder gebadet.
Bad überschwemmt.
Lappen reingeworfen.
Muss sich Bad selbst darum kümmern.
Mir hilft auch keiner.— Rabenmütter Verlag (@Rabentweets) July 7, 2014
Diese Omas, die einen im ICE volltexten; warum schreiben die ihren Scheiß nicht bei Twitter rein, wie jeder andere vernünftige Mensch auch?
— der_handwerk (@der_handwerk) July 7, 2014
YOLO
Ich halte mich in der Hoffnung nicht den Anschluss zu meinen Kindern zu verlieren, mit Ausdrücken der Jugendlichen stets auf dem Laufenden . Deswegen habe ich vorletzte Woche endlich mal in Erfahrung gebracht, was YOLO heisst. YOLO ist das Akronym für You Only Live Once.
Ich finde YOLO sollte eigentlich nicht der Jugend vorbehalten sein sondern sollte v.a. von uns in der Mitte des Lebens stehenden Menschen in den aktiven Sprachgebrauch aufgenommen werden. Ein die Mitmenschen und die Umwelt miteinbeziehendes YOLO als philosophische Grundlage des Seins. Als Mahnung. Als Erinnerung daran, dass es eben nur dieses eine Leben gibt und dass wir es deswegen nicht verschwenden sollten. Verschwenden mit Streit, mit Missgunst, mit negativen Gefühlen. Und was mir in letzter Zeit immer mehr klar geworden ist: mit Verzicht und mit dem Warten auf den richtigen Augenblick.
Ich habe die letzten Jahre oft darauf gewartet, dass der richtige Augenblick kommt. Der richtige Augenblick um eine sündhaft teure Flasche Wein zu öffnen und zu trinken. Ich habe gewartet und gewartet und irgendwann aufgegeben, weil der erhoffte Anlass nicht kam und mich an das grüne Ufer des Landwehrkanals gesetzt, den Wein geöffnet, in ein Glas geschüttet, davon getrunken und ihn dann in die Wiese gespuckt. Der Wein stand jahrelang rum und ich habe mir nie Gedanken über dessen Lagerung gemacht. Er war in der Zwischenzeit gekippt und zu Essig geworden.
Davon gibt es viele Beispiele. Irgendein teures Duschgel, das mir zum Geburtstag geschenkt wurde. Ich wollte es nicht an den Alltag verschwenden, hab es irgendwann im Schrank vergessen und dann als es mir beim Aufräumen wieder in die Hände fiel, war es schon halb vertrocknet oder ausgelaufen oder anders nicht benutzbar.
Und dann mein Geiz. Ein zweites Glas Wein im Restaurant? Der teurere der Weine? Noch ein Salat extra? Ich dachte mir oft: Macht es mich wirklich glücklicher zusätzlich den Betrag X auszugeben?
Vieles ist absurd teuer. Zum Beispiel ein Babysitter. Dazu noch die Ausgaben des eigentlichen Ausgehens. Wie lange man dafür arbeiten muss! Sollte man das Geld nicht lieber sparen? Für später? Für die Rente? Für Notsituationen?
Ich hab also gespart, war nicht verschwenderisch, habe mich an Konventionen gehalten und war maßvoll.
Und dann passiert etwas und das Leben wirbelt durcheinander. Alles was man implizit für die kommenden Jahre geplant hat, ist futsch. Bei mir hat das zum anderen Extrem geführt. Ich kann gerade einfach nicht mehr vernünftig sein. Nicht früh ins Bett gehen, wenn ich früh aufstehen muss. Nicht noch ein Glas Wein trinken, wenn ich Lust darauf habe. Nicht das teurere Essen von der Speisekarte wählen, wenn ich doch Appetit darauf habe.
Ganz wundervoll dazu passt übrigens Journelles Text „Ode an die Gier„:
„Ich finde Unersättlichkeit, Wollust und Begierde sind tolle Motoren des Lebens. Wir wissen ja nicht was danach kommt, wahrscheinlich nichts. Dem möchte ich dann wenigstens satt entgegentreten.“
Und es geht nicht nur um den Genuss. Es geht auch darum sich mal was zu trauen. In sich rein zu hören, ob man das, was man sich verwehrt wirklich nicht will oder ob es andere Gründe gibt (Weil man das [in diesem Alter] nicht macht? Weil es unvernünftig ist? Weil es andere blöd finden? Weil es peinlich ist? Verschwenderisch? …).
Also: Fahrt Kart, singt in Karaoke Bars, hüpft albern zu wii-Spielen, betrinkt euch, singt unter der Dusche, bestellt noch ein Glas Wein, kauft euren Kindern einfach noch ein Eis, springt in den See, was auch immer. Und v.a. wenn es etwas zu sagen gibt, sagt es. Mehr als ein „nein“ kann man sich in der Regel nicht abholen. Wenn ihr Lust auf etwas habt und es schadet niemanden. Tut es.
YOLO!
(Ich gehe jetzt Burger mit Süßkartoffelpommes essen)
Kurz vor Beauty-Bloggerin
Wie das andere Mütter machen, ich weiß es nicht.
In meinem ersten PEKIP-Kurs z.B. war eine Mutter, die erschien immer perfekt gestylt. Alleine die lackierten Fuß- und Fingernägel. Unfassbar.
Für mich war diese Beautykiste schon immer ein Zeitproblem. Vor den Kindern musste ich immerzu lesen. Und arbeiten. Und mich jede Woche in einen neuen Mann verlieben. Da blieb einfach keine Zeit für den ganzen Schnickschnack. Frisör, Haare färben, aufwändige Frisuren und dann womöglich morgens noch kämmen und so. Den Körper im Fitnessstudio stählen. Finger- und Fußnägel lackieren. Lidstrich ziehen.
Ich hab da einfach den Anschluss verpasst. Wahrscheinlich schon in der Schule. Solange ich zuhause gewohnt habe, durfte ich mich nicht schminken. Ich habe mich dann gelegentlich heimlich morgens auf dem Schulklo geschminkt, aber das war alles so hektisch und der Lidstrich immer schief. Dann haben sich die anderen über mich lustig gemacht und irgendwie hatte ich dann keine Lust mehr.
Ja und wenn man nicht mit 17 anfängt, dann wird das nichts mehr. Dann ist der Lidstrich immer verwackelt. Man schminkt sich ne halbe Stunde und es fehlt nur noch der Lidstrich und am Ende sieht es so scheiße aus, dass man sich wieder komplett abschminkt.
Dieses Schicksal muss man akzeptieren.
(Nachdem die Kinder geboren waren, hatte ich wenigstens einen gesellschaftlich allgemein akzeptierten Grund keine Zeit zu haben.)
Heimlich schaue ich mir auf Youtube Schminktutorials an. Das ist sensationell. Ich weiß nicht, ob Sie sich das schon mal gemacht haben. Da sind junge Frauen, die haben unterschiedliche Pinsel und Schminkutensilien, die mich eher an den Tuschekasten meiner Kinder erinnern. Die plappern wild drauf los und malen sich nebenher die exotischsten Dinge ins Gesicht. Hinterher sehen sie aus wie Porzellanpuppen. Perfekt verspachtelt. Die Schatten an den richtigen Stellen. Alle Unebenheiten unsichtbar. Und es geht wahnsinnig schnell. Pinselpinsel und fertig. Das sieht so leichtgängig aus, dass ich alle drei Monate wieder denke: Das kann ich auch. Dann hole ich mir Billigpinsel und Billigfarbe und schmiere in meinem Gesicht rum und eine Stunde später sehe ich aus wie Ozzy Osbourne und weine vor Wut, so dass ich am Ende aussehe wie Alice Cooper (was auch nicht unbedingt mein Ziel war).
Irgendwann hab ich es aufgegeben. Ich denke, das ist wie mit dem Handwerken. Wenn man am Werkzeug spart, dann funktioniert das nicht. Es muss am Werkzeug liegen. Ich bin künstlerisch durchaus begabt. Naja, an mir jedenfalls, liegt es nicht. Auf keinen Fall.
Also rede ich mir ein: Man kann auch schön sein ohne geschminkt zu sein. Natürlichkeit!
Eine zeitlang klappt das gut. Ich hab z.B. 2005 aufgehört mir die Haare rot zu färben. Ganz erstaunt habe ich festgestellt, dass ich gar nicht dunkelblond bin wie ich all die Jahre vermutete. Richtig schöne dunkelbraune Haare hatte ich. Schick fand ich das. 2006 wuchsen die ersten grauen Haare. Erst einige weniger, dann immer mehr und als ich mich weigerte sie zu beachten, kräuselten sie sich, so dass sie immer abstehen als hätte ich versehentlich in die Steckdose gefasst.
Danke Natur. Sehr witzig.
Anderes Beautythema: Das Nägellackieren.
Die linke Hand – alles schick. Die rechte – so als wäre ich kurz eingeschlafen und in einen Farbtopf gestürzt. Aber da war ich ehrgeizig. Da hab ich so lange probiert, bis das Resultat erträglich war.
Drei Tage später dann: alles ab.
Toll.
Neulich klage ich einer ausgesucht wunderschönen Freundin mein Leid und sie fragt: Benutzt du denn keinen Unterlack?
– Unterlack?
– Ja, dann hält das wochenlang.
– Echt?
– Ja, Unterlack, zwei Schichten Lack, Überlack.
Faszinierend! Also gehe ich mit dem Ziel Ober- und Unterlack zu kaufen in einen Drogeriemarkt. Dabei stelle ich fest: Es gibt duzende von Unter- und Oberlacken. Glänzend, matt, für gerillte Nägel, für müde Nägel, brüchige Nägel…
Ich stehe also vor dem Regal und lese mir eine Stunde Nagellackbeschreibungen durch bis mir schwindelig wird. Rechne dann die Quersumme meines Geburtstags und zähle einfach ab. Danach wähle ich blind einen Rotton, bezahle und gehe nach Hause.
Man muss die Schichten ordentlich austrocknen lassen, hat mir meine Freundin noch auf den Weg gegeben und ich erinnere mich an die Speziallackierungen des Autos meines Vaters. Eine perlmuttweiße Giulietta hatte er damals. Mein Vater hat monatelang nach der richtigen Farbe gesucht und dann darüber referiert wie man richtig lackiert. Was fürs Auto gilt, gilt auch für die Nägel: Unterlack, Lack, Lack, Oberlack.
Und ich schwöre: Das hält vier Wochen. Sogar länger wenn man mit den Zehen nicht gegen Schränke stößt und der Lack absplittert. Toll. Dauert ewig (1 Stunde), aber es lohnt sich. Und das Großartige: wenn man sich vermalt, dann kann man das einfach hinterher abpulen. So dick sind die Lackschichten. Ein bißchen hier zurechtkratzen, ein bißchen da und fertig.
Und weil das so toll ist, muss ich jetzt alle Nagellackfarben der Welt kaufen.
Der erste Mädchenkram, der mir auch gelingt. Das Erfolgserlebnis hat mich so beflügelt, dass ich jetzt am liebsten alles lackieren würde. Ständig.
Ich hab jetzt zwar keine Zeit mehr zum Lesen oder um in Museen zu gehen oder so einen Schnickschnack. Dafür habe ich aber lackierte Fingernägel und das finde ich richtig toll. Noch zehn Jahre Übung und das geht in weniger als sechzig Minuten.
Und P.S. wenn die Frauenwelt da draußen weitere Geheimnisse parat hat, die mir bislang noch nicht mitgeteilt wurden, ich lasse mich gerne belehren.
Das ubiquitäre Paar
Am Wochenende war ich bei „Text & Töne“ einer Veranstaltung des Literarischen Colloquiums Berlin. Wer noch nicht da war (mir ist das in mehr als zehn Jahren Berlin bislang entgangen), dem kann ich diesen Ort – unabhängig von der Veranstaltung – sehr ans Herz legen.
Am Samstag traten Dota, Cora Frost, Christiane Rösinger, Frank Spilker (Die Sterne) und Francesco Wilking (Tele) mit Moritz Krämer sowie Tilman Rammstedt (der las und nicht sang) auf.
Am 15. August gibt es übrigens den zweiten Teil des Konzert- und Leseabends und wer sich vorstellen kann, an einem lauen Sommerabend einigen SchriftstellerInnen und SängerInnen mit einem Glas kühlen Weißwein in der Hand zu lauschen, während hinter selbigen die Sonne im Wannsee untergeht, dem kann ich die Veranstaltung sehr ans Herz legen. Auch mit Kindern im Übrigen. Man kann eine Decke mitnehmen und ein paar Stullen und ein bisschen Kindergehopse rundet den entspannten Abend eher ab als dass es stört.
Jedenfalls was ich eigentlich schreiben wollte: Christiane Rösinger, eine der Gründerinnen der Lassie Singers, kannte ich noch nicht. Was mein Begleiter mittelmäßig verwundert feststellte: „Aber sie ist doch AUCH Feministin!“
Nun. Ich habe zwar italienische Vorfahren, aber leider kenne ich nicht jeden Ort in Italien und auch nicht jede regionale Spezialität. Das entrüstet meine Gesprächspartner gelegentlich (ABER DU BIST DOCH ITALIENERIN?), aber so ist es eben. Ich kenne auch nicht alle Feminstinnen. Auch nicht wenn sie singen, auch nicht wenn sie so großartige Texte singen.
(Im Übrigen könnte ich jetzt im Thesaurus „großartig“ eingeben, um die anderen SängerInnen des Abends zu beschreiben. Cora Frost zum Beispiel, die so inbrünstig performte und eine Strophe auf den Wannensee schrie und eine weitere zu meiner großen Freude gurgelte – aber es würde ja allen nicht gerecht. Einfach zum 2. Termin am 15. August hingehen!)
Christiane Rösinger sang von der Liebe und wie überbewertet sie ist und davon dass sie einen Faible für Idioten hätte und von der Sinnlosigkeit alles Handelns und das in ausgesuchter Fröhlichkeit. Es war ein Fest.
In einem der Lieder prangerte sie das Paarleben an. So blieb es mir in Erinnerung. Also den Drang sich eigentlich nur komplett und vollwertig in der Gesellschaft zu fühlen, wenn man eine/n PartnerIn hat. V.a. weil das der Jugend so vorgelebt werde, die ja dann mit dieser Idee aufwachse.
Mich haben diese Textzeilen sehr nachdenklich gemacht. Warum ist das eigentlich so? Warum hat man als erwachsener Mensch meistens das Gefühl irgendwas stimme nicht, wenn man nicht mit jemanden das Leben teilt? Irgendwie ist es bei den meisten ja ein Thema sobald sie allein sind: Die Partnersuche. Und was lebt man da tatsächlich den Kindern vor? Schwebt für meine Kinder wahrnehmbar mit „Die Mama bekommt das zwar alles hin, aber eigentlich wäre alles besser (?) wenn da noch jemand wäre.“?
Tatsächlich hat mir meine eigene Mutter immer vermittelt, dass das Wichtigste im Leben der Partner ist. Ohne Partner ist man nicht komplett. Dass ich jetzt wieder alleine lebe (was ja z.B. bezogen auf das Thema Kinder gesehen auf die Verantwortlichkeiten so auch gar nicht stimmt), beunruhigt sehr. Besser wäre es ja schon, wenn da jemand wäre, der für mich sorgt…
Gerade finde ich mein Leben im Alltag alleine ja sehr schön. Aber es überkam mich zumindest auch schon des öfteren das Gefühl das Schöne teilen zu wollen. Das Unschöne auch und überhaupt: das Teilen.
Es gibt von der WM ein Videoschnipsel eines deutschen Tors, in dem Angela Merkel hochspringt und sich freut. Eine Millisekunde später schaut sie sich suchend um, mit wem sie ihre Freude teilen kann, umarmt Gauck und schaut dann zur anderen Seite, ob sich die anderen mitfreuen. Putin sitzt derweil wie eine Statue daneben und freut sich betont nicht. Er unfreut sich kältlich sozusagen.
Um zum Thema zurück zu kommen. Ich habe diesen Teildrang auch. Ich vermute, viele – wenn nicht sogar alle Menschen haben ihn. Der Anblick eines Sonnenuntergangs ist schön. Man kann ihn sich alleine anschauen und genießen, aber irgendwie schlummert latent das Teilenwollen. Gemeinsam auf die untergehende Sonne blicken. Wenn das nicht geht, ein Foto machen, das Foto jemanden später zeigen oder – den sozialen Medien sei dank – das Foto instagrammen und es so teilen.
Ich weiß nicht, ob das Streben nach Zweisamkeit wirklich zum großen Teil von diesem Dinge mit jemanden teilen wollen angetrieben wird. Im Moment fühle ich es so. Und deswegen bin ich froh, dass es Twitter, Facebook und instagram gibt. Ich fühle mich dann nicht einsam. Ich hab Menschen dabei mit denen ich mein Erleben, meine Freude und manchmal auch meinen Frust und meine Traurigkeit teilen kann.
Ja, man kann jetzt wieder die ganze Diskussion mit den sogenannten „echten Menschen“ und der Wertigkeit der „echten Freunde“ führen. Man kann es aber auch sein lassen. Ich kenne den Unterschied nicht und manchmal, wenn ich mich zum Beispiel schlecht fühle und das twittere und mir jemand mit „.“ antwortet und mir damit einfach sagt: „Ich nehme dich wahr, ich fühle mit Dir, mehr gibt es nicht zu sagen.“, dann hilft mir das. Mich erreicht das Mitgefühl der anderen und es tut gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich für mich interessieren.
Hach ja, ich wollte gar keinen Jammertext schreiben. Viel mehr fühle ich mich wirklich ermuntert meinen Kindern nicht vorzuleben, dass ich nur jemand bin, wenn ich zu zweit bin. Dass etwas fehlt, wenn ich alleine lebe. Im Gegenteil. Ich hätte gerne, dass sie sehen, dass mir mein Leben gefällt, dass ich gerne eigene Entscheidungen treffe, dass es mir gut tut mich nicht permanent mit jemanden abstimmen muss. Dass es eben Vorteile gibt alleine zu leben – so wie es Vorteile gibt als Paar zu leben. Dass beide Formen gleichwertig sind, dass sie ihre Berechtigung haben, dass das eine nicht wertiger ist als das andere und dass es viele Formen von Gemeinschaft gibt, von Lebensmodellen. So dass sie aufwachsen mit jemanden vor Augen, der ihnen irgendwie eine Art Zuversicht schenkt, dass man sein Leben selbst gestalten kann, dass man die Wahl hat und dass man sich gegebenenfalls auch umentscheiden kann. Jederzeit. Mit 16, mit 30, mit 40 und auch noch mit 50 oder 60, jederzeit eben. Und dass sie verstehen, dass es viele Formen von Gemeinschaft und Beistand gibt.