Frauen, für Euch Ryan Gosling, für mich mein Telefon

Über die Liebe und das Verliebtsein gibt es wenig ernstzunehmende wissenschaftliche Theorien. Offensichtlich auch deswegen weil die Menschen gar nicht so genau wissen wollen, was das ist. Es wird viel Tamtam darum gemacht. Wer will das Verliebtsein da nüchtern als komplexes Zusammenspiel verschiedener Neurotransmitter und Hormone sehen? Das würde die Sache doch unangenehm entzaubern.

Mir ist das Thema wieder eingefallen, weil ich mir vor rund zwei Wochen ein Telefon gekauft habe, in das ich jetzt doch ziemlich verliebt bin. Psychologen fassen diese Liebesart unter dem Begriff der Objektphilie zusammen. Ich habe nochmal im Internet recherchiert und ich kann mit Sicherheit sagen, dass meine Gefühle für mein Telefon aufrichtig sind. Alle klassischen Symptome der Verliebtheit treffen zu.

Es findet sich z.B. folgende zutreffende Beschreibung: „[Verliebtheit] äußert sich durch ein intensives Verlangen nach einer anderen Person [meinem Telefon], das von körperlichen Symptomen begleitet sein kann. Verliebtheit geht in der Regel auch mit Sehnsucht einher.“

Mein Empfinden passt auch gut zu aktuellen neurobiologischen Erkenntnissen der Aktivitätsströme in verliebten Gehirnen. Es gab neulich den schönen Themenabend „Markenkult/Kultmarken“ auf Arte. Es berichtete ein Neurobiologe genau von diesem Sachverhalt. Im MRT hatte man sich die Gehirne von <Markenname>-Benutzen angesehen und festgestellt, dass sie genau die gleichen Aktivierungsmuster zeigten wie die von frisch Verliebten.

Damals habe ich noch den Kopf geschüttelt, war ich doch der Meinung, dass man ein Telefon v.a. für eines benötige: Zum Telefonieren. Alles andere sei unnötiger Firlefanz. Heute, all meine Ersparnisse ärmer, weiß ich, wie falsch ich lag. Ein Telefon sollte dazu da sein, das Leben zu steuern. Es soll ein zentraler Ausgangspunkt für ALLES sein. Es soll mein ausgelagertes Gehirn sein, mein Privatsekretär, meine Mama, mein Stadtführer und mein Ratgeber in allen Lebenslagen. Es soll mir Antworten auf all meine Fragen geben und sich um alles kümmern was mir wichtig ist. Immer.

Und weil es all dies erfüllt, LIEBE ich es.

In irgendeinem Artikel über eine Frau, die den Eiffelturm heiratete (eine Liebesheirat!), äußerte sich ein Psychologe mit folgender Theorie: „Wer sich in Objekte verliebt, kann diese Beziehung kontrollieren. […] Seine Objekte werden ihn nicht im Stich lassen.“ Das macht die Objektliebe so attraktiv im Vergleich zu Beziehungen mit menschlichen Partnern, die man nicht steuern kann und von denen man nie eine Garantie für die Dauerhaftigkeit einer bereits eingegangenen Beziehung erhalten kann.

Ebenfalls typisch fürs Verliebtsein sind Entzugssymptome, die hauptsächlich durch einen starken Serotoninmangel ausgelöst werden. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich mich ohne mein Telefon total entspannt fühle. Am liebsten sind mir mittlerweile die Treffen mit anderen Abhängigen, weil wir uns z.B. gegenseitig die lebensverschönernden und unverzichtbaren Apps zeigen ohne dass wir uns gegenseitig einen weiteren Austausch von Nettigkeiten abverlangen.

Schlimm plagen mich auch bohrende Verlustängste. Denn ich denke, dass andere wissen, wie wunderbar das Leben mit MEINEM Telefon ist und deswegen schauen sie mich alle so gierig an, wenn ich es in der Hand habe.  Sie wollen es alle besitzen, weil es so wunderwunderschön ist. Ich habe vorsichtshalber Nagellack darüber geschüttet und die Hülle zerkratzt. Für mich zählen die inneren Werte und das Aussehen ist mir völlig egal. Das ist bei anderen, oberflächlichen Menschen nicht so und deswegen hoffe ich, dass ihr Begehren dadurch gezügelt wird.

Meine Telefon-Limerenz paart sich mit meiner Lust zur Systembildung (nach Luhmann). Diese bildet man bekanntermaßen durch zustandekommende Kommunikationen. Das Internet ist dazu der ideale Ort. Und auch hier bietet das Telefon großartige Voraussetzungen, indem es Kommunikation in jeder erdenklichen Form vereinfacht und die Durchlässigkeit der einzelnen Systeme gewährleistet.  Alles ist nur noch zwei Klicks entfernt. Das Bild, das ich auf der Straße gemacht habe (klick) ins Blog zu stellen (klick). Den Großeltern das Foto (klick) per Mail zu schicken (klick). Den Routenplaner (klick) zum neuen Arzt (klick) und bei Foursquare einchecken. Den Artikel, den ich nicht schaffe zu lesen (klick) zum späteren Abruf in den RSS-Reader schieben (klick). Es ist genau wie in der Werbung. Ein Traum.

Mein Vater, der mich schon öfter aufgefordert hatte, einfach mal verschwenderisch Geld auszugeben und selbst ein großer Autoliebhaber ist, sagte, als ich ihm voller Begeisterung von meinem neuen Telefon erzählte: „Ich freue mich! Jetzt verstehst Du endlich, wie es für mich ist, mir neue Autos auszusuchen und sie dann zu fahren.“

Der Mann, mit der zartesten Stimme, die ich kenne, erwiderte darauf: “ Vielleicht hat jede Generation die Devices geliebt, die ihr gefühltes Selbst erweitern konnten. Damals war es vielleicht eher die physische Beweglichkeit in der Welt — und heute die informationelle?“

Brigitte MOM

Brigitte MOM hat zwar einen dämlichen Untertitel – dementgegen kann man es aber aushalten darin zu lesen. Jedenfalls wenn man einfach ein bisschen Unterhaltung erwartet (und nicht mehr).

Die Brigitte MOM hat 154 Seiten und kostet 3,80 Euro. Das macht knapp 2,5 Cent pro Seite, zieht man die 24 Seiten Werbung ab, bleiben 130 Seiten. Davon sind ungefähr 20 Seiten keine direkte Werbung, enthalten aber Kaufempfehlungen und weitere 20 Seiten bilden alberne Mode ab, die man als durchschnittliche Mutter weder tragen noch kaufen würde. Bleiben 90 reine Inhaltsseiten, für die man 4,2 Cent zahlt. Geizig Sparsam wie ich bin, muss es einen guten Grund geben so viel Geld auszugeben.

Die Verlagsgruppe beschreibt das Magazin wie folgt: „Der neue Titel richtet sich an Frauen zwischen 20 und 40 Jahren, die Mütter sind oder sich Kinder wünschen. BRIGITTE MOM beschreibt das Lebensgefühl dieser Frauen mit Liebe, Gelassenheit und Witz, ohne problemorientierte Ratgeber.

Seit Tagen denke ich über den Untertitel nach. „Das Magazin mit starken Nerven“. (Abweichend vom Bild oben steht ein ganz anderer Untertitel auf der Printausgabe). Was mir das sagen will, erschließt sich mir einfach nicht. Hat ein Magazin Nerven? Welchen Vorteil bringt es mir, wenn ein Magazin starke Nerven hat? Haben MOMs starke Nerven? Bin ich eine MOM? Habe ich starke Nerven? Bin ich ein Magazin? Ist das Wort Magazin ein Teekesselchen? Aber auf was bezieht es sich dann? Sind Mamas Vorratsvorrichtungen für Munition?  Eine kroatische Musikgruppe? Ein Hamburger Programmkino? Oder ist doch das facheinschlägige Periodikum gemeint?

Gut. Ich muss nicht alles verstehen…

Der Inhalt gliedert sich in die Rubriken: schön sein, schlau werden, haben wollen, weg wünschen und anders machen. Die Kategorien könnte man vermutlich super als Tags verwenden, um den Alltag als Frau/Mutter/Mensch angemessen zu verschlagworten.

Als ich das Magazin das erste Mal durchgeblättert habe, fand ich es ziemlich blöd. Vermutlich weil ich an der Stelle „Lust jemanden zu beleidigen“ hängen blieb. Da werden 5,5 Seiten für zehn läppische Beleidigungen verschwendet. Wahrscheinlich hat man sich so in den 60ern beleidigt: „Wenn ich Ihre Mutter wäre, würde ich mich schämen.“ (S. 134, Brigitte MOM 01 2011) Allein schon das Siezen! Wenn mir jemand total auf den Geist geht, dann sieze ich doch nicht. Mein Tipp an die Redaktion, wenn man zeitgemäß beleidigen möchte, einfach mal bei Twitter nach „Deine Mudda“ suchen. Da finde ich innerhalb von fünf Sekunden hundert Mal witzigere Beleidigungen.

Die Mode, die vorgestellt wird, finde ich genauso nichtssagend und überblätterungswert wie in jedem anderen Magazin. Welche (teilzeitarbeitende) Mutter leistet sich schon einen Schrank voll Blusen (wer bügelt die eigentlich?), die das Stück um die 200 Euro kosten? 200 Euro, das sind im Schnitt 1.300 Windeln – damit kann man ein Kind ungefähr ein halbes Jahr mit Windeln versorgen.

Wenn man die Zeitung also nicht gekauft hat, um was darüber zu schreiben, hätte ich sie an dieser Stelle schon aus der Hand gelegt.

Wäre aber schade darum gewesen, denn so doof ist sie auf den zweiten Blick gar nicht. Jedenfalls nicht, wenn man anfängt zu lesen und das sonstige Spektrum an Elternzeitschriften  kennt.

Positiv fiel mir beispielsweise die Bilderserie „iron MOM“ in Auge, die beschreibt wie viel Kalorien man verbraucht, wenn man tägliche Mama-Aufgaben bewältigt. Das Ganze ist mit witzigen Fotos (klobige Medizinbälle im Ergo-Carrier) und ernst gemeinten Haltungsempfehlungen einer Fitnessexpertin (Rücken gerade) versehen.

Auch die Seiten unter dem Titel „Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss- von wegen“, die Mütter früher und heute portraittieren, hat mir sehr gut gefallen. Denn sie greift auf, was sich Frauen mit der angehenden Schwangerschaft vorgestellt haben, wie ihr Leben werden würde und vergleicht mit der tatsächlichen Lebensrealität.

Es gefällt mir zudem außerordentlich, dass auch Männer zu Wort kommen dürfen, denn ich mag es gerne ausgeglichen und dieses künstliche männerfrei halten einiger anderer Frauenzeitschriften, ist in meinen Augen unnötig und auch wenn meine Kinder nie fernsehen dürfen, musste ich über den Beitrag von Till Raether schmunzeln, denn er schreibt: „Meiner Meinung nach darf man Kinder vor den Fernseher setzen, sobald sie, wie die Formulierung sagt: sitzen können. Nie wäre ich auf die Idee gekommen zu sagen: Lass uns die Kinder vor den Fernseher legen […]“ (S. 86, Brigitte MOM 01 2011).

Was wirklich sehr auffällt (und allein deswegen sollte man diese Zeitung mindestens einmal kaufen) sind die Menschen, die abgebildet werden. Klar sind die alle schöner als ich – aber sie sind ja auch geschminkt. Nein, im Ernst. Keine hageren, ausgehungerten Frauen und keine ausschließlich 20jährigen, die für Antiaging-Produkte werben. Das gefällt mir wirklich.

Die erste Ausgabe von Brigitte MOM ist bis Ende des Jahres im Zeitschriftenhandel erhältlich. Je nachdem wie die ersten 180.000 Stück sich verkaufen, wird entschieden, ob es eine weitere Ausgabe geben wird.

Mein Fazit lautet: Ich würde gerne noch eine zweite lesen und dann final für mich entscheiden, ob ich das Magazin mit den starken Nerven (???) in Zukunft regelmäßig konsumiere. Tatsächlich habe ich hier nichts gelesen, was mich irgendwie tief bewegt oder mich an irgendeiner Stelle zusätzlich informiert hat. Aber das muss gar nicht sein. Manchmal genügt es eine Zeitschrift zu haben, die man immer mal wieder in die Hand nimmt und kurz dem Alltag entflieht. Ich schaue schließlich auch nicht nur ARTE und 3SAT-Dokumentationen.

—-

Andere über Brigitte MOM

TAZ „Was Frauen wollen“
Sparbaby
Menschenskind Blog
Unsichtbares Blog

Lady Helmchen

Ab jetzt kann man Helm tragen – auch wenn man eitel ist.

Letzte Woche ist Kind 1.0 fast im Schritttempo vom Fahrrad gestürzt und hat sich eine ziemlich böse Platzwunde am Kinn zugezogen. Glücklicherweise trug es einen Helm. Der Helm ist an der vorderen oberen Seite total zerschrammt. Man kann sich leicht ausmalen, dass Kind 1.0 ohne den Helm eine weitere – viel schlimmere Platzwunde am oberen Kopf gehabt hätte.

In letzter Zeit hatten wir öfter Diskussionen, weil Kind 1.0 den Helm gelegentlich mit dem Argument „Ich fahre nur langsam“ nicht tragen wollte. Mein Mann und die anderen beiden Kinder tragen immer Helm. Ich nicht. Ich gestehe, ich war lange zu eitel. Mit Helm sieht man einfach total doof aus. Ein ziemlich dämliches Argument – das schwante mir in letzter Zeit immer öfter – v.a. auf dem Weg zur Arbeit über die Alexanderstraße. Wenn ich da beobachte wie sich manche Autofahrer (und auch Fahrradfahrer) verhalten, dann wundere ich mich, dass im Straßenverkehr nicht viel, viel mehr passiert.

Mein Mann, der vor keiner Herausforderrung zurück scheut, hat meine Twitteraufgabe angenommen und ein erstaunliches Ergebnis geliefert.

[blackbirdpie id=“102999805156003840″]

[blackbirdpie url=“http://twitter.com/#!/dasnuf/status/103053142471614464″]

U.a. bei Weltrad.de (Bild von dort) kann man die schicken Helme bestellen. Das Beste daran, man kann unterschiedliche Cover nachbestellen, so dass der Helm auch immer zum Outfit passt.

Yakkay-Helm bei Weltrad.de

Als großer Freund von farblich passenden Accessoires finde ich das natürlich super.

Wunderschön sieht man natürlich immer noch nicht aus – aber ein bisschen besser als mit den gewöhnlichen Helmen. Das reicht.

Jedenfalls: Kauft Euch Helme und tragt sie und bitte, bitte packt Eure Babys nicht in Tragetücher oder Ergo Carrier und fahrt mit Ihnen durch die Gegend. Da wird mir echt schlecht.

—-

Schick findet man die Helme an anderer Stelle auch.

Erlebnis-Kosmetik

Gibt man bei mir in die Suche „Geiz“ ein, bekommt man bestimmt 200 Beiträge zu dem Thema. Deswegen nutze ich verschiedene Gutscheinportale, um mir den ein oder anderen Luxus zum günstigen Preis zu gönnen – wohlwissend dass die Unternehmen, die diese Gutscheine ausgeben, die Hälfte an den Gutscheinseitenbetreiber abdrücken und den Preis meistens um gut 60% senken.

Aber was solls. Jeder hat so seine dunklen Seiten.

Jedenfalls gehört der Besuch beim Kosmetiker für mich zu diesen Luxusdingen, die ich mir zum vollen Preis niemals leisten würde. Wenn man also jeden Monat zu einem neuen Kosmetiker geht, erlebt man viele aufregende Dinge.

Heute z.B.. Ich muss ehrlicherweise sagen, heute habe ich ganz kurz überlegt, ob ich gehe und zwar schon beim Anblick der Außentür. Kein Schild, nur ein ausgedruckter Zettel der an die Innenseite der Außentür geklebt war.

Da die Tür verschlossen war und es keine Klingel gab, klopfe ich leise an die Tür. Ein Vorhang geht auf und durch die verschlossene Tür brüllt eine stark blondierte Frau: „ESSE ISTE NOCH NISCHTE ÖLF!“.  Ich schaue verwundert und nach einigen Sekunden des Zögerns, öffnet die blonde Frau die Tür. „Aufa meine Uhra ist es ACHT vor ölf!“.

Ich zucke mit den Schultern. Wir schauen uns an. „Na gutte, dann setze sie sisch“.

Der Kosmetiksalon ist ein Raum, abgetrennt durch einige Vorhänge. Erinnert mich ein bißchen an die amerikanischen Notaufnahmen, die man so aus dem Fernsehen kennt.

Ich setze mich auf den einzigen Stuhl den es dort gibt. Er steht vor der Toilette. Die Blondine rauscht an mir vorbei. Innen höre ich, wie sie das Wasser anstellt. Dann infernalisches Pupsen. Die anschließenden Geräusche versuche ich zu ignorieren indem ich mir die Hände auf die eigenen Ohren klatsche und leise sage: Happy place! Happy place!

Die Kosmetikerin stellt das Wasser aus, öffnet die Tür, eine dezente Wolke der Verwesung schlägt mir entgegen und die Dame sprüht gut 20 Sekunden lang mit einem Raumlufterfrischer Geruchsrichtung Frühling in meine Richtung. HAPPY PLACE! HAPPY PLACE!

Ich darf auf der Liege Platz nehmen, soll mich aber vorher ausziehen. „Ausziehen? Ich hab nen Gutschein für ne Gesichtsbehandlung?“ „AUSZIEHE!“. Na gut, denke ich und ziehe mein T-shirt aus. Das muss reichen.

Sie leuchtet mir mit einer Baulampe direkt in die Augen. „OHHHH ARRGGGHH RRRR! Wann ware sie das letzte Malle?“ Ich denke: „Hat sie Hände gewaschen? Hat sie die Hände gewaschen?“ und kläre sie über meinen letzten Besuch beim Kosmetiker auf.

Sehr schlechte Haut, hätte ich. Da sei quasi fast nix zu machen. Pfuscher seien zuletzt am Werk gewesen. In Berlin könne ja jeder Kosmetiker werden. Erweiterte Kapillare hätte ich. Alles in allem ziemlich furchtbar.

Sie drückt mir ohne Vorankündigung zwei Wattepads auf die Augen. Dann schmiert sie mir seltsam riechende Dinge ins Gesicht und verlässt mich. Natürlich ohne etwas zu sagen. Ich versuche, weil ich nichts sehen kann, zu erlauschen was sie wohl macht. Eine Tür ist geöffnet worden. Zum Hof. Ich vermute sie steht an der Wand und raucht. Es riecht jedenfalls so. Dann höre ich Getrippel und Gekichere. Etwas pickst mir ins Gesicht. Lautes Gelächter, schnelle Schritte. Eine Tür wird zugeschlagen.

Ich warte. Wie lange wohl die Maske einwirken muss? Während ich grübele, bekomme ich merkwürdige Gedanken und sehe Schlagzeilen in Tageszeitschriften: „Hilfe kam nach sechs Stunden. Berlinerin verlassen im Kosmetiksalon.“, „Ahnungslose Berlinerin bei angeblicher Kosmetikerin mit Flüssigedding eingerieben.“ und am Ende „Die Geliebte des Serienmörders bekennt: Das habe sie alles nicht gewollt!“.

Leichte Panik steigt in mir hoch. Doch noch ehe ich vom Behandlungsstuhl aufstehen kann, kommt die Kosmetikerin zurück. Sie beginnt jetzt unter Flutlicht an mir rumzuquetschen. Ich atme mich wie bei den Geburten in Trance, was sie zu schätzen weiß: „Andärä Kundän habene an diesrrr Stelle geweinet.“

Am Ende meiner preisgünstigen Behandlung wanke ich rot, verquollen und glänzend wie eine Speckschwarte aus dem Beautysalon. 24 Stunden solle ich das so lassen. Ich bete, dass mir auf dem Weg nach Hause niemand begegnet, den ich kenne.

Symbolbild Speckschwarte

Symbolbild: Speckschwarte

P.S. Wer Namen und Telefonnummer des Ladens haben möchte, um auch mal was spannendes zu erleben, bitte in den Kommentaren melden.

Werde zum Schmink-Nörtti

Sich für Technik zu interessieren, scheint – sofern man den Kommentaren meines letzten Beitrags Glauben schenkt – ziemlich natürlich und auch notwendig zu sein. Sich für Schminktechniken zu begeistern, halte ich für ebenso wichtig und ich wette, die meisten Männer haben nicht den blassesten Schimmer was wir Frauen täglich zwischen Job, Haushalt und Kindern auf uns nehmen, um attraktiv auszusehen {TCP Schnittstelle}.

Da wäre z.B. die hohe Kunst des Scheinschminkens. Gemeint ist: sich so zu schminken, dass niemand sieht, dass man geschminkt ist, man nach dem Schminken dennoch viel besser aussieht als davor. Wikipedia beschreibt den Look wie folgt:

Der kosmetische Nude-Look erfordert Zurückhaltung in Sachen Farbe – erlaubt sind nur Naturtöne in Beige, Braun und Bronze sowie blasse Lippenstiftfarben und perlen-matte Fingernagellacke {Servlet}.

Sich natürlich schminken ist eine Tätigkeit, die täglich ohne Probleme zwischen dreißig und sechzig Minuten in Anspruch nehmen kann (auch ein Grund warum man als Frau leider leider so wenig Zeit hat sich mit Technik zu beschäftigen). Man kann Hunderte an Euro für Kosmetika ausgeben, die einem einen „natürlichen Look“ verleihen. Auf YouTube gibt es unendlich viel Material zu diesem Thema. Boris Entrup höchstpersönlich verrät einem die allerbesten Tricks {OSI Layer}.

Sich natürlich zu schminken ist jedoch nur mitteleres Schwierigkeitsniveau im Bereich freier Gesichtsgestaltung. Was selbst nur ein kleiner Teil der Schminkprofis beherrschen ist das Lidstrichziehen. Bereits 1996 habe ich die Sache mit dem Lidstrich aufgegeben und das obwohl ich einen akkurat gezogenen Lidstrich wirklich sehr, sehr schön finde.

Das Problem ist folgendes: Man beginnt mit dem Schminken. Foundation, Concealer, Abdeckpuder, Rouge, Lidschatten, vielleicht schon Lippliner {Sandbox} und Lippenstift und dann als quasi allerletzten Schritt versucht man es mit dem Lidstrichpinselchen.

Doch nur ein winziges Lüftchen, das ein Frösteln verursacht, die Hand zittert und man hat sich vermalt. Man benetzt ein Wattestäbchen mit Augenmakeup-Entferner, versucht die krumme Linie zu begradigen {J/K navigation}, verwischt den Lidschatten, schminkt nach, versucht einen graderen Strich, vermalt sich wieder, wischt mit einem Wattebausch, etc. bis man schließlich einen Wutanfall bekommt, weil eigentlich ALLES verwischt ist und man bereits aussieht wie Alice Cooper {Enterprise Beans}. Man schminkt sich wutschnaubend wieder ab und fängt wieder ganz von vorne an und das macht man so lange, bis man so außer sich ist, dass man heulkrampfgeplagt zurück ins Bett geht und den Tag streicht {Apache Tomcat}.

Die Fachworte aus dem Bereich Technik habe ich für meine männlichen Leser eingebaut, um sicherzustellen, dass das Interesse am Thema aufrecht erhalten bleibt. Denn das mit dem Lidstrich im Besonderen und dem Schminken im Allgemeinen ist ein ernstzunehmendes Problem, an dem von männlicher Seite aus oft wenig Interesse und v.a. Mitgefühl gezeigt wird {PuTTY}.

Männer und Technik – (Nufileaks)

Ich habe mir noch keine Statistik angeschaut, aber wenn ich die Kreise anderer bei Google+ durchschaue, beschleicht mich das Gefühl, dass das Geschlechterverhältnis maximal 20 zu 80 beträgt. Zwanzig Prozent Frauen zu achtzig Prozent Männer.
Generell scheint es bei allen Themen, die sich im entferntesten rund um Technik drehen ein deutliches Übergewicht an Männern zu geben. (Ich kenne im Übrigen keine Frau, die mehr als 35 nutzlose Kabel zuhause aufbewahrt.)
Wie dem auch sei. Bis ich Kinder bekommen habe, ging ich davon aus, dass es sich hierbei um stark geschlechtsspezifische Orientierung in der Erziehung und Sozialisation handelte. Heute schwöre ich drauf dass alles angeboren ist.
Alle unsere Nachkommen mit Y-Chromosom spielen nicht mit den Spielsachen, nein sie testen sie auf Manipulationsmöglichkeiten, nehmen sie auseinander und gehen dann dazu über Haushaltsgeräte an und auszuschalten und geheime, mir bis dato völlig unbekannte (und v.a. ohne die Gebrauchsanweisung zu lesen unumkehrbare) Modifikationen zu entdecken.

Wenn ich bislang ein technisches Problem hatte, fragte ich meinen überaus freundlichen Kollegen. Er ist sehr technophil und zudem hilfsbereit. Alles was bei mir Stunden dauert, bekommt er in weniger als dreißig Minuten hin.
Am Anfang war ich hoch motiviert ihm über die Schulter zu schauen, mir die einzelnen Schritte zu merken und in Zukunft meine Probleme selbst zu lösen.
Die ersten beiden Schritte bekam ich meistens noch mit, dann klickte er immer schneller und warf mit seltsamen Begriffen um sich und spickte seine Erklärungen mit regelmäßigen „Im Grunde ist das ganz einfach, Du musst nur [Technikfachausdruck] per [unbekanntest Akronym] und dann kannst Du [eingedeutschter Anglizimus] […]“
Nach der dritten Runde führt mein Gehirn eine Notabschaltung durch, so dass ich nicht mit unnötigen kompetenzschmälernden Details belastet werde. Das ist förderlich für mein Selbstbewusstsein.
So ging das eigentlich seit Jahren. Auch schon vorher bei anderen hilfsbereiten Männern.
Dann passierte etwas sonderbares: Der Notschalter war aus nicht nachvollziehbaren Gründen defekt und ich konnte das Lösen eines technischen Problems von A bis Z mitverfolgen.
Ja und was sehen meine wunden Augen da?
Natürlich kennt er sich aus, aber ein Großteil seiner Aktionen sind doch deutliches Trial und Error. Viele Aktionen werden wiederholt, durchpermutiert, er schaut auf funktionierende Referenzobjekte und copy+pastet sauber laufende Lösungen von A nach B.
Von da an, beobachtete ich andere Männer beim Lösen technischer „Probleme“ und siehe da, sie taten alle genau dies: Ausprobieren wie es geht.
Eigentlich hätte mir das früher auffallen müssen. Liebe Frauen, macht mal den Test. Fragt einen Mann detailliert wie er ein Problem gelöst hat und ihr werdet sehen nur in einem Bruchteil der Fälle bekommt man logisch nachvollziehbare und v.a. replizierbare Antworten.
Daraus ergibt sich folgendes (neben dem Fakt, dass der überaus geschätzte Kollege mir in Zukunft sagen wird: Versuchs doch selber! [wie ist das Sonderzeichen für Tränen weinen?]):

Männer haben per se nicht mehr Ahnung von Technik. Sie haben eventuell mehr Erfahrung, mehr Geduld u./o. Interesse. Sie trauen sich mehr, machen vorher Backups und wissen wie man den Ursprungszustand wiederherstellt. Und ganz wichtig: Sie sagen nicht andauernd: „Oh nein, wie dumm von mir“ oder „Hups! Ich hab gar nichts gemacht, aber jetzt ist alles kaputt.“

Das war das Wort zum Sonntag. Und jetzt ab zum Klöppelkurs.

Das Märchen vom Kleid

An verschiedenen Stellen berichtete ich bereits über meinen Geiz. Besonders romantisch bin ich leider auch nicht. Beide Faktoren zusammen ergeben nur mittelmäßige Voraussetzungen für ein rauschendes Hochzeitsfest. Heiraten wollte ich ohnehin nie, aber da nach dem ersten Kind sachlich nichts gegen eine Amtlichmachung der bestehenden Beziehung sprach, willigte ich dem fristgemäß eingereichten Antrag in doppelter Ausführung meines jetzigen Ehemannes ein. Ja, sogar bereitwillig möchte ich aus heutiger Perspektive, vor romantischer Liebe übersprudelnd, sagen.
Ein neues Hochzeitskleid zu einem überzogenen Preis, nur um es einen Tag zu tragen, kam natürlich trotzdem nicht in Frage.
Ich entschloss mich also ein Gebrauchtes zu kaufen und da mir die Mode der letzten 30 Jahre nicht allzu sehr zusagte, suchte ich einen Second Hand Laden auf, der auf Abendmode der 20er bis 70er Jahre spezialisiert war.
Da ich noch nicht so oft Kleider dieser Art getragen hatte, suchte ich zunächst wahllos Exemplare aus, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, was mir stehen könnte.
An Eitelkeit geizt es mir nämlich nicht.
Im ersten sah ich aus wie ein Bonbon, das zweite zeigte zu viel Haut, das dritte war zu kurz, das vierte müffelte, das fünfte etc. etc. etc.
Es war schnell klar, dass dies kein einfacher Nachmittag werden würde. Erschwerend kam hinzu dass eine Elfe nach der anderen in den Laden schwebte. Kaum hatte eine dieser 1,80 m großen Grazien das Geschäft betreten, stürmte auch schon eine Verkäuferin auf sie los. Wühlte kurz zwischen den Kleiderstangen und zog dann ein Kleid heraus, das die Schnepfe Glückliche aussehen lies wie einen Filmstar. Einige Verkäuferinnen schmissen sich auf den Boden, um der Schönheit zu huldigen, andere weinten vor Glück in seidene Taschentücher, schließlich hatte genau dieses Kleid 23 Jahre auf diese Trägerin gewartet.
Ich muss gestehen, in mir keimte nach einiger Zeit schon ein wenig die Missgunst.
Muffelig, wie Kleid Nummer vier, durchsuchte ich weiter das Sortiment. Meine Hände schoben gerade zwei augenkrebserzeugende Kleider der frühern 70er Jahre auseinander, da erschien DAS PERFEKTE KLEID. Ich bekam Herzklopfen und wollte gerade zur Umkleide eilen, als eine der Verkäuferinnen, die mich seit gut 40 Minuten ignoriert hatte, auf mich zurannte.
Sie machte einen Hechtsprung, um mir das Kleid zu entreißen: „Da passen sie nicht rein!“
Mein Blutdruck stieg leicht an und lies meine Augen aus dem Kopf hervor treten. Sicher hatte ich mich verhört: „Wie bitte?“
„Sie passen da nicht rein, sie sind zu dick für das Kleid.“ wiederholte die Verkäuferin geduldig.
Ich presste das Kleid an mich: „Ich gehe jetzt in die Umkleidekabine.“
„Haben sie noch andere Kleider ausgesucht?“
„NEIN, ICH NEHME DIESES HIER!“
Noch ehe die Verkäuferin ein drittes Mal eine Beleidigung aussprechen konnte, machte ich mich auf den Weg.
Wütend zog ich den Vorhang hinter mir zu, entkleidete mich und versuchte das wunderhübsche Kleid anzuprobieren. Von oben reinsteigen scheiterte bereits als ich optisch Maß nahm. Abendkleider zieht man kopfüber an, das weiß doch jeder, munterte ich mich auf.
Ich streckte meine Arme über den Kopf und lies das Kleid über mich gleiten. So der Plan jedenfalls. Praktisch blieb das Kleid bereits an meinen Ellebogen hängen. Ich zog also ein wenig daran. Dann zerrte ich ein bißchen und schließlich qeutschte ich mit aller Gewalt meinen Kopf durch das Kopfloch um das Kleid dann mit den Zähnen zentimeterweise weiter nach unten zu beißen.
Bis in den oberen Brustbereich kam ich. Dann konnte ich leider meinen Oberkörper nicht mehr bewegen. Die Arme standen in die Luft, ich konnte sie nicht knicken.
So stand ich einige Zeit da. Ich gebe anderen ungern recht, aber in dem Fall… erst recht nicht!
Ich würde das Kleid auf jeden Fall kaufen. Ich würde aus der Umkleide kommen, lächeln und der Verkäuferin sagen: „Sitzt wie angegossen, das kaufe ich.“
Ein super Plan. Nur müsste ich vorher noch aus dem Kleid rauskommen. Aus der Kabine „HILFE HILFE ICH STECKE FEsT“ zu schreien, kam natürlich nicht in Frage. Nach weiteren 20 Minuten des Nachdenkens verbog ich mich zum umgedrehten U, nestelte in meiner Handtasche nach meinem Handy, wählte mit meinen Füßen die Nummer meiner besten Freundin. Zum leisen Telefonieren legte ich mich ausgestreckt neben das auf dem Boden liegende Handy.
Nachdem ich meine Misere geschildert hatte, errettete mich meine Freundin nur 40 Minuten später, indem sie ihr Bein auf meine Schulter stellte und sich mit ihrem ganzen Körpergewicht gegen mich stemmte und dabei das Kleid von mir riss.
Ich zog mich wieder an, schob den Vorhang beiseite und lief an der wartenden Verkäuferin vorbei: „Passt total gut, wo ist bitte die Kasse?“
Geheiratet habe ich dann in einem nur wenig getragenen Sommerkleid und das Hochzeitskleid im Schrank schaue ich mir immer wieder gerne an.