[Anzeige] Let’s talk – Sollen Kinder Medienkonsum mitbestimmen?

Sehen so Kinder aus, die ihren Medienkonsum selbst bestimmen? (Bild Kind 3.0)

Gemeinsam mit SCHAU HIN! habe ich eine kleine Serie zum Thema Kinder und digitale Medien gestartet.

Im Zentrum meiner Serie sollen die Chancen, die (neue) Medien mit sich bringen, stehen und ich will beschreiben, wie wir als Familie im Alltag damit umgehen und gerne auch von Euch hören, wie ihr den Alltag mit Kindern und digitalen Medien gestaltet.

Risiken und Gefahren werden durch Kulturpessimisten aller Ausrichtungen zu genüge beklagt. Viele Eltern reagieren mit Unsicherheit und statt sich mit den einzelnen Themen auseinanderzusetzen, wird schnell mal ein Verbot verhängt.

Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass Verbote in Sachen Medienkonsum nichts bringen. Deswegen versuche ich mit meinen Kindern im Gespräch zu bleiben und Lösungen zu erarbeiten, die für uns beide alle passen. Das ist auch der Grund warum ich die Serie Let’s talk nenne.

Im neunten Teil geht es um: Mitbestimmung beim Medienkonsum

Kinder den Medienkonsum selbst bestimmen lassen. Geht das?

Ich hatte bereits darüber geschrieben, dass ich nicht so viel davon halte, wenn man Kindern feste Zeitvorgaben macht, was die Mediennutzung[1] angeht. Vor allem dann nicht, wenn Kinder erschaffend und nicht rein konsumierend unterwegs sind.

Auch generell bin ich eher sorglos was den Medienkonsum angeht.
Für mich ist wichtig, dass die Kinder ihre alltäglichen Pflichten erledigen. Das umfasst kleine Dinge wie Brotdose nach der Schule in die Spüle stellen bis hin zur Erledigung der Hausaufgaben.

Sind diese Themen abgehakt, findet Freizeit statt. Ähnlich wie beim Taschengeld, gilt für mich hier die Regel der Selbstbestimmung.
Beim Taschengeld bestimme ich nicht mit für was es ausgegeben wird. Wenn sich die Kinder vom Taschengeld ausschließlich zuckertriefenden Quatsch kaufen, halte ich meine Aber-die-gesunde-Ernährung-Monologe-Einself ausschließlich im Stillen.

Für die Freizeit gilt grob dasselbe.
Grob – weil es natürlich einen Rahmen gibt. Die Kinder sollten sich altersgerechte Beschäftigungen suchen zum Beispiel. Wenn aber der Rahmen stimmt, möchte ich eigentlich nicht reinreden und werten. Exzessives (Computer)spielen in den Ferien halte ich zum Beispiel nicht für bedenklich.
Ich bin ganz ehrlich, ich bin in der kommenden Weihnachtszeit ohne weitere Verpflichtungen (und auch ohne Kinder) – meine Freizeit stelle ich mir deswegen höchst unpädagogisch wie folgt vor: ich sitze in Jogginghose vor dem Fernseher und ziehe mir an einem einzigen Tag die neue Staffel Black Mirror rein. Wahrscheinlich bestelle ich mir Pizza und wenn es richtig krass kommt, trinke ich COLA!

Es ist für mich deswegen völlig verständlich, wenn (m)ein Kind eine ähnliche Vorstellung von Ferien hat.
Wenn es von früh bis spät das neue Zelda spielen wöllte – was sollte ich dagegen sagen?

Medienkonsum
Verbote werden meist sowieso nicht eingehalten, da kann man sie sich auch sparen/Foto debbienews @pixabay

Selbständige Kinder – Mama’s Traum

Generell schätze ich selbständige Kinder sehr.
Wenn ich meine Kinder frage: „Was mag die Mama am liebsten???“ (wenn man Mutter wird, dann wird man leicht verrückt und spricht von sich selbst in der 3. Person…) antworten sie mit rollenden Augen im Kanon: „Selbständige Kinder!“

Deswegen ist es mir wichtig, dass Kinder eigene Entscheidungen treffen und wir gemeinsam Rahmen und Regeln besprechen. Das gilt für den Medienkonsum genauso wie für andere Themen. Ich möchte deswegen nicht festlegen: Du darfst pro Tag 20 min Computerspielen/fernsehen/am Handy daddeln.

Vielmehr möchte ich, dass wir vereinbaren, wann die richtige Zeit ist diesen Tätigkeiten nachzugehen und wann nicht.
Starre Regeln finde ich unpassend. Das gilt im übrigen nicht nur für den Konsum digitaler Medien. Mein Bücherwurm-Kind muss den Umgang mit dem Lesedrang auch lernen. Es muss lernen, dass es unter der Woche im Lichte der Schulpflicht nicht OK ist, bis 22 Uhr zu lesen. Es soll aber auch wissen, dass es in den Ferien lesen kann bis die Augen zufallen. Es soll verstehen, dass es gefährlich ist während des Laufens auf dem Weg in die Schule zu lesen, dass die Risiken sich beim U-Bahn-Lesen jedoch in Grenzen halten.

Es wird also diskutiert und ausprobiert und ggf. wird der Rahmen nochmal angepasst. Zum Beispiel weil das Kind älter geworden ist, weil es eine begründete Ausnahme gibt oder weil ein lang erwartetes Spiel rausgekommen ist, das unbedingt ausprobiert werden muss.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder Entscheidungen, die sie selbst treffen können, viel besser tragen als Entscheidungen, die man ihnen einfach vorsetzt (was nicht sooo verwunderlich ist, denn Kinder sind Menschen und ich glaube, diese Aussage trifft generell auf Menschen zu – egal welches Alter sie haben).

Was wenn die Kinder sich nicht an die Vereinbarungen halten?

Medienkonsum
Was wenn es nicht klappt mit den Vereinbarungen?/Foto ErikaWittlieb @pixabay

Klingt alles super, oder?
Klappt das immer?




Leider nein.
Haben meine Kinder schonmal nach 21 Uhr gelesen obwohl Schlafenszeit ist? Ja!
Haben meine Kinder schonmal nicht altersgemäße Computerspiele gespielt, obwohl wir die Vereinbarung hatten, dass die USK Altersvorgaben gelten? Ja.
Haben meine Kinder schonmal Handyspiele gespielt bevor sie Hausaufgaben gemacht haben? Ja.
War ich schonmal genervt, weil ein Kind aufgrund hohen Spielkonsums Kacklaune hatte? Ja.

Folgt daraus, dass ich einschränke und verbiete?
In der Regel nicht.

Meistens bekommen die Kinder dann einen ermüdenden Vortrag über unsere Vereinbarungen. Dieser Vortrag enthält mindestens die Punkte
Pflichten und Rechte – das eine nicht ohne das andere – und wir versuchen wieder zu einer Auffrischung der Vereinbarung zu kommen.

Ich glaube, es ist für die Kinder elementar wichtig zu sehen, dass es Ausnahmesituationen gibt, in denen der Konsum hochgefahren werden kann, wenn es gerade Spaß macht, weil es ihnen dann leichter fällt, sich dann zu zügeln, wenn es eben nötig ist. Im übrigen gilt auch hier: An die eigene Nase packen. Fragt mal eure Kinder wie sie euren Medienkonsum finden.

Meine Handynutzungszeiten wurden auch schon reguliert und ich bin zu der Einsicht gekommen, dass die Kinder völlig recht haben. Genauso kritisch sehen die Kinder übrigens den Fernsehkonsum der Großeltern. Jede Generation scheint ein eigenes Suchtmedium zu haben und 20 Jahre später schüttelt der jeden Abend Fernseh schauende Großvater den Kopf über den ständig am Handy rumtippenden Enkel.
So scheint der Lauf der Dinge zu sein.

Warum sich manche nicht erinnern können, dass die eigenen Eltern und Großeltern vom Kultur- und Sittenverfall predigten, wenn sie in ihrer Kindheit bestimmte Dinge taten, die es in der Generation davor noch gar nicht gab, ist mir schleierhaft. Ich kann und mag deswegen an bestimmten Diskussionen mit anderen Eltern nicht mehr teilnehmen.

Ewiges Thema ist ab einem gewissen Alter der Handykonsum der Kinder.
Plakativ gesprochen, echauffieren sich Eltern, die ihren Kindern Handys komplett verbieten, gerne über den Handykonsum anderer Kinder. Um ihre Kinder weiterhin vom Handy fernzuhalten, sprechen sie sich für generelle Handyverbote aus. In meiner Wahrnehmung können sich Kinder, denen sehr lange Handykonsum generell verboten wird, sehr schlecht regulieren und sind dann, wenn sie mal ein Handy zur Verfügung haben, wirklich kaum ansprechbar und wie hypnotisiert.

Ähnliches Verhalten kenne ich von meinen Kindern wirklich kaum.
Natürlich spielen sie gerne mal extensiv irgendwelche Spiele oder schauen drei Folgen Dino-Dana am Stück – viel häufiger kommt jedoch vor, dass sie anfangen sich zu langweilen und dann lieber mit mir oder ihren Freundinnen und Freunden spielen wollen.

Eine Frage des Alters…

Tatsächlich hängt sehr viel im Umgang mit den Medien vom Alter der Kinder ab. Meine Kinder sind schon lange Schulkinder und da sieht es natürlich anders aus als bei Kindergartenkindern. Kindergartenkinder würde (und hab ich) immer im Medienkonsum begleiten. Grundschulkinder können gerne alleine bestimmte Dinge ausprobieren, aber da würde ich den Computer z.B. ins Wohnzimmer und nicht ins Kinderzimmer stellen. Wichtig ist für mich das Teilen hinterher. Wenn mein Kind z.B. zwei Stunden am Stück einen Film schaut oder Minecraft spielt, ist die mündliche Zusammenfassung am Ende ungefähr genauso lang. Kinder brauchen diesen Dialog jedoch, um das Gesehene zu verarbeiten und mir als Mutter hilft es, zu verstehen, was an der jeweiligen Beschäftigung so aufregend ist.

Älteren Kindern erlaube ich auf jeden Fall digitale Medien ohne meine Aufsicht zu benutzen. Bis es soweit ist, hat sich hoffentlich entsprechendes Verständnis und Vertrauen aufgebaut.

Toleranz und Offenheit schützt die Kinder

Medienkonsum
Wie sollen Kinder mit ihren Eltern reden, wenn sie etwas verbotenes getan haben und dabei in Schwierigkeiten gekommen sind?/Foto Riala @pixabay

Was ich außerdem über die Maßen schätze, ist die Offenheit meiner Kinder. Ich glaube, weil es in Mediensachen keine Verbote gibt, teilen sie mit mir alles. Sie erzählen mir, was sie spielen oder schauen – auch wenn es etwas ist, von dem sie wissen, dass sie es eigentlich nicht machen sollen.

Die Versuchung in einer Peergroup ist manchmal einfach zu groß.
Ich erinnere mich, dass ich als Kind z.B. mal die Gremlins geschaut habe, obwohl ich wusste, dass ich das nicht darf und obwohl ich auch wußte, dass ich  mich gruseln würde. Tatsächlich konnte ich volle zwei Wochen danach kaum schlafen, weil ich Angst hatte, dass in meinem Zimmer irgendwo Krümel rumliegen, die ein zufällig vorbei kommender Mogwei nach Mitternacht essen könnte.
Hätte ich zu meinen Eltern ein gutes Verhältnis gehabt, das nicht hauptsächlich durch Verbote geprägt war, hätte ich mich trösten und beschützen lassen können.

Das ist jedenfalls was ich meinen Kindern bieten möchte: Ich möchte immer Ansprechpartnerin sein – auch wenn sie mal was tun, was sie eigentlich nicht sollen. Wie soll ich sonst mit Ängsten umgehen oder wie soll ich eingreifen, wenn sie im Internet blöde Erfahrungen machen (oder per WhatsApp Mobbing erfahren)? Diese Offenheit kann ich meiner Meinung nach nur erreichen, wenn ich Medienkonsum gemeinsam mit meinen Kindern bespreche und wir uns gemeinsam zu dem wann und was einigen.

In Erziehungsratgebern wird ja gerne die Konsequenz hochgehalten. Persönlich glaube ich zu viel Konsequenz macht Kindern zu Prinzipienreitern und Zwangsneurotikern. Mir ist die Einzelfallbetrachtung wichtiger. Es ist oft anstrengend, aber ich lasse mich durch gute Argumente meiner Kinder gerne überzeugen – auch was Menge und Art des Medienkonsums angeht.

Wie seht ihr das?  Lasst ihr eure Kinder (mit)bestimmen? Macht ihr Ausnahmen? Was befürchtet ihr, wenn ihr eure Kinder in den Ferien 6 Stunden am Stück Computer spielen lasst? Besprecht ihr einen Rahmen oder trefft ihr konkrete Entscheidungen?

Kommentiert einfach hier, teilt eure Medienmomente auf Instagram, bloggt selbst darüber, twittert oder schreibt auf Facebook. Wenn ihr eure Beiträge mit dem Hashtag #medienmomente markiert, können sie später eingesammelt und geteilt werden.

Weiterführende Links

Teil 1 von Let’s talk: Nicht wie lange sondern was
Teil 2 von Let’s talk: Messenger
Teil 3 von Let’s talk: Computerspiele
Teil 4 von Let’s talk: YouTube
Teil 5 von Let’s talk: Fernsehen und Streaming-Dienste
Teil 6 von Let’s talk: Hörwelten
Teil 7 von Let’s talk: Augmented Reality und Virtual Reality
Teil 8 von Let’s talk: Programmierbares Spielzeug zu Weihnachten?

 

[1] Mit Medienkonsum meine ich nicht nur Computerspiele und alles, was man mit dem Handy zu tun hat, sondern auch YouTube, Fernsehen und Streamingdienste und alle sozialen Plattformen. Die Computerspiele habe ich nur exemplarisch herangezogen, weil ich den Eindruck habe, dass die meisten Eltern hier besondere Ängste haben.