Sie sind unter uns – CDU WählerInnen

In einem überzeugenden Artikel analysiert Felix die Frage, wer diese CDU Wähler sind und warum sie CDU wählen. Für mich auch eine interessante Fragestellung, denn ich kenne wirklich niemanden, der mir gegenüber zugibt, die CDU gewählt zu haben. Er stellt dabei mehrere Thesen auf. Das Wahlergebnis zeige z.B. dass „die deutschen mehrheitlich zufrieden mit der regierungspolitik [seien] und kein allzu grosses bedürfnis nach veränderung verspüren.

Zufällig war ich die Person, die bei just diesem Mittagessen „forderte“, die Menschen müssen besser aufgeklärt werden über diverse Missstände und dann würden sie auch anders wählen.

Felix ging dabei auf, dass „aufklärung genau das ist, was die meisten menschen noch weniger gerne haben als veränderung.“ Er vertiefte seine These und war ein bisschen begeistert von seiner eigenen Erklärung. Er redete von den Bauern in der Röhn, den bestimmte Probleme gar nicht interessierten und am Ende war klar: „so traurig das klingt, aber mehrheitlich lassen sich viele menschen wohl eher von einer PKW-maut für ausländer (sprich östereicher und schweizer) berühren oder sich von unions-spindoktoren einreden, dass die grünen für spiessige bevormundung stünden. dass die CSU-regierung in bayern gleichzeitig für eins der strengsten nichtrauchergesetze im lande verantwortlich ist, stört die aufregung dann kaum

Unterm Strich sei keine Aufklärung oder bessere Vermittlung sondern emotionale Aufladung der Themen nötig.

Ich bin im Laufe der Diskussion verstummt, weil ich meine Gedanken nicht richtig ordnen konnte. Viele Punkte an der Argumentation haben mir nicht gefallen.

Der erste ist, dass 41,5% CDU-WählerInnen nicht bedeutet, dass die Mehrheit aller Deutschen mit der Regierungspolitik zufrieden sind. Egal wie man es nachrechnet, der Satz stimmt so erstmal nicht. Das ist aber auch egal, denn mir geht es um etwas anderes. Felix Artikel analysiert warum Menschen die CDU wählen.

Ich glaube, sie tun es aus unterschiedlichen Gründen. Der gewichtigste Grund scheint mir, dass die meisten Menschen gar nicht ein Partei(programm) wählen, sondern eine Person und diese Person ist Angela Merkel. Sie entscheiden nicht zwischen den unterschiedlichen Positionen. Das erklärt für mich übrigens gleichzeitig warum die Piraten trotz moderner und guter Inhalte nicht in den Bundestag eingezogen sind. Sie hatten einfach keine (kompetenten und deutlich sichtbare) Personen, die man wählen konnte. Sie haben bewusst Inhalte vor Personalien gestellt und sind damit gescheitert.

Die Hauptformate der Medien unterstützen dieses – ich weiß nicht wie ich es nennen soll – Irrverhalten der WählerInnen (?). Formate wie das Kanzlerduell suggerieren, es gäbe eine Art Direktwahl – man entscheide sich für eine Person. Hinterher findet man die Merkel super oder den Steinbrück doof oder umgekehrt. Bewertet wird die Person, nicht das was sie sagt. Also für mich lautet These 1: Es werden Personen und nicht Inhalte gewählt. Die Aufmachung des Wahlkampfes unterstützt dieses Wahlverhalten.

Wer kennt sich schon so detailliert mit Parteiprogrammen aus, dass er in der Wahlkabine wirklich an Inhalte und nicht an die Person, die ihm durch Zeitung und Fernsehen bekannt ist, denkt? Letztendlich gibt es ohnehin keine Garantie, dass das was in den Wahlprogrammen steht, irgendeine Umsetzung in der Realität findet. Angela Merkel ist Paradebeispiel für Positionswendungen.

Meine zweite These ist sowas in der Art wie: ein Großteil der heutigen Probleme ist so komplex weil wir in einer globalisierten Welt leben, dass sie kaum in ihrer Gänze zu verstehen sind. Diese Themen mögen wichtig sein, jedoch sind sie kaum vermittelbar – v.a. hinsichtlich ihrer langfristigen Auswirkungen auf das eigene, kleine Leben.

Parteien, die sich dieser Themen annehmen, müssen das sehr geschickt tun. Ein Beispiel ist die NSA-Affäre. Den von Felix zitierten Bauer in der Röhn interessiert die anlasslose Internetvollüberwachung nicht. Was ihn aber interessieren könnte ist, ob sein Postgeheimnis gewahrt wird oder ob sein schwer erarbeitetes Einfamilienhaus auf Google Streetview für jedermann zu sehen ist. Die Wahlaktion der Piraten geöffnete Briefumschläge in Briefkästen zu werfen und damit das Thema aufzugreifen, halte ich für ein sehr gelungenes Beispiel.

Wenn also bestimmte, komplexe Themen aufgegriffen werden, dann muss das auf eine einfache Art passieren. Natürlich hat Felix recht, wenn er sagt, dass die (wenigsten) Menschen Bedarf nach Aufklärung haben – jedenfalls wenn es sich um komplexe, tiefgehende Analysen in Form abendfüllender Arte-Themenprogramme geht. Allerdings gibt es in der globalisierten Welt sehr viele dieser Themen. Die Überwachung durch die NSA und die Euro-Politik sind nur einige der Themen, die man an dieser Stelle nennen könnte. Komplexitätsreduktion ist für diese Themen sehr wichtig. Dann klappt es auch mit der Aufklärung.

Meine dritte These lautet: Die Parteien brauchen ein eindeutiges Profil. Nicht jede Partei kann für alles stehen. Es sind Schwerpunkte heraus zu arbeiten und in diesen Schwerpunkten kann dann auch Kompetenz vermittelt werden. Dabei gibt es auch sowas wie Traditionen. Dass ich im letzten Wahlkampf von den Grünen v.a. in Sachen Steuerpolitik und kaum in Sachen Umweltschutz und Familienpolitik gehört habe, lässt mich verwundert zurück.

Mein Fazit ist deswegen: Der Sieg der CDU ist eher als Versagen der anderen Parteien zu deuten.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto seltsamer finde ich das. Vielleicht ist das doof, aber ich sehe da eine Parallele zum Social Media und Online-Marketing. Auch hier braucht man eindeutige Zielgruppen und man ist schon lange von der Arroganz weg, zu glauben ALLE Menschen gleichermaßen zu erreichen oder dass sich die Menschen für die Firmen oder deren Produkte eben zu interessieren haben. Die Richtung hat sich vom klassischen Push der Informationen zum Pull durch die Interessenten gewandelt. Es müssen Inhalte erstellt werden, die interessieren UND es müssen wechselseitige Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden. Es reicht eben nicht mehr Pressemitteilungen und Newsletter zu verschicken. Aber genau das (so mein Empfinden) haben die unterschiedlichen Parteien im Wahlkampf weiterhin gemacht. Der Punkt ist doch: Wahlkampf ist nicht gleichzusetzen mit der Politik, welche die vier Jahre dazwischen betrieben wird. Es geht ums kurzzeitige Mobilisieren, um Meinungsbildung und vielleicht haben sich da herkömmliche Wege langsam überholt?

Ich weiß es ja auch nicht. Aber ich finde es seltsam wenn kurz nach der Wahl alle erklären können, wie es zu dem Ergebnis kam und es dann bei dieser Analyse bleibt. Wichtig wäre doch das Weiterdenken?

Vielleicht verlangt unsere heutige Zeit wirklich eine ganz andere Infrastruktur? Vielleicht würde sich auch die Wahlbeteiligung verbessern, wenn man sich im Wahlkampf mehr von den Top-Down-Ansätzen verabschieden würde und dazu übergeht die (Partei)Basis zu involvieren. Es braucht wohl eine ausgewogene Mischung.

Ich finde jedenfalls nicht, dass das emotionale Aufladen von Inhalten (MAUT! VERGGIEDAY!) der einzige Weg zu einem Wahlerfolg ist und sein sollte. Ich würde mir wirklich wünschen, dass das Wahlergebnis für die nicht CDU Parteien Anlass wäre, wirklich mal neu zu denken und nicht immer mehr von dem selben zu machen. Denn es hat sich nun ausreichend gezeigt, dass mehr eben nicht mehr hilft.

 

Heimat

Gestern habe ich Neukölln Unlimited gesehen. Der Dokumentarfilm zeigt ein Jahr in Leben der drei Jugendlichen Lial, Hassan und Maradona, die in Neukölln aufgewachsen sind. Sie und ihre Familie stammen aus dem Libanon. Zum Zeitpunkt des Filmes sind sie bereits seit 16 Jahren in Deutschland. Deutschland ist ihre Heimat und trotzdem werden sie nur geduldet bzw. zwei der Geschwister haben eine auf die Dauer der Schule bzw. Ausbildung befristete Aufenthaltsgenehmigung. Der Film begleitet die drei und ihre Familie durch den Alltag in Neukölln zwischen Breakdance und Behörden und der Angst vor Abschiebung.

Mich hat der Film sehr bewegt. Wahrscheinlich habe ich zu dieser Thematik einen anderen Bezug weil (zumindest ein Teil) meiner Familie nicht aus Deutschland stammt. Unvorstellbar ist jedoch der Gedanke mit der Gewissheit leben zu müssen, dass jeden Tag die Polizei an der Tür klingeln kann und man einfach in das Land der Eltern abgeschoben werden könnte. 2004 passiert der Familie genau das.

Ich stelle es mir unfassbar grausam vor in ein Land abgeschoben zu werden, das einem fremd ist, das nicht die Heimat ist, dessen Sprache man womöglich nicht kann, alle Freunde – das ganze Leben zurück lassen zu müssen.

Von Herzen wünsche ich den Geschwistern, dass sie bald ihre Kartoffelparty feiern und für immer in Deutschland bleiben können.

***

Letztes Jahr wollte ich eigentlich eine Reihe von Interviews veröffentlichen. Allerdings scheiterte das Projekt aus verschiedenen Gründen obwohl ich bereits einige Gespräche geführt hatte. Eines meiner bewegendsten habe ich mit Handan Ceylan geführt. So wie der Film ist mir das Gespräch sehr lange nachgegangen und ich veröffentliche es jetzt hier im Blog, weil ich nicht möchte, dass es auf meiner Festplatte versauert.

Obwohl Handan und ich im Raum Forchheim groß geworden sind, kannten wir uns vor dem Interview nicht. Die Bezüge zu dieser Stadt gibt es, weil die Interviews ursprünglich in einer regionalen Zeitung veröffentlicht werden sollten. Sehr wahrscheinlich kann man Forchheim aber durch jede x-beliebige (Klein)Stadt in Deutschland ersetzen.

Bir lisan, bir insan. Iki lisan, iki Insan

Eine Sprache, ein Mensch. Zwei Sprachen, zwei Menschen

HandanWir treffen uns an einem sonnigen Nachmittag im Herbst an der U-Bahnstation Schlesisches Tor in Kreuzberg. Während ich auf Handan Ceylan (34) warte, verstehe ich wieder was Multikulti bedeutet. Ich höre englisch, französisch, türkisch und italienisch sprechende Passanten, die darüber diskutieren, wo sie den Tag verbringen, der fast ein Tag im Spätsommer sein könnte, so warm ist es. Handan kommt mit dem Fahrrad. Wir wollen gemeinsam ins Café Gipfeltreffen direkt am Görlitzer Park gehen. Auf dem Weg frage ich sie, ob sie mit dem Comedian Bülent Ceylan verwandt ist. Seine Werbeplakate pflastern die Wände unseres Weges. Sie verneint. Die Namensgleichheit sei zufällig, was ungewöhnlich sei, denn der Nachname sei nicht besonders weit verbreitet in der Türkei – also kein Pendant zu dem deutschen Müller oder Meier.

Weil draußen nichts mehr frei ist, suchen wir uns im Café einen Platz. Es ist Handans Lieblingscafé. Ich kann das gut nachvollziehen. Es ist gemütlich eingerichtet. Alles etwas zerschrammelt, aber jedes Möbelstück scheint eine eigene Geschichte zu haben. Wir bestellen uns Milchkaffee und Törtchen aus der fünfstöckigen Kuchenvitrine.
Handan hat sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit. Sie spricht Deutsch und Türkisch fließend. Allerdings ist Türkisch ihre Muttersprache. Für sie bietet das Türkische viel mehr Möglichkeiten sich differenzierter auszudrücken. Türkisch erscheint ihr blumiger als das sachliche Deutsch. Geboren und aufgewachsen ist sie in Forchheim. Sie ist das Nesthäkchen der Familie, das jüngste von sechs Kindern. Die ersten fünf Jahre hat sie eine türkische Grundschule besucht. Das war damals so – es stand nie zur Debatte, ob türkische Kinder gemeinsam mit deutschen Kinder eine Klasse besuchen. Was sie erzählt, lässt mich an die 50er Jahre denken. Das wäre aber die Elterngeneration. Handan ist 1977 geboren. Obwohl sie hervorragende Noten hat, bekommt sie keine Empfehlung für das Gymnasium, wo sie aber unbedingt hin wollte. Man schickt sie auf die Hauptschule. Mit „man“ sind nicht ihre Eltern gemeint. Die haben ihre Wünsche und Ziele stets mitgetragen. Mit „man“ sind die Lehrer gemeint.
Sie macht schließlich ihren qualifizierenden Hauptschulabschluss und besteht weiterhin darauf aufs Gymnasium zu dürfen. Da ihr das verweigert wird, beschließt Handan in die Türkei zu gehen, damit sie dort ein deutsches Gymnasium besuchen kann. Ihre Eltern unterstützen ihre mutigen Pläne.
Sie ist 14 als sie ein Jahr lang auswandert. Übergangsweise darf sie bei Verwandten wohnen, den Rest des Schuljahres lebt sie in einem Schülerwohnheim.
Aufgrund ihres Ehrgeizes und ihres Notenspiegels erhält sie endlich die langersehnte Gymnasialempfehlung und kommt zur Oberstufe auf das Herder-Gymnasium. Da sie dort zusätzlich eine weitere Fremdsprache belegen müsste, empfiehlt der Direktor sie für das Ehrenbürg-Gymnasium. Das EGF bietet in Kooperation mit dem Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg Türkisch als zweite Fremdsprache an.
Besonders herzlich nimmt der Direktor des Ehrenbürg-Gymnasiums sie nicht auf. Er macht ihr wenig Mut. Mit ihrem Lebenslauf würde sie das Abitur ziemlich sicher nicht schaffen – so seine Zukunftsprognose.
Seine Prognose war falsch. 1997 macht Handan ihr Abitur.
Im Anschluss studiert sie Jura in Bayreuth und Bonn. Sie sammelt Berufserfahrung unter anderem als Referendarin am Auswärtigen Amt, in der Bundesgeschäftsstelle der Grünen im Büro des Parteivorsitzenden Cem Özdemir, als Praktikantin im Türkischen Parlament und bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Jemen.

Wir sprechen über den 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit der Türkei. Wir sprechen darüber, dass Türken in Deutschland auch nach fünfzig Jahren noch kein allgemein akzeptierter Bestandteil der Gesellschaft sind, obwohl sie mit je nach Statistik beinahe zwei Millionen Menschen einen nicht unwesentlichen Bestandteil der deutschen Bevölkerung darstellen. In diese Zahlen rein gerechnet sind nicht mal die Türken in zweiter Generation, weil diese neben der türkischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und somit eigentlich ganz normale Deutsche sind. Handan sagt mir, dass sich viele unabhängig von Geburtsland und Staatsangehörigkeit einfach als Deutsch-Türken oder als Deutsche fühlen. Deswegen würde die Bezeichnung „der Türke“ der Lebensrealität dieser Menschen ohnehin nicht gerecht.
Wir reden darüber wie das nach all den Jahren sein kann und sie sagt mir, dass sie sich deswegen in Berlin so wohl fühlt. Hier ist die Durchmischung an manchen Orten so groß, dass man leicht ausblenden kann, dass das leider nicht repräsentativ für ganz Deutschland ist.
Beruflich setzt sie sich aber genau dafür ein: Für Gleichstellung und Gleichbehandlung.
Sie erzählt mir vom Ausländerrecht in Deutschland, welches unter anderem die Niederlassung und Erwerbstätigkeit für Menschen regelt, die nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates besitzen. Das deutsche Ausländerrecht ist absurderweise Teil des Polizei- und Ordnungsrechts, welches die Gefahrenabwehr regelt und Ausländer so per se technisch gesehen als eine „Gefahr“ definiert.
Was nach Behördendeutsch klingt, bedeutet v.a. eines: Wenn Ausländer straffällig werden, werden sie nicht wie Deutsche behandelt. Neben der „üblichen“ Strafe, droht ihnen die Abschiebung und zwar unabhängig davon wie lange sie bereits in Deutschland sind, ob sie Kinder in Deutschland haben oder ob sie die vermeintliche Muttersprache sprechen und noch Menschen im Geburtsland haben, die sie kennen oder nicht.
Die Aufhängung des Ausländerrechts legt somit eine bedauerliche Grundlage zur Ausländerdiskriminierung. Denn Straftaten werden nicht nach Art und Schwere der Straftat sondern nach Herkunft des Straffälliggewordenen bemessen. Mit Vorurteilen haben Deutsche mit türkischen Wurzeln im Alltag oft zu kämpfen. „Junge Männer türkischer Abstammung haben es, was Vorurteile angeht, dabei noch schwerer als die Frauen“, sagt sie, „sie werden leichtfertig als aggressiv und kriminell abgestempelt. Die Frauen gelten wenigstens noch als Exoten…“

Handan ist eine sehr offene und zielstrebige Frau. Sie hat nie Menschen über ihren Lebenslauf bestimmen lassen. Wenn sie etwas erreichen will, nimmt sie die Initiative selbst in die Hand. In Berlin lebt sie seit 2006. Sie kann sich nicht vorstellen zurück nach Franken zu gehen. Wenigstens in Berlin gibt es Orte, wo es so ist, wie es überall in Deutschland sein sollte. Bunt, durchmischt, kulturell vielseitig, offen und tolerant. Für Handan ist Berlin die (leider) undeutscheste Stadt in Deutschland. Handan schaut mich nachdenklich an. Obwohl sie Berlin wirklich liebt, bleibt Forchheim ihre Heimat. „Am Ende,“ so sagt sie „bin ich doch eine Fränkin“.

Kulinarische Höhepunkte

Während einer Kroatienreise machte ich Bekanntschaft mit einem neuseeländischen Koch, dessen Frau und Kind. Das Kind aß nur wenn die Eltern Tiergeräusche machten.
Das erschien mir seltsam.
Dann lernte ich eine Freundin meines Mannes kennen, deren Tochter entweder gefrorene Erbsen oder korsische Kräuteroliven aus einem speziellen Laden in Steglitz aß.
Ich hielt das für einen Erziehungsfehler.
Heute weiß ich, irgendein evolutionärer Sinn muss dahinter stecken. Kind 2.0 isst als sei es  ein Hollywoodstar auf Diät. Gekochtes Eiweiß, ungesüßten Jogurt und bis zu drei Rosinen am Tag. Am Wochenende isst es allerdings Frikadellen. Frikadellen in Hackfleischsoße.
Kind 3.0 ernährt sich von Physalis und kernlosen Bio-Trauben. Beides deutlich über acht Euro das Kilo. Es isst drei Kilo am Tag. Von beidem. Man kann leicht rechnen, dass der Staat uns ungefähr das dreifache Elterngeld zahlen müsste, denn sowohl Physalis als auch Trauben haben eine abführende Wirkung, was den Windelverbrauch gegenüber dem bundesdeutschen Durchschnitt verdoppelt.
Das Kochen habe ich aufgegeben. Schließlich kann ich mich ausreichend von dem was meinen Kindern aus dem Mund fällt ernähren und Kind 1.0 isst einfach alles was die Brotbüchsen der anderen Schulkinder hergeben.

Systematik als Lebenskonzept

In „Mein Leben als Suchmaschine“ habe ich eine sehr gute Methode kennen gelernt, Dinge wiederzufinden. Der Autor, Horst Evers, filmt sich beim nach hause kommen und lädt den Film bei Youtube hoch. Wenn er sich später fragt, wo er den Haustürschlüssel abgelegt hat, schaut er sich den Film an – et voilà  – schon hat er ihn wieder ausfindig gemacht.
Hätte ich auch so machen können, hätten wir seit jeher stabilen Internetzugang. Hatten wir aber nicht und so musste ich mir etwas noch ausgefuchsteres ausdenken. Das Ergebnis wird jeden Controller hoch erfreuen: Excel-Listen.
Ich erstelle Excel-Listen von potentiellen Aufbewahrungsmöglichkeiten. Beispielsweise heißt eine Liste 2010-01-28_Malm-Kommode_Flur.xls .
Die Spalten benenne ich nach den Schubladen. Z.B. Schublade 1 oben rechts, Schublade 2 oben links, Schublade 3 usw.. Plus Ablagefläche oben.
In den Zeilen werden die Gegenstände eingetragen. Z.B. Schwarz Wollmütze Mami, Lila Schapka Mami, Winterhandschuhe Kind 1.0 usw.
Wenn ich etwas entnehme, streiche ich die entsprechenden Gegenstände aus und wenn ich etwas hineinlege, lege ich neue Posten an.
Ich muss zugeben, es blockiert schon ein wenig das alltägliche Leben ABER ich finde mit Strg + F ALLES wieder. Selbst die Dinge, von denen ich nicht mal sicher weiß, dass ich sie besitze.
Einmal im Monat machen wir Inventur, um sicherzugehen, dass die Bestände korrekt sind.
Gegenstände, die seit mehr als einem Jahr nicht entnommen wurden, erhalten das Label „Erinnerungsstück“ oder „ebay“. Auf den Etiketten „Erinnerungsstück“ wird zusätzlich vermerkt an was das Utensil erinnern soll. Denn diese Information geht erfahrungsgemäß nach zwei bis drei Jahren in der Regel verloren.
So ist der Hausstand stets aktuell und im Falle einer Wohnungshavarie können wir der Hausratversicherung stets den neusten Stand vorlegen.