Husband Beeping

Wenn der Mann plötzlich beim falschen Mobilfunkanbieter ist, lässt sich per Husband Beeping eine Menge Geld sparen, das man lieber in den Familiensommerurlaub investiert statt in unnütze Telefonanrufe.

Wer mein Blog regelmäßig liest, mag den Eindruck gewinnen, dass ich ein wenig überdreht oder leicht hysterisch bin. Dem ist natürlich überhaupt nicht so. Ich bin ein eher ruhiger, ziemlich unemotionaler Typ, der viel von Vernunft und Rationalität hält. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass mein Mann das schiere Gegenteil ist, aber er trägt seine Gefühle doch deutlich sichtbarer auf der Zunge. Er diskutiert gerne und ich finde sein Verhalten gelegentlich, sagen wir mal, irrational nicht 100% nachvollziehbar.

Kürzlich z.B. wurde bei seinem Arbeitgeber die Internetpolicy geändert. Es dürfen zukünftig keine privaten Emails mehr verschickt werden und die Nutzung des Internets ist gänzlich untersagt. Bis ich zu einem anderen Provider wechselte, konnten wir uns wenigstens von Privathandy zu Privathandy kostenlos SMS schreiben oder uns kostenlos anrufen. Meinem Wechsel in ein anderes Netz geschuldet, ist dies jedoch nicht mehr möglich. Mein Geizproblem (v.a. nachdem ich kürzlich Geld in ein Smartphone investiert habe) erlaubt natürlich nicht, dass ich täglich mehrere Cent ausgebe, um während der Arbeitszeiten kurze familienalltagsorganisierende Nachrichten mit ihm auszutauschen.

Wir diskutierten die Sache eine Weile und mir erschien es die beste Lösung, wenn er ebenfalls das Netz wechselte und sich ein internetfähiges Telefon besorgen würde. Mein Mann hingegen, (s.o.) wollte und wollte einfach nicht einsehen, dass dies die beste aller Lösungen für uns sei. Nachdem ich ca. zwei Wochen den Kopf über sein Nichteinsehen und seinen Starrsinn schüttelte, führten wir ein weiteres Gespräch und entschieden dann, dass es wohl das Beste sei, wir würden täglich zwischen 8.00 und 19.00 Uhr gar nicht mehr versuchen zu kommunizieren. Ein Zustand der letztendlich vor unserem Kennenlernen völlig normal war und an den man sich sicherlich problemlos wieder gewöhnen könnte.

Doch gestern Abend fiel mir der zauberhafte Film „Kitchen Stories“ wieder ein. In diesem Film kommunizieren zwei Nachbarn ausschließlich mit der Art und Weise wie oft man es klingeln lässt. Eine Internetrecherche ergab, dass diese Praxis keine Erfindung des Films war, sondern v.a. im afrikanischen Raum weit verbreitet ist. Man nennt die Technik Beeping. Sie findet v.a. in Ländern Anwendung, in denen die meisten die finanziellen Mittel gar nicht haben, Telefongespräche zu führen, in denen aber dennoch eine gewisse Erreichbarkeit gewährleistet werden soll. Den Mobilfunkanbietern ist dies ein Dorn im Auge, denn in einigen Landesteilen besitzen rund 30% der Bevölkerung ein Handy und haben jedoch noch nie einen Cent Umsatz produziert. Die ideale Technik für mich also.

Für alle, die ebenfalls kostenbewußt sind, hier ein Auszug aus unserem familieninternen Regelwerk, das aus einer Mischung von reinen Beepingmustern und morseähnlicher Kommunikation per Klingelton besteht.

Drei Mal klingeln lassen – „Bin in der Nähe, wollen wir uns um 12 Uhr zum Mittagessen treffen?“
Wiederholung des Musters – „Ja“
Fünf Mal klingeln lassen – „Denk‘ morgen bitte daran, den Sack mit den Wechselsachen der Kinder aufzufüllen.“
Zwei Mal klingeln lassen, zehn Minuten Pause, zwei Mal klingeln lassen – „Die Kinder werden heute von einer Freundin mitabgeholt.“
Drei unbeantwortete Anrufe in Folge – „Sport fällt heute aus, Kinder früher abholen.“
Drei unbeantwortete Anrufe in Folge und danach zwei Mal klingeln lassen – „Milch ist aus, bitte nach der Arbeit mitbringen.“

Es ist verständlich, dass ich hier aus Platzgründen nicht das komplette Husband Beeping darstellen kann. Der Komplexitätsgrad der Nachrichten lässt sich übrigens erhöhen, wenn man weitere Telefonanschlüsse des Partners in das System mitaufnimmt. Zum Beispiel heißt einmal am Handy klingeln lassen und einmal auf der Büronummer: „Ich gehe heute Abend mit meinen Freundinnen weg, Du musst die Kinder alleine ins Bett bringen.“ Bei dieser Technik ist natürlich in jedem Fall zu beachten, dass die Rufnummerübertragung aktiviert ist und der Mann ausreichend aufmerksam das Display des Festnetzanschlusses beachtet, um nicht versehentlich einen Anruf entgegen zu nehmen und somit völlig unnötig Kosten zu produzieren.

Langer Rede kurzer Sinn: Mit ein wenig Disziplin lässt sich das Husband Beeping sehr einfach erlernen und erspart doch so manchen Ärger im Paar- und Elternalltag.

Beeping gibts übrigens wirklich.

Abenteuer Whirlwanne

Was man im Leben wirklich nicht braucht. Auch nicht als MillionärIn: Einen Whirlpool

Neulich war ich einige Tage bei Freunden zu Besuch, die gerade umgezogen sind. In eine Wohnung, die bereits über eine Whirlbadewanne verfügte. Es ist wichtig zu wissen, dass die Wanne bereits vorhanden war. Ich möchte nicht, dass andere denken, ich hätte Freunde, die bescheuert sind.

Bescheuert muss man aber sein, wenn man eine Whirlwanne kauft. Preislich beginnt der Spaß beim Neuerwerb bei ca. 2.000 Euro. Nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Die Modelle tragen Namen wie Lotus oder Blue Moon und suggerieren Entspannung und Erholung. Jeder, der schon mal in so einer Whirlwanne lag, weiß, angemessenere Namen wären Trommelfellruptur oder Fortissimo. Ich wußte das nicht. Ich dachte, als ich die Wanne musterte: „Ach Mensch, nette Idee. Wenn man so mit Kindern abends an die eigenen vier Wände gefesselt ist, dann ist so eine Whrilwanne doch eine schöne Idee. Wenn die Kinder schlafen, legt man sich da rein – womöglich noch gemeinsam mit dem Partner und entspannt ein bißchen.“

Es ergab sich, das meine Freunde tagsüber unterwegs waren und ich mich ein bißchen langweilte. Deswegen entschloss ich mich, die Wanne mal zu testen und ließ sie voll laufen. Dann legte ich mich rein und betätigte den Wasserumwälzschalter. Im gleichen Moment spürte ich einen grauenerregenden Schmerz im linken Oberschenkel. Es dauerte eine Weile bis ich begriff, dass mein Oberschenkel an die Stelle gekommen war, an der das Wasser angesaugt wurde, um zu den acht Düsen wieder raus geschossen zu werden.

Den handtellergroßen Bluterguss, den ich mir so zugezogen hatte, konnte ich jedoch nicht begutachten, weil das Bad innerhalb weniger Sekunden in mehreren Kubikmetern Schaum versank. Ich hatte völlig unerfahren einen tüchtigen Schuss Duschgel in das Becken geschüttet. Als wäre die Sache nicht schon unangenehm genug, stellte ich kurze Zeit später fest, dass ich über und über mit Fetzen eines dünnen Schimmelteppichs übersät war. Die Wanne war – aus Gründen – offensichtlich mehrere Monate – wenn nicht sogar Jahre – nicht benutzt worden. Die stinkenden Schimmelstückchen verklebten meine Augen und ich tastete blind nach der Stopp-Taste. Neben all diesen grässlichen Effekten, machte die Wanne unfassbar laute Geräusche, die ich bislang nur vom Durchzappen bei den N24 Kriegsreportagen kannte. Diesen Monsterapparat konnte man also auf keinen Fall benutzen wenn die Kinder schlafen. Würde man es versuchen, stünden die Kinder innerhalb weniger Sekunden verstört in der Badezimmertür. Man könnte die Wanne überhaupt nie verwenden. Die Nachbarn würden sich beschweren – zurecht! Es war absolut furchtbar! Grauenerregend! WERKAUFTDENNSOWAS?

Ich nestelte blind nach dem Ausschalter, um dem Grauen endlich ein Ende zu setzen und siehe da: Just in diesem Moment als das Gesprudel und Gesprotze, das Rauschen und Tosen ENDLICH aufhörte, setzte die langersehnte Entspannung ein.

 

P.S. Whirlpools nennt man übrigens auch Jacuzzi. Benannt nach den Brüdern Jacuzzi, die Ende der 50er eine portable Hydrotherapie-Pumpe für medizinische Zwecke entwickelten. Die Jacuzzis waren Italiener. Womit wieder bewiesen wäre, dass die Italiener so ziemlich alles erfunden haben.

P.P.S. Das neue Wort zu diesem Artikel lautet Sielhaut. Sielhaut war das, was ich mir im Anschluss an diese Erfahrung vom Körper schrubbte. „Sielhaut ist ein Biofilm, [der in Innenflächen des Wasserdüsensystems eines Whirlpools entstehen kann]. Sie besteht zum überwiegenden Teil aus toter und lebender Biomasse sowie aus anorganischen Bestandteilen.

Sterntaler wider Willen

Annette hatte vermutlich die allerbesten Eltern in der Schule – vermutlich der ganzen Stadt. Annette hatte nämlich Marmeladenbrote in ihrer Brotbüchse auf der Sara Key Mädchen abgebildet waren. Meine Eltern hatten mich nicht so lieb. Meine Brote waren in Brotpapier eingeschlagen und ich hatte Thunfischcreme drauf.
Heute in ca. 30 Jahren wird Kind 1.0 vermutlich etwas ähnliches in irgendeinem ultramodernen Infranet posten. Denn wir schlagen dessen Brote auch nur in Butterbrotpapier ein. Was anderes können wir uns nicht mehr leisten. Im ersten Schuljahr hat Kind 1.0 sieben Brotdosen verloren. Die Anzahl der Brotdosen mit unbekannten Verbleib verdoppelten sich im zweiten Schuljahr. Bis zum fünften Schuljahr ist die Zahl jedoch logarithmisch exponentiell gestiegen. Selbst wenn wir die Brotdosen bei Billigdiscountern gekauft haben, hatten wir ein Defizit von 56.765 Euro zu verbuchen. Plus 75.976 Euro für die verschwundenen Trinkflaschen.
Deswegen schlagen wir die „Brote“ in Butterbrotpapier ein und es bekommt Pfandflaschen mit, die wir in regelmäßigen Abständen austauschen.
Ich schreibe Brote in Anführungszeichen, weil Kind 1.0 schon lange keine echten Brote mehr mit bekommt. Denn wir packen ihm Pressspanplatten ein. Die mühevoll geschmierten Brote, hat es nämlich immer weggeworfen – egal was drauf war. Ihm nichts mitzugeben erschien uns lieblos. Also haben wir uns entschieden Holzstücke in Brotpapier zu verpacken.

Wenn man mal von den vergessenen Jacken, Helmen, Schlüsseln, Handys und Turnsachen absieht, spart das eine Menge Ärger.

(Wie man Informationen aus Schulkindern rauspresst, verrate ich übrigens hier.)

Erlebnis-Kosmetik

Gibt man bei mir in die Suche „Geiz“ ein, bekommt man bestimmt 200 Beiträge zu dem Thema. Deswegen nutze ich verschiedene Gutscheinportale, um mir den ein oder anderen Luxus zum günstigen Preis zu gönnen – wohlwissend dass die Unternehmen, die diese Gutscheine ausgeben, die Hälfte an den Gutscheinseitenbetreiber abdrücken und den Preis meistens um gut 60% senken.

Aber was solls. Jeder hat so seine dunklen Seiten.

Jedenfalls gehört der Besuch beim Kosmetiker für mich zu diesen Luxusdingen, die ich mir zum vollen Preis niemals leisten würde. Wenn man also jeden Monat zu einem neuen Kosmetiker geht, erlebt man viele aufregende Dinge.

Heute z.B.. Ich muss ehrlicherweise sagen, heute habe ich ganz kurz überlegt, ob ich gehe und zwar schon beim Anblick der Außentür. Kein Schild, nur ein ausgedruckter Zettel der an die Innenseite der Außentür geklebt war.

Da die Tür verschlossen war und es keine Klingel gab, klopfe ich leise an die Tür. Ein Vorhang geht auf und durch die verschlossene Tür brüllt eine stark blondierte Frau: „ESSE ISTE NOCH NISCHTE ÖLF!“.  Ich schaue verwundert und nach einigen Sekunden des Zögerns, öffnet die blonde Frau die Tür. „Aufa meine Uhra ist es ACHT vor ölf!“.

Ich zucke mit den Schultern. Wir schauen uns an. „Na gutte, dann setze sie sisch“.

Der Kosmetiksalon ist ein Raum, abgetrennt durch einige Vorhänge. Erinnert mich ein bißchen an die amerikanischen Notaufnahmen, die man so aus dem Fernsehen kennt.

Ich setze mich auf den einzigen Stuhl den es dort gibt. Er steht vor der Toilette. Die Blondine rauscht an mir vorbei. Innen höre ich, wie sie das Wasser anstellt. Dann infernalisches Pupsen. Die anschließenden Geräusche versuche ich zu ignorieren indem ich mir die Hände auf die eigenen Ohren klatsche und leise sage: Happy place! Happy place!

Die Kosmetikerin stellt das Wasser aus, öffnet die Tür, eine dezente Wolke der Verwesung schlägt mir entgegen und die Dame sprüht gut 20 Sekunden lang mit einem Raumlufterfrischer Geruchsrichtung Frühling in meine Richtung. HAPPY PLACE! HAPPY PLACE!

Ich darf auf der Liege Platz nehmen, soll mich aber vorher ausziehen. „Ausziehen? Ich hab nen Gutschein für ne Gesichtsbehandlung?“ „AUSZIEHE!“. Na gut, denke ich und ziehe mein T-shirt aus. Das muss reichen.

Sie leuchtet mir mit einer Baulampe direkt in die Augen. „OHHHH ARRGGGHH RRRR! Wann ware sie das letzte Malle?“ Ich denke: „Hat sie Hände gewaschen? Hat sie die Hände gewaschen?“ und kläre sie über meinen letzten Besuch beim Kosmetiker auf.

Sehr schlechte Haut, hätte ich. Da sei quasi fast nix zu machen. Pfuscher seien zuletzt am Werk gewesen. In Berlin könne ja jeder Kosmetiker werden. Erweiterte Kapillare hätte ich. Alles in allem ziemlich furchtbar.

Sie drückt mir ohne Vorankündigung zwei Wattepads auf die Augen. Dann schmiert sie mir seltsam riechende Dinge ins Gesicht und verlässt mich. Natürlich ohne etwas zu sagen. Ich versuche, weil ich nichts sehen kann, zu erlauschen was sie wohl macht. Eine Tür ist geöffnet worden. Zum Hof. Ich vermute sie steht an der Wand und raucht. Es riecht jedenfalls so. Dann höre ich Getrippel und Gekichere. Etwas pickst mir ins Gesicht. Lautes Gelächter, schnelle Schritte. Eine Tür wird zugeschlagen.

Ich warte. Wie lange wohl die Maske einwirken muss? Während ich grübele, bekomme ich merkwürdige Gedanken und sehe Schlagzeilen in Tageszeitschriften: „Hilfe kam nach sechs Stunden. Berlinerin verlassen im Kosmetiksalon.“, „Ahnungslose Berlinerin bei angeblicher Kosmetikerin mit Flüssigedding eingerieben.“ und am Ende „Die Geliebte des Serienmörders bekennt: Das habe sie alles nicht gewollt!“.

Leichte Panik steigt in mir hoch. Doch noch ehe ich vom Behandlungsstuhl aufstehen kann, kommt die Kosmetikerin zurück. Sie beginnt jetzt unter Flutlicht an mir rumzuquetschen. Ich atme mich wie bei den Geburten in Trance, was sie zu schätzen weiß: „Andärä Kundän habene an diesrrr Stelle geweinet.“

Am Ende meiner preisgünstigen Behandlung wanke ich rot, verquollen und glänzend wie eine Speckschwarte aus dem Beautysalon. 24 Stunden solle ich das so lassen. Ich bete, dass mir auf dem Weg nach Hause niemand begegnet, den ich kenne.

Symbolbild Speckschwarte

Symbolbild: Speckschwarte

P.S. Wer Namen und Telefonnummer des Ladens haben möchte, um auch mal was spannendes zu erleben, bitte in den Kommentaren melden.

Das Märchen vom Kleid

An verschiedenen Stellen berichtete ich bereits über meinen Geiz. Besonders romantisch bin ich leider auch nicht. Beide Faktoren zusammen ergeben nur mittelmäßige Voraussetzungen für ein rauschendes Hochzeitsfest. Heiraten wollte ich ohnehin nie, aber da nach dem ersten Kind sachlich nichts gegen eine Amtlichmachung der bestehenden Beziehung sprach, willigte ich dem fristgemäß eingereichten Antrag in doppelter Ausführung meines jetzigen Ehemannes ein. Ja, sogar bereitwillig möchte ich aus heutiger Perspektive, vor romantischer Liebe übersprudelnd, sagen.
Ein neues Hochzeitskleid zu einem überzogenen Preis, nur um es einen Tag zu tragen, kam natürlich trotzdem nicht in Frage.
Ich entschloss mich also ein Gebrauchtes zu kaufen und da mir die Mode der letzten 30 Jahre nicht allzu sehr zusagte, suchte ich einen Second Hand Laden auf, der auf Abendmode der 20er bis 70er Jahre spezialisiert war.
Da ich noch nicht so oft Kleider dieser Art getragen hatte, suchte ich zunächst wahllos Exemplare aus, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, was mir stehen könnte.
An Eitelkeit geizt es mir nämlich nicht.
Im ersten sah ich aus wie ein Bonbon, das zweite zeigte zu viel Haut, das dritte war zu kurz, das vierte müffelte, das fünfte etc. etc. etc.
Es war schnell klar, dass dies kein einfacher Nachmittag werden würde. Erschwerend kam hinzu dass eine Elfe nach der anderen in den Laden schwebte. Kaum hatte eine dieser 1,80 m großen Grazien das Geschäft betreten, stürmte auch schon eine Verkäuferin auf sie los. Wühlte kurz zwischen den Kleiderstangen und zog dann ein Kleid heraus, das die Schnepfe Glückliche aussehen lies wie einen Filmstar. Einige Verkäuferinnen schmissen sich auf den Boden, um der Schönheit zu huldigen, andere weinten vor Glück in seidene Taschentücher, schließlich hatte genau dieses Kleid 23 Jahre auf diese Trägerin gewartet.
Ich muss gestehen, in mir keimte nach einiger Zeit schon ein wenig die Missgunst.
Muffelig, wie Kleid Nummer vier, durchsuchte ich weiter das Sortiment. Meine Hände schoben gerade zwei augenkrebserzeugende Kleider der frühern 70er Jahre auseinander, da erschien DAS PERFEKTE KLEID. Ich bekam Herzklopfen und wollte gerade zur Umkleide eilen, als eine der Verkäuferinnen, die mich seit gut 40 Minuten ignoriert hatte, auf mich zurannte.
Sie machte einen Hechtsprung, um mir das Kleid zu entreißen: „Da passen sie nicht rein!“
Mein Blutdruck stieg leicht an und lies meine Augen aus dem Kopf hervor treten. Sicher hatte ich mich verhört: „Wie bitte?“
„Sie passen da nicht rein, sie sind zu dick für das Kleid.“ wiederholte die Verkäuferin geduldig.
Ich presste das Kleid an mich: „Ich gehe jetzt in die Umkleidekabine.“
„Haben sie noch andere Kleider ausgesucht?“
„NEIN, ICH NEHME DIESES HIER!“
Noch ehe die Verkäuferin ein drittes Mal eine Beleidigung aussprechen konnte, machte ich mich auf den Weg.
Wütend zog ich den Vorhang hinter mir zu, entkleidete mich und versuchte das wunderhübsche Kleid anzuprobieren. Von oben reinsteigen scheiterte bereits als ich optisch Maß nahm. Abendkleider zieht man kopfüber an, das weiß doch jeder, munterte ich mich auf.
Ich streckte meine Arme über den Kopf und lies das Kleid über mich gleiten. So der Plan jedenfalls. Praktisch blieb das Kleid bereits an meinen Ellebogen hängen. Ich zog also ein wenig daran. Dann zerrte ich ein bißchen und schließlich qeutschte ich mit aller Gewalt meinen Kopf durch das Kopfloch um das Kleid dann mit den Zähnen zentimeterweise weiter nach unten zu beißen.
Bis in den oberen Brustbereich kam ich. Dann konnte ich leider meinen Oberkörper nicht mehr bewegen. Die Arme standen in die Luft, ich konnte sie nicht knicken.
So stand ich einige Zeit da. Ich gebe anderen ungern recht, aber in dem Fall… erst recht nicht!
Ich würde das Kleid auf jeden Fall kaufen. Ich würde aus der Umkleide kommen, lächeln und der Verkäuferin sagen: „Sitzt wie angegossen, das kaufe ich.“
Ein super Plan. Nur müsste ich vorher noch aus dem Kleid rauskommen. Aus der Kabine „HILFE HILFE ICH STECKE FEsT“ zu schreien, kam natürlich nicht in Frage. Nach weiteren 20 Minuten des Nachdenkens verbog ich mich zum umgedrehten U, nestelte in meiner Handtasche nach meinem Handy, wählte mit meinen Füßen die Nummer meiner besten Freundin. Zum leisen Telefonieren legte ich mich ausgestreckt neben das auf dem Boden liegende Handy.
Nachdem ich meine Misere geschildert hatte, errettete mich meine Freundin nur 40 Minuten später, indem sie ihr Bein auf meine Schulter stellte und sich mit ihrem ganzen Körpergewicht gegen mich stemmte und dabei das Kleid von mir riss.
Ich zog mich wieder an, schob den Vorhang beiseite und lief an der wartenden Verkäuferin vorbei: „Passt total gut, wo ist bitte die Kasse?“
Geheiratet habe ich dann in einem nur wenig getragenen Sommerkleid und das Hochzeitskleid im Schrank schaue ich mir immer wieder gerne an.

Levelboss Baby LeChuck

Recherchen zufolge habe ich 1993 mein letztes Computerspiel gespielt. Es war ein Picture Adventure und hieß Day of the Tentacle. Davor hatte mich für den Vorgänger Maniac Mansion und für Monkey Island begeistert und ich kann mich noch gut daran erinnern mit wie viel Herzklopfen ich nach siebenmaligem Rückfragen endlich die Tür zum Papageien öffnete und dass ich eigentlich fest eingeplant hatte, mein erstes Kind unabhängig vom Geschlecht Guybrush Threepwood zu nennen.

Computerspielen war damals wahnsinnig aufregend. Es zeichnete sich schon früh ab, dass Computerspielen an sich viel zu aufregend für mein zartes Nervenkostüm war. Mehr als die Hälfte meiner Spielzeit blieb ich Passivspielerin. Es begann alles in den 80ern als der erste Junge meiner Klasse einen Computer zuhause hatte. Leider habe ich nie wieder was von dem Jungen gehört, ich bin mir aber sicher, dass er ein super Software-Entwickler geworden ist. Er hatte eine große Brille und diesen ein Kubikmeter großen Kasten mit pizzagroßen Disketten und er ermahnte mich immer: Nix anfassen.
Da saß ich also und schaute ihm beim Spielen zu und er erklärte mir fachmännisch wie die einzelnen Rätsel zu lösen seien. Ich glaube, es gab damals nicht mal Bilder sondern nur Text und erst am Ende der Grundschulzeit pixelige Spiele.
Jedenfalls hatte ich eine kurze Phase des selbst Spielens, die bis in die 90er reinreichte und als dann die Spielkonsolen erfunden wurden und man bei bestimmten Spielen nicht weiter kam, wenn man nicht 10 Jahre Spielerfahrung mitbrachte, setzte ich mich wieder daneben und fieberte bei den anderen mit.

Nun, was ich eigentlich sagen wollte. Manchmal waren die Rätsel der Picture Adventures wahnsinnig schwer zu lösen. Man musste z.B. einem Pferd ein Physikbuch vorlesen, so dass es sich dermaßen langweilte, dass es sein Gebiss rausnahm und in ein Glas legte und mit dem Gebiss konnte man anschließend irgendwas anderes tolles machen. Natürlich hatte ich zu dieser Zeit noch kein eigenes Internet, aber ein Bekannter eines Bekannten in Berlin hatte das und den riefen wir dann an und fragten wie man weiterkommt. Einige Jahre später, war es schon der erste Bekannte selbst, der ins Internet konnte und wir suchten Foren auf, um die Lösung selbst herauszufinden.

Daran muss ich täglich denken wenn ich mit Kind 3.0 den Tag verbringe. Kind 3.0 ist nämlich ein einziges Adventure. Ein sehr vertracktes dazu.
Es isst z.B. nur, wenn es zwei Löffel hat. Ein Löffel muss einen langen Stiel haben und der andere muss blau sein. Man beginnt zu füttern, es füttert sich ein bisschen selbst und dann stoppt es plötzlich. Es isst erst weiter, wenn es zwischendrin drei Mal von einer Maiswaffel abbeißen darf. Das funktioniert eine Woche. Ohne Vorwarnung rekalibriert sich das Baby und das morgendliche Füttern funktioniert irgendwie anders. Ich probiere dann wild alles aus, klicke nehme verschiedene Gegenstände in die Hand, versuche sie zu kombinieren und dann zack plötzlich funktioniert was total abgefahrenes und ich komme eine Runde weiter.

Neben den Rätseln gibt es reine Geschicklichkeitspassagen. Windelwechsel z.B. Das Baby rennt vor mir weg oder quetscht sich in Nischen und beißt, wenn ich es rausholen möchte. Manchmal reißt es sich die Windel selbst ab und pullert innerhalb von wenigen Minuten mehrere Duzend Male in verschiedene Zimmerecken so dass ich mit dem Wischlappen hinter ihm herrenne und gleichzeitig versuche die neue Windel anzulegen.
So wie vor 20 Jahren liegen mir die Rätsel eher als die Geschicklichkeitsspiele. Die Rätsel löse ich selbst, organisiere mir Lösungen von anderen SpielerInnen oder lese in Foren nach.
Die Geschicklichkeitsaufgaben lasse ich gerne meinen Mann machen.
Soll einer mal sagen Computerspiele seien nicht lebensrelevant. Ohne die Monkey Island Serie hätte ich keines meiner Kinder vernünftig aufziehen können.

Schmutz, Gliedertiere und Schürfwunden

Es soll sie ja geben, die Menschen, die lieber auf dem Land leben möchten. Wenn mir wenig klar ist im Leben, dann das: Ich gehöre nicht zu ihnen.
Selbst auf dem Land groß geworden, kann ich mir wenig ätzenderes vorstellen. Xenophobe Menschen, Güllegestank und Kehrwoche.

Gelegentlich wenn mein Zyklus mich hormonell verwirrt, kommen mir doch Zweifel. Die armen Kinder! Nie bauen sie Staudämme an winzigen Bächlein. Nie fischen sie Kaulquappen. Insekten sind ihnen fremd und Bäume kennen sie nur aus Büchern.
Dann frage ich eine liebe Bekannte, die ein Häuschen im tiefsten Brandenburg besitzt, ob wir selbiges mal für ein Wochenende leihen können.

Das Häuschen ist ein Traum für jeden Romantiker. Wie vom Maler Janosch illustriert, gibt es keine gerade Linie an ihm. Jede Ecke hat ein Spinnweben, jeder Topf eine Delle, keine zwei Tassen sind gleich. Es gibt kein warmes Wasser, nicht mal eine Toilette, lediglich ein Plumpsklo mit Rindenschrot kann es bieten.
Nachts pfeift der Wind durch die Fensterritzen und die Igel machen Geräusche, dass man denkt, die Trolle kommen gleich und holen die Kinder.

Am Freitag berichtete ich den Kindern freudestrahlend von meiner grandiosen Idee und schilderte ihnen das Häuschen. Kind 2.0 fing sofort an zu weinen, weil es angst hatte, dass die Spinnen es beim Pipi machen in den Po beißen würden. Das ältere Kind 1.0 wusste es schnell zu beruhigen, indem es versicherte, dass Spinnen nicht beißen und dass wenn überhaupt es höchstens von einer Ratte gebissen werde oder aber von einem Wolf auf dem Weg zur Toilette verschlungen würde. Kind 1.0 sang dann zu den hysterischen Weinlauten von Kind 2.0 Rainald Grebes Lied Brandenburg.

Wir fuhren also am Freitagabend nach Feierabend los und trugen die übermüdeten Kinder durch einen Sturm ins ca. 50qm große Häuschen. Am nächsten Morgen, kaum hatte der Hahn der Nachbarn gegen 4 Uhr gekräht, standen die Kinder auf, zogen sich an und zogen los.
OK, sie wollten sich anziehen und losziehen, nur leider fanden sie nichts passendes.
Ich hatte am Tag zuvor die Wetterlage auf Wetter.de gecheckt und dort gelesen: 16 Grad. Die Windanzeige hatte ich ignoriert und auch sonst war mir zu dem Wetterbericht nicht viel sinnvolles eingefallen.
Für alle Kinder hatte ich Badesachen, mehrere T-Shirts und Sandalen eingepackt.
Jetzt standen die drei weinend und zitternd im Hausflur und schauten mich fragend an. Wir zogen kurzerhand alles was wir überhaupt dabei hatten über die Schlafanzüge und entließen die Kinder in den großzügig bemessenen Garten.
Zwei Minuten später der erste panische Schrei. Kind 2.0 hatte sich schmutzig gemacht. Weitere drei Minuten später der erste Insektenangriff. Wieder drei Minuten später ein blutiges Knie.
So vergingen die ersten Stunden und brachten wenig erbauliches.
Wir Erwachsene wünschten uns beim Anblick des Außenklos die Verstopfungen unserer eigenen Eltern beim Versuch auf fremde Toiletten zu kacken machen.
Nach dem Frühstück jedoch packten wir neuen Mut und tatsächlich das Ist-es-nicht-toll-hier-am-Land-Gefühl stellte sich bald ein.
Wir mähten mit einem analogen Gerät den Rasen, rechten alles zusammen. Die Ränder der Wiese kürzten wir mit Gartenscheren und die Blumen wurden in stundenlanger Kleinstarbeit mit winzigen Gießkannen gewässert. Kind 1.0 kam in einen Mährausch und kürzte gewissenhaft alle Gartenkräuter.
Die Luft roch nach Schnittlauch und Basilikum, wir kochten Nudeln mit Tomatensoße, alle aßen als gäbe es in der kommenden Woche keine Nahrungsmittel mehr. Kind 2.0 und 3.0 verteilten nach alter Manier des Guerilla–Gardening Blumensamen in den Beeten.
Wir fütterten die umliegenden Ziegen, Pferde, Schafe und Nachbarshühner und punkt 20 Uhr fielen die Kinder in Ohnmacht und wachten erst am nächsten Morgen wieder auf.
Wir Eltern saßen bis tief in die Nacht unter einem strahlenden Sternenhimmel, frei jeder Lichtverschmutzung und tranken Gänsewein.
Der darauf folgende Tag verlief ähnlich wundervoll und als ich mir gerade die Hände im Spülbecken beim Spülen verbrühte, weil das Wasser aus dem Wasserkocher wider Erwarten bereits gekocht hatte und ich aus dem Fenster blickte, am Horizont die Kuhherde und unten am Haus Kind 1.0, das gerade versuchte die Nachbarskatze mit einem gellenden KATZIIII KATZIIII anzulocken, da dachte ich einen kurzen Moment: Was wäre es schön auf dem Land zu leben.

Der Vorfall

Wer die letzten Einträge gelesen hat, der erliegt dem trügerischen Eindruck, dass ich meinen Mann eventuell nicht ausreichend wertschätze. Das stimmt natürlich nicht. Ich würde ihn jederzeit ohne Bedenken wieder heiraten. Er gibt mir manchmal nur Rätsel auf.
Letztes Wochenende zum Beispiel trug sich folgendes zu:
Am Samstag, dem Tag an dem wir Wäsche waschen und trocknen und das Bad durch die Trocknerabwärme so warm wird, das Kleinkinder und Säuglinge nackend nicht mehr frieren, ist in unserer Familie traditionell Badetag. Wir trocknen also einige Maschinen, bis die Luft schön warm und die Badewanne voll warmen Kondenswasser ist und dann kommen die Kinder in selbige und werden grundgereinigt.
Das macht meistens mein Mann, weil ich, ebenfalls traditionell in der Küche stehe und das Essen zubereite.
Als ich also nach Abschluss meiner Arbeiten in das Bad trete, eröffnet sich mir folgende Szenerie. Kind 3.0 und 2.0 stehen kreischend mit hochroten Köpfen vor der Badewanne. An der Wand, der Badezimmerkommode, der Badewanne und über den ganzen Boden verteilt wässrige Exkremente. Der Mann bleich: „Ich habe Deinen Namen gerufen!“
AHA!
Doch was war passiert?
Kind 3.0 hatte in die Wanne gemacht, worauf Kind 2.0 in Panik die herausgedrückten Ausscheidungen auffing und ekelgeschüttelt aus der Wanne schmiss. Alle. Nach und nach.
Meine Frage nun (wohlwissend das ein Malheur als solches durchaus mal vorkommen kann): Was war mit dem Mann? War er ohnmächtig als sich all das ereignete?
Ich frage ihn. Er, schlapp: „Ich habe Deinen Namen gerufen!!!“
Ich habe Deinen Namen gerufen? Call my name? I hear you call my name … in meinem Kopf bildet sich die Melodie zu Madonnas “Like a prayer”. Ich summe und wische das Chaos auf.