Die Familie ist bereits in den Urlaub gefahren. Ich bin somit das erste Mal seit zehn Jahren wieder mehr als zwei Nächte ohne Mann und Kinder.
Ich hatte ursprünglich geplant mich in dieser Zeit zu erholen. Im Grunde habe ich außer arbeiten gehen keine Punkte im Pflichtprogramm. Dooferweise habe ich entdeckt, dass ich noch 4 Kinogutscheine habe, die sehr bald ablaufen. Also bin ich drei Mal ins Kino gegangen. Natürlich wollte ich vor dem Entspannen alles erledigt haben, das mich irgendwie vom Entspannen abhalten könnte. Also habe ich die Wohnung geputzt. Vier Stunden lang. Endlich mal ohne Kinder, die immer rumwuseln. Podcasts habe ich nebenher gehört. Dann habe ich zwei Zeitschriften gelesen. Meine Schuhe geputzt. Kommt man ja sonst nie zu. Ich war fahrradfahren und joggen. Blogartikel habe ich sortiert. Tagebuch für die Kinder geschrieben. Schließlich erinnere ich mich nie an etwas wenn ich es nicht aufschreibe und wenn meine Kinder eigene Kinder bekommen, dann will ich ihnen alle Fragen beantworten können. Ein Buch habe ich gelesen. Die alte Pflanze im Bad entsorgt. Den Balkon aufgehübscht. Ein Paar Folgen unterschiedlicher Serien geschaut. Das Kinderzimmer ausgemistet. Die Kindersachen sortiert (Verschenken, Erinnerungen, Flohmarkt, ebay). Ich habe jedes YouTube-Video angeschaut, das mir in die Timeline gespült wurde. Ich habe mich so gelangweilt, dass ich mir die Zehennägel lackiert habe. War einkaufen, habe den Pfand weggebracht und bin in die Bibliothek gegangen. Ich habe intensiv darüber nachgedacht, wen ich zur Bundestagswahl wähle (weiterhin nicht die Piraten, aber auch nicht das, was ich eigentlich wählen würde, ginge es nach dem Wahlprogramm).
Ich habe sogar das 300 Teile Puzzle von Kind 2.0 fertig gepuzzelt, einfach weil es da lag.
Das waren die ersten 1,5 Tage ohne Familie – wobei ja noch relativ viel vom Abend des 1,5. Tages übrig ist. Acht Stunden geschlafen habe ich übrigens auch.
FÜNF weitere Tage stehen mir noch bevor.
Ich habe mir schon mal fünf Bücher bereit gelegt. Aber was mache ich mit dem Rest?
Mein Leben hat die Geschwindígkeit des TGVs und plötzlich soll ich Hausboot fahren?
Das geht einfach nicht.
Ich brauche Programm!
Heute, ein kollektiver Weinnachmittag
Heute geht für Kind 2.0 die Kindergartenzeit zu Ende.
Ich werde deswegen keine Wimperntusche tragen, denn sonst sehe ich am Ende des Tages aus wie Alice Cooper. Für mich ist es schwer, nicht auszudenken, wie schwer das Herz von Kind 2.0 heute sein muss. Immerhin 5/6 seines Lebens ist es jeden Tag zwischen 7 und 8 Stunden in den Kindergarten gegangen. Wenn ich es genau ausrechnen würde, käme ich wahrscheinlich zu der Erkenntnis, dass Kind 2.0 mehr Zeit mit den Erzieherinnen verbracht hat, als mit mir.
Ich halte Kind 2.0 für hervorragend gelungen. Es wäre schön, wenn ich mir dafür selbst auf die Schulter klopfen könnte, aber ich fürchte ich bin nur ein winziger Faktor von vielen und ein Hauptfaktor sind die Erzieherinnen. Vor allem die, die Kind 2.0 durchgehend begleitet haben.
Ich bin so voller Dankbarkeit, dass ich das erste Jahr beinahe täglich das Gefühl hatte, den Erzieherinnen in die Arme fallen zu müssen und DANKE DANKE DANKE! zu rufen.
Am Anfang war ich einfach nur dankbar einen Platz bekommen zu haben. Ich hatte in der Schwangerschaft angefangen zu suchen. Ich war in ungefähr 20 Kitas auf der Warteliste und hab mir die absurdesten Strategien überlegt, wie ich zu einem Platz kommen könnte. Geholfen hat das alles nichts. Einen Monat bevor ich wieder anfangen wollte zu arbeiten, hatte ich immer noch keinen Platz. Die Verzweiflung trieb mich in ein Mama-Forum, wo ich unter hunderten mein Kitaplatzgesuch jammernd postete. Eine andere Mutter gab mir einen Tipp, dass gerade eine neue Kita gegründet worden war, die noch Plätze hätte.
Am nächsten Morgen, polierte ich Kind 2.0 und mich auf und eilte in den Kindergarten. Die erste Frage lautete: „Hast Du ein Mädchen oder ein Junge?“ Mein ehrlicher Gedanke dazu war: „Wir machen das passend! Mein Kind kann alles sein, was ihr braucht! Hauptsache einen Platz!“. Ich antwortete wahrheitsgemäß und OH HURRA, wir hatten das richtige Geschlecht. Kind 2.0 war in der Zwischenzeit in den großen Aufenthaltsraum marschiert und hatte sich zum basteln zu den anderen Kindern gesetzt.
Damit war die Eingewöhnung quasi abgeschlossen. Die Erzieherinnen haben dann nur zwei weitere Wochen investieren müssen, um mich vom Kind zu trennen. Das Kind ertrug meine Ablösungsprobleme gelassen.
Zum Start hatte die Leiterin mir das pädagogische Konzept der Kita in die Hand gedrückt. Ich habe alle 120 Seiten gelesen und gedacht: Wenn die ein Drittel davon einhalten, dann ist das wirklich ein Glücksgriff. Ich schwöre, sie haben mehr als 100% davon erfüllt.
Als ich wieder anfing zu arbeiten, wußte ich mein Kind jederzeit gut betreut und nicht nur das. Was die Erzieherinnen für die Kinder aufbringen, ist nicht nur pädagogischer Natur. Sie schenken den Kindern wirklich ein warmherziges und offenes zuhause. Sie bieten ihnen eine Familie mit vielen anderen Kindern. Die ersten beiden Jahre war v.a. das wichtig für das Kind. Es wurde liebevoll behandelt, beschmust, besungen und mit einer unfassbaren Geduld gefördert und in all seinen Bestrebungen nach Selbständigkeit unterstützt.
Ich habe Elterndienste gemacht und mir vorgestellt, dass ich das jeden Tag machen müsste und da war mir glasklar, ich hätte das nicht gekonnt. Ich habe plötzlich meine eigene Mutter verstanden, die (weil es eben damals einfach so war) die ersten drei Jahre zuhause bleiben musste und mit mir alleine war, die danach einen Kindergartenplatz bekommen hat, der ihr Betreuung von 9 bis 12 Uhr gewährleistete, die ich leider oft nicht als gelassene oder geduldige Mama in Erinnerung hatte. Ich habe erkannt, dass es mir womöglich nicht anders gegangen wäre.
Meine Kinder hingegen haben eine wunderbare Kindheit in diesem Kindergarten, mit diesen Erzieherinnen, die so unendlich viel Liebe, Geduld und aufrichtiges Interesse an den Kindern aufbringen, dass ich mir manchmal wie ein furchtbarer Mensch vorkomme, wenn ich gelegentlich nach einem einzigen Abendessen mit drei Kindern schon völlig entkräftet und genervt bin.
Es gab so viel Platz. So viel Platz für all die Gefühle, die die Kinder durchleben, für all die Spleens, die sie zeitweise haben, ihre Neugierde, für alles. Ich habe nie ein pauschales Nein, nie eine abwertende Bemerkung, nie ein harsches Wort (auch nicht wenn ich schon im Vorraum stand und durch die geschlossene Tür „lauschen“ konnte!) und nie irgendein Klischee der Art „Jungen/Mädchen machen/können das aber nicht“ gehört. Was ich aber gesehen habe, war Respekt. Respekt und Ermutigung und durchweg (ich glaube der Fachausdruck dafür ist) ein resourcenorientieres Herangehen.
Ich bin so unendlich dankbar. Für die schöne Zeit und auch für all das was ich gelernt habe. In meinem Ermessen hätte es keine bessere Kita geben können. Vielleicht muss ich doch nochmal über das Modell nachdenken, alle drei Jahre ein Kind zu bekommen, damit wir uns nie für immer von dieser Kita trennen müssen.
Ältere Artikel rund um die Kitazeit:
Tayloristische Laternenproduktionsstätten
#kitavortrag
Warme Gedanken zum Elternabend
Das rosafarbene Geheimnis unseres Kindergartens
Das macht doch ein XY nicht
Wer joggt, liebt Podcaster
Weil ich vollmundig versprochen habe, beim nächsten Firmenlauf mitzumachen, gehe ich jetzt alle drei bis vier Tage laufen. Wer in meinem Blogarchiv die Worte „Joggen“ oder „Sport“ eingibt, wird feststellen, dass ich bislang nur Hohn für diese Art Freizeitgestaltung übrig hatte.
In der Zwischenzeit schaffe ich 5 km – aber entgegen aller Voraussagen, stellt sich nichts ein, das unter Spaß zu subsumieren wäre. Vom sagenumwobenen Runners-High gar nicht erst zu sprechen. Im Großen und Ganzen bleibt es ätzende Quälerei.
Was mir am Laufen gefällt, ist die Flexibilität. Ich kann laufen wann ich will, ich kann die Kinder mitnehmen, ich kann laufen wo ich will. Und dass ich Podcasts hören kann, finde ich großartig. Im Alltag komme ich fast nie dazu oder die Kinder sind so laut, dass ich die Hälfte nicht verstehe.
Also lade ich mir vor dem Laufen einen Podcast runter und dann laufe ich los.
Während ich also so laufe, fiel mir meine Diplomarbeit ein. Ich habe über Liebe geschrieben.
Ein ganz interessanter Aspekt war für mich, dass völlig unspektakuläre Dinge beim Prozess des Verliebens eine Rolle spielen. Ein wichtiger Faktor ist zum Beispiel die räumliche Nähe. Ist ja auch einleuchtend. Die Wahrscheinlichkeit sich in den Nachbarn im Studentenwohnheim zu verlieben, ist ungleich höher als sich in den Freund vom Freund zu verlieben, der in Stockholm wohnt.
Auch gibt es Untersuchungsreihen die nahe liegen, dass Verlieben eigentlich etwas ist wie eine Fehlinterpretation von physiologischer Erregung.
Der Mensch versucht offensichtlich körperliche Zustände auf seelische Zustände zu attribuieren. Wenn man also merkt, dass das Herz stärker klopft oder das Blut in Wallung ist, dann sucht man unbewusst nach dem nächsten naheliegenden Grund. Hat man also gerade Kaffee getrunken, „weiß“ man: Ah, das Herzklopfen kommt vom Kaffee.
Leider irren sich solche Mechanismen gelegentlich oder sie funktionieren unsauber.
So sind Experimentalpsychologen auf die Idee gekommen, Männer über eine schwindelerregend hohe, klapprige Hängebrücke laufen zu lassen. Auf der Hälfte der Brücke stand eine attraktive Mitarbeiterin, die vorgab den Ablauf des Experiments zu prüfen. Sie bot den Männern ihre Telefonnummer an, falls es nachher noch Fragen gebe.
Das selbe hat man mit einer soliden Brücke gemacht. Siehe da. Die erste Gruppe rief signifikant öfter bei der Mitarbeiterin an und versuchte sich mit ihr zu verabreden. Sie hatten ihre körperliche Erregung misinterpretiert. Quasi derart „ah mein Herz klopft, dann muss ich diese Person sehr attraktiv finden“.
Daran musste ich neulich beim Laufen denken. Physiologisch bin ich nämlich höchst enerviert beim Laufen. Das Blut wallt, die Lunge bläht und transportiert Sauerstoff wie irre, mein Kopf ist auch nach dem Joggen zwei Stunden puterrot.
Ich frage mich also, ob das Langzeitauswirkungen hat. Also ob ich irgendwann zarte Verliebtheitszustände erleide, wenn ich die Stimmen der Podcaster höre, während ich fröhlich vor mich hinjogge.
Erschwerend kommt hinzu, dass ich kluge und gebildete Männer wirklich wahnsinnig toll finde. Der Podcaster als solches bietet außerdem ein verzerrtes Bild seiner selbst. Logischerweise referiert er über seine Spezial- und Interessensgebiete. Oft hat er ungeheures Fachwissen in einer beneidenswerten Tiefe zu seinen Themen vorzuweisen. Wenn er also in einem Podcast spricht, erscheint er viel klüger und viel gebildeter als er vermutlich in seiner Gesamtheit ist. Und ich denke mir dann: Ach so ein gebildeter Mensch! Wenn der zum Thema Kuhreiher schon so viel weiß! Meine Güte! Was weiß er dann zu generellen Themen alles! Und bestimmt viel mehr als ich! SO KLUG! Ahhh! <3! <3! <3!
Ähm ja und wenn ich es mir so überlege, joggen ist doch ziemlich toll.
Update:
Podcast-Sammlung (Was nicht im Blog ist, ist nie mehr auffindbar)
SozioPod
Einschlafen-Podcast
Opa Harald erzählt
This American Life
Radiolab
Cocktailpodcast
Filmcast
Filmspotting
Kontroversum
Fireberg & Iceberg
Penaddict
Roderick On The Line
Geek Friday
One Bad Mother
Wer redet ist nicht tot
Über weitere Empfehlungen freue ich mich.
Berlin, mein schmuddeliger Freund
Aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt (eigentlich einer „großen Kreisstadt“), in der jeder jeden kennt – zumindest entfernt genug, um über ihn zu sprechen. Ich war die Tochter des Italieners und noch heute kennt jeder meinen Namen. Mein Vater, der Italiener mit dem roten Sportauto, wird auch noch 25 Jahre nachdem ich dort weg gezogen bin, angesprochen, ob er nicht mein Vater sei und neugierig gefragt, was ich denn so mache.
Später ziehe ich in ein Dorf und als ich mich ummelden gehe, sagt die Beamtin „Das wird aber auch Zeit, sie wohnen jetzt schon beinahe drei Monate hier!“. Das Ummeldeformular ist fast schon vorausgefüllt. Im Grunde muss ich nur unterschreiben.
Zum Studieren schickt mich die ZVS nach Bamberg. Köln und Berlin habe ich als Wunschstädte angegeben.
Bamberg ist wie eine Playmobilstadt. Kleine, bunte Häuser, manche schief. Selbst die pompösen Barockbauten sehen aus wie aus verblichenem Plastik. Pastelfarben und oft sind die Ornamente der Fassaden nur auf die Oberfläche gemalt.
Vor allem ist es sauber. Alles ist sauber. Die Häuser, der Boden, die Wände. Alles eben.
Mein Professor, der aus Berlin kam, sagte einmal: „Immer wenn ich Berlin vermisse, würde ich gerne mit einem Edding durch die Innenstadt laufen und alles taggen. Dann wäre es hier fast so schön wie in Berlin.“
So wie die Städte waren, so kamen mir die meisten Menschen vor. Hochglanzpoliert von außen. Alle ansehlich. Alle redlich. Die Kleidung fleckenlos und gebügelt. Sehr darauf ausgerichtet was MAN tut oder was MAN nicht tut. Mit parallelen Lebensläufen. In der Studienzeit gab es noch die ein oder andere Freiheit, ein Auslandsaufenthalt vielleicht, ein Paar Diskobesuche. Das wars.
Es wird geheiratet, die Eltern der meisten stellen einen Teil des Erbes zur Verfügung, es werden Häuser gebaut. Dann kommt die Heirat und die Männer gehen arbeiten. Die Frauen hingegen, die bleiben mit den Kindern zuhause, Kinderbetreuung gibt es frühstens ab drei Jahren. Richtig findet man es jedoch nicht die Kinder fremdbetreuuen zu lassen. Wofür hat das Kind die Mutter? Wofür hat das Haus den großen Garten?
Ich habe mich falsch gefühlt bis ich nach Berlin kam. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich mich gleich wohl gefühlt hätte. In erster Linie war ich überwältigt von Berlin und bin eigentlich ohne Freundinnen gar nicht vor die Tür. Alles war zu groß und zu viel. Die Stadtteile, die Menschen, die Vielfältigkeit. Alles war anders. Schmutzig, getagged, voller Graffiti. Nur wurde das nicht überstrichen.
Ich habe mich in Berlin auch nicht richtig gefühlt, aber eben nicht mehr auffallend oder unpassend. Ich war nicht mehr die mit den roten Haaren. Das hat mir schon gereicht.
Bald bin ich 14 Jahre in Berlin und ich möchte wirklich nicht mehr weg. Ich mag Berlin so sehr, weil es hier ein Plätzchen für jede Existenzform gibt. Von Berlin-Moabit bin ich nach Mitte gezogen und in der Zwischenzeit lebe ich in Friedrichshain. Wenn ich Heimweh nach Westdeutschland habe, gehe ich in die Spandauer Fußgängerzone oder laufe ein bisschen durch Wilmersdorf. Gemessen am Berliner Spektrum bin ich ganz schön spießig. Ich bin verheiratet, wir haben Kinder, beide berufstätig. Mein Mann bügelt sogar seine Hemden.
Aber sobald wir unsere Lebensblase verlassen, komme ich mir vor wie dieser eine Junge von den Peanuts, der seine schmuddelige Decke hinter sich zieht, die kleine Dreckwolken in die Luft pustet. Oder wie die Flodders.
Es ist als, ob wir das Chaos und die Berliner Schmuddeligkeit mit uns ziehen. Ich finde uns plötzlich auffallend, laut und chaotisch.
Für ein Paar Tage ist das OK und ich erfreue mich in Heringsdorf oder Bamberg, wenn wir dort zu Besuch sind, der sauberen Fassaden. Am Ende bin ich aber immer wieder froh, nach Berlin zurück zu kommen.
Berlin ist für mich ein schmuddeliger Freund, den ich sehr gerne habe. Berlin ist für mich so unverstellt, dass ich mich ermutigt fühle auch so sein zu können wie ich mich fühle – wie ich bin. Berlin ist wie ein Freund, der einen gerne hat, auch wenn man gerade erst aufsteht, die Haare zu Berge stehen und man dringend mal Zähne putzen müsste.
Du bist nicht schön
Und das weißt du auch
Dein Panorama versaut
Siehst nicht mal schön von weitem aus
Doch die Sonne geht gerade auf
Und ich weiß, ob ich will oder nicht
dass ich dich zum Atmen brauch
Peter Fox, Schwarz zu blau
Dank
Liebe A., leider konnte ich dich nicht googlen. Dann sage ich eben so: Vielen Dank für das tolle Geschenk!
Lieblingstweets 06/13
Beim #Promidinner immer überlegen, wer in der Küche der Promi sein könnte und wer der "Helfer".
— Sophie Servaes (@WersGlaubt) June 30, 2013
Dem Sohn versucht die Beine zu waschen. Waren aber alles blaue Flecken.
— Heiko Bielinski (@heibie) June 30, 2013
„Ich hab Hunger.“ „Im Kühlschrank ist Salat.“ „Super. Bin mal draußen, was Eßbares damit anlocken.“
— Käpt’n Emo (@KaeptnEmo) June 27, 2013
Ich bin nicht pro. Ich bin post-anti.
— Hermes Trismegistos (@hermes3s) June 19, 2013
Seit Haribo zwei Arten roter Goldbären eingeführt hat, ist alles so kompliziert geworden.
— Juliana Goschler (@JGoschler) June 19, 2013
„Herzlich Willkommen an der Grenze der Belastbarkeit. Was hat Sie hergeführt?“ „Pubertät der Kinder.“ „Sie dürfen passieren. Viel Glück!“
— Creeperin (@Creeperin) June 18, 2013
„Papa, war ich eigentlich ein Wunschkind?“ „Anfangs ja.“
— Gebbi Gibson (@GebbiGibson) June 17, 2013
Mir fallen so viele Bilder zu Jahreszeitenständer ein, es ist wirklich furchtbar. Ich möchte das nicht.
— Max. Buddenbohm (@Buddenbohm) June 17, 2013
Heimlich in der Bibliothek Wurstsemmel essen. Es sind die kleinen Kicks.
— Heiko Bielinski (@heibie) June 14, 2013
falls ihr auch findet, dass eure lieblingslieder immer viel zu schnell vorbei sind, werft sie in die lauf-playlist. dann dauern sie EWIG.
— m. (@ohaimareiki) June 13, 2013
Fettflecken sehen aus wie neu, wenn man sie regelmäßig mit Butter einreibt.
— Herzchen (@sohereshegoes) June 6, 2013
Wünschte ich könnte für Tee so viel empfinden wie für Kaffee.
— bebal (@bebal) June 6, 2013
My 7-year-old giving my 2-year-old a history lesson: „When I was your age, iPads didn’t even exist“
— Oscar Berg (@oscarberg) June 3, 2013
28º ist wahrscheinlich nur der Neigungswinkel , in dem nächste Woche der Regen fällt.
— verbalstrahl (@verbalstrahl) June 2, 2013
Und wer über die Darstellung der embedded Tweets schimpft, der macht a) die Twitter API, die Blackbird Pie benutzt hat, wieder heile oder b) empfiehlt mir eine tolle Alternative.
Schwerwiegend
In letzter Zeit werde ich mehrere Male am Tag gefragt, wann ich sterbe. Und – sofern ich vergraben sein möchte – welche Körperteile zuerst von Insekten gefressen werden. Kind 3.0 hat das Thema Tod entdeckt und löchert mich mit Fragen. Ob ich alt sei. Wie alt genau? Angemessen alt zu sterben? Faltig sei ich ja schon. Wäre mir verbrennen lieber? Wie genau ich denn stürbe? Ob ich auf der Straße verrotten würde, wenn ich einfach dort umfalle – so wie die Taube, die wir neulich gesehen haben.
Das Thema Tod begleitet mich relativ ungezwungen und fröhlich. Tag für Tag. Seit Jahren. Vorher haben nur andere Kinder die Fragen gestellt. Wir sprechen darüber wie es ist älter zu werden. Wie man langsam verblüht und abends im Spiegel sehe ich, wie ich verblühe. Falten, die Haut wird schlaff und so richtig top in Form ist der Körper auch nicht mehr. Wie die Hunds-Rosen vorm Haus. Findet jedenfalls Kind 2.0. Irgendwie schön, aber nicht schön genug, um die Blumen noch in die Vase zu stellen.
So richtig freuen kann ich mich nicht über das Älterwerden. Aber schlimm finde ich es auch nicht. Der Körper verändert sich eben und es ist ja nicht gerade so als würde ich was dagegen tun. Zusätzlich habe ich das Thema Essen für mich entdeckt. Aus meiner Mäkeligkeit ist Essenslust geworden. Hier ein Törtchen und da ein Steak mit Kräuterbutter. Tja und Lust auf Sport hatte ich leider noch nie. Schon gar nicht wenn es Sport war um Kalorien zu verbrennen. Ich habe für vieles im Leben großen Ehrgeiz – dafür konnte ich nie Ehrgeiz entwickeln. Und so welke ich eben vor mich hin. Nicht unzufrieden – nicht zufrieden – eher mit einem naja ist ja alles noch im Rahmen und mit einem ist mir auch irgendwie egal.
Ist es mir wirklich. Mein Mann ist oft so mittelschwer beleidigt deswegen. Ob ich ihn lieben würde? Auch wenn er älter würde. Die Koteletten weiß und eine Wölbung in der Bauchgegend. „Ist mir echt total egal“, lautet meine Antwort. Was ich meine ist, ich habe mich noch nie in jemanden verliebt weil er irgendwie aussah. Auch in ihn nicht. Wir sind jetzt bald zehn Jahre zusammen und ich schätze wirklich vieles an ihm und unserem Zusammensein – aber ich habe noch nie gedacht: SOOOO tolle Oberarme! Und dieses füllige Haar W A H N S I N N! Mit diesem Mann möchte ich zusammen sein!!! Umgekehrt habe ich noch nie gedacht: Och nö, als wir uns kennengelernt haben, da hatte er aber weniger Falten, echt jetzt mal. Ich reiche die Scheidung ein!!! – weil ehrlich – es ist mir egal. Solange er sich wohl fühlt, finde ich ihn gut. Egal, ob im Anzug oder in Jogginghose.
Irgendwie erwarte ich das selbe von ihm. So ist das Leben. Wir sind jetzt bald 40. Schöner werden wir nicht mehr. Es gibt einfach wichtigeres als die äußere Hülle. Ich glaube, im großen und ganzen komme ich ganz gut damit klar.
Mich hat die Überschrift, die Antje Schrupp in ihrem durch #waagnis angestoßenen Artikel „Ich finde mich auch zu dick, aber das ist mir egal“ sehr angesprochen.
Ich habe dann bei Ninia LaGrande weiter gelesen und dann auf kleinerdrei den Beitrag von Maike. Danach las ich den Nachklapp von Ninia, die darauf reagierte das andere (ziemlich harte) Kritik an der Aktion äußerten (z.B. Ich sehe die Waage vor lauter Tabs nicht mehr – Linkliste).
Danach war ich erst mal geschockt.
Genau genommen war ich das schon, als ich auf Twitter das Entstehen der #waagnis Aktion mitverfolgte. Ich möchte voran stellen, dass ich wirklich nur meine eigenen Gedanken und Gefühle dazu schildern möchte. Jedenfalls las ich, dass es Frauen gibt, die sich jeden Tag wiegen. Das klingt vielleicht grenzenlos naiv – aber das war mir nicht bewusst. Ich tendiere leider dazu, zu denken, dass das was ich tue, das ist, was alle tun. Ich wiege mich ca. fünf Mal im Jahr, würde ich schätzen. Zum Beispiel wenn ich irgendwo zu Besuch bin und ich dort eine digitale Waage entdecke. Wir haben selbst eine, die ist aber so ungenau, dass die Kinder sie eher als Spielzeug benutzen und drauf rumspringen, um die Anzeige zum wackeln zu bringen.
Ich stelle mir das wirklich schlimm vor. Allein weil man dann einen festen Punkt am Tag hat, an dem man sich mit einer Zahl auseinander setzt, die eigentlich nichts sagt. Außer man setzt sich einen anderen Wert und hält den aktuellen Messwert dagegen. Dann kann man sich freuen oder grämen. Erfahrungsgemäß wird der Vergleichswert aber utopisch niedrig angesetzt und dann hat man jeden Tag einen festen Punkt an dem man sich schlecht fühlt.
Ich las also all die Tweets und Artikel, die bei mir den Eindruck erweckten, dass das ein völlig gängiges Verhalten ist.
„Ich finde mich auch zu dick, aber das ist mir egal“
Über diesen Satz habe ich länger nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich auch das furchtbar finde. Denn letztendlich scheinen sich ALLE zu dick zu finden. Und jetzt kommt das absurde: Natürlich nicht alle, denn es gibt ja auch die, die sich zu dünn finden. Aber was bleibt ist: Es scheint eine winzige Menge an Frauen zu geben, die sich einfach gar nichts finden. Die ihr Gewicht nicht bewerten.
Der Witz ist ja, dass diese Bewertung eine Bewertung einer Zahl ist und gar nicht einer Bewertung im Sinne von für was zu dick/ für was zu dünn ausgerichtet auf eine Handlungsdimension. Also zu dick um … joggen zu gehen? mit den Kindern zu spielen? Sex zu haben? einkaufen zu gehen? Zu dick oder dünn für was?
Ich schreibe das mal bewusst, weil in dieser Diskussion oft angeführt wird „Ihr, die ihr Komplexe habt (weil eigentlich doch schlank)“ und „Ihr die ihr tatsächlich ein Problem habt (weil eben dick)“. Der Punkt ist für mich nämlich: Es gibt diesen Unterschied nicht. Denn was anscheinend einen großen (vielleicht den größten) Teil der Frauen vereinigt, ist der Umstand, dass sie sich zu dick finden. Egal ob Kleidungsgröße 36 oder 46.
Warum ist das so? Ich habe lange darüber nachgedacht. Die Gründe sind sicherlich vielschichtig. V.a. wenn man liest, was sich Kinder von ihren Eltern, von ihren Freundinnen, später von ihren Partnern, von Fremden anhören müssen … dann scheint einiges quasi auf der Hand zu liegen – aber es muss noch andere Gründe geben. Irgendetwas was alle einigt. Denn es bleibt die Frage – zu dick für was eigentlich?
Und in einem kurzen Gespräch mit einem Freund fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Offensichtlich ist es eine Art Urgefühl? Das Sich-nicht-perfekt-fühlen. Spiegelt es vielleicht die Angst vorm Verfall, vorm Verblühen, vorm Tod wieder? Das mag dramatisch klingen, aber es ist ja ziemlich normal, dass man sich nicht gerade auf das Altwerden und den Tod freut. Der Tod auch gar keinen richtigen Platz in unserer Gesellschaft und wird nicht thematisiert sofern nicht unbedingt notwendig. Vielleicht schaffen die Medien, die Werbung, Hollywood diese Welt der perfekten Menschen, um den Tod aus unserem Leben zu drängen? Der perfekte, gesunde, durchtrainierte, faltenfreie Körper Kleidungsgröße 36. Vielleicht sehnen wir uns alle deswegen nach diesem Ideal und müssen uns zwangsläufig unperfekt und dick fühlen? Ich weiß es nicht, aber dann lasse ich mich lieber durch meine Kinder systematisch desensibilisieren.
—
P.S. Vergrabt meine Asche in einem Ruheforst.
Das Ohr von Schulz von Thun über vermeintliche Arschlöcher im Internet
Was unterscheidet eigentlich die (sagen wir) Bild-Zeitung von der (sagen wie) ZEIT? Ich würde jetzt mal stark annehmen, dass sich die beiden Zeitungen bzw. die einzelnen Artikel in Punkte Fundiertheit, zugrundeliegender Recherche und damit in Qualität unterscheiden.
In meinem Vorurteil über die Bild-Zeitung wird dort so gearbeitet: Irgendwer schnappt über irgendeine Quelle irgendwas auf, was danach klingt als könne man es reißerisch darstellen. Ein/e Bildzeitungs-Journalist/in nimmt also einen Aufhänger und konstruiert dort herum eine Geschichte.
Bei der ZEIT stelle ich es mir eher so vor: Es gibt ein Ereignis und ein/e Reporter/in beginnt dazu zu recherchieren. Was ist dran an der Geschichte? Gibt es weitere Quellen, die das bestätigen? Gibt es Leute, die man dazu befragen kann? Gibt es Ereignisse in der Vergangenheit die ähnliches wiedergeben? Wenn man alle Informationen zusammen getragen hat, beginnt man damit einen Artikel zu schreiben.
Oft hört man, dass Bloggen und Jounalismus sich grundlegend unterscheiden ( worüber man sich an anderer Stelle trefflich streiten kann, wenn man dies wünscht) – jedenfalls habe ich in den letzten Tagen erfahren, dass dem eher nicht so ist.
Es gab einen Aufhänger, der da lautete „Die Schönheit des Bloggens: Zeige Deine miesen Seiten„, daraufhin hat Felix Schwenzel mit „to be an arschloch or not to be an arschloch“ geantwortet. Diese beiden Artikel scheinen bei einer anderen Bloggerin ein Trauma geweckt zu haben.
Soweit so gut (oder auch bedauerlich)
Was dann aber passiert ist, kann ich nicht nachvollziehen. Aus den beiden Artikeln wird abgeleitet, dass beide Autoren Mobbing gut finden. Daraufhin werden sie an verschiedenen Stellen als „Arschlöcher“ und „arme Würstchen“ beschimpft. Da ich Robert Basic nicht persönlich kenne – Felix Schwenzel aber schon, möchte ich mich im Nachfolgenden mal auf den Fall Felix beschränken.
Felix reagiert sowohl in seinem Blog als auch in diversen Kommentaren auf die Anschuldigungen und stellt geduldig klar, dass er weder Mobbing befürwortet noch stolz auf seine Verfehlungen der Vergangenheit ist. Er lenkt auch ein, dass es ihm nicht klar war, dass die Nennung von Nespresso-Kapseln am Ende seiner Liste der Verfehlungen den Eindruck erwecken könne, dass dies als Mittel eingesetzt wurde, die vorangehenden Punkte runter zu spielen. Er betont dabei, dass die Auflistung nicht strategisch gewählt war.
Die entscheidende Stelle in seinem ursprünglichen Artikel lautet:
„insgesamt lohnt es sich aber nicht besonders ein arschloch zu sein. ich habe die erfahrung gemacht, dass man mit freundlichkeit und hilfsbereitschaft meistens weiter kommt.“
und an anderer Stelle kommentiert er nochmal dazu
„das man das so wie du, kiki und einige andere interpretieren kann, sehe ich jetzt auch. vor lauter empörung sollte man aber nicht vergessen, dass man es auch anders interpretieren kann. ein fehler von mir war sicher zu glauben, dass niemand auf die völlig absurde idee kommen würde zu denken dass ich auf köpfe pinkeln oder schwächeren angst einzujagen toll, prahlenswert oder gar empfehlenswert finden würde. ich dachte darauf hinzuweisen dass sich arschlochsein meiner erfahrung nach nicht lohnt, sei ausreichend distanzierung oder einordnung.“
Ich frage mich wie viele der Kommentatoren und Verlinker der Blogbeiträge, die Felix als Arschloch betiteln den ursprünglichen Artikel (sorgfältig) gelesen haben. Ich frage mich weiterhin welche Motivation diese Menschen haben, wie die Geier über Felix herzufallen.
Ich sehe da mehrere Varianten: Zum einen erkenne ich Menschen, die schlimme Erfahrungen mit Mobbing und Ausgrenzung in der Vergangenheit gemacht haben. Ich finde bei diesen Menschen kann man beide Augen zudrücken und sagen: sie reagieren auf eine Verletzung, die ihnen durch andere Menschen zugefügt wurde und sie hören quasi nach dem Modell von Schulz von Thun ausschließlich auf dem emotionalen Ohr. Dabei sind sie nicht in der Lage zu differenzieren und das, was sich in der Vergangenheit aufgestaut hat, entlädt sich an einem Stellvertreter.
Dann sehe ich persönlich die Neider. Diejenigen, die schon lange gewartet haben, mal eine Angriffsstelle zu finden und die, die einfach Holz ins Feuer werfen, weil es sich eben gerade anbietet. Die vielleicht hoffen einem (sogenannten) A-Blogger ans Bein pinkeln zu können.
Darüberhinaus sehe ich die, die einfach ohne Kenntnis der Hintergründe mit auf den (ist das schon ein Shitstorm?) Zug aufspringen. Einfach weil sie eine Story wittern oder ihre 15 Minutes of Fame.
Am Ende gibt es aber eine Gruppe von Menschen, die ich gar nicht verstehe: das sind Menschen, die Felix wirklich persönlich kennen. Felix ist schon lange in der deutschen Blogosphäre aktiv und bekannt und da fallen mir eine Menge Leute ein, die ihn persönlich kennengelernt haben. Erstaunlicherweise sind einige von diesen Menschen auch dabei ihn „Arschloch“, „charakterlos“ oder „armes Würstchen“ zu nennen – und das lässt mich verständnislos zurück. Ich will jetzt nicht lobhudeln über Felix, aber ich denke, so wie ich ihn kenne, kennen ihn bestimmt einige und wie man dann auf die Idee kommen kann sich so undifferenziert zu äußern … es ist mir ein Rätsel und fast liegt mir auf der Zunge zu sagen, diejenigen sollten sich echt was schämen.
Ich habe übrigens länger überlegt, ob ich dazu was schreibe, aber ich denke es gibt (neben der Freundschaft, die ich empfinde) gute Gründe das zu tun. Erstens ist es leicht Sachen auseinander zu nehmen, zu kritisieren und darüber zu schimpfen. Die andere Seite, das Loben, das Differenzieren, das öffentlich Befürworten und das Zueinanderstehen, das ist anscheinend weniger Teil der „Internetkultur“ und das möchte ich für meinen Teil nicht. Das höchste der Gefühle scheint bislang zu sein, solidarisch zu schweigen und sich raus zu halten. Das ist mir zu wenig.
Das Internet – die Blogosphäre – besteht aus Menschen und aus Beziehungen. Oft fühlt es sich toll an Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Im Moment fühlt es sich für mich leider gar nicht so an. Genauer gesagt, es fühlt sich so an, als ob ich gerade nicht Teil dieser Gemeinschaft und des „Mainstreams“ sein möchte.
Deswegen schreibe ich das.