Gemeinsam mit SCHAU HIN! habe ich eine kleine Serie zum Thema Kinder und digitale Medien gestartet.
Im Zentrum meiner Serie sollen die Chancen, die (neue) Medien mit sich bringen, stehen und ich will beschreiben, wie wir als Familie im Alltag damit umgehen und gerne auch von Euch hören, wie ihr den Alltag mit Kindern und digitalen Medien gestaltet.
Risiken und Gefahren werden durch Kulturpessimisten aller Ausrichtungen zu genüge beklagt. Viele Eltern reagieren mit Unsicherheit und statt sich mit den einzelnen Themen auseinanderzusetzen, wird schnell mal ein Verbot verhängt.
Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass Verbote in Sachen Medienkonsum nichts bringen. Deswegen versuche ich mit meinen Kindern im Gespräch zu bleiben und Lösungen zu erarbeiten, die für uns beide alle passen. Das ist auch der Grund warum ich die Serie Let’s talk nenne.
Im achten Teil geht es um: Programmieren lernen
Der Einstieg ins Thema Programmieren lernen ist vielseitig
Weihnachten steht quasi vor der Tür und so stellen sich die ein oder anderen Eltern die Frage, was man schenken könnte, das den Kindern Spaß macht und irgendwie sinnvoll ist. Meine Empfehlung dazu würde lauten (sofern die Kinder schon lesen und schreiben können): ein programmierbares Spielzeug bzw. ein Spielzeug, das dem Kind das Programmieren beibringt.
In der Zwischenzeit gibt es davon sehr viele – mehr oder weniger kostspielige.
Zu den bekanntesten in Deutschland gehört zweifelsohne der Calliope. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der etwas verspieltere Dash Roboter. Schon länger gibt es die programmierbaren Lego Mindstorms Roboter und auf der republica 2017 sind mir die Ozobots begegnet.
Sicherlich gibt es noch viele andere Hersteller und Varianten und ganz am Ende kann man Programmieren auch einfach mit einem Computer lernen. Ich hab mich z.B. irgendwann mit dem was mein C16 in den 1980ern an Spielen hergab gelangweilt und dann das dazu gelieferte BASIC Handbuch studiert und angefangen mir selbst kleine Spielchen zu programmieren. Später habe ich mich an Turbo Pascal ausprobiert und bin dann erst wieder mit Scratch* eingestiegen, weil wir das bei meinem ehemaligen Arbeitgeber gemeinsam mit den Mädchen am Girls‘ Day benutzt haben.
Was ich sagen will: Es gibt wirklich unzählige Einstiegsmöglichkeiten in das Thema Programmieren und (vielleicht noch wichtiger) nicht aus jedem Kind, das spielerisch ein paar Zeilen codet, wird ein/e Software-Entwicker/in.
Muss auch gar nicht.
Programmieren lernen bedeutet digitale Mündigkeit erlangen
Wenn man am Ende gar nicht Software entwickeln möchte, warum sollte man dann überhaupt programmieren lernen?
Ganz einfach: Weil man in der zunehmend digitalisierten Welt ein grundlegendes Wirk- und Weltverständnis erlangen kann und sich am Ende nicht ausgeliefert fühlen muss, sondern selbst mitgestalten kann und v.a. in der Lage sein wird, über Sinn und Unsinn bestimmter Anwendungen zu entscheiden.
Für mich ist nach wie vor nicht verständlich, dass Informatik nicht genau wie Deutsch, Mathe und Sachkunde schon im Grundschulalter vermittelt wird. Selbst an den Schulen, die Computer-Unterricht tatsächlich anbieten, handelt es sich zu 90% um eine Einweisung in gängige Windows-Produkte. Fragen Sie mal ein Grundschulkind welche alternativen Betriebssysteme es kennt. Ich würde wetten, die allermeisten wissen auf diese Frage keine Antwort, weil sie a) nicht wissen, was ein Betriebssystem ist und b) nicht wissen, dass es was anderes als Windows gibt.
Allein das ist schon ein Skandal. Sich aufregen, dass z.B. Calliope bestimmte Sponsoren hat, es dann aber völlig normal finden, dass Kinder über den Schulunterricht nur Windows-(Produkte) kennen. Aber das ist ein anderes Thema, das ich an dieser Stelle nicht weiter ausbaue. Ich empfehle hierzu den Blogbeitrag zum Thema digitale Bildungspolitik auf Spreeblick.
Um einen Schritt zurück zu gehen: Programmieren lernen ist in meinen Augen v.a. wichtig, weil Kinder dadurch zu digitaler Mündigkeit erzogen werden, oder wie es im Artikel von Netzpolitik zu Chaos macht Schule besser beschrieben ist:
[Chaos macht Schule wirbt in seinen Forderungen für eine zeitgemäße digitale Bildung an unseren Schulen] für ein umfassendes Verständnis von Digitalbildung: Nicht nur grundlegende Anwendungs- und Programmierkenntnisse, sondern Mündigkeit müsse das Ziel der Schulen in Hinblick auf Medien- und Digitalkompetenz sein. Kinder und Jugendliche müssten die Technik, die sie täglich nutzen, verstehen und hinterfragen können. Dazu zähle der reflektierte Umgang mit der wachsenden Informationsflut. Nur so könnten Phänomene wie das „Internet der Dinge“ oder selbstfahrende Autos tatsächlich von der ganzen Gesellschaft anstatt von kleinen Expertenzirkeln diskutiert werden.
Ziel einer entsprechenden Bildungsinitiative muss es sein, die Medienkompetenz und das Technikverständnis von Kindern und Jugendlichen so zu stärken, dass sie Spaß an den unterschiedlichen digitalen Geräten haben und gleichzeitig über Risiken, die solche Technologien mit sich bringen können, aufgeklärt werden.
Für alle Eltern, die in einer Sandwichposition sind, nicht selbst programmieren zu können und Kinder in diesem Bereich trotzdem fördern wollen, finde ich die oben im Text genannten „Spielzeuge“ sehr sinnvoll.
Sie sind eben so einfach, dass man sehr schnell gemeinsam mit den Kindern tolle Ergebnisse hinbekommt.
Das richtige Umfeld schaffen
Man muss schon etwas technikaffin sein, um nicht mit dem Anspruch Kindern das Programmieren beibringen zu müssen, obwohl man es selbst gar nicht kann, überfordert zu sein.
Ich habe erst letzte Woche auf die Musikschulaufgabe meines Kindes geschaut und nur Bahnhof verstanden. Neun Aufgaben und keine einzige hätte ich lösen können. Keine. Nicht mal im Ansatz. Ich kann keine Noten lesen und verfüge nicht mal über Grundkenntnisse, so dass ich mir irgendwas herleiten könnte.
Die Aufgaben der Arbeit zu lösen, hätte ich vermutlich mit aufwändigen Einarbeiten und Detailrecherche geschafft – allerdings steht da Aufwand zu Effekt in keinem sinnvollen Verhältnis.
So mag es Eltern geben, die sich eben für das ganze Thema Programmieren rein gar nicht interessieren.
Denen möchte ich allerdings zwei Sachen empfehlen:
- Schaut welche Initiativen es in eurem Umfeld gibt, die eure Kinder nutzen können.
- Schaut euch an, was Kinder erreichen, wenn sie den Einstieg in das Thema Programmieren erhalten
Initiativen, die euren Kindern helfen, Programmierlust zu entwickeln
Allen voran fällt mir da Jugend hackt ein:
Jugend hackt ist ein Programm zur Förderung des Programmiernachwuchses im deutschsprachigen Raum: Unter dem Motto “Mit Code die Welt verbessern” tüfteln die Teilnehmer/innen gemeinsam mithilfe von Open Data an Prototypen, digitalen Werkzeugen und Konzepten für ihre Vision einer besseren Gesellschaft.
Jugend hackt beantwortet auch die Frage „Wann kann ich da mitmachen?“ sehr detailliert. Mir gefällt an der Beschreibung besonders gut, dass auf der Seite Mut gemacht wird, dass es vielleicht heute noch nicht so weit ist, dass man sich an eine Teilnahme fürs nächste Jahr ranarbeiten kann. Hilfen auf dem Weg dorthin sind ebenfalls genannt.
Ein absolut toller Einstieg ist auch die Teilnahme an dem Junghackertag des Chaos Communication Congresses, der 2018 in Leipzig stattfindet. Zum Junghackertag könnt ihr mit euren Kindern kostenlos und dort bekommen eure Kinder Hilfe eines der angebotenen Projekte umzusetzen.
Wir waren vor zwei Jahren das erste Mal mit den Kindern dort und Kind 2.0 (Grundschüler) hat dort einen Pentabug gelötet. Seitdem ist das Eis gebrochen und wann immer es was zu löten oder programmieren gibt, Kind 2.0 ist dabei.
Ich hatte übrigens schon die Jahre davor versucht Kind 2.0 fürs Programmieren zu interessieren (per Scratch) – allerdings hat es da immer nur mit den Augen gerollt und sich sozial erwünscht 15 Minuten damit beschäftigt, bis es gefragt hat, ob es jetzt bitte endlich fertig ist.
Kind 2.0 ist eben eher „hands on“.
Wenn man rausgefunden hat, was dem Kind besonders liegt, muss man googeln. Berlin bietet da natürlich besonders viel (z.B. die Jugendtechnikschule am FEZ oder die CoderDojos oder das Fab Lab). Aber auch andere Städte haben einiges im Angebot. Schaut euch z.B. mal die Seiten von MINT Zukunft schaffen oder Start Coding an. t3n hat ebenfalls 13 deutschlandweite Initiativen zusammengestellt. In Berlin, Hamburg, München, Lippstadt und Frankfurt bietet die HABA Digitalwerkstatt spannende Kurse an.
Schickt eure Mädchen zum Girls‘ Day oder besucht gemeinsam mit euren Kindern das Computerspielemuseum, das Vintage Computing Festival, das Orbitall im FEZ, Technik Museen allgemein, die Technischen Sammlungen in Dresden. Nicht zuletzt kann ich den Chaos Communication Congress als ganze Veranstaltung wärmstens empfehlen.
Als wir das erste Mal unsere Kinder mit dorthin geschleppt haben, waren wir skeptisch – allein schon 4 Tage am Stück von morgens bis abends?
Ich zitiere an dieser Stelle mal Kind 3.0 (damals Kindergartenalter) nachdem wir um 11 Uhr gekommen waren und um 24 Uhr zum Aufbruch drängten: „Was? Warum denn jetzt schon???“
All diese Orte bringen euren Kindern nicht unbedingt das Programmieren bei, aber sie schaffen es zweifelsohne Technikbegeisterung und -interesse zu wecken. Das ist für mich der erste Schritt.
Wunder, die Kinder geschaffen haben, weil sie angefangen haben zu programmieren
Für mich ist jedes Mal aufs neue unbegreiflich, was Kinder erschaffen, wenn sie anfangen sich mit Technik auseinanderzusetzen und dann ihre eigenen Ideen umsetzen.
Dieses Jahr war ich z.B. bei der Preisverleihung des Deutschen Multimediapreises mb21. Dort werden Kinder und Jugendliche vom Vorschulalter bis ins Alter von 25 Jahren für ihre Projekte ausgezeichnet. Klickt die Seite der diesjährigen Preisträger/innen. Es ist wirklich unfassbar toll, was Kinder und Jugendliche da erschaffen.
Meine Highlights waren:
- der Bügelperlenschallplattenspieler aus Lego Mindstorms
und der Film „We are watching you„.
Ähnliche Wunder sind auf den Seiten von Jugend hackt zu sehen. Schaut euch die mit euren Kindern an. Für Kinder ist es sehr motivierend und inspirierend zu sehen, was andere Kinder (er)schaffen.
Fazit: Deswegen unbedingt Spielzeug verschenken, mit dem Kinder Programmieren lernen können
Nicht jedes Kind muss Software-Entwickler/in werden, aber Programmieren lernen hilft Kinder zu digital mündigen Bürgerinnen und Bürger zu machen (und vermittelt andere Kompetenzen u.a. wie Problemlösungskompetenz, Frustrationstoleranz und Resilienz, Kreativität und Experimentierfreude, Teamfähigkeit, Kompromissbereit und Medienkompetenz und digital Citizenship)
Wenn ihr euch also fragt, ob irgendein programmierbares Spielzeug ein sinnvolles Geschenk zu Weihnachten sein könnte, lautet meine Antwort: ja.
Was besonders gut passt, müsst ihr von den Interessen eures Kindes ableiten. Meine Kinder hat Scratch in der Browservariante nicht interessiert. Die Mädchen, die ich anlässlich des Girls‘ Days kennengelernt hatte, waren vom Bildschirm nicht wegzubekommen.
Kind 3.0 mochte den Dash-Roboter und die Ozobots sehr, es möchte Ergebnisse in der analogen Welt sehen. Ein Roboter, der per Bewegungssensor die Mutter beim Reinkommen in die Küche durch ein fröhliches „Hallo Mama“ zu Tode erschreckt, findet es viel besser als ein Pong-Spiel, das es auf dem Rechner programmiert.
Kind 2.0 hingegen will verstehen und erschaffen. Deswegen baut es gerne aussortierte Technik auseinander und versucht parallel mit Bausets neues zusammenzubauen.
Für mich landet man am Ende wieder bei meinem ersten Thema der Reihe Let’s talk: Nicht wie lange, sondern was. Wenn sich die Kinder nämlich erschaffend und nicht konsumierend mit digitalen Medien auseinandersetzen, habe ich keinerlei Bedenken und käme auch nie auf die Idee zu rufen: „Jetzt ist aber Schluss! Eine halbe Stunde programmieren am Tag muss reichen!“
Wie seht ihr das? Wo liegen die Interessen eurer Kinder und gibt es passendes Programmierspielzeug? Welche Dinge könnt ihr empfehlen? Benutzt ihr Apps, programmierbare Roboter, wo geht ihr mit euren Kindern hin? Gibt es vielleicht schon Brett- oder Kartenspiele, die helfen, das Programmieren zu lernen? Habt ihr schon gemeinsam mit euren Kindern Projekte umgesetzt (vielleicht im Bereich Home Automation?)?
Kommentiert einfach hier, teilt eure Medienmomente auf Instagram, bloggt selbst darüber, twittert oder schreibt auf Facebook. Wenn ihr eure Beiträge mit dem Hashtag #medienmomente markiert, können sie später eingesammelt und geteilt werden.
Weiterführende Links
- SCHAU HIN! bestätigt Eltern wünschen sich Digitalkompetenz
- Auch die Tincon ist ein Festival, das Kinder und Jugendliche animiert Digitalkompetenz zu erlangen
- Kreativ mit Medien
- Der Artikel „Girls‘ Day – Ich werde Programmiererin“ gibt ebenfalls Anregungen, wie sich speziell Mädchen spielerisch zum Programmieren finden
- Sieben Apps bzw. Websites mit denen man Programmieren lernen kann
Teil 1 von Let’s talk: Nicht wie lange sondern was
Teil 2 von Let’s talk: Messenger
Teil 3 von Let’s talk: Computerspiele
Teil 4 von Let’s talk: YouTube
Teil 5 von Let’s talk: Fernsehen und Streaming-Dienste
Teil 6 von Let’s talk: Hörwelten
Teil 7 von Let’s talk: Augmented Reality und Virtual Reality
*Ich höre die Augen rollen. Natürlich ist das kein Mastermind-Programmieren, aber es geht eben genau nicht darum, dass jede/r Software-Entwickler/in werden muss.