Justin Bieber! Halbnackt!

Bieber
Eine Influencerin durfte in das Mikrofon sagen, warum sie Justin Bieber gut findet: „Weil er saugeil aussieht und so saugeil singt“ Ich schließe daraus, dass Justin Bieber ein Sänger ist.

Chameen Loca!
Fabian Siegismund!
MrTrashpack!
Katja!
Jonas!
Moritz!
Ana Lisa Kohler!
Nona Kanal!
Typisch Kassii!
Anne Wünsche!
Brenda Black!
Josephine Welsch!
Henning Mertens!
MayaRe!
Thien Nguyen!
Marvyn Macnificent!
Ambre Vallet!
Jack Strify!

Sie alle würden kommen! Alle! Um der Enthüllung der neuen (!) Justin Bieber Figur [1] beizuwohnen.

Ich bin völlig aus dem Häuschen! KATJA kommt!

Äh? Katja? Wer ist das? Und wer sind die anderen?

Ich frage Kind 1.0. Diese Jugend! Die kennt diese YouTuber doch! Ich verlese mit dramatischer Stimme die Liste der Influencer. Kind 1.0 zuckt mit den Schultern. Nie gehört. 400.000 Abonnenten. 180.000 Abonnenten. 700.000 und oh 25? (Interessanter Range)

„Doch, ich glaube zwei kenne ich!“

Dieses Kind! Dieses lesesüchtige Kind. Schaut kein Fernsehen und kennt die angesagten YouTuber nicht.

Ich erinnere mich genau, als es eines Tages mit blauen Auge an den Frühstückstisch trat. OMG! Was war passiert? Das arme Kind hatte nachts heimlich gelesen. Einen dicken 600 Seiten Schmöker. Das Kind lag am Rücken im Bett, das Buch über den Kopf haltend und dann haben es auf Seite 124 die Kräfte verlassen. Es konnte die Arme nicht weiter nach oben halten und dann ist ihm das Buch aus der Hand geglitten und aufs Auge gefallen.

Das hatte es nun vom heimlichen Lesen. Pfui!

Und sieben Jahre später die zweite Quittung: Es. kennt. kaum. YouTuber.

Was haben wir bloß falsch gemacht?

Dabei fand ich die Idee total super. Ich – endlich auf einem supercoolen Event eingeladen – könnte Kind 1.0 überreden einen gemeinsamen Abend mit mir zu verbringen.

Angie und ich - ein Feuerwerk der Herzlichkeit
Angie und ich – ein Feuerwerk der Herzlichkeit

Ok, ok. Ich gebe zu. Ich wollte auch endlich mal ins Madame Tussauds. Zuletzt war ich als Dreizehnjährige in London im Madame Tussauds. In der Präselfiezeit. Ich frage mich, was man da gemacht hat? Hat man sich tatsächlich die Figuren einfach angeschaut?

Ich fands damals jedenfalls toll.

Naja und streng genommen, war ich (zunächst) erstmal auch gar nicht eingeladen.

Und er tut so, als sei nichts.
Und er tut so, als sei nichts.

Tatsächlich war ich sehr betrübt, als ich hörte, dass alle Mama-Bloggerinnen eingeladen waren. Nur ich nicht.

Der Herzensbrecher [Justin Bieber] ist als erste Wachsfigur mit freiem Oberkörper zu sehen.
Die Fans können so sein Sixpack hautnah berühren, seine Tattoos genauestens anschauen und heißeste Selfies mit dem Sänger schießen.
Die Wachsfigur steht in einer Multimediainstallation, die unter Laserlichtstrahlen seine größten Hits spielt.

Zum Glück war sich meine Filterbubble schnell einig: Auf keinen Fall wollte sie bei diesem Event dabei sein. Niemals nicht.

Ich hingegen schon. Also erbat ich mir unterwürfigst Einlass und weil die anderen ja abgesagt hatten, gab es noch ein Plätzchen.

Und tatsächlich hatten wir großen Spaß.

Wobei ich sagen muss, diese Wachsfiguren sind schon spooky. Manche sehen total echt aus und stehen einfach hinter der nächsten Ecke und lächeln einen leer an.

Helmut Kohl zum Beispiel hat mich sehr erschreckt.

Es ist außerdem sehr schwer Wachsfiguren als Wachsfiguren zu behandeln. Als es beispielsweise um die Enthüllung der Justin Bieber Figur ging, stand ich in gebührlichen Abstand vor dem sitzenden Harry Styles (ein Sänger der Pop-Kapelle One Direction [2]). Allerdings wurde es dann sehr, sehr voll und ich sage euch: mit Promifotografen ist nicht zu spaßen. Die haben Ellebogen. So ein gutes Foto schießt sich offenbar nicht mit Geduld und Höflichkeit.

Jedenfalls irgendwann klebte ich mit meinem Hintern im Gesicht der Harry Styles Wachsfigur – wohlwissend, dass es sich um eine Wachsfigur handelt – doch uhhh das war unangenehm, schließlich drückt man nicht ungefragt sein Gesäß in anderer Menschen Antlitz.

Auch Wachsfiguren haben eine intime Distanzzone, in der ich nicht stehen möchte. Außerdem hab ich Harry die Sicht auf Justin versperrt. Auch nicht schön.

Keine Bieber

Tatsächlich habe ich da an Westworld denken müssen. Respekt all denen, die glauben zwischen Mensch und Host unterscheiden zu können. Ich könnte nicht auf Hosts schließen oder sie respektlos behandeln.

Als endlich Platz genug war, habe ich mich also neben Harry gesetzt und voller Bewunderung die Promifrauen beobachtet. So dünn! So zart! So groß! So viel Makeup. Irre viel Makeup. Tonnen davon. Genug Makeup für alle. Und Wimpern. Wimpern auf Wimpern. Doppelwimpern. Toll. Es war ja so voll, dass ich diese gedoppelten Wimpern von der Seite sehen konnte.

Es war ein aufregender Abend. Ich hab alle Anwesenden gegoogelt, viel über das Posieren gelernt und Kind 1.0 durfte noch im Auftrag der Promis Fotos derselbigen machen.

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Ganz am Ende bekamen alle, die nicht wir waren, Kopfhörer geschenkt. Da war Kind 1.0 doch ein wenig ungehalten, dass ich nur so eine unbekannte Bloggerin bin. Tja. Wär‘ es eben selbst bekannter YouTuber geworden! Aber nein! Es wollte ja immer lieber le-sen.


[1] Justin Bieber gab es tatsächlich schon. Als blutjungen 18jährigen konnte man ihn bewundern. Der neue ist 22. So wie der echte Justin Bieber. Das ist sehr verwirrend. Denn der alte Justin ist der junge Justin und der neue ist jetzt der aktuelle Alte.

[2] Nie gehört.

Hauptsache die Kinder schlafen

Offenbar ist es gerade schwer angesagt* Produkte feilzubieten, die Kinder zum Schlafen bringen. Zum Beispiel Musikstücke, die man während des Autofahrens hören kann. Die Kinder werden erst animiert und dann stufenweise immer weiter runtergefahren, so dass sie ganz am Ende einschlafen. (Angeblich!)

Nissan hat das gerade für den japanischen Markt entwickelt.

Ob das für den europäischen Markt funktioniert?

Für mich persönlich reicht es ja schon überhaupt länger als 10 min Auto zu fahren. Ich brauche gar keine Einschlafmusik. Sobald wir irgendwohin fahren, werde ich durch das gleichklingende Motorengeräusch sehr, sehr müde.

Selbst wenn ich Fahrerin bin. (Deswegen fahre ich so gerne Zug)

Nach dem selben Prinzip soll das schwedische Vorlesebuch: „Das Kaninchen, das so gerne einschlafen will“ funktionieren. In stetigen Wiederholungen, sehr handlungsarm, sollen Kinder zum Einschlafen gebracht werden.

Neurolinguistisches Programmieren soll hier die Basis sein. Unmoralisch finden einige Kinderpsychologen Bücher dieser Art, da die Kinder manipuliert werden. (Ein wenig amüsant ist, dass die KritikerInnen sich nicht einig sind, ob es ohnehin Unsinn ist, weil NLP nicht funktioniert oder ob NLP funktioniert und es deswegen nicht OK ist.)

Ich bin noch nicht dazu gekommen, das mal auszuprobieren. (Muss gerade lachen, weil ich mir vorstelle, wie ich versuche das mich bereits in der Länge überragende Kind 1.0 damit zum Einschlafen zu bringen.)

Tatsächlich funktioniert doch jedes Abendritual so, oder? Man versucht irgendwie zur Ruhe zu kommen. Wir essen (40 min), dann werden die Schlafanzüge angezogen (30 min), dann die Zähne geputzt (20 min), dann hüpfen wir alle ins große Bett und lesen vor (30 min), um dann zu kuscheln und ein paar Fragen zu beantworten (gefühlte 70 min) und dann singen wir:

(Ich bin so ein Martina Hill Fan!)


*Wenn man zwei ähnliche Dinge im Netz findet, darf man freimütig von Trend sprechen, oder?

GBG – Goodie Bag Gier

Ich habe einen Bekannten, der sehr gerne auf Messen geht. Er besucht diese Messen nicht, weil ihn das Thema interessiert, sondern weil es dort Dinge kostenlos gibt. Er läuft von Stand zu Stand und sammelt. Meist Kugelschreiber und Gummibärchen, ab und an einen USB-Stick oder ein Putztuch für den Screen des Smartphones.
Mir war es immer ein Rätsel was er davon hat. Was hat man davon zuhause dreiunddrölfzig Kugelschreiber rumliegen zu haben? Oder verkauft man das auf ebay? Aber wer kauft Kulis und USB Sticks?

Was man ihm lassen kann, ist, dass er Mühe damit hatte. Er musste immerhin an jeden Stand einzeln gehen, dort meist irgendein Verkaufsgespräch über sich ergehen lassen und dann hat er höflich nach einem Mitgebsel gefragt und es eingesteckt.

Ich erinnere mich an mein erstes BloggerInnen-Event und meine erste Goodie Bag gut. Sie war bis oben mit tollen (auch wirklich hochwertigen) Babysachen gefüllt: Feuchttücher, Popo-Creme, Lavendel-Babybad, Wind und Wetter Creme…

Beim Gehen wurde man gefragt, ob man schon ein Goodie Bag bekommen hätte. „Ne“, hab ich geantwortet, mir war nämlich gar nicht klar, dass man überhaupt etwas bekommt. Warum auch? Geleistet hatte man ja in der Regel nichts – es sei denn Schnittchen essen würde unter Leistung verbucht.

Ein wenig erinnerten mich die Goodie Bags an die (neue) Tradition der Kindergeburtstags-Mitgebsel.

Früher™ (also als ich Kind war), da gab es diese Mitgebsel auch. Allerdings haben sich die die Kinder erspielt. Beim Topfschlagen, beim Sackhüpfen oder beim Stuhl-Tanz. Ein Bonbon hier, einen Lolli und ein Schokoriegel. Das wars.

Heute gibt es auf Geburtstagsfeiern einfach so Mitgebsel. Die Kinder gehen bowlen oder klettern (drunter geht’s ja schon kaum) und dann gibt es noch Geschenke im Wert von 5-10 Euro pro Kind.

Jedenfalls um auf das Goodie Bag zurück zu kommen. Da ich kein Baby mehr habe, habe ich den Inhalt im Anschluss einer Bekannten geschenkt, die gerade ein Baby bekommen hatte. Ich hab versucht klar zu machen, dass ich dafür nichts wollte, weil ich die Sachen ja selbst geschenkt bekommen hatte und sie gar nicht brauchte.
Eine Woche später stand die Bekannte mit Schokolade in der Tür um sich zu bedanken und ich war peinlich berührt, weil ich eigentlich gar nicht wollte, dass sie sich verpflichtet fühlt mir für etwas Danke sagen zu müssen.

Auf der nächsten Veranstaltung habe ich in das Goodie-Bag geschaut, festgestellt, da sind Dinge drin, die ich nicht benötige und dankend abgelehnt.

Umso seltsamer fand ich das Verhalten so manch anderer BloggerIn wenn es um die Goodie Bags ging. So wie Comicfiguren manchmal Dollar-Zeichen in den Augen haben, hatten manche BloggerInnen quasi Goodie Bag Spiegelungen in den Augen. Wenn es an die Verteilung der Goodie Bags ging, wurde gedrängelt oder mal ein bisschen Platz mit dem Ellbogen gemacht. Könnte ja sein, dass man leer ausgeht!!1!

Je nachdem was die Goodie Bags enthalten, greifen VeranstaltungsteilnehmerInnen auch gerne mal hinter die Tresen und packen vor der offiziellen Verteilung zu oder holen sich Dinge aus den Nachschubkartons.

Am Wochenende habe ich beobachten können, dass sich manche nicht eine sondern gerne zwei oder drei Goodie Bags mitnehmen oder aber den Inhalt von einer Goodie Bag schon mal in die eignen Tasche umräumen und sich dann eine weitere Tüte über die Schulter werfen.

Ich verfalle da in Fremdscham. Mir ist das echt peinlich. Ich glaube nämlich nicht, dass es da um Menschen geht, die darauf angewiesen sind eine Packung Stifte extra für die Kinder zu bekommen, weil sie sich nicht leisten können diese zu kaufen.

Am Ende verursachen diese Menschen, die Angst haben leer auszugehen paradoxerweise ja, dass andere, die sich nicht so verhalten, leer ausgehen.

Hachja, eigentlich wollte ich ja was lustiges dazu schreiben. Ist mir irgendwie nicht gelungen. Ich finde dieses Verhalten jedenfalls panne und weil ich selbst Bloggerin bin, möchte ich nicht mit solchen Personen in einen Topf geworfen werden.

P.S. Ich will jetzt wirklich nicht so tun, als ob es gar keine Goodie Bags gäbe, über deren Inhalt ich mich nicht auch freuen würde (oder schon gefreut habe!). Dennoch würde ich Goodie Bags lieber ganz abschaffen als Teil dieser Peinlichkeit zu sein.

Das „unterschiedliche Sauberkeitsstandards“ Argument

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Gestresst? Mach doch Yoga! Quelle: yevinia @pixarbay.com

Es treibt mich ja um, das Thema der 50/50 Aufteilung von Haushalts- und Care-Arbeiten. Ich fand deswegen den Artikel »Unterschiedliche Sauberkeitsstandards« sehr interessant.

Darin wird eine Studie zitiert, die sich mit Paaren auseinandersetzt, bei denen die Frau das Haupteinkommen verdient.

[… ]denn es stellt sich ja die Frage, ob sich Männer in Heterobeziehungen, wenn ihre Partnerinnen in der Lohnarbeit sehr eingebunden sind, nicht mehr oder zumindest zu gleichen Teilen in die Sorge einbringen könnten.

Könnten sie natürlich theoretisch, tun sie aber nicht.

Noch interessanter der folgende Umstand:

Gerade Paare aus der urbanen Mittelschicht mit starken Gleichheitsvorstellungen sind Meister darin, Logiken einzuführen, die eine solche Aufteilung nach Belastung außer Kraft setzen. Dabei nehmen die Paare – dies ist entscheidend – die Ungleichheit in ihrer Beziehung gar nicht wahr.

Ich fand ja meine Frageliste in dieser Sache ganz aufschlussreich und habe von vielen gehört, die diese Liste zum Anlass genommen haben, die Aufgabenverteilung innerhalb der Paarbeziehung neu zu besprechen, weil ihnen wirklich nicht klar ist, dass eine Schieflage gibt.

Für mich wirklich erleuchtend in dem zitierten Artikel war die Beschäftigung mit der Frage wie solche Schieflagen zustande kommen und wie Paare sie vor sich selbst verschleiern lernen.

Der Klassiker: »unterschiedliche Sauberkeitsstandards«. Die ungleiche Beteiligung an Hausarbeit wird individuellen Charaktereigenschaften zugerechnet.

Und da hat es mich voll erwischt. Nach einer gescheiterten Beziehung, gehe ich nämlich davon aus, dass ich nie mehr mit einem Mann zusammenleben kann, weil letztendlich die unterschiedlichen Sauberkeitsstandards oder aber die Vorstellung, in welchem Zeitrahmen eine Aufgabe sinnigerweise erledigt wird, bei mir offenbar zwischen zwanghaft und (wie mir gerne vorgeworfen wurde) herrisch schwanken.

Mein angeblicher Fimmel ist außerdem „unsexy und unsympatisch“ (deswegen empfehlen Frauenzeitschriften: Mehr küssen, weniger meckern am besten die Aufgaben gar nicht an den armen Mann schieben, sondern mit dem Mann ins Kino gehen…) und – was auch ein Problem ist – eine schlechte Charaktereigenschaft. Schade eigentlich.

Demgegenüber steht das Narrativ des lockeren Typen, der auch mal fünf gerade sein lassen kann.

Ich habe das für mich schon hingenommen. Ich bin eben nervig, anspruchsvoll und kann eigentlich ganz froh sein, wenn es überhaupt ein Mann mit mir aushält.

Das Ergebnis der Studie zu lesen, hat mich dann doch einigermaßen überrascht.

Diese wiederholten Charakterzuschreibungen – authentisch und entspannt versus ambitioniert und unlocker – kamen in unserer Studie überraschend häufig vor und sind ganz und gar nicht zufällig. Vielmehr folgen sie einer alten, patriarchalen Logik der Geschlechter.

Gibt es also Hoffnung für mich? Weil es vielleicht Partner gibt, die diesem Narrativ und dieser Struktur nicht folgen (wollen)?

Mir hat der oben zitierte Artikel wirklich Mut gemacht.

U-Bahn Gedanken

Ich hatte irgendwann mal den Kommentar: „Mach mal die Augen auf, erklär mir mal wie man eine Vollzeitanstellung in eine Teilzeitanstellung umwandeln kann wenn man ein Mann ist“ unter einem meiner Blogartikel. An diesen Kommentar musste ich heute in der U-Bahn denken.

Ein sehr wichtiger Kommentar, denn er spiegelt eine bestimmte Denkhaltung wieder. Was für Männer offenbar ganz unmöglich ist, ist für Frauen anscheinend kein Problem. Immer wieder wird so getan, als sei der gleiche Sachverhalt für eine Frau etwas total anderes als für einen Mann.

Ich habe versucht mir das mal an verschiedenen prototypischen Alltagssituationen vorzustellen

Situation 1: Haushalt

Frau: Ich liebe Spülmaschine ausräumen. Das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine erfüllt mich so sehr, dass ich sie manchmal einfach vollräume, obwohl nichts schmutzig ist. Einzig und allein – weil mir das so einen Spaß macht.

Mann: Spülmaschine ausräumen. Na toll. Schon wieder. Elendige Sisyphos-Arbeit. Als gäbe es nichts schöneres. Macht mir echt keinen Spaß!

Situation 2: Das Kind ist krank

Frau: Hallo Chef, ich muss leider zuhause bleiben, mein Kind ist krank.
Chef: Oh, das macht nichts. Ganz ehrlich, sie haben doch schon letzte Woche zwei Mal gefehlt und wirkten so angeschlagen auf mich. Lassen sie sich krank schreiben und kurieren sie sich bitte endlich mal richtig aus. Ihre Kunden laufen ihnen nicht weg…

Mann: Hallo Chef, ich muss leider zuhause bleiben, mein Kind ist krank.
Chef: Was? Schon wieder? Das ist – um offen zu sein – sehr ärgerlich. Da müssen wir jetzt aber wirklich langfristig mal schauen, ob wir die wichtigsten ihrer Projekte an die Frau Müller geben. Die hat so gut wie keine Fehlzeiten.

Situation 3: Eine Schwangerschaft wird verkündet

Frau: Chef, ich bin schwanger.
Chef: Herzlichen Glückwunsch. Das ist das dritte, oder? Genießen sie bitte ihre Elternzeit. Ihre Projekte und Verantwortlichkeiten bekommen sie dann wieder zurück. Wir halten sie up to date.

Mann: Chef, meine Frau ist schwanger.
Chef: War das Absicht? Das ist doch schon das dritte? Sie wollen wohl hoffentlich keine Elternzeit machen. Ich weiß nicht, ob wir ihre Projekte für sie nach einer längeren Pause halten können.

Situation 4: In Teilzeit gehen

Frau: Ich würde gerne Stunden reduzieren.
Chef: Alles klar! Wären 28 Wochenstunden OK? Wir bekommen das schon hin. Wir schauen einfach mal, welche Themen sie abgeben können, ohne ihren Verantwortlichkeitsrahmen zu verkleinern. Es geht hier schließlich nicht um Anwesenheit sondern um ihre Kompetenz, die ich im Übrigen sehr schätze. Außerdem probieren wir so neue Arbeitszeitmodelle aus. Das kann ja auch ein Vorteil für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein, oder?

Mann: Ich würde gerne Stunden reduzieren.
Chef: Wie bitte? Sie wissen doch selbst, dass eine bestimmte Hierarchie-Stufe auch vom Vorbildcharakter lebt. Sie können nicht Abteilungsleiter sein und dann früher gehen. Sie müssen ein Vorbild für die anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein. Ihre Position ist leider nicht geeignet in Teilzeit ausgeführt zu werden. Das ist ihnen doch klar?


 

Falls es nicht klar geworden sein sollte. Ich bin sicher, es hängt nicht am Geschlecht der Bittstellenden. Es hängt am Arbeitgeber, es hängt an der Einstellung der Vorgesetzten UND es kommt wohl nur in sehr seltenen Fällen vor, dass alltägliche Pflichten erfüllend sind. Meistens sind es eben nur Pflichten, die geschlechtsunabhängig keinen Spaß machen.

Frauen stehen vor den selben Problemen wie Männer. Sie sind offenbar aus Tradition eher bereit, diese Probleme anzugehen und ggf. die damit verbundenen Diskrimierungen hinzunehmen und mit den Herabstufungen und dem Mobbing zu leben, auf Karriereschritte und Geld zu verzichten.

Den armen triebgesteuerten Menschen muss doch geholfen werden

Eines meiner Lieblingssprichwörter lautet „The road to hell is paved with good intentions“. Gut gemeint ist z.B. der Brief einer Realschule an die Eltern, der verargumentiert, dass Mädchen in Zukunft bitte keine aufreizende Kleidung mehr tragen. Wer es dennoch tut, der muss ein weites Shirt tragen, das er (in dem Falle eigentlich „sie“) vor Ort zur Verfügung gestellt bekommt. Die Schule möchte dadurch nicht in die Individualität der Kinder eingreifen, nein, man „[will] damit ein kleines Stück zu einem gesunden Schulklima beitragen, in dem sich alle wohlfühlen und in dem gesellschaftliche und soziale Werte gelebt und gefördert werden.“

War klar, dass ich darüber schreiben muss, oder? Wollte schon lange mal wieder ein paar zensierenswerte Kommentare sammeln. Also go for it!

Ganz ehrlich? Was soll der Scheiß? Dass Mädchen und Frauen anziehen können sollen, was sie wollen, steht für mich außer Diskussion. Drehen wir die Sache doch mal um. Im Grunde sagt der Brief folgendes. Die aufreizende Kleidung wird nur verboten, um die Mädchen zu beschützen. Denn schließlich könnten „die knappen Klamotten […] jemanden reizen, etwas zu tun. Hinzugucken. Hinzugreifen.“ (und im schlimmsten Fall zu sexuellen Übergriffen auffordern).

Ich frage mich da immer: Warum lassen sich Jungs und Männer zum größten Teil sowas gefallen? Und die Mütter von Söhnen? Diese Forderung bedeutet nämlich: Wenn Jungs oder Männer zu viel nackte Haut sehen, dann können sie sich nicht mehr kontrollieren, verlieren jede Kulturtechnik und werden zur Gefahr.
Das ist eine bodenlose Beleidigung. Ich möchte meine Söhne nicht so dargestellt wissen.
Ich finde das schlimm. Richtig schlimm. Mich würde das als Mann stören, immer wieder in die Ecke des hirnlosen Idioten gedrängt zu werden. Der nicht anders kann als geifernd auf nackte Haut (womöglich „weiches Gewebe„) zu schauen. Dessen Konzentrationsfähigkeit und IQ auf Null sinken, sobald ein weiblicher Körper nicht in weite Kleidung gehüllt wird. Der sich am Ende nicht beherrschen kann und die Mädchen oder Frauen belästigen, angrabschen und zudringlich werden muss.
Denn das steht doch als Gegenstück hinter der Forderung, dass Mädchen und Frauen sich bitte verhüllen müssen.

Natürlich ist es komplizierter, Jungs und Männern zu erklären, wie sie sich verhalten sollten, als Frauen einen Sack überzustülpen. Es gibt keine einfache und schnelle Lösung für das Problem.“

Ich verstehe es nicht. Warum lassen sich Männer sowas gefallen?
Warum ist diese Objektifizierung und Sexualisierung so allgemein akzeptiert?
Verbote sind am Ende immer ein Zeichen von Hilflosigkeit oder „der einfache Weg“.
Ich würde mich freuen, wenn man mal mehr Energie investieren würde, diese Denkstrukturen aufzulösen als dass man bestehende (falsche) Strukturen durch Verbote dieser Art zementiert.

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Nachtrag: Und ich glaube nicht, dass es da um neutrale Kleidungscodes geht, die z.B. vorbereiten, wie man sich als Lehrling in einer Bank (oder einem anderen Kontext) zu kleiden hat. (Mal abgesehen davon, dass ich persönlich nicht die Kompetenz meines Finanzberaters an seinem Anzug festmachen würde)

Einmal Wellness mit allem bitte

Wellness und ich, es ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Aber ich versuche es immer wieder. Schließlich habe ich nichts gegen Wellness. Viele meiner besten FreundInnen mögen Wellness. Wenn also eine meiner Freundinnen fragt, ob ich mitkommen möchte, dann stimme ich alle Jubeljahre zu. Wohlwissend, dass die Bedingungen schwierig sind für mich. Ich mag es nämlich ganz und gar nicht von fremden Menschen angefasst zu werden. So ein Schultertätscheln wenn man sich fünf Jahre kennt und angezogen ist: OK. Vielleicht auch mal eine herzlich distanzierte Umarmung mit einem Mindestluftabstand von 30 cm wenn man sich wirklich, wirklich gerne hat. Aber nackt von Fremden angefasst zu werden, das ist wirklich die Hölle. Das Prinzip nach dem in dieser Konstellation Entspannung einsetzen soll – es erschließt sich mir einfach nicht.

Ziemlich harmlos fing die Sache an:

„Hast du Lust mit ins Hamam zu kommen?“
„Na klar!“

Wir trafen uns also in einem Hamam. Ich war noch nie in einem Hamam. Ich habs mir irgendwie dunkel vorgestellt. Dunkel und voll. Eine große Halle mit Wänden aus Marmor, irgendwie geschäftiges Treiben, Schwatzen, ich hatte die Vision von Waschweibern – nur ohne Wäsche.

Tatsächlich sollte man sich ausziehen. Also nackt, meine ich jetzt. Ich hab mich in ein sehr großes Handtuch geschlagen und dachte: OK, ich sitze jetzt einfach in mein Handtuch gehüllt ein bisschen rum, bestimmt ist es warm, nicht zu warm, ich hasse nämlich Hitze und dann mal sehen.

Ich kam in einen mittelgroßen – irgendwie leicht zu hellen Raum voller nackter Frauen*. Diese Frauen waren alle wie aus Magazinen ausgeschnitten. Perfekte Körper, kein Gramm Fett, alle kaum älter als zwanzig, alle tätowiert, alle ohne ein Haar am Körper, dafür mit hüftlangen Haaren. Sie lagen, räkelten und saßen in der Mitte des Raumes auf einem heißen Stein. Sie sahen exakt so aus, wie ich mir als Kind Sirenen vorgestellt hatte. Sehr irritierend.

Offenbar hatte meine Freundin sich das auch anders vorgestellt. Dampfiger irgendwie. Also fragte sie freundlich die Anwesenden: „Wo ist denn bitte das Dampfbad?“

Die Sirenen blinzelten träge, der Augenaufschlag war offenbar sehr schwer. Dampf, ja Dampf, hm, den hätten sie nicht gesehen, nur diese Becken und den Stein und hinten sei noch eine Sauna.

„Ahja. Ok.“ Wir suchten uns also eine kleine Nische deren es ca. 8 Stück gab. In dieser Nische jeweils ein kleines, steinernes Becken mit einem Rinnsal an Wasser und viel zu großen Blechschüsseln. Dort könne man sich waschen. Ahaaha! Waschen, ja, das hatte ich ja schon kurz vor dem Besuch im Hamam hinter mich gebracht, so richtig schmutzig fühlte ich mich gar nicht.

„Ich habe uns eine schöne Behandlung gebucht!“, verkündete derweil meine Freundin.
„Eine Behandlung, soso.“

Ich schüttete also ein wenig gelangweilt sehr heißes Wasser über meinen Körper und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis eine Frau ihren Kopf in den Waschraum steckte und meinen Namen rief.

Ich folgte ihr schweigend. Sie hatte eine sehr große, weiße Gummischürze an. Ich kenne diese Schürzen nur aus Filmen, die im Schlachthaus spielen. Die Frau führte mich in ein Kellerloch. Ich sage Kellerloch, weil ich übertreibe jetzt mal nicht, es war einfach ein sehr karger, winziger Raum in einem Keller mit Steinwänden und sonst eigentlich nichts, was irgendwie Atmosphäre hätte erzeugen können. In der Mitte des Raumes eine Liege. Die Frau zeigte in Richtung der Liege. Ich musste mich nackt drauf legen und sie begann mich mit heißem Wasser zu übergießen. Sie hätte das vielleicht ein bisschen zärtlicher machen können, aber offensichtlich ging es hier um Effizienz. Zweifelsohne sollte ich sehr schnell sehr nass werden. Deswegen nahm sie einen Putzeimer und übergoss mich wieder und wieder. Das Wort Waterboarding fiel mir mehrere Male ein, aber das ist natürlich sehr überzogen.

Als die Frau fertig mit dem Bewässern meines Körpers war, nahm sie zwei sehr harte Peelinghandschuhe und rubbelte meine Körperteile einzeln ab. Besonders intensiv empfand ich die Stelle am Bein, an der ich mir am Morgen eine Tasse Tee mit nahezu kochendem Wasser rübergeschüttet hatte. Ahhh! Das musste dieses Wellnessgefühl sein. Also dieses sehr geile, wenngleich eher kurze Gefühl wenn der herbeigeführte Schmerz kurz nachlässt.

Die Frau gab mir sehr leise Anweisungen, die ich in der Regel aufs erste Mal nicht verstand. Sie schloss daraus irgendwann, dass Deutsch vermutlich nicht meine Muttersprache war und sprach ab da etwas lauter und deutlicher Englisch mit mir. Als ich fertig gerubbelt war, wurde ich wieder gewässert und dann murmelte sie: „And now, the sponge!“

The Sponge war ein etwa 1,20 mal 0,80 m großer Schwamm, den sie auf mich warf. Auf The Sponge verteilte sie gut 500 ml Flüssigseife. Dann schwabbelte sie den Sponge eine zeitlang auf mir hin und her und begann anschließend die nicht mit 40 cm Schaum bedeckten Körperstellen gesondert einzuseifen. Die Schaummassen waren enorm. Der kleine Raum war zu einem Drittel mit Schaum gefüllt. Die Einseiferin war sehr klein und einige Male hatte ich Angst, sie könnte einfach verschwinden und mich ganz alleine zurücklassen.

Ich wurde von beiden Seiten sehr intensiv gespongt und dann wieder gewässert. Danach roch ich stark nach Mango. „Thats it“, sagte die Frau in der Metzgerschürze und schaute mich leer an. „Vielen Dank“, sagte ich und ging verwirrt in den Ruheraum, wo meine Freundin mich freundlich mit sauren Drops empfing.

Wellness ist schon eine sehr seltsame Errungenschaft der Zivilisation. Aber diesmal hat es mir gefallen. Ich glaube 2018 probiere ich es nochmal.


*Ich freue mich jetzt schon auf die Googletreffer: Pfui! Ihr!