Abschied von Größe 36

Tschö 36.

Bis ich 28 war, habe ich problemlos in eine 36 gepasst. Seitdem nehme ich zu. Von meiner Kleidung trennen wollte ich mich nie. Aber jetzt habe ich es endlich gemacht. Ich trenne mich von ihnen, denn realistisch gesehen, werde ich da nie wieder rein passen. Hoffe ich jedenfalls, denn sehr schlank war ich bislang nur, wenn ich unglücklich war.

Das Erstaunliche ist, als ich noch eine 36 trug, fand ich mich nie ausreichend dünn. V.a. nicht nachdem ich von Franken nach Berlin gezogen bin. Da kam ich in einen Freundeskreis, in dem die „schönsten“ Mädchen gerade mal eine 34 trugen und von der Figur her aussahen wie 13jährige Jungs. (Ungefähr so wie die derzeitigen H&M-Models.) Mir hat das nicht gefallen, aber es wäre gelogen, zu behaupten, dass mich das nicht beeinflusst hätte.

Genauso wie die ganzen Klappergestelle, die man bei Greys Anatomy & Co. sieht. Doch jetzt, da ich Ü30 bin, werden meine italienischen Gene aktiv und ich würde denen gerne was ordentliches kochen. Dennoch. An jeder Straßenecke schreien einen die Plakate an. Dünn ist schön. Dünner ist schöner. Diese Botschaften finden irgendwie ihren Weg in mein Unterbewusstsein und auch in mein passives Schönheitsideal.

So fiel es mir bislang wirklich schwer, mich von all den Kleidungsstücken zu trennen, die Größe 36 haben. Ich trage jetzt eine 40 und da ich nicht der Diät-Typ bin, werde ich nie wieder eine 36 haben. Will und brauche ich auch gar nicht und meinen Kindern möchte ich ohnehin ein gutes Vorbild sein. Essen was einem schmeckt und bewegen, weil es Spaß macht und nicht weil man sich überzählige Kalorien abtrainieren will. Ich fände es grauenhaft, wenn meine Kinder das Wort „Diät“ oder „Abnehmen“ in den Mund nähmen. Jedenfalls weiß ich jetzt, dass ich den Krempel wirklich nicht mehr brauche und deswegen kann ich Platz schaffen.

Deswegen macht es mir wirklich nichts mehr aus, wenn ich im schicken Berlin-Mitte zwischen all den Mädchen in Größe 34 mit Haardutt sitze und die Bedienung meine Freundin und mich nach dem Genuss der Hauptspeise fragt, ob wir wirklich JEDE ein eigenes Schokotörtchen essen wollen.

Dazu auch lesen: Verdorben bis ins Schokotörtchen, Polemik zur Nacht und Problemzonen? Anke Gröner mochte ihre Beine nicht

P.S. Und ich will jetzt kein Gemosere hören, dass Größe XY ohnehin nicht „fett“ ist. Denn das ist es ja genau. Wenn man die Zeitungen anschaut, ist man eigentlich immer fett – es sei denn man ist Victoria Beckham. Wobei es bestimmt irgendeine geile Steigerung von Size Zero gibt…

Erziehen heißt Dranbleiben

Erziehungstipps von der Expertin. Heute, wie man Kinder zum Händewaschen motiviert.

Bevor ich Kinder hatte, war ich der festen Überzeugung, dass es Mittel und Wege gäbe, sie zu erziehen. Etwas mehr als zehn Jahre später weiß ich: das ist totaler Quatsch.
Nehmen wir das Beispiel Hygieneerziehung und hier die vergleichsweise kleine Aufgabe: Hände waschen.
Als ich Kind 1.0 kennen lernte, dachte ich, es genüge ein gutes Vorbild zu sein. Vor dem Essen rief ich voller Elan: Hände waaaschen! Sprang auf und wusch mir die Hände. Kind 1.0 schaute nicht mal in meine Richtung. Kann ja nicht alles sofort klappen, beruhigte ich mich und wiederholte mein Ritual täglich mehrere Male, vierzehn Tage lang.
42 Versuche später, variierte ich mein Vorgehen: Hääände waaaschen! Wer kooommt mit?
Keine Reaktion von Kind 1.0.
Weitere 50 Male später: Komm, Kind 1.0 wir gehen Hände waschen.
Murren.
431 Male später war immer noch keine Eigenmotivation zu erkennen.
(Kind 1.0 war beinahe drei Jahre alt, als ich es kennen lernte muss ich dazu sagen. Nicht dass jemand denkt, ich hätte von einem Säugling verlangt Hände zu waschen.)
Gut, dachte ich. Dann die Sache mit der Vernunft.
Schau Kind 1.0 Hände waschen ist wichtig, weil [kindgerechter Vortrag über die Verbreitung von Krankheitserregern, die Errungenschaften des Alexander Flemings und über die Berechtigung des Robert-Koch Instituts].
Keine Reaktion. Auch mehrmaliges an die Vernunft appellieren blieb erfolglos.
Ich entwickelte als findige Psychologin ein Bonussystem. Selbständiges Händewaschen vor dem Essen = 2 Punkte; selbständiges Händewaschen nach dem Toilettengang = 3 Punkte. Bereites Händewaschen nach Aufforderung = 1 Punkt. Alle 10 Punkte = 1 Eis.
Ein Jahr später hatte das Kind noch kein Eis zusammen.
OK, OK, OK! In der Zwischenzeit las ich Jesper Juuls „Das kompetente Kind“ und lernte, Kinder wollen kooperieren. Das bestehende Bonussystem war somit tödlich für die Motivation. Die Sache musste herum gedreht werden. Man unterstellt dem Kind Gutes und zieht Punkte für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Kind doch nicht kooperieren möchte, Punkte ab.
Jede Woche erhielt das Kind 100 Punkte, die es in der darauf folgenden Woche einlösen könnte. Vergessenes Händewaschen = -2 Punkte. Händewaschen nach Aufforderung verweigern= -1 Punkt.
Am Ende der Woche hatte das Kind -345 Punkte.
Gut, gut. Schulz von Thun also. Ich betonte bei unserer Kommunikation nicht mehr die Sachebene (Bakterien, Hygiene) und nicht die Apellebene (Tu es doch endlich!!!) sondern versteifte mich auf die emotionale Ebene (Mami wäre wirklich sehr glücklich, wenn Du die ba-ba Hände waschen würdest!).
Auch das prallte an Kind 1.0 ab.
So vergingen die Jahre.
– Hast Du Hände gewaschen?
– Ja!
– Wie kannst Du das ohne Wasser? Ich habe das Waschbecken kontrolliert.
– grummelmurmel

– Hände gewaschen?
– Vergessen!
– HÄNDEWASCHEN!
– ____

Ich versuchte alles. Ich hab Kind 1.0 sogar zum Einschlafen 365 Tage lang hintereinander, das Video der Kampagne „Wir gegen Viren“ gezeigt.
Erfolglos.
Kein Betteln, kein Flehen, kein Erklären, kein Bitten. Nichts half. NICHTS. Kind 1.0 wusch sich grundsätzlich nie die Hände. Niemals.
Ich war so verzweifelt.
Es half kein Schreien, kein Drohen, kein Weinen, kein Aufdembodenwälzen, kein Kopfaufdentischschlagen (meinen!), keine Bestechungsversuche.
Kind 1.0 war handwaschresistent.
2009 als die Schweinegrippe grassierte hat es drei Mal Hände gewaschen, glaube ich. Das wars aber schon.
Jetzt ist das Kind bald ein Teenager und ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben. Nur der abendliche Konsum der altgriechischen Heldensagen hielt in mir die Hoffnung wach, dass ich eines Tages einen Angriffspunkt in Sachen Erziehung finden würde. Und tatsächlich. Auch unser Archilleus war verletzlich. Er musste nur zu einem Jüngling heranreifen, damit sich mir seine Schwäche offenbarte.
Die Schwäche hieß Mädchen. Kind 1.0 hasst Mädchen. Sogar die Farbe rosa, die er mit dem weiblichen Geschlecht assoziiert, empfindet es als bedrohlich. Wenn es zu lange etwas rosafarbenes betrachten musste, sucht es einen blauen Gegenstand und lädt sich an ihm wieder auf.
Just als ich diese Erkenntnis hatte, zog gegenüber ein leicht pubertierendes Mädchen ein. Sie schminkte sich schon und sie liebte Rosa. Ein Geschenk des Himmels. Sie wirkte auf mich wie eine von Gott höchst persönlich gesandter rosafarbener Bote der frohen Botschaft, wenn sie vom Flurlicht angestrahlt in unserem Wohnungsdurchgang stand und große rosafarbene Kaugummiblasen blies während sie sich ihre rosaglitzernden Sneaker abtrat.
Ich hörte sie durch die geschlossene Wohnungstür kichern und wenn morgens durch den Spion lugte, sah ich oft wie sie sich pinkglänzenden Lippgloss auftrug bevor sie zur Schule ging.
Dieses Mädchen war das Beste, das mir erziehungstechnisch je passiert ist. Ich traf mit ihr eine zugegebenermaßen nicht ganz billige Vereinbarung.
Das nächste Mal als Kind 1.0 verweigerte die Hände zu waschen, zog ich meinen Joker: Wenn Du nicht die Hände wäschst, hole ich das Nachbarsmädchen und es umarmt Dich.
Ungläubiges Gelächter.
Ich ging rüber und klingelte. Das Mädchen kam raus, trug sich lächelnd den Lippgloss auf und sagte: Kind 1.0, ich möchte Dich umarmen.
Kind 1.0 wechselte die Gesichtsfarbe.
Das Mädchen presste Ober- und Unterlippe aufeinander, um den Gloss besser zu verteilen. Vielleicht will ich Dich auch küssen.
Kind 1.0 begann zu zittern.

Seit diesem Tag haben wir kein Problem* mehr.

*Mit dem Hände waschen. Siehe auch „Kleidung zum Teil täglich wechseln

Ich habe nichts gegen Kinder, nur bitte nicht hier

Ich meine, irgendwo mal gelesen zu haben, dass die Bahn ihre Kleinkinderabteile abschaffen möchte. Eine intensive dreiminütige Recherche hat nur einen Artikel von 2003 dazu hervor gebracht. Da ich zumindest letztes Jahr einmal mit den Kindern Kleinkindabteil gefahren bin, weiß ich, dass es die im Moment noch gibt.

Sei es drum. Als ich also hörte, dass die Bahn ihre Kleinkindabteile abschafft, war ich entsetzt. Was soll das? Reisen im Kleinkindabteil ist super. Die Kinder können sich bewegen, spielen, plärren, ich kann stillen, wir können alles vollbröseln und Windeln wechseln ist auch kein Problem. Es gibt ohnehin viel zu wenig Plätze und dann sollen diese wenigen Plätze noch abgeschafft werden? Ja sind die denn verrückt?

Dann hat das Ganze in mir gearbeitet und ich habe meine Meinung inzwischen komplett geändert und ich fordere: Ja! Schafft die Kleinkindabteile ab! Schafft sie ab! Ich will keine Extrawürste für Familien mit Kindern mehr. Ich will, dass die Gesellschaft Kinder akzeptieren lernt. Dass die Menschen lernen aufeinander Rücksicht zu nehmen. Dass es akzeptiert wird, dass Kinder ein bißchen lauter sind als Erwachsene. Dass sie vielleicht mal auf den Sitzen stehen und andere angrinsen oder unqualifizierte Fragen der Art „Was machst Du da?“ stellen. Ich WILL, dass Menschen einen nicht böse und genervt anschauen, weil ein Baby schreit. Dass sie einem nicht das Gefühl geben, dass man die Sache nicht im Griff hat oder dass das Baby nicht gut erzogen ist (oder ähnlich absurde Ansichten, die man durchaus mitgeteilt bekommt, wenn ein der Sprache nicht mächtiges Wesen sich nicht anders als mit Schreien zu artikulieren weiß).

Ja und jetzt bin ich richtig in Fahrt und denke an diesen unsäglichen Artikel in der TAZ, der über die Prenzlauer Berg Mütter herzieht, weil sie es wagen in Cafés zu gehen und dann auch noch dort stillen. Auch habe ich den Artikel von Lars Reinecke, der sich darüber empört, dass am Familientag keine Kinder unter acht mit zur CeBIT dürfen, gelesen.

Was das alles miteinander zu tun hat? Es geht um Familienfreundlichkeit. Lars Reinecke schreibt (offenbar sehr wütend, wie man an der Wortwahl erkennen kann):

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Am Arsch.

»Ja, in Dänemark und Schweden, da sind die Verhältnisse ja auch ganz anders, da sind die Leute ja auch viel kinderfreundlicher, so allgemein.«

Ja, verdammt, dann seid es hier doch einfach auch, ihr Arschlöcher! Vielleicht ändern sich dann hier auch die Verhältnisse.

Ich verstehe seinen Ärger, auch wenn ich die Vergleiche im Artikel und auch den Adressaten der Verärgerung (das Personal vor Ort) für inadäquat halte, aber ich verstehe es und ich sage: Mehr davon! Vor allem seitens der Väter. Wir wollen Gleichbereichtigung – auch in der Familie. D.h. dass es eine Durchlässigkeit in der Gesellschaft geben muss. Es muss eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie geben, das hilft den Frauen und das hilft den Männern ihre neue (und oft geforderte) Rolle als echte Familienväter wahrzunehmen.

Ich möchte einfach Toleranz und ich möchte nicht dass Kinder ausgeschlossen werden. Klar sind Eltern-Kind-Cafés schön. Aber wäre es nicht viel schöner, wenn man mit Kindern einfach in jedes x-beliebige Café oder Restaurant gehen könnte?

Das Thema lässt sich unendlich ausweiten und wie seltsam es ist, Kinder in eigene Abteile zu schließen, schwant einen, wenn man andere Abteile eröffnet. Behindertenabteile (ist doch toll!), Altenabteile (super!), Frauenabteile (grandios!), Abteile für Ausländer (Applaus!), …

Das Zauberwort ist gegenseitge Rücksicht. Meine Kinder müssen (sofern sie alt genug sind, das zu verstehen) ja nicht im Zug rumjohlen und schreien. Sie müssen nicht mit Essen werfen oder andere Fahrgäste bewusst belästigen. Aber warum sollen sie nicht im Gang laufen dürfen? Warum sollen sie nicht in normaler Zimmerlautstärke sprechen dürfen?

Ich bin neulich in einem Aufzug von einem alten Mann angesprochen worden, weil ich mich zu laut und unangemessen (Fachterminologien und Akronyme!) mit meinem Mann unterhalten habe. Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich darf im Aufzug nicht sprechen? Nein, ich könne ja außerhalb des Aufzugs sprechen, wo er das nicht hören muss. Er möchte seine Ruhe wenn er Aufzug fährt. Alles klar…

Ganz ehrlich. Sollen doch diese Leute zuhause bleiben und alle anderen sollen raus und lernen, dass es Unterschiedlichkeiten gibt. In Lautstärke, in Temperament, in Gewohnheiten… Isolation der einzelnen, vermeintlich störenden Gruppen bringt doch nur das Gegenteil: Vorurteile verschärfen sich mangels Erfahrung miteinander und die Ansichten verhärten sich, weil alle nur noch dünnhäutiger werden.

Also: Kinder am Familientag auf die CeBIT und dann lieber das Personal schulen und an den Stellen eingreifen lassen und mit Argumenten ausstatten, an denen Kinder auf Unverständnis bei anderen Messebesuchern stoßen.

Es lebe das Internet

Für mich besteht die deutsche Blogosphäre nicht aus Techblogs und Netzpolitik. Sie besteht aus Menschen und ihren Geschichten.

Man kann also getrost damit aufhören, Blogs einmal im Jahr für tot zu erklären. […] Blogs sind kontinuierlich arbeitende Dampfmaschinen, die über ihren langen Atem Erfolg haben. Jedes Jahr, jeden Monat und jeden Tag.

Über die „6 vor 9„-Kategorie im Bildblog bin ich auf den Artikel „Und was machten die Blogs im Jahre 2011?“ bei Maingold.com gestoßen.  Der Artikel gibt einen Teil meiner persönlichen Wahrnehmung der deutschen Blogosphäre sehr gut wieder. Allerdings fehlt etwas sehr wesentliches: Die Öffne-mir-eine-andere-Welt-Blogs.

Das sind genau die Blogs, für die ich das Internet so sehr liebe und auch überhaupt nicht verstehen kann, dass es Menschen gibt, die das Internet nicht lieben können oder wollen.  Denn es gibt Blogs, die mir Welten eröffnen, deren Tür sich für mich ohne das Internet wahrscheinlich nie geöffnet hätten.

Deswegen stimme nicht zu wenn es heißt „Die so genannten großen Blogs, die fast jeder Blogger vor einigen Jahren erst mal pauschal in seine Blogroll aufnahm, gibt es so nicht mehr. “ Das erste Blog, das mir genau zum Thema Unbekannte-Welt und großes Blog einfällt, ist das Blog von Anke Gröner.

Ich habe angefangen sie zu lesen, als sie in meiner Wahrnehmung am meisten über Kinofilme bloggte. Das tat sie immer so treffend, dass ich eigentlich gar keine Filme mehr anschaute, bevor sie nicht darüber geschrieben hatte. Dann kam eine exzessive Phase des Golfens und jetzt lese ich sehr gerne über Essen und Opern. Sowohl Golf als auch Opern sind nicht mein Interessensgebiet – aber sie schreibt so gut und einnehmend darüber, dass ich jeden Eintrag gerne lese. Lediglich gegen das Fußballthema bin ich völlig resistent. Gerade dieses Blog zeigt wie die BloggerInnen selbst wachsen und sich entwickeln und mit ihnen ihr Blog. Und ich glaube auch nicht, dass man sie nicht zu den großen Bloggern zählen kann, denn wer kennt Anke Gröner im Internet nicht?

Ein anderes Beispiel für ein  Öffne-mir-eine-andere-Welt-Blog, das gerade 2011 groß geworden ist, ist das Blog von Julia Probst. Sie schreibt im Blog und auf Twitter und Google+ über ihr Leben und ihre Erfahrungen als gehörloser Mensch und sensibilisiert somit andere für dieses Thema.

Ebenfalls schon lange aktiv: Christiane Link, die in ihrem Blog Behindertenparkplatz über ihr Leben schreibt und somit auch Einsichten gibt, an welchen oft wahnwitzigen Barrieren man im Alltag oder in den Köpfen der Leute zu scheitern droht, wenn man sich im Rollstuhl fortbewegt.  (OMG! Beinahe hätte ich „an den Rollstuhl gefesselt“ geschrieben, aber davon hat mich Raul Krauthausen völlig geheilt – aber genau das erreichen diese Blogs, dass man mal darüber nachdenkt, was man da eigentlich sagt. Fehler machen alle Menschen, wenn man aber darauf gestoßen wird, kann man es im Anschluss besser machen.)

Genauso geht es mir mit dem Blog von Antje Schrupp, die sich hauptsächlich mit feministischen Themen auseinandersetzt. Mir wird das meiste allerdings nicht an den Artikeln klar, sondern an den Reaktionen auf diese Artikel. Auch wenn ich nicht immer die im Blog wiedergegebene Meinung teile, so zeigen genau die Reaktionen wie wichtig Feminismus nach wie vor ist.

Es gibt so viele Beispiele für Öffne-mir-eine-andere-Welt-Blogs. Das Blog von Frau Freitag über den Schulalltag, das Bestatterblog, das Apothekenblog, das Polzeinotrufblog, das Nachtschwesterblog und natürlich das Lawblog von Udo Vetter (auch ein weiteres Gegenbeispiel zum Thema die großen Blogs gibt es nicht mehr).

Die Liste könnte man wahrscheinlich unendlich erweitern. Für mich ist das Internet eben nicht Techblogs und Shitstorms sondern Menschen mit interessanten Geschichten, die mich an ihrem Leben teilhaben lassen. Das ist das Phantastische am Internet seit über 15 Jahren. Seit dem Tag an dem ich in der Uni mit Herzklopfen andere Seiten anklickte, als ich ICQ entdeckte und durch Zufall Freundschaften schloss, mit Menschen in der ganzen Welt, Menschen, die ich gar nicht kannte, Menschen die einfach auch neugierig waren und die mich dann an ihrem Leben teilhaben ließen.

Tatsächlich sind es die von Maingold.com genannanten Themen, die sich auch in meiner Wahrnehmung über Twitter und Facebook aufschaukeln und sich somit in den Vordergrund drängen: Techblogs, Netzpolitik, Protest und all die Beiträge, die irgendwelche Säue durchs Dorf treiben. Aber das liegt einfach auch an den Personen und deren Beziehungen untereinander. Ich habe oft das Gefühl, dass es (bis auf einige Ausnahmen) wenige Platzhirsche sind, die sich gegenseitig ihre großen Geweihe zeigen und um sich herum kleine Herden scharen, die dann eine zeitlang das Gesagte im Ping Pong zitieren und kommentieren, um sich auch ein bisschen wichtig zu fühlen.

Tatsächlich machen gerade diese Blogs für mich nur einen klitzekleinen Teil des Internets aus. Sie sind nur lauter als der Rest. Das Internet ist für mich voller Menschen, die etwas zu sagen haben und zwar zu ihrer Lebensrealität und zu dem was sie machen oder sich wünschen. Und weil ich selbst mein kleines, eingeschränktes, alltagsdominiertes Leben habe, freue ich mich immer wieder wenn mir diese Menschen Einblicke in ihre Welt geben.

Ich geh dann mal den Papierkalender synchronisieren

Gemeinsame Kalender sind so wahnsinnig praktisch. Theoretisch jedenfalls.

S 11 in Aus Liebe zum Wahnsinn von Georg Cadeggianini:

„Meine Frau Viola, 34, kommt in die Küche. Im Mantel. – Im Mantel? Jetzt hat Camilla Lorenzo erwischt. Handgemenge. Ich brülle ein wenig. Viel Mehl landet auf dem Boden, vor dem Schneeräumgerät. Elena, 9, geht dazwischen. Halbherzig. – Warum hat Viola eigentlich diesen verdammten Mantel an? […] Natürlich habe sie das in unserem Onlinekalender eingetragen, meint Viola. Kino mit Freundin, Donnerstagabend.“

Damit hat Georg Cadeggianini bereits auf Seite 11* eine typische Familienalltagssituation geschildert. Ein ganz grundlegendes Problem zwischen Mann und Frau. Ich weiß nicht, wie die Vorgeschichte im Hause Cadeggianini war. Aber sie war ganz sicher genau so:

Der Ehemann kommt nach Hause. „Schatz, wir müssen mal einen gemeinsamen Googlekalender einrichten. Das wäre doch praktisch. Da legen wir all unsere Termine an und haben so immer den Überblick. Wegen der Kinder und so.“ Die Frau denkt Oh Mann, noch ein zusätzlicher administrativer Aufwand, das Leben besser zu organisieren und sagt: „Ja, OK, praktisch wäre es ja schon.“

Fortan schreibt die Frau alle Termine in den Kalender. Wer die Kinder bringt, wer sie abholt, wann die Schwiegereltern zu Besuch sind, wann die Freunde Geburtstag haben, wann Ausflugtag in der Schule ist. Sie abonniert den Kalender für die Schulferien. Sie trägt die Sportkurse ein. Sie vermerkt, wann sie plant mit Freundinnen auszugehen. Sie trägt wichtige geschäftliche Termine ein.

Ändert sich was, verschiebt sie Termine, sie legt sie neu an und sie vermerkt auch die Orte, genaue Uhrzeiten, schreibt in die Notizen an was gedacht werden muss (Am Waldtag kein Brotpapier!), Ansprechpartner, Telefonnummern, alles! Gefühlt nimmt das Befüllen des Kalenders ca. 10% ihrer Lebenszeit ein.

Dann, eines Tages will sie ins Kino und während der Mann gerade den Kindern Stullen schmiert, erscheint sie im Mantel und der Mann denkt: „Wo will sie nur hin? Was ist los?“ GANZ GENAUSO WIE IN DEM BUCH BESCHRIEBEN.

Es entsteht eine kleine Diskussion.

„Woher soll ich wissen, dass Du ins Kino gehst?“
„Es steht im Kalender“
„Aber da habe ich nicht rein geschaut. Sowas musst Du mir sagen!!“
„Aber das habe ich und ich habe es in den Kalender geschrieben.“
„Nein, das stimmt nicht, Du hast es mir nicht gesagt!“
„Selbst wenn ich es vergessen haben sollte, was ich nicht glaube, denn selbst die Kinder wissen es, es steht im Kalender!“
„Aber ich habe nicht immer Zeit da rein zu schauen. Außerdem wollte ich mich heute mit einem Kumpel treffen.“
„Nun – das steht nicht im Kalender.“
„Ich kann da nicht immer alles eintragen. Vorgestern habe ich noch dran gedacht, aber dann habe ich es vergessen. Da stand Dein Termin noch nicht drin.“

[..]

Immer und immer und immer wieder führt das Ehepaar Gespräche dieser Art. Wütend stampft die Frau davon. Dann entschließt sich die Frau einen dieser Familienwandkalender zu kaufen. Sie hängt ihn an eine prominente Stelle im Flur. Dort überträgt sie tagelang alle Termine. V.a. die sich wiederholenden Termine (Donnerstag immer Musik) bereiten ihr große Freude. Weitere 10% ihrer Lebenszeit verbringt sie mit dem Synchronisieren ihres digitalen Kalenders mit dem Papierkalender. Die Situation verbessert sich tatsächlich und dann kommt doch wieder der Mantel-Tag und der Mann schaut die Frau mit großen Augen an.

Da blickt die Frau zum Familienjüngsten, Kind 3.0 (gerade in der sogenannten Trotzphase), und sie spürt die gesamte Verzweiflung eines zweijährigen Kindes in sich hochsteigen, sie spürt wie sich das Gefühl mit der präpubertären Ihr-behandelt-mich-alle-immer-ungerecht des Erstgeborenen vereinigt und sie platzt einfach. Peng! Wie ein Luftballon.

(Dass Frauen immer so emotional sein müssen!)

*Das Buch ist auch über Seite 11 hinaus gut zu lesen. Mehr dazu, wenn ich fertig bin.

Lieblingstweets 02/12

Lieblingstweets im Februar 2012

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Foursquare, wir konnte ich nur ohne Dich leben?

Die Nutzungsmöglichkeiten von foursquare sind vielfältig und können sogar den Ehealltag bereichern.

Manchmal überrasche ich mich selbst. Zum Beispiel mit meiner Begeisterung für Foursquare. Foursquare ist so ziemlich das nützlichste Netzwerk der Welt und ich fordere hiermit alle meine FreundInnen auf Mitglied zu werden. Und zwar umgehend!

Ein praktisches Beispiel. In unserer Kita hängt ein Zettel, auf dem sind in einer Spalte die umliegenden Spielplätze vermerkt. In einer weiteren Spalte sind die Wochentage zu finden. Die erste Mutter, die ihr Kind abholt und noch auf einen Spielplatz geht, nimmt zwei Klammern und markiert a) den Spielplatz und b) den Wochentag. Die zweite Mutter, die ihr Kind abholt und auf einen Spielplatz möchte, schaut auf den Zettel und schließt sich der ersten Mutter an. So weit die geniale Theorie.

Praktisch klappt das nicht. Die erste Mutter vergisst traditionell die Klammern zu setzen. Es kommt eine zweite, die daran denkt, geht zu einem anderen Spielplatz, vergisst aber den Tag umzustellen. Die dritte schaut auf die Liste und sieht dass der Tag falsch markiert ist, stellt ihn ein und geht auf einen dritten Spielplatz. Oder die Klammern fehlen. Oder das große Telefonieren geht los. Wer geht noch auf den Spielplatz? Wer ist wann fertig? Mit Foursquare wäre das so einfach! Die Erste checkt am entsprechenden Spielplatz ein, alle anderen wissen Bescheid. Fertich!

Ein weiteres Beispiel für eine super Nutzung. Ich muss zum Zahnarzt. Auf dem Weg dorthin komme ich an einem Restaurant vorbei, das ich schon lange mal ausprobieren wollte. Wenn ich normalerweise darüber nachdenke, wo man hingehen könnte, fällt mir vor Schreck meistens nichts ein. Mit foursquare packe ich den Ort auf meine To-Do-Liste und finde ihn bei Bedarf problemlos wieder.

Die allerallerbeste Nutzung ist aber die eingebaute Ehemannerinnerungsfunktion. Sie basiert auf der Standardfunktion, dass Tipps, die Freunde an Orten hinterlassen aufpoppen, wenn man sich räumlich in der Nähe befindet.

Um die Möglichkeiten dieser Funktion voll auszuschöpfen, muss man die Wege des Ehepartners eine Weile überwachen und notieren. Wenn man zentrale Punkte ausmachen konnte, hinterlässt man an den entsprechenden Orten hilfreiche Tipps. Sie poppen einfach hoch, wenn der Mann sich in der Nähe befindet. Man ist dabei nicht mal daran gebunden, einen sinnigen Tipp zu dem entsprechenden Ort zu hinterlassen.

Im Fitnessstudio, in dem der Mann sich gerne ertüchtigt, stellt man beispielsweise ein: „Nach dem Trainieren einmal Softeis mit extra viel Schokosoße mitbringen“ oder in der Lieblingskneipe, die gleich neben dem Supermarkt ist: „Meistens ist das Bio-Gemüse im Angebot, bitte übliches Sortiment mitbringen.“ Foursquare bietet sogar an, das To Do nach Abarbeitung als erledigt zu markieren. Wundervoll!

Gerade für Berlin ist das absolut genial – haben doch die meisten Läden bis 22 oder sogar 24 Uhr geöffnet. Ich habe auch andere, wichtige Informationen über Berlin gestreut: „Denk an unseren Hochzeitstag!“ (Alexanderplatz) oder „Blumen bereiten eigentlich immer eine Freude“ (Straße in der mein Mann meistens parkt).

Ganz ehrlich: Ich liebe Foursquare. Echt jetzt!

Nachtrag: Das tolle Aufpopp-Feature gibt es leider nur mit iOS. Ich denke aber, dass bestimmt ein Foursquare-Android-Entwickler hier mitgelesen hat und sich somit auch die Android-User auf dieses Feature freuen können.

Husband Beeping

Wenn der Mann plötzlich beim falschen Mobilfunkanbieter ist, lässt sich per Husband Beeping eine Menge Geld sparen, das man lieber in den Familiensommerurlaub investiert statt in unnütze Telefonanrufe.

Wer mein Blog regelmäßig liest, mag den Eindruck gewinnen, dass ich ein wenig überdreht oder leicht hysterisch bin. Dem ist natürlich überhaupt nicht so. Ich bin ein eher ruhiger, ziemlich unemotionaler Typ, der viel von Vernunft und Rationalität hält. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass mein Mann das schiere Gegenteil ist, aber er trägt seine Gefühle doch deutlich sichtbarer auf der Zunge. Er diskutiert gerne und ich finde sein Verhalten gelegentlich, sagen wir mal, irrational nicht 100% nachvollziehbar.

Kürzlich z.B. wurde bei seinem Arbeitgeber die Internetpolicy geändert. Es dürfen zukünftig keine privaten Emails mehr verschickt werden und die Nutzung des Internets ist gänzlich untersagt. Bis ich zu einem anderen Provider wechselte, konnten wir uns wenigstens von Privathandy zu Privathandy kostenlos SMS schreiben oder uns kostenlos anrufen. Meinem Wechsel in ein anderes Netz geschuldet, ist dies jedoch nicht mehr möglich. Mein Geizproblem (v.a. nachdem ich kürzlich Geld in ein Smartphone investiert habe) erlaubt natürlich nicht, dass ich täglich mehrere Cent ausgebe, um während der Arbeitszeiten kurze familienalltagsorganisierende Nachrichten mit ihm auszutauschen.

Wir diskutierten die Sache eine Weile und mir erschien es die beste Lösung, wenn er ebenfalls das Netz wechselte und sich ein internetfähiges Telefon besorgen würde. Mein Mann hingegen, (s.o.) wollte und wollte einfach nicht einsehen, dass dies die beste aller Lösungen für uns sei. Nachdem ich ca. zwei Wochen den Kopf über sein Nichteinsehen und seinen Starrsinn schüttelte, führten wir ein weiteres Gespräch und entschieden dann, dass es wohl das Beste sei, wir würden täglich zwischen 8.00 und 19.00 Uhr gar nicht mehr versuchen zu kommunizieren. Ein Zustand der letztendlich vor unserem Kennenlernen völlig normal war und an den man sich sicherlich problemlos wieder gewöhnen könnte.

Doch gestern Abend fiel mir der zauberhafte Film „Kitchen Stories“ wieder ein. In diesem Film kommunizieren zwei Nachbarn ausschließlich mit der Art und Weise wie oft man es klingeln lässt. Eine Internetrecherche ergab, dass diese Praxis keine Erfindung des Films war, sondern v.a. im afrikanischen Raum weit verbreitet ist. Man nennt die Technik Beeping. Sie findet v.a. in Ländern Anwendung, in denen die meisten die finanziellen Mittel gar nicht haben, Telefongespräche zu führen, in denen aber dennoch eine gewisse Erreichbarkeit gewährleistet werden soll. Den Mobilfunkanbietern ist dies ein Dorn im Auge, denn in einigen Landesteilen besitzen rund 30% der Bevölkerung ein Handy und haben jedoch noch nie einen Cent Umsatz produziert. Die ideale Technik für mich also.

Für alle, die ebenfalls kostenbewußt sind, hier ein Auszug aus unserem familieninternen Regelwerk, das aus einer Mischung von reinen Beepingmustern und morseähnlicher Kommunikation per Klingelton besteht.

Drei Mal klingeln lassen – „Bin in der Nähe, wollen wir uns um 12 Uhr zum Mittagessen treffen?“
Wiederholung des Musters – „Ja“
Fünf Mal klingeln lassen – „Denk‘ morgen bitte daran, den Sack mit den Wechselsachen der Kinder aufzufüllen.“
Zwei Mal klingeln lassen, zehn Minuten Pause, zwei Mal klingeln lassen – „Die Kinder werden heute von einer Freundin mitabgeholt.“
Drei unbeantwortete Anrufe in Folge – „Sport fällt heute aus, Kinder früher abholen.“
Drei unbeantwortete Anrufe in Folge und danach zwei Mal klingeln lassen – „Milch ist aus, bitte nach der Arbeit mitbringen.“

Es ist verständlich, dass ich hier aus Platzgründen nicht das komplette Husband Beeping darstellen kann. Der Komplexitätsgrad der Nachrichten lässt sich übrigens erhöhen, wenn man weitere Telefonanschlüsse des Partners in das System mitaufnimmt. Zum Beispiel heißt einmal am Handy klingeln lassen und einmal auf der Büronummer: „Ich gehe heute Abend mit meinen Freundinnen weg, Du musst die Kinder alleine ins Bett bringen.“ Bei dieser Technik ist natürlich in jedem Fall zu beachten, dass die Rufnummerübertragung aktiviert ist und der Mann ausreichend aufmerksam das Display des Festnetzanschlusses beachtet, um nicht versehentlich einen Anruf entgegen zu nehmen und somit völlig unnötig Kosten zu produzieren.

Langer Rede kurzer Sinn: Mit ein wenig Disziplin lässt sich das Husband Beeping sehr einfach erlernen und erspart doch so manchen Ärger im Paar- und Elternalltag.

Beeping gibts übrigens wirklich.