Ob man reif für ein Kind ist, lässt sich leicht herausfinden. Man imitiert vor Zuschauern einen schlafenden Menschen. Kindern und Jugendlichen gelingt das kaum überzeugend. Sie blinzeln, rollen unter den geschlossenen Lidern die Augäpfel oder kichern sogar.
Solange man sich aber nicht glaubhaft schlafend stellen kann, ist vom Kinderhaben dringend abzuraten. Denn wenn man sie hat, muss die Schlafalsobkompetenz so ausgereift sein, dass sie jeden oscarprämierten Schauspieler in den Schatten stellen würde.
Zum Warming-up schaut man sich eine Woche, jeden Tag die ungekürzte Fassung von Andy Warhols Sleep an. Wenn man das Gefühl hat, man ließe den authentisch schlummernden Hauptdarsteller John Giorno weit hinter sich, ist man so weit.
Denn dann kann man zwei Mal täglich mittags und abends die neu erworbene Kompetenz zum besten geben.
Da zeigt man dem Kind wie toll Mami schläft weil doch Schlafenszeit ist.
Dazu legt man sich in Sichtweite des Babys, schließt die Augen, atmet regelmäßig ein und aus und entspannt die Gesichtszüge.
Das Baby wird die Szene zunächst ruhig betrachten und beginnt dann mit seinen Schläft-Mami-wirklich?-Versuchen. Diese bestehen aus langsamen und daher sehr schmerzvollen Wimpernauszupfen, Haareverwuscheln, Ohren- und Nasenbepoplung und enden indem das zuckersüße Kleinkind die Stabilität der mütterlichen Nasenwurzel testet, indem es regelmäßig mit dem Kopf auf ebendiese einschlägt.
Es gilt nun alle Tränen zu unterdrücken und notfalls drei Stunden lang im Geiste das Schlafmandala „Irgendwann ist ihm so langweilig, da schläft es. Langweile bedeutet Schlaf“ aufzusagen.
Verschwendete Lebenszeit? Nicht doch, werte Damen.
Ein Erwachsener mit etwa sechzig Kilogramm Körpergewicht verbraucht während eines achtstündigen Schlafs schätzungsweise 560 kcal. Das sind pro Stunde 0,15 kWh – ungefähr so viel wie ein laufendes Fernsehgerät verbraucht. Wenn Sie also einen Weg finden, ihre nicht verwendete Energie in das Stromnetz einzuspeisen, sparen sie Unmengen an Geld und erfreuen Ihren Gatten, der ohne die Kommentare eines Unwissenden in Ruhe Fußball schauen kann.
Experte für alles Verbotene
Es besteht kein Zweifel daran, dass die meisten Erziehungstipps von kinderlosen stammen: „Wenn ihr Kind mit dem Telefon spielen will, machen Sie kein Machtspiel daraus – überlassen Sie ihm ein ausgedientes Telefon. Es wird den Unterschied nicht merken.“
Von wegen. Kinder sind wie Diamantexperten. Denen gibt man auch kein Stück geschliffenes Glas in die Hand und überzeugt sie von dessen einzigartiger Schönheit.
So schön die Dinger auch glitzern mögen, an der Börse werden Swarovski-Steine nicht gehandelt.
Das selbe Expertentum kann man bei Babys beobachten, wenn es um teure digitale Geräte geht.
Ich hab es in einer mehrstufigen Versuchsreihe ausprobiert. Erst lege ich ein Babytelefon und mein eigenes Handy vor das Kleinkind. Die Wahl fällt auf das Handy. Als nächstes lege ich mein aktuelles Handy und das Handy, das kürzlich seinen Geist aufgegeben hat, vor das Baby. Beide Telefone sind selbstverständlich ausgeschaltet.
Das Kind wählt das funktionstüchtige Exemplar.
Als letzte Verifizierung lege ich das sündhaft teure Handy meines Freundes und mein abgehalftertes Nulleuroteil vor das Baby.
Es wählt, sie ahnen es, das Teurere.
Die letzte Wahl fiel ihm zugegebenermaßen schon etwas schwerer als die vorangehenden. Die Handys wurden zärtlich befühlt, ausführlich beleckt und dann probeweise mehrere Male auf den Boden geworfen.
Mein Expertentipp lautet deswegen: Ihr Kind kennt sich hervorragend mit Ihren teuren elektronischen Gadgets aus. Sie werden auf Falleigenschaften, Schwimm- und Tauchfähigkeiten sowie Flugverhalten getestet. Das ist so. Wählen Sie also ab der Geburt des Kindes nur das billigste und sparen sie zusätzlich indem sie dem kleinen Racker einfach gar kein Spielzeug kaufen. Daran ist er ohnehin nicht interessiert. Wenn Sie begeisterter Technikfreak sind und nicht auf ihren Luxus verzichten können, hilft nur eines. Kaufen Sie ein Babytelefon. Telefonieren Sie in Gegenwart des Kindes mehrere Male und sehr ausgiebig damit. Vergessen Sie nicht, vorher ein Klingelgeräusch nachzuahmen, tippen Sie eine glaubhafte Anzahl von Nummern, wenn Sie selbst telefonieren wollen, führen Sie sinnvolle Gespräche (ein einziges Hallohallobabytschüss-Gespräch und ihre Bemühungen sind futsch) und vergessen Sie nicht regelmäßig NEIN zu rufen wenn das Baby nach dem Spieltelefon greift.
Wenn Sie das einen Monat durchhalten und alle echten Gespräche nur heimlich flüsternd auf der Toilette führen, dann haben Sie – vielleicht – eine Chance.
Ode an das Glücksgefühl
Langjährige Freundinnen werden es bestätigen können, früher war mir alles peinlich. Und ich kann versichern, mit alles, ist ALLES gemeint. Ein Gang auf die Toilette im vielfrequentierten Restaurant, allein das Betreten desselben, die Platzsuche oder das Bestellen eines Nachtisches: peinlich, peinlich, peinlich.
Ich war perfekt und wunderschön. Ein Viertelmillimeter abstehende Beinhaare, waren das beste Verhütungsmittel. So wäre ich keinem Mann unter die Augen getreten. Ich stand jeden Morgen um fünf Uhr auf, um mich zu stylen. Hatte immer angst etwas falsch zu machen oder etwas dummes zu sagen. Also schwieg ich lieber süffisant lächelnd und wurde für klug gehalten.
Jetzt bin ich Mutter und alle Peinlichkeit ist bei der Geburt meines ersten Kindes von mir abgefallen.
Rückblickend auf meinen gequälten Seelenzustand, bin ich voller Mitleid für all diejenigen, die ebenfalls so leben und kann ihnen nur dringend empfehlen, sich ebenfalls Kinder zuzulegen. Notfalls vom Nachbarn geliehene.
Jetzt, da alle Perfektion von mir abgefallen ist, bin ich ein fröhlicher Mensch und die beste Tierstimmenimitatorin der Stadt.
Wenn ich krähe wie ein Hahn, schreie wie eine ganze Affenhorde oder trompete wie ein Elefant, leuchten Kinderaugen und Babys fallen vor lachen um.
Meine Frisur ist wüst und meine Kleidung schmutzig, aber ich kann nach Herzenslust mit meinen Kindern am Spielplatz spielen.
Wir bewerfen die Model-Mamas am Rand mit Sand und wenn sie nicht hinsehen, buddeln wir kleine Löcher, in denen sie mit ihren hochhackigen Schuhen stecken bleiben.
Urzeitliches Geflügel
Als ich noch stillte, war alles wunderbar. Im Angesicht der Hormone zauberte mir selbst ein Baby, das des Nächtens um Punkt drei beschlossen hatte völlig ausgeschlafen zu sein, ein mildes Lächeln auf die Lippen.
Mit dem Abstillen kam jedoch mein Realitätssinn wieder und so manche Situation lässt mich eher Zähneknirschen als selig grinsen.
So treibt es mich beispielsweise in den Wahnsinn, wenn das Baby jegliche Fremdfütterung verweigert und auf das Selbstessen besteht. Nanu, mag der Babylose sich wundern. Was ist falsch an Babys Bestrebungen zur Selbständigkeit?
Im Grunde nichts, gäbe es nicht die Nebenwirkungen, die sich statistisch in 6 Stunden Essen, 3 Stunden putzen und täglich einer zusätzlichen Wäscheladung niederschlagen.
Kaum hat das Baby sich ein Broccoliröschen geangelt, wird ein Drittel in den Mund gesteckt, ein Drittel in den Tisch massiert und ein Drittel an Wänden und Boden verteilt.
So saß ich wochenlang griesgrämig am Hochstuhl und beobachtete das eifrige Treiben – bis ich schließlich entdeckte, dass all das nicht Ausdruck eines ausgefeilten Mutterärgerprogrammes war, sondern dass es sich um Zeichen außergewöhnlicher Intelligenz meines Sprösslings handelte.
Nicht nur, dass er so eifrig physikalische Eigenschaften der verschiedenen Nahrungsmittel testete. Nein, er hatte mit schimpansenartiger Intelligenz auch ein System gefunden, wie man unhandlich große Stücke ohne Werkzeug in mundgerechte Happen zerlegte.
In einem Feldversuch lies sich eine eindeutige Korrelation zwischen Happengröße und Häufigkeit des Heruntergeschmissenwerdens ermitteln.
War das Baby am Ende satt, warf es dennoch die von mir akribisch zerkleinerten Essensbrocken auf den Boden.
Ich denke, es tut es basierend auf einer zehntausend Jahren alten Höhlenmenschentradition. Dort warf man die letzten Samenhülsen und Ähren ebenfalls auf den Boden, um Kleingeflügel wie Waldschnepfen anzulocken. Hatten die sich ordentlich fett gefressen, wurde ihnen der Hals herum gedreht und die Urmenschen konnten sich über eine saftige Schnepfenkeule freuen.
Wo die schönen Mädchen wachsen
Als intellektueller Mensch mit wenig Freizeit schaue ich in Ermangelung eines Fernsehgerätes ohnehin nie fern. Hätte ich einen, ich würde meine kostbare Zeit natürlich nur in interessante 3Sat- und Arte-Dokumentationen investieren.
Niemals würde ich Deutschland sucht den Superstar oder Germanys Next Topmodell anschauen. Deswegen müsste ich mich auch nicht fragen, was all die Gesangskrähen zu einer Bewerbung motiviert.
Vielleicht sollten die sieben Millionen Bewerber bevor sie vor Dieter & Co treten einfach mal unserem großen Kind vorgestellt werden. Das ist eine Art Soundgourmet. Wer falsch singt, fliegt raus. Meinen abendlichen Einschlafgesängen wurde freundlich aber bestimmt mit: „Vielen Dank, aber Du brauchst nicht mehr singen, hol’ bitte Papa.“ ein Ende bereitet.
Allerdings gäbe es dann keinen Grund DSDS mitzuverfolgen. Denn eigentlich schaute ich es nur wegen der peinlichen Bewerber. Würde ich also auch GNT mitverfolgen, so käme früher oder später die Frage auf, warum man da in der Vorrunde ausschließlich halbwegs taugliche Damen zu Gesicht bekommt.
Freilich glänzen sie vorderrangig nicht durch Gesichtsschönheit oder Geistesanmut. Doch sind weit und breit keine übermäßig behaarten, krummbuckeligen oder warzigen Damen zu sehen. Das finde ich – lässt man sich die Normalverteilung der Ästhetik kurz mal am Geiste vorbei ziehen – höchst verwunderlich.
Es muss sie doch auch geben, die Damen, die sich für wunderschön und liebreizend halten, die in Realität jedoch garstig und blatternarbig sind?
All diese vermisse ich. Entschuldigung! Würde ich vermissen, verfolgte ich diese Sendung mit. Doch darüber muss ich mir glücklicherweise keine Gedanken machen, denn ich schaue ja nie fern.
Sätze, die man gerne hört
Heute: Bei der Kosmetikerin
– Soll ich Ihnen die großen Barthaare auch gleich mit entfernen?
Survival of the Fittest
Das ganze Jahr über erzieht man die Kinder. Macht Vorgaben, gibt Richtlinien, korrigiert und ermahnt. Natürlich alles nur in bester Absicht. Doch der sprichwörtlich Bewanderte weiß, der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.
Deswegen sind Ausnahmen wichtig. Alle fünf Jahre z.B. darf Kind 1.0 einen Film mit uns ansehen. Um die Seltenheit dieses Ereignisses wissend, verbringt es ein gutes Quartal mit der Filmauswahl und entscheidet sich dann spontan für eine aktuelle DVD und schafft damit eine nicht unbanale Herausforderung für die Eltern.
Denn aktuelle Filme sind eigentlich immer ausgeliehen und lassen sich leider nicht reservieren.
So klemme ich mir im Morgengrauen meinen Schlafsack unter den Arm, befülle die Thermoskanne mit Espresso und mache mich auf zur Videothek. Dort lege ich mich vor den Eingang und drücke mir die Nase an der Scheibe platt. Ein einziges Ausleihkärtchen für Ratatoille kann ich erspähen.
Es ist fünf Uhr und die letzten Jugendlichen finden ihren Weg von einem anstrengenden Ausgehabend nach Hause. Mitleidig schauen sie mich an und gelegentlich wirft einer eine Münze in den leeren Becher vor mir.
Noch sechs Stunden bis die Videothek öffnet. Doch ich werde den Film mit nach Hause bringen, das Kind wird glücklich sein, es wird dankbar sein, es wird ab da tun, was wir verlangen, es wird nie mehr widersprechen, es wird uns lieben, unsere Opfer zu schätzen wissen … doch halt! Dankbarkeit bei einem Kind? Ich muss eingeschlafen sein. Benommen reibe ich meine Augen und stelle fest, die Tür vor mir ist geöffnet. Gerade übersteigt mich ein ca. zwei Meter großer Kerl und peilt das Regal an, in wechem die von mir begehrte Ausleihkarte steckt.
Ich robbe im Schlafsack so schnell ich kann in den Laden. Indem ich mich um die eigene Achse rolle, erhöhe ich die Geschwindigkeit. 5 km/h, 10 km/h, 15 km/h. Endlich schnell genug, um dem Mann die Füße unter den Beinen wegzukegeln. Während er wie ein gefällter Baum zur Seite kippt, streife ich den Schlafsack ab und hechte an seine Hand. Noch hält er die Karte fest umschlossen, doch als ich ihm reinbeiße, kann er nicht standhalten. Die Karte segelt zu Boden, ich fange sie und eile zur Ausleihe.
Der Typ ist mit dem Kopf an den überdimensionierten Spiderman gefallen, der an der Ecke des Raumes den Film bewirbt.
Besser so für uns beide, denke ich und eile mit der DVD nach Hause, wo Kind 1.0 gespannt wartet.
Während der Film läuft, hole ich uns Erfrischungsgetränke aus der Küche als mein Blick zum Fenster des Hinterhofs schweift. Dort sehe ich gegenüber, eine Etage unter uns just den Koloss von eben, wie er mit hängenden Schultern zwischen vier weinenden Kindern steht.
Fast überkommt mich Mitleid, doch dann lasse ich das Rollo runter. Wäre er eben früher aufgestanden. Das Leben ist kein Ponyhof.
Tipps erbeten
Liebe Leserschaft,
benötige dirngend tolle Ausflugstipps in den Alternativen blendendes Wetter und grauenhaftes Wetter im 200 Km Umkreis von Berlin.
Ich danke höflich im Voraus.