Prometheus – der Spoilerartikel

Geht nicht ins Kino. Hört nicht auf die Kritiken. Geht in die Videothek und schaut noch mal Alien. Oder Blade Runner. Oder ein Schweinchen namens Babe.

(Wer Prometheus schon gesehen hat, kann weiter lesen. Wen Prometheus nicht interessiert, kann sich das Weiterlesen sparen)

Also es ist ja so: ich habe nicht viele Hobbys. „Ins Kino gehen“ jedoch, das kann ich ohne zu lügen in meinen Lebenslauf schreiben. Allen voran liebe ich Science Fiction und Fantasy. Unsere Kinder heißen wie DS9 Charaktere. Ich bin seit Teenagerzeiten in Wolverine verliebt. Als ich 2001 den ersten Teil von Herr der Ringe sah, hatte ich große angst sterben zu können (man weiß ja nie!) bevor ich den dritten Teil hätte sehen können.

Nun, ich lebe noch, habe alle drei Teile gesehen und hey, wenn Peter Jackson drei Teile Hobbit machen will – bitte – ich bin dabei. Gerne auch in 3D und gerne gebe ich pro Vorstellung so viel aus, wie ich früher als Studentin benötigt habe, um eine Woche zu leben.

Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass ich mich auf Prometheus gefreut habe. Hätte ich keine Kinder, ich wäre zur Vorpremiere am Mittwoch letzte Woche gegangen. So aber mussten wir uns nach dem Babysitter richten und nutzen einen der wenigen heißen Tage in diesem Jahr, um in die Nachmittagsvorstellung ins Kino zu gehen. Ich hatte mir Alien vorher pflichtbewusst nochmal angesehen – bei Batman – The Dark Knight Rises – hatte ich nämlich den ersten Teil komplett vergessen und mir fehlte es hier und da an inhaltlichen Bezügen. Jedenfalls bei Prometheus sollte das nicht passieren, auch wenn Alien danach spielt, wäre es sicherlich hilfreich, sich noch an etwas zu erinnern. Die beiden Filme wurden in diversen Rezensionen miteinander verglichen und irgendwo las ich (Google+?), Prometheus sei endlich mal wieder Erwachsenen Science Fiction im Gegensatz zu dem Kindercomicquatsch Batman. Ich sach mal so. Ich fand die erste Hälfte Batman richtig gut, bei der zweiten Hälfte, hätte sich Nolen nochmal einen Tick mehr Mühegeben können, aber hey – ich hatte nicht sowas wie 12 Monkeys erwartet und daher sind einige ungefüllte Handlungsstreifen völlig verzeihbar. Äh. Jedenfalls habe ich Alien gesehen und vorher darüber gelesen. Mir war nämlich nicht bewusst, dass der Film 1979 in die Kinos kam. Wenn man ihn jetzt anschaut, würde man auch nie auf die Idee kommen. Er ist bildgewaltig und auch die Effekte sind nicht zu verachten. Viel beeindruckender sind jedoch die Charaktere. Allen voran natürlich Ripley. Aus heutiger Sicht übrigens auch sehr interessant. Es waren alles Menschen. Menschen in unterschiedlichen Größen, unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Figuren und allen fehlte eines: absurde Muskelberge wie man sie z.B. aus Hawaii Five-0 kennt. Es waren quasi Menschen wie Du und ich, die Beruf Astronaut bzw. Wissenschaftler ergriffen hatten, nicht besonders mutig, nicht superschlau, nicht besonders stark. Alien nimmt sich Zeit die Charaktere zu zeichnen, sie vorzustellen und dann Ripley in das Zentrum zu stellen, die aufgrund außergewöhnlicher Umstände zu außergewöhnlichem fähig wird. Mindestens sowas habe ich bei Prometheus erwartet. Man kennt Noomi Rapace als Lisbeth Salander und himmelherrgott, da war sie unfassbar – aber was ist davon bei Prometheus zu sehen?

Ich habe ja geschrieben, man soll auch mal loben. Deswegen eines vorweg. Es gab Gutes in Prometheus. Zwei Dinge, um genau zu sein. Erstens Michael Fassbender, der in meiner Wahrnehmung durchaus Data aus den Star Trek Filmen und Serien das Wasser reichen konnte und zweitens, die Idee mit den Scansonden, welche die „Höhlen“ vermessen haben, in denen die Wissenschaftler nach den Konstrukteuren suchten. Das wars dann aber auch.

Alles andere hanebüchender Mist. Siebzehn Leute, die von nichts eine Ahnung haben, die nicht ausgebildet sind und die offensichtlich nicht mal eine Art Handbuch „Offizielle Verhaltensrichtlinien für vernunftbegabte Menschen auf ausserterestrischen Ausflügen“ gelesen hatten, drehen eine Stunde nach Ankunft nachdem sie Schrillionen Kilometer gereist sind, völlig am Rad.

Ich meine, was soll das? Helme abnehmen, weil ein Depp das macht und irgendeine Anzeige sagt, hey die Luft ist hier besser als in Tokyo zur Hauptverkehrszeit. Alles anfassen, vor allem natürlich die schwarze todbringende Flüssigkeit und zwar zu jedem Anlass. Landen, eine Stunde rumgucken, niemanden sehen und sagen: „Oh Mann, jetzt muss ich mich aber betrinken, weil da hab ich mir echt mehr versprochen.“ Verdrehte Zombis, die an Landeklappen anklopfen und herzlich willkommen geheißen werden und die ohne jeden Kontext ein Drittel der Crew zerlegen. Infizierte Wissenschaftler, die abgefackelt statt sauber erschossen werden. Dann dieser ganze religiöse Quark. Wozu? Warum gibt es keine 80jährigen Schauspieler in Hollywood, warum muss Guy Pearce sich mit Silikon zukleistern? Dieser ganze „ich schneid mir den Alien selbst aus dem Körper und lass mich dann zutackern, um danach höhere Leistungen als das gesamte olympische Schwimmteam 2012 für Deutschland zu bringen“. Erst soll Noomi um jeden Preis verschwinden und als sie dann zehn Minuten später bei David wieder auftaucht, ist alles vergessen und hey, dann kommt sie eben mit, bevor sie weiter rumnervt? WAS SOLL DAS? Ich habe einem Babysitter Geld gegeben, damit ich in diesen zwei Stunden unterhalten werde und nicht um mich aufzuregen.

Ich habe ja wirklich kein Problem mit weit hergeholten Storys. Sie müssen einfach in sich schlüssig sein und alles ist gut. Aber Prometheus war gar nichts. Prometheus war so schlecht wie Independence Day (wobei ich da wenigstens drei Mal lachen musste) und Armageddon. Prometheus war die Verfilmung von Erich von Dänikens merkwürdiger Theorien über den Ursprung des Lebens. Sonst gar nichts.

Erst eben im RSS Reader entdeckt: Wenigstens einer stimmt mir zu -> Prometheus in meinem Lieblingsfilmfernsehblog Hirnrekorder.

Moonrise Kingdom

Moonrise Kingdom. Kann ich bitte mehr von diesen Filmen haben?

Das mit den Filmen und mir ist keine einfache Sache. Per Ausschlussverfahren kann ich mich meinem Filmgeschmack zumindest nähern. Denn es gibt ganze Filmkategorien, die mich nicht interessieren. Katastrophenfilme z.B. Dann gibt es Inhalte, von denen ich weiß, dass sie mir zu nahe gehen und deswegen meide ich diese Filme. Seit der Geburt meiner Kinder speziell Familiendramen, bei denen Kinder in irgendeiner Form zu Schade kommen. Nachdem ich z.B. Changeling gesehen hatte, verfolgten mich zwei Wochen grauenhafte Albträume.

Das Geheimnis meines ausdauernd empfundenen Lebensglücks ist eben das Vergessen und Verdrängen. Filme, die mich daran erinnern, wie viel Grauenhaftes und wie viel Leid es in dieser Welt gibt, kann ich deswegen nicht anschauen. Ich möchte bitte in meiner eignen kleinen Welt leben, in der es (ich weiß nicht genau wem ich dafür danken kann) nichts Schlimmes gibt.

Mir ist irgendwann aufgegangen, dass ich deswegen Fantasy und Science Fiction jeder Art liebe. Einfach weil diese Filme nichts mit (meiner) Realität zu tun haben und ich sie mir deswegen als Unterhaltung anschauen kann. Es sind Märchen. Mal düster, mal bunt, mal mit Happy End mal ohne. Aber sie haben nichts mit mir zu tun und so leide ich lieber mit „einem gadgetbegeisterten Multimillionär der unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet“*, als mir vor Augen zu führen, wie es um unsere Welt wirklich bestellt ist.

Außerdem habe ich festgestellt, dass ich bunte Filme und Serien mag. Pushing Daisies oder Everything Is Illuminated (wobei letzterer die menschlichen Abgründe natürlich nicht unberührt lässt). Ein Garant für bunt und märchenhaft ist Wes Anderson. Bislang haben mir alle seine Filme gefallen. Inklusive Soundtrack. So hat mich auch Moonrise Kingdom nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Es klingt immer so kitschig, aber es ist einer dieser Filme bei dem ich richtig verzaubert den Kinosaal verlassen habe. Ich mag die liebevollen und aufwändigen Inszenierungen, die Details, die mich verzückt ausrufen lassen wollen Ahhhhh und Ohhhhh und Schau mal!!!, den Humor, die Farben, die Stimmung. Alles.

An Moonrise Kingdom hat mich aber zusätzlich etwas berührt. Es spielten nämlich Menschen mit. Menschen, wie ich sie auf der Straße sehe. Menschen wie ich. Die nicht auf alles eine Antwort haben, die um ihre Fehler wissen und v.a. die wie Menschen aussehen. Sie haben Sorgenfalten, schlechte Frisuren, sie sind ungeschminkt und ähneln diesen geschliffenen Hollywoodkarikaturen in keinem Punkt. Trotzdem kann ich bei Moonrise Kingdom Beobachter dieser Menschen bleiben. Und selbst an der Stelle, an der es für mich eine nicht von der Hand zu weisende Parallele zu meinem Leben gab, werde ich versöhnlich zum Happy End geführt.

Das pubertierende Mädchen Suzy Bishop, das nie lächelt und eine große Nase hat, das war nämlich ich. Ich konnte so mitfühlen mit ihr, mit dem sich-unverstanden-fühlen. Ich glaube, meine ganze Kindheit und Pubertät war ich wie sie. (Mein Mitgefühl gilt meinen Eltern, die das alles ertragen mussten.) Was bin ich froh, dass diese Zeit Jahrzehnte hinter mir liegt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*Zitat Steven Rotor

Es ist nirgendwo so schön wie daheim – schon gar nicht im Urlaub

Korsika ist uneingeschränkt zu empfehlen.

Mit Abschluss unseres letzten Urlaubs haben wir uns geschworen, nie wieder Urlaub zu machen. Das lässt sich schon an den Bildern erahnen. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich das schon wusste bevor wir losfuhren, aber sagen wir mal, es schwante mir bereits.

Erstens: Ich hasse Hitze. Alles was 23 Grad überschreitet, ist für mich unerträglich. Ich vegetiere dahin, ich halte es nicht aus. Ich hasse schwitzen. Ich hasse Sonne. Ich hasse extreme Helligkeit. ICH wollte nach Norwegen! Aber ich bin kompromissbereit und anpassungsfähig und weil alle unbedingt in den Süden wollten – BITTE DANN EBEN SCHWITZEN!

Zweitens: Ich möchte jetzt nicht sagen, ich hätte Vorurteile gegen das französischsprachige Ausland, aber sagen wir so: In meiner Jugend war mir während diverser Frankreichaufenthalte bereits aufgefallen, dass man es sehr genau mit der Aussprache nimmt und dass, wer den Subjonctif nicht hundert prozentig beherrscht, meistens nicht beachtet oder gar bedient wird. So auch diesen Urlaub. Da kann man sieben Jahre Französisch in der Schule gehabt und immer 14 Punkte geschrieben haben – einen nasalen Laut verschluckt – und der Kommunikationspartner kennt keine Gnade. Auch nicht bei Kindern. Wenn die aus Versehen „un baguette“ statt „une baguette“ bestellen, dann lautet die Antwort „QUOI???!???“ Wenn das Kind dann winselnd mit einem Euro winkt, mit dem Finger die Zahl Eins anzeigt und auf die Baguettes in der Auslage deutet, gibt es dennoch kein Erbarmen. Es wird mit dem Besen aus der Boulangerie gescheucht.

Drittens: Campen mit fünf Kindern in einer Altersspanne von Baby bis Pubertät ist ein Alptraum! Nächstes Mal nehmen wir unsere wii, die Playstation und alle sonstigen elektronischen Unterhaltungsgeräte mit. Das haben die anderen Campingplatzbesucher auch so gemacht. Immer war irgendwem schrecklich langweilig, oder jemand hatte Hunger oder Durst oder alles gleichzeitig. Dann musste es für Kind A Apfelsaftschorle sein, das nächste bestand auf Quittensaft und Kind C und D wollten unbedingt Spreequell medium, weil das andere Mineralwasser nicht schmeckt. Wenn dann alle hatten, was sie wollten, stieß Kind E seine Saftschorle um und es begann das Geputze. Hinterher hatte man eine Ameisenautobahn quer über den Essensplatz.

Zur Krönung kostete Eis 3 in Worten DREI Euro und zwar pro Kugel. Oder man gönnte sich das günstige Magnum für 4,90 – sofern es denn ein Stileis sein sollte. Folglich mieden wir die Zivilisation und haben gelernt, dass man eigentlich einen Eisschrank kauft und diesen zu Beginn des Urlaubs mit selbst erworbenen Eis bestückt, das man portionsweise raus geben kann.

Wenn man an den Strand wollte (20 Meter Entfernung), brauchte man dafür 1,5 Stunden. Denn man musste die Kinder ja vorher noch eincremen (!!!). Zu Beginn wurde das Eincremen noch mit Geheule begleitet, doch dann lieh ich mir ein Smartphone eines anderen Urlaubers und zeigte den Kindern das Bild des LKW-Fahrers, der vergaß seine dem Sonnenlicht ausgesetzte Körperhälfte täglich mit SF 50 zu schützen.

Viertens: Campen generell ist total doof. Es sei denn, man steht auf den natürlichen Look und zwar v.a. was den Anblick sanitärer Anlagen angeht. Nicht selten habe ich mir gewünscht noch oder schon wieder im Windelalter zu sein oder einfach an furchtbaren Verstopfungen zu leiden und einfach nach 21 Tagen… aber lassen wir das.

Auch Kochen war furchtbar. Entweder alles war voll korsischen Staub oder aber man kochte versehentlich Teile der regionalen Fauna und Flora mit.

So blickten wir traurig und sehnsüchtig zu den Mobile Homes, die ausschließlich von Parisern angemietet wurden. Zur Hauptsaison kosten die nämlich rund 1.000 Euro die Woche. Jemand, der in Paris wohnt, mag denken: „Ah bon marché!“ – für uns waren sie in dieser Preislage leider völlig unerschwinglich.

Fünftens: Man zwang mich v.a. im Landesinneren zu sportlichen Aktivitäten. Sport hasse ich allerdings fast noch mehr als Sonnenlicht. Während der Flußwanderungen bohrten sich mehrere Äste in meine Oberschenkel und hinterließen eitrige Wunden. Meine Knie schlug ich mir blau und blutig als ich eines der Kinder, das versehentlich abgerutscht und ins Wasser gefallen war, retten musste. Stechmücken und Käfer, deren Bisse beinahe 14 Tage juckten, gaben mir den Rest.

Ich könnte die Liste noch unendlich fortführen, aber es genügt sicherlich festzustellen, dass die Kinder ab dem 14. Urlaubstag nicht mehr zu überreden waren, an den Strand zu gehen. Sie vermissten ihre gewohnte Umgebung so sehr, dass sich die Kleinsten lieber im Straßendreck einer als Terrain de Jeux ausgegebenen Brachfläche wälzten, als schwimmen zu gehen.

Die Rückfahrt dauerte dann statt der geplanten 10 Stunden bis zum ersten Zwischenstopp 22 Stunden. Vor Erschöpfung fuhren wie aus Versehen in Mailand rein, statt um Mailand herum und mussten in der Schweiz halten und für fünf Kaltgetränke unseren gemeinsamen Jahresbonus ausgeben. Danach brüllten die Kinder auf den Rücksitzen ausdauernd bei ca. 160 dB.

Nächstes Jahr also Brandenburg. Maximal.

(Dieser Eintrag ist frisch nach der Rückkehr erstellt. Das ist mein wahres Ich. Der Humor kommt erst in 14 Tagen.)

Hätte, hätte, Fahrradkette (Batizado, die II)

Ach hätte es früher doch Capoeira gegeben…

Meine Eltern waren definitiv keine (Über)fördereltern. Für meine Freizeit gab es eine Bibliothek, einen Bach und das Feld. Fertig. Sport haben meine Eltern nie gemacht und ich auch nicht. Am Dorf gabs ja auch nichts. Vielleicht Tennis oder Fußball, sehr viel später noch Judo. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals gefragt wurde, ob ich auf eine dieser Sportarten Lust hätte. Schulsport fand ich ebenfalls doof und bei den Bundesjugendspielen habe ich nie eine Urkunde gewonnen. Ich habe Sport so oft es ging geschwänzt und in der Oberstufe hatte ich nur deswegen keine Null Punkte, weil wir auch in Sport Klausuren geschrieben haben.

Dass das ein Fehler war, ist mir erst im frühen Erwachsenenalter aufgegangen. Bei allen Gemeinschaftsaktivitäten war ich immer der Sportversager. Die, der der Ball auf den Kopf fliegt oder die, die ewig braucht, um was Neues zu lernen so wie Rollerbladen. Wenn ich gefallen bin, dann habe ich mir eigentlich meistens was gebrochen. Mein Rekord ist ein 13facher Beinbruch. Im Studium wäre Sport eine gute Möglichkeit gewesen neue Leute kennen zu lernen und im Job später sowieso (so bin ich ins Internet abgerutscht!!!). Von Fitness und körperlichen Ausgleich nicht zu sprechen.

Kurzum irgendwann hatte ich das Gefühl, dass man etwas verpasst wenn man gar keinen Sport macht. Entsprechend wichtig war es mir, dass meine Kinder irgendeinen Sport machen. Möglichst einen, der Spass macht und bei dem es nicht ausschließlich auf Leistung ankommt und bei dem man nicht zu motivationalen Zwecken von einem geistig limitierten Lehrer mit unterschiedlichen Schimpfwörtern tituliert wird.

Kind 1.0 fing irgendwann mit Capoeira an. Ich glaube, wir haben Capoeira das erste Mal am Karneval der Kulturen gesehen. Als ich bei der ersten Gürtelverleihung dabei war, war ich hellauf begeistert. Und mit hellauf meine ich den ekstatischen Zustand in den Angela Merkel verfällt, wenn sie aufsteht und die Hände wie ein kleines Hündchen in die Luft wirft. Mehr geht eigentlich kaum.

Mal abgesehen davon was man kann, wenn man das ein Paar Jahre macht, gefällt mir v.a. die Herzlichkeit mit der die einzelnen Capoeira-LehrerInnen und Mestre einem begegnen. Es scheint dabei ganz egal wie alt man ist und was man kann, es scheint nur entscheidend zu sein, dass man Spaß dabei hat. (Das gilt für Kinder wie für stocksteife und untrainierte Erwachsene gleichermaßen).

Zudem gefällt mir, dass dabei gesungen wird und dass man lernt Instrumente zu spielen. Mir gefällt, dass die Gürtel in Relation zum Alter, der Zeit, die man bereits trainiert und der Häufigkeit des Trainings verliehen werden. Bei den Gürtelverleihungen muss ich vor Rührung immer furchtbar weinen. Es ist so toll, wenn die kleinen Knirpse mit einem bewundernswerten Selbstbewusstsein mit Menschen „kämpfen“, die gut zwei Mal so groß und viermal so schnell wie sie selbst sind. Mich begeistert, dass Capoeira eine Art Körperkommunikation ist und dass selbst die Kleinsten körperlich verstehen, dass auf eine Aktion eine Reaktion folgt und dass man aufeinander achten muss.

Es gibt am Capoeira nur Sachen, die ich gut finde. Der hohe Frauenanteil, das Fehlen von Aggressivität (obwohl es auch ein Kampfsport ist), das Spielerische, die Energie, die die Lehrer mitbringen, der portugiesische Gesang, … alles toll, toll, toll. Deswegen freue ich mich so über den ersten Gürtel von Kind 2.0 und Kind 3.0 steht auch schon in den Startlöchern.

re:publica, Tag 3 und wie waren eigentlich die Sessions?

12875 Eindrücke von der re:publica 2012

Ich habe noch nie so wenige Sessions gesehen wie diese re:publica. Das lag natürlich weder an einem mangelnden Angebot noch an fehlender Qualität. Im Gegenteil, denn die Sessions, die ich mir angeschaut habe, waren wirklich absolute spitze. Sowohl vom Inhalt als auch in der Art und Weise, wie sie präsentiert wurden. Dass ich so wenige Sessions gesehen habe, ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass ich diesmal wirklich mit Menschen geredet habe und zwar nicht nur mit den drei, die ich ohnehin schon kannte, sondern mit vielen, vielen neuen. Ich bin unglaublich schlecht im Small-Talk und meistens überfordert mich schon folgende Konversation: „Ah, Hallo Nuf! Und?“, weil ich auf das „Und?“ schon nichts mehr zu sagen habe oder so viel, dass ich so lange nachdenke, dass es deswegen eine peinliche Pause gibt. Nach intensivem Nachdenken, wie ich diese Situation verbessern könnte, bin ich selbst rumgelaufen und habe es mit „Hallo <Name>, und?“ versucht. Das hat hervorragend geklappt, denn die meisten sind offensichtlich deutlich besser in Sachen Real Life Kommunikation als ich.

Ich danke jedenfalls allen für die schönen Gespräche, die wir hatten und all die Ideen, die sich dadurch in meinem Kopf angesammelt haben. Sowohl das persönliche Gespräch als auch das reine zuschauen und -hören, haben mich sehr beeindruckt.

Zum Beispiel bin ich wirklich voller Bewunderung für Raul Krauthausen, dessen Humor, Sichtweise und Ideenreichtum wirklich einzigartig ist. Ich kannte bereits die Wheelmap und habe das Projekt Brokenlifts.org neu kennen gelernt und ich hoffe, dass er viele Unterstützer für diese Projekte findet. Menschen, die Orte makieren und melden, Menschen, die bereit sind ihre Arbeitskraft reinzustecken und Menschen, die bereit sind zu spenden. Denn das Besondere an diesen Projekten ist ja, dass sie uns alle angehen und nicht nur Menschen im Rollstuhl. Wirklich beispiellos ist seine Herangehensweise an viele Probleme und so hat mir ähnlich wie Felix Schwenzel die Idee gefallen, dass es nicht Nicht-Behinderte und Behinderte gibt, sondern dass es Behinderte und Noch-Nicht-Behinderte gibt. Denn diese Sichtweise lässt sich in viele andere Bereiche übertragen und hilft so manchen Groll beiseite zu schieben und Probleme konstruktiv zu lösen.

Felix Schwenzel, von der Moderatorin, der Humanist des Internets genannt, hat diese Sichtweise direkt in die Real Life vs. Virtualitäts Debatte übertragen und forderte auf, dass wir Internet People (ich glaube, das ist der aktuelle Jargon) mehr Verständnis für die Noch-Nicht-Internet People haben sollten. Recht hat er, denn Fronten schaffen nie Verständnis und es werden zum Befeuern dieser Fronten wichtige Energien verschwendet, die an anderen Stellen viel besser eingesetzt werden könnten.

Zum Beispiel bei der Frage, wie man den Neuerungen des Internets gerecht werden könnte in Sachen Kopien und Urheberrecht. Hier hat der Vortrag von Dirk von Gehlen mein Halbwissen sehr gut zusammengeführt und auch gezeigt, wo die neuen Herausforderungen liegen.

Sascha Lobos Internet-Bratwurst-Vortrag konnte ich leider nicht sehen, allerdings wurde ich von einem Kamera-Team u.a. zu ihm befragt und hatte so die Möglichkeit mein Groupietum maximal peinlich in eine Kamera zu sprechen. Offensichtlich war das Team aber auf der verzweifelten Suche nach irgendeinem Lobo-Gegner und konnte selbst nach zehn Befragungen nicht fündig werden. (Liebe Minderheit Sascha Lobo Hater, melde Dich doch einfach beim BR, man sucht Dich und möchte Dich ernst nehmen!)

Sein Vortrag letztes Jahr – vor allem seine Beschimpfung in punkto „Was ist denn los mit Euch? Warum werdet ihr eigentlich nie vom Fernsehen/Radio zum Internet befragt, ihr seid doch alle Auskenner … habt ihr Euch darüber schon mal Gedanken gemacht? Warum rufen die immer nur MICH an?“ haben mich – in Kombination mit meinen Beobachtungen zu Julia Probst – sehr insipiert.

Julia Probst, die ich auch kennen lernen durfte, hat nämlich genau das letztes Jahr ganz grandios gemacht. Sie hat sich für ein Thema eingesetzt und hat gar nicht erst gewartet, dass Menschen auf sie zukommen sondern ist einfach vorgestürmt und hat das Thema Gehörlosigkeit (aus meiner persönlichen Internetperspektive) richtig stark positioniert.

Von Julia inspiriert, habe ich dieses Jahr auch die Erfahrung machen dürfen, dass man bei freundlicher Anfrage zu bestimmten Themen in der Regel auf offene Ohren stößt und dass ein solcher Prozess erstmal angestoßen, eine Eigendynamik entwickelt und man im Nachgang plötzlich auch Anfragen erhält*. Konkret war das bei mir das Thema BOBs. So durfte ich freundlicherweise einen Gastbeitrag auf netzpolitik.org schreiben, wurde vom Jetzt-Magazin interviewt, hab bei Trackback und im WDR was dazu erzählt.

Gewonnen als Best Blog German hat übrigens Jules Blog mit 42 Prozent. Nominiert waren außerdem für den deutschen Sprachraum:

Gestern Nacht im Taxi
Fünf Bücher
Anders Anziehen
Not Quite Like Beethoven
Fuckermorthers
Vegan Sein
Bestatterweblog
Zwischen Tradition und Moderne
Bildblog
Das unbekannte Königreich

Ein Blick in diese Blogs lohnt sich unbedingt!

Zu den Gewinnern der Hauptkategorien (und auch zu den Nominierungen, die nicht gewonnen haben, die aber einen nachhaltigen EIndruck bei mir hinterlassen haben), möchte ich an anderer Stelle gesondert etwas schreiben.

Eine wichtige Session habe ich anscheinend verpasst: Die mit dem Regierungssprecher Steffen Seibert. Ich habe den Twitterstream dazu verfolgt und hätte meiner Verwunderung nicht besser Ausdruck verleihen können als grindcrank (der auch nicht da war):

[blackbirdpie url=“https://twitter.com/#!/grindcrank/status/198412632477282306″]

Also – wer erklärts mir?

Ganz groß fand ich auch Kixka Nebraskas Vortrag „About me – die digitale Fassade„, den Journelle wunderbar zusammenfasst:

„Kixka Nebraska war sehr aufgeregt, gleichwohl war der Vortrag so gut, dass die Bilder ihrer Präsentation, die sie klar und angenehm schnörkellos erklärte, fest bei mir verankert sind.

Mit nach Hause nehme ich auf jeden Fall, dass die Identität im Internet eben doch ganz oft mit der in der analogen Welt übereinstimmt. Dieses Gefasel von ‘die Leute denken sich im Internet doch was aus und sind nicht sie selbst’ habe ich immer für Blödsinn gehalten.

Dank Kixka habe ich nun auch argumentative Grundlagen, um diesen Blödsinn vor Noch-Nicht-Onlinern zu wiederlegen.“

Übrigens sind sowohl Kixka als auch Felix Schwenzel leuchtende Beispiele dafür, dass Perfektion nicht gleichzusetzen ist mit Qualität, sondern dass es v.a. Authentizität ist, die die Menschen erreicht und Vorträge so besonders macht (nun – kombiniert mit Kompetenz im eigenen Gebiet natürlich).

Außerdem gesehen:

Udo Vetter und „Spielregeln für das Netz

Kathrin Passig und „Standardsituationen der Technologiebegeisterung

Und last but not least natürlich die vier Damen HappySchnitzel, Kaltmamsel, ruhepuls und Carolin Buchheim und ihr grandios inszeniertes Poetry Spam.

Einzig wirklich öde Veranstaltung war Falk Lüke und Stephan Noller angekündigtes „Let’s streit. Wer darf mich tracken?„.

In Andenken an Sascha Pallenbergs Aussage, es gäbe in Deutschland keine relevanten Blogs, die von Frauen geschrieben würden und dem Gestöhne im Publikum „Oh Mann, die Emanzen wieder“ (weil eine Frau nachfragte, wieso er in seiner Aufzählung denn keine Frauen genannt hätte), spiele ich mit dem Gedanken nächstes Jahr mal ein Bashing-Panel mit anderen Frauen anzubieten, bei dem wir uns die gängigen Definitionsansätze zum Thema Relevanz und Reichweite von Blogs um die Ohren hauen und uns dabei parallel die Nägel und Haare schön machen lassen.

Ah, fast vergessen: Wie Felix Schwenzel bin ich Philip Banse Fan geworden:

„von mir aus kann philip banse jeden tag 2 stunden programm auf der republica machen, seine blogger-gespräche sind extraordinär. er sucht sich die richtigen und interessanten leute raus und stellt unprätentiös genau die fragen die man auch stellen würde, wenn sie einem einfallen würden. letztes jahr war sein gespräch mit julia probst ein totales highlight, dieses jahr das mit raul krauthausen. raul krauthausen stahl allen die show, so wie julia probst das letztes jahr schaffte und philip banse sorgt für die bühne. (raul krauthausens neue kategoriesierung von menschen in behinderte und noch nicht behinderte: unbezahlbar, seine menschenfreundlichkeit, pragmatische weltsicht und sein humor: herzwärmend.)“

Amen (und herzlichen Glückwunsch, wenn Du wirklich bis hier unten gelesen hast).

*Lieber Interessent, ich kenne mich übrigens auch mit allem aus und man kann mich hervorragend als Quotenfrau buchen.

Total Recall VIII

Jahr für Jahr, die zwei schönsten Abende: Total Recall XIII – Das internationale Festival des nacherzählten Films.

Seit 2004 besuche ich das Festival des nacherzählten Films und seit 2005 denke ich immer: Hey, da machst Du mal mit.

Die Idee ist wunderbar: Jeder, der möchte, bekommt zehn Minuten, um etwas nachzuerzählen, das verfilmt worden ist. Das kann ein Kinofilm sein, ein Fernsehfilm, ein YouTube-Video oder aber auch Werbung. Hilfsmittel sind nicht erlaubt.

Genauso besonders wie die Idee ist jedes Jahr das Publikum. Die Stimmung ist immer gut und v.a. sehr wohlwollend. Jahr für Jahr bereite ich einen Beitrag vor. Letztes Jahr z.B. „Bob der Baumeister III- Abenteuer auf der Ritterburg“ (OV!). Dieses Jahr hätte ich eigentlich die erste Folge „IT Crowd – Yesterday’s Jam“ erzählen wollen. Leider scheitere ich Jahr für Jahr an meinem (nicht vorhandenen) Mut. Dabei kann ich als langjähriger Zuschauer zumindest sagen: ich habe mich immer gut amüsiert gefühlt, ich habe immer den Mut derjenigen bewundert, die ich vorne auf die Bühne gestellt haben und ob mich der Inhalt nun wirklich interessiert hat oder nicht – ich habe nie einen schlechten Gedanken über einen der Nacherzähler gehabt. Tatsächlich glaube ich, dass es den allermeisten so geht. Dennoch wage ich es nie.

Jahr für Jahr scheint es im Vorfeld eine Zitterpartie zu sein, ob das Festival überhaupt statt findet – denn den meisten geht es ähnlich wie mir und es melden sich nicht genug Nacherzähler. Ein bisschen könnte man vermutlich am Marketing verbessern, z.B. durch einen Relaunch der doch ein wenig aus der Zeit gefallenen Flash-Site, die das Festival anpreist. Man könnte vielleicht auch mal ein Hashtag für Twitter vereinbaren unter dem Informationen leichter verbreitet werden könnten (etc.). Eine  Fan-Seite auf Facebook gibt es zumindest seit einigen Wochen…

Wie dem auch sei. Dieses Jahr wieder großartige Beiträge mit wohlverdienten Gewinnern.

Platz 3: Thorsten Silow erzählte „Zodiac Spear from the Henne Mines-Guaranteed“ (upload: FF12GM) [im gedruckten Programm falsch]

Platz 2: Bärbel BöskingAlle Sehnsucht der Erde„, D 2009 (R: Wolf Fremm, D: Christine Neubauer)

Platz 1: Christian Brandes: Werbeunterbrechung aus den 90er

Schmerzlich vermisst habe ich Ilia Papatheodorou, die seit einigen Jahren „Vom Winde verweht“ nacherzählt und nach Berechnungen von Bernd Terstegge, dem Initiator des Festivals, ca. 2023 mit ihrer Nacherzählung fertig sein wird. Sie ist Jahr für Jahr ganz, ganz großartig.

Irgendwas pathetisches mit Medien […]

Das Fernsehprogramm geht mir auf die Nerven.

Ich habe im Studium Aristoteles im Original gelesen. Unser sehr großartiger Dozent ermutigte uns dazu – wohlwissend, dass niemand von uns des Altgriechischen mächtig war. Aristoteles zu lesen war sehr wichtig, denn wenn man es genau nimmt, hat sich seit Aristoteles in der Psychologie nicht berauschend viel getan.  Ich habe gelesen und gelesen und gelesen. Und wenn ich nicht mehr konnte, habe ich Big Brother geschaut. Das war 2000. Ich habe seitdem sehr, sehr viel Schrott-TV gesehen. Für mich hatte das eine mentalhygienische Wirkung. Ich kann aufhören zu denken, neue Wissensinhalte konsolidieren (sich) und ich kann mich in eine Art Standby-Modus stellen.

Dann habe ich angefangen zu arbeiten und meine intellektuelle Beanspruchung reduzierte sich v.a. in den ersten Berufsjahren auf ein Minimum. Parallel habe ich meinen Fernseher abgeschafft.

In der Zwischenzeit schaue ich gelegentlich wieder Reality-TV und Castingsendungen. Abends bin ich meistens so müde, dass ich weder sprechen noch lesen noch sonst irgendwas kann. Es kommt nicht selten vor, dass ich um 20 Uhr mit den Kindern einschlafe. Wenn es mir gelegentlich gelingt, wach zu bleiben, schaue ich fern. Ich gestehe, ich habe Popstars gesehen, ich habe Deutschland sucht den Superstar, X-Faktor und gestern auch The Voice of Germany geschaut. Einige Phänomene finde ich psychologisch interessant. Gruppenpsychologische Dynamiken bei Auswahlverfahren, motivationstechnisches und auch die Frage, warum sich Millionen für solche Sendeformate interessieren.

Schließlich fließt keine Information. Nichts. Nicht mal Emotionen werden übertragen. Da ist nur Leere. Unendlich in die Länge gezogene Inhaltslosigkeit. Ronnie Grob hat heute morgen einen Beitrag des SWR3 verlinkt, der das wunderbar veranschaulicht:

Wenn man sich die Einschaltquoten der Casting-Sendungen anschaut, bleiben nur Fragen. Es wird immer und immer wieder das selbe Konzept aufgegossen und egal wie dünn die Suppe ist, ein weiteres Mal geht doch noch. Die Schnitte gaukeln ein actionreiches Leben vor, ein Leben in dem Ereignis auf Ereignis folgt. Es gibt keine Pausen, kein Verschnaufen, keine durchgängige Handlung, keine Einstellung hält mehr als zehn Sekunden. Schnitt, Schnitt, Schnitt. Alles ist überzeichnet oder provoziert und aus dem Kontext gerissen. Das Leben ist dramatisch, großartig, ein einziges Spektakel.

Ich glaube, es ist Zeit den alten Röhrenfernseher zu verbannen.