Umschlagplätze der Hölle: Flohmärkte

Ich hab mal ne Sendung über Messi-Gruppentherapie gesehen. Da sollten die Messis sich jede Woche einen Gegenstand aus ihrer überfüllten Wohnung raussuchen, den sie am Ende der Sitzung wegschmeißen sollten. Theoretisch klingt das nicht so schwer. Praktisch sah es so aus: Messi 1 hebt einen Gegenstand (z.B. einen zerbrochenen Kleiderbügel), Messi 2, 3, 4, 5 und 6 erleiden Höllenqualen. Der Bügel sieht doch noch super aus. Den kann man bestimmt noch gebrauchen. Messi 4 steckt ihn unbemerkt ein, während Messi 5 seinen Gegenstand zeigt.

So sind Flohmärkte irgendwie auch. Man verkauft dort seinen Tand und die Kinder schleppen viel, viel schlimmeren Tand wieder an. Nachfolgend ein Beispieldialog.

Kind 2.0: Ahhhh! So eine Kutsche habe ich mir schon IMMER gewünscht.
Mutter: HMPF.
Kind 2.0: BITTE!
Mutter: Na gut, ich frage, aber wenn sie mehr als 10 Euro kostet kaufe ich sie nicht. (Zur Verkäuferin) Und? Was soll die kosten?
Verkäuferin: 5 Euro.
Mutter: Ahhhhh!
Kind 2.0: Jaaaahaaaaaa! !!!

Jodhpur-Stiefeletten

Es ist so: Ich wollte nie, dass unsere Kinder in geschlechtsspezifische Rollenvorlagen gepresst werden. Im Hause Nuf waren die Farben Rosa und Hellblau verboten. Brachte ein Familienmitglied geschlechtsspezifische Merchandiseartikel mit nach Hause, gab es zwei Jahre Hausarrest. Tat ein Besucher das selbe, wurde nach einem langen Vortrag über geschlechtsneutrale Erziehung und negative Beeinflussung der Charakterentwicklung durch Konsumartikel mit mangelnder Genderneutralität die Freundschaft für die selbe Zeitspanne vorübergehend ausgesetzt.

Wenige Jahre später sind es die Kinder, die uns alles verbieten, was nicht eindeutig einem Klischee entspricht. Wie bei den Borg ist auch hier Widerstand völlig zwecklos. Nach Rosa, Hellblau, Hello Kitty, Barbie, Transformers, Power Ranger, etc. dachte ich nicht, dass es eine Steigerung gibt. Es gibt sie aber und sie heißt Pferd.

Mit Pferden kenne ich mich ungefähr so gut aus wie mit dem kambodschanischen Gesundheitssystem. Nein, halt, da habe ich mal eine Dokumentation auf Arte gesehen – also eher wie mit Techniken des Phosphatabbaus in Nauru.

Pferde sind mir fremd. Wenn ich an einem Pferd vorbei komme und es grüßt zeitgleich ein anderes Pferd, denke ich, es will mich auffressen. Ich schaue mir die Zähne an und bin mir sicher, wenn Pferde alleine sind, dann zupfen sie nicht Grashalme von der Wiese oder knabbern Möhren – nein – dann fressen sie Menschen, die sie vorher durch ihren unschuldigen Pferdeblick auf die Weide gelockt haben.

Kind 2.0, Körperhöhe 110 cm weiß das nicht. Anders kann ich mir nicht erklären wie es so arglos auf die gut doppelt so großen Lebewesen zuspringt und sie freudig füttert. Zudem schleppt es seit Wochen Pferdeliteratur an und ich muss mir dann die Zunge an Begriffen wie Jodhpur-Stiefeletten und Chaps brechen. Der ganze Fachtext ist durchzogen von seltsamen Begriffen, die mein Lesetempo stetig verlangsamen bis es schließlich ganz zum Stillstand kommt und ich laut buchstabiere wie ein Erstklässler Kardätsche „K A R D Ä T S C H E“. Vier Millisekunden später habe ich das Wort schon wieder vergessen. Am Reiterhof mache ich deswegen keine besonders gute Figur.

„Welche von den Dingern hier muss Kind 2.0 noch mal nehmen?“

„Die Wurzelbürste“

„Kann man damit auch die Augen sauber reiben?“

„…“

Kind 2.0 hat mit der Unterstützung von Kind 1.0 jetzt ein Pony-Fach-Know-how-Video recherchiert, das ich anschauen und auswendig lernen muss. Hab es bislang noch nicht länger als bis Sekunde 10 geschafft. Da fängt die Musik an und ich bekomme ein nervöses Zucken im rechten Auge und falle in einen katatonen Zustand.

Wie so oft mit Kindern – am Ende hilft nichts und so bleibt mir nur das Gute am Thema Reiten zu sehen, was da wäre:

1. Wenn ich mich in der Nähe von Pferden aufhalte, muss ich nicht mehr zum Blutschröpfen, um mein Blut frisch und flüssig zu halten. Die Mengen an Blut, die mir Pferdemücken absaugen, entsprechen ungefähr einer monatlichen Blutspende.

2. Empfinde ich es nicht mehr als Beleidigung wenn man zu mir sagt, ich sei eine Schabracke. Schließlich gibt es durchaus attraktive Satteldecken.

My little Alien von Mari Kasurinen

Quelle des Bildes „My little Alien“ von Mari Kasurinen

Liebe, unverwüstliche Liebe in mir

Jeder hat so seine Ängste was die Entwicklung der eigenen Kinder angeht. Mein Ex, leidenschaftlicher Extremsportler seines Zeichens, befürchtete stets sein Nachwuchs könne zum sensiblen Flötenspieler mutieren.
Ähnlich ging es mir bei dem Gedanken an Pferden. Ich kann sie nicht ausstehen. Sie stinken, haaren und sind häßlich. Schon als kleines Mädchen mochte ich sie nur als Bestandteil italienischer Salami.
Doch das weltliche Karma ist unerbittlich. Denn kaum erscheint ein Gaul am Horizont, schon kreischt Kind 2.0 vor Freude und fällt fast aus dem Kinderwagen vor Begeisterung.
Um des Seelenheil willens stelle ich mich deswegen wahnsinnig gerne in der prallen Sonne vierzig Minuten in eine Schlange, damit es reiten kann. Ich habe auch keine Probleme damit andere Mamis anzuschreien oder an den Haaren zu ziehen, um unsere gute Platzierung zu verteidigen.
In mir auch Ruhe und ZENartige Ausgeglichenheit wenn das Kind, sobald wir an der Reihe sind, schreit: Neeee MamamamMMMAAAAAAAAAAAA WILL NICH, habsch ANGST!
Wenn wir dann nach einigen erfolglosen Überredungsversuchen aus der Schlange ausscheren und das Kind es sich anders überlegt und brüllt: WILLSCH reeeiiIIIIIIten MAMAAAAAAA! liebe ich es trotzdem. Immer und immer und immer. Echt. Ich lüge nie.