Freundliche Stalker

Warum eigentlich instagram?

Als ich mein Smartphone bekam, interessierte mich instagram nicht die Bohne. Was soll das? Wen interessiert das? Warum?

In der Zwischenzeit ist instagram eigentlich fast meine allerliebste Social Media Plattform. Mir war lange schleierhaft warum. Allerdings hab‘ ich Kraft meiner Reflexionsfähigkeit eine Hypothese zusammengebastelt, weil mir neulich wieder das Buch „Wie Franz Beckenbauer mir einmal viel zu nahe kam“ in die Hand fiel. Es basiert auf dem Forum Höfliche Paparazzi und berichtet

„von zufälligen, kleinen Begegnungen mit Berühmtheiten […], also von keinen irgendwie mutwillig herbeigeführten oder groupieesken Treffen (mit Sexabsicht) oder Interviewsituationen. Je dezenter, desto besser.“

Als ich das Buch damals las, amüsierte es mich sehr und gestern ging mir auf, dass instagram etwas ähnliches in mir anspricht. Zwar folge ich da keinen Promis, sondern nur „normalen Menschen“, aber instagram ermöglicht simuliert mir Nähe zu diesen Menschen, die in der unvirtuellen Welt gar nicht wirklich besteht. Ich schaue durch die Bilder, welche diese Menschen posten auf deren Teller, sehe wo sie abends hingehen, was sie trinken, wie ihre Katzen und Hunde aussehen, ich sehe ihre Füße, ihre Gärten und Wohnungen und erhalte so Einblick in ihr Privatleben. Das gefällt mir, warum auch immer. Vielleicht weil ich auch so normal bin und mich damit noch normaler fühlen kann. Weil ich sehe, ich bin wie sie, ich bin kein Außenseiter, ich bin Norm, Teil der Gesellschaft.

Und andererseits sehe ich Dinge, die ich nicht kenne, Getränke, die ich noch nie getrunken habe, Restaurants in denen ich nie war … aber weil die UrhereberInnen dieser Fotos „normale Menschen“ sind, weiß ich, ich könnte da potentiell hingehen, ich kann deren Gerichte nachkochen, an diese Orte gehen. Es ist für mich erreichbar.

Damit ist instagram für mich viel toller als Gala oder Neue Post. Zeitungen, die eigentlich genau das machen, nur bei Promis. Sie stillen die Neugierde. „Die Angelina Jolie, guck mal, die sieht ungeschminkt auch gar nicht so toll aus!“ Nur werden diese Promis eben nicht gefragt, ob sie wollen, dass ICH sehe, wie sie gestresst, ungeschminkt und traurig aussehen. Und was sie essen, die Orte an die sie gehen, die Kleidung, die sie tragen – das alles kann ich mir nicht leisten. Niemals. Es ist in unendlicher Ferne.

Bei instragram hingegen ist alles erreichbar und die UserInnen posten das freiwillig. Freundliches Stalking ist da moralisch einwandfrei. Darum mag ich instagram so gern. Das ist quasi DIE Fair Trade Bio Delfinfrei Social Media Plattform.

Sie sind unter uns

Trolle gibt es überall. Im Internet sind sie nur lauter.

Bislang bin ich völlig von ihnen verschont worden. Glücklicherweise, denn ich weiß nicht, ob ich mit ihnen umgehen könnte: den Trollen. Sie begegnen mir v.a. in den Kommentarspalten von Zeitungen, dort gehäuft bei den KollumnenschreiberInnen. Sascha Lobo hat auf der re:publica eindrücklich von ihnen berichtet, Harald Martenstein schrieb ebenfalls über sie und heute lese ich in der Twittertimeline diesen Tweet von Antje Schrupp.

https://twitter.com/#!/antjeschrupp/status/151981578845818880

Mir ist bekannt, dass es sie gibt, aber ich bin jedes Mal schockiert wenn ich lese, was sie schreiben.

Generell bin ich nicht so der Fluch- und Beschimpfungstyp. Ich glaube, schlimmer als mit „Arsch“ habe ich noch nie jemanden bezeichnet und das waren dann Autofahrer, die beinahe mich und meine Kinder überfahren haben. Mir das Seelenleben von Trollen vorzustellen, fällt mir unendlich schwer. Was geht in ihnen vor? Warum tun sie das? Warum fühlen sie sich so gereizt, dass sie in dieser unangemessenen Weise reagieren müssen? Ist es der Schutz der Anonymität und selbst wenn, inwiefern bereichert ihr Tun ihr Leben?

Wenn man nach Antworten googelt, so meinen die meisten, es ginge um Provokation. Doch alleine wenn man den Satz im Tweet liest, wo soll da die Provokation sein? Was soll provoziert werden? Ich bin über sowas nur entsetzt. Gelegentlich auch sprachlos wenn man z.B. den Vortrag von Jaclyn Friedman gehört hat und sich die Seite hatr.org anschaut.

Es gibt natürlich deutliche Abstufungen von Trollen. Angefangen beim bloßen Generve bis hin zu den Hasstiraden, die einem wirklich angst machen können. Dementsprechend ist „Ihre Motivation […] vielseitig: Langeweile, die Gier nach Aufmerksamkeit, die Lust am Unruhe stiften oder simple Rache.“

Bei den extremeren Formen spielt sicherlich der Wille Macht und Einfluss auszuüben eine Rolle. Diese Trolle hoffen vielleicht Einfluss auf andere (auch andere Leser) zu nehmen. Gleichgesinnte zu finden. Ihr persönliches Weltbild bestätigt zu bekommen. V.a. dann wenn es sozial nicht akzeptiert ist – nicht salonfähig ist. Vielleicht gibt ihnen diese Art der Äußerung das Gefühl die Exemplare einer Gemeinschaft aufzudecken, welche die eigene Meinung teilen und eigentlich sonst auch im Verborgenen leben. Ein Weltbild zu haben, das von anderen geteilt und affirmiert wird, das gibt Selbstbewußtsein und das scheint nicht allzu üppig vorhanden zu sein. Ich denke, wenn man sich seiner selbst bewußt ist, sich sicher fühlt und sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlt, dann ist man auf solche Provokationen nicht angewiesen. Selbst wenn jemand etwas schreibt, was mich wirklich ärgert – eine sachliche Auseinandersetzung wäre möglich, wenn man auf tatsächliche Argumente zurück greifen könnte. Kann man aber nicht und deswegen bleibt nur der Weg der Beleidigung. Vielleicht genügt es den Trollen auch eine funktionierende, geschlossene Gruppe zu zerstören, in Lager zu spalten, einzelne auszuschließen?

Auch wenn man das alles halbwegs erklären kann, angst macht mir das Phänomen trotzdem. Ich stelle mir vor, dass die U-Bahnen und S-Bahnen, in denen ich täglich sitze voll von solchen Menschen sind, die so schlechte Gefühle haben und derartige Aggressionen mit sich rumschleppen. Denn ich befürchte, dass diese Menschen in der physischen Welt nicht wirklich seltener sind, sie offenbaren sich mangels Anonymität nur seltener.

Möglichkeiten, wie man mit Trollen umgehen kann: Managing „Trolling“ in a Feminist Forum

Tatookid

Hunderte von Büchern wurden zum Thema Motivation geschrieben. Psychologen behaupten gerne, es gäbe keine extrinsische Motivation. Gemäßigtere Meinungen postulieren, dass externe Verstärker zumindest die intrinsische Motivation verderben. Doch Tatsache ist, für einen Stempel tut das Kleinkind ALLES.

Es begann feindosiert im Kindergarten. Einmal ins Klo pullern = ein Stempel.
Das Kind war in vier Tagen windelfrei und soff Wasser wie ein Kamel. Macht 17 Stempel fürs Pinkeln am Tag.
Auf eine lange Tradition der Aufräumverweigerung beim Erstgeborenen zurück blickend, dachten wir so ein Stempelchen würde auch hier seine Wirkung nicht verfehlen. Und tatsächlich: Kind 2.0 räumte regelmäßig auf. Es entwickelte eine wahrhafte Aufräummanie. War ein Gegenstand nur um einen Millimeter von der Soll-Position verrückt, er wurde aufgeräumt. Schreiend verlangte das Kind Stempel um Stempel. Allein dafür kamen weitere 9 Stempel täglich hinzu.
Man muss nun sehen, dass so ein alfgroßes Wesen doch recht bald an Kapazitätsgrenzen kommt, was das freie Hautflächen zur Verfügung stellen angeht. Bald waren 80% des Körpers bestempelt. Nur Hände, Füße und der Kopf boten Freiflächen.
Dann verlangte das Kind weitere Stempel fürs Durchschlafen. Da wir bereits 765 Tage darauf warteten, stempelten wir schweren Herzens das Gesicht.
Gesellschaftlich kommt es nicht sooo gut rüber ein ganzkörpergestempeltes Kind zu haben – doch was soll man tun? Dafür sparen wir Windeln, schlafen durch und es ist picobello aufgeräumt.