[Anzeige] Let’s talk – YouTube der Jugend liebste Internetplattform

YouTube
rifkiedr @pixabay

Gemeinsam mit SCHAU HIN! habe ich eine kleine Serie zum Thema Kinder und digitale Medien gestartet.

Im Zentrum meiner Serie sollen die Chancen, die (neue) Medien mit sich bringen, stehen und ich will beschreiben, wie wir als Familie im Alltag damit umgehen und gerne auch von Euch hören, wie ihr den Alltag mit Kindern und digitalen Medien gestaltet.

Risiken und Gefahren werden durch Kulturpessimisten aller Ausrichtungen zu genüge beklagt. Viele Eltern reagieren mit Unsicherheit und statt sich mit den einzelnen Themen auseinanderzusetzen, wird schnell mal ein Verbot verhängt.

Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass Verbote in Sachen Medienkonsum nichts bringen. Deswegen versuche ich mit meinen Kindern im Gespräch zu bleiben und Lösungen zu erarbeiten, die für uns beide alle passen. Das ist auch der Grund warum ich die Serie Let’s talk nenne.

Im vierten Teil geht es um: YouTube

YouTube – eine „junge“ Plattform

81 Prozent der 12 bis 19jährigen schauen sich mehrmals pro Woche Videos und Clips auf YouTube an. Drei Stunden verbringt diese Altersgruppe im Schnitt täglich im Internet – den Großteil davon auf YouTube (Quelle: JIM-Studie 2015).

Würde ich gefragt werden, über welches neue Medium ich gerne krückstockwedelnd schimpfen möchte, käme die Antwort wie aus der Pistole geschossen: YouTube!

Allerdings habe ich mir ja vorgenommen über die Chancen der einzelnen Plattformen und Medien zu sprechen und mich nicht in die Reihe der spitzerischen Kulturpessimisten einzureihen.

Damit mir das gelingt, musste ich erstmal der Frage nachgehen, warum ich mich mit YouTube so unwohl fühle.

Die erste Teilantwort ist ganz einfach. YouTube ist nicht meine Plattform. Ich bin zu alt.

Mit Computerspielen, Messengern, Chats und Blogs bin ich aufgewachsen. YouTube  gibt es seit 2005, doch selbst 12 Jahre später habe ich noch nie selbst was auf dieser Plattform gemacht, folge niemanden und schaue lediglich sporadisch kurze Clips. Aktuelle Entwicklungen bekomme ich von alleine nicht mit.

Der Zugang ist bildlich gesprochen so, dass ich zeitungslesend im Ohrensessel sitze und dort lese, dass YouTuberIn XY gerade sehr angesagt ist, weil er oder sie drei Phantastillionen Follower hat.

Das war zumindest bis 2014 so. 2014 ist das Jahr in dem Simon Unge sein YouTube-Netzwerk „Mediakraft Networks“ verließ und das für unser ältestes Kind plötzlich etwas war, das ein ernstzunehmendes Ereignis im Lebensalltag darstellte.

Mir wurde da erst klar, dass YouTube-Stars große Vorbildwirkung haben und auch in unserer Familie regelmäßig deren Inhalte konsumiert werden.

Also hab ich gemacht, was ich regelmäßig empfehle: Gefragt, was Kind 1.0 sonst noch so schaut und warum es das gerne tut.

Danach habe ich mich stichprobenartig durch die Videos ge…quält und mich unendlich alt gefühlt.

Was reden die da? Warum reden die so schnell? Wieso blinkt und wackelt alles und muss man wirklich alle drei Sekunden einen Schnitt machen?


Unschöne Reproduktion von Rollenstereotypien

Engagiert wie ich bin, habe ich dann mal geschaut, welches die YouTuber mit der größten Reichweite sind und mir exemplarisch deren Beiträge zu Gemüte geführt und mich plötzlich in längst überwunden geglaubten Klischeewelten wiedergefunden.

Frauen reden über Lifestyle, gehen shoppen, zeigen dann was sie eingekauft haben, geben Schmink- und Stylingtipps und reden darüber wie man die Boys klar macht, ohne zu bitchy rüberzukommen.

Große Teile der Jugendsprache musste Oma Nuf im Urbandictionary nachschlagen.

Die Jungs auf der anderen Seite, erzählen ihre Heldengeschichten, stellen sich irgendwelchen haarsträubenden Herausforderungen (Challenges), verarschen sich gegenseitig (Pranks!) oder unterhalten sich darüber was an Mädchen nervt oder wie kurz der Rock sein darf.

Plötzlich wurde mir klar: die großen YouTube-Kanäle transportieren inhaltlich eigentlich nichts anderes als früher Bravo Girl! oder Zeitschriften wie Mädchen, nämlich widersprüchliche Botschaften („So kaschierst du deine Problemzonen“, „10 Regeln, damit ER dich wahrnimmt“ und „Sei ganz Du selbst“) und widerliche Körperbilder („Mit dieser Diät zum Beach-Body“, „Diese 5 Tricks lassen Deine Cellulite verschwinden“).

Jetzt mit über 40 weiß ich natürlich, was das alles für ein Unsinn ist. Mit 13 war das anders. Da war ich unsicher und empfänglich für solche Botschaften. Am Ende blieb ein Gefühl: Ich bin auf jeden Fall falsch. Zu aktiv, zu passiv, zu dick, Nase zu groß, Haare zu zottelig, Style kacke.

Die nächsten anderthalb Jahrzehnte habe ich damit verbracht diese Komplexe zu überwinden.

In diesem Rahmen hat es mir sehr geholfen keine Mädchen/Frauenmagazine mehr zu lesen und den Fernseher abzuschaffen. Denn auch dort wird genau das vermittelt: Für Frauen zählt v.a. das Aussehen und wenn das nicht perfekt ist, hilft es vielleicht noch gut kochen zu können und ansonsten sind Hopfen und Malz verloren.

Allein die Werbung im Fernsehen! Letztes Jahr im Urlaub habe ich nach Jahren mal wieder einige Zeit vor dem Fernseher verbracht und mir die sieben Zeichen der Hautalterung (Check! Check! Check! Check! Check! Check! Check!) erläutern lassen.

Screenshot mit Vorschlagsalgorithmus nachdem ich einige große YouTube-Kanäle angesehen habe

Und genau da habe ich verstanden: YouTube ist nichts anderes als Fernsehen, Rückkehr der Mädchenmagazine, Untergang des Abendlandes!

(Deswegen finden auf der anderen Seite wahrscheinlich die meisten Erwachsenen, die noch aktiv Analogfernsehen schauen, YouTube gar nicht so schlimm und sorgen sich eher um computerspielende Kinder.)

Doch Moment! Hat da etwa wieder Manfred Spitzer Besitz von mir ergriffen?

Ich fürchte ja. Denn natürlich ist YouTube nicht gleichzusetzen mit den zehn allerseits bekannten Spitzen-YouTuberinnen und YouTuber.

Selbst unter denen gibt es (sagt man das so?) Broadcaster wie LeFloid, die genau diese Entwicklungen durchaus reflektieren. Sogar top aktuell in einem Beitrag, der „Schw*nze, Är*che & Geld… SO WIDERLICH SIND DIE YOUTUBE-TRENDS & was sonst noch so abgeht..“ heißt.

Einen wirklich, wirklich hörenswerten Beitrag zum Thema Rollenklischees auf YouTube haben Almut Schnerring und Sascha Verlan für den Deutschlandfunk gemacht: „10 Dinge, die an Mädchen nerven. Geschlechterklischees in der YouTube-Szene“ – hört ihn Euch unbedingt an. Hier werden auch Gegenbeispiele genannt und das Thema wird wunderbar differenziert angegangen.

kinkate @pixabay

Denn tatsächlich ist das Thema Reproduktion von Geschlechterklischees ein Thema über das sich Eltern mal Gedanken machen und für die sie auch ihre Kinder sensibilisieren sollten, so dass die diese nicht einfach hinnehmen sondern hinterfragen.

Für alle Eltern, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben und sich immer noch fragen, was eigentlich so problematisch ist, wenn Mädchen rosa mögen, hier die Kurzfassung:

Natürlich ist es gar kein Problem wenn Mädchen die Farbe rosa, Barbies und Prinzessinnenkleider mögen. Das Problem liegt in den Konnotationen, die diese Dinge transportieren (süß, niedlich, hübsch, zart, sensibel, passiv) und dass diese gegenüber den typisch männlichen Eigenschaften (durchsetzungsstark, mutig, cool, aktiv) weniger wertvoll bewertet werden.

Wer dem widersprechen möchte, dem sei das Gedankenexperiment ans Herz gelegt: Wie begegnen in der Regel Menschen einem vierjährigen Jungen, der als Fee verkleidet Nagellack tragen will und wie finden die selben Menschen es, wenn ein Mädchen sich als Astronaut, Feuerwehrfrau oder Polistin verkleiden will?

Der Junge wird abgewertet durch die Übernahme eines weiblichen Klischees (Oh Gott! Wie unmännlich! Verweichlicht gar? Ist das normal?), das Mädchen wird aufgewertet (Du bist ja cool! Das ist ja eine ganz Aufgeweckte!).

Hier erstmal ein Schnitt zum Thema Geschlechterklischees – denn – oh Wunder, so wie es nicht DAS Computerspiel gibt, gibt es auch nicht DAS YouTube.

Es gibt nicht DAS YouTube

YouTube ist unendlich vielseitig.

Meine Kinder googeln z.B. keine Probleme bzw. deren Lösungen – sie geben ihre Fragen in YouTube ein und bekommen Antworten in Form von Videotutorials – die v.a. was komplexe Inhalte angeht unendlich hilfreicher sind als eine bloße Textbeschreibung.

Es gibt wirklich Tutorials zu jeder Fragestellung und zu jedem Hype. Was hätte ich bloß zu den Hochzeiten der Loom-Gummis oder der Fidget-Spinner ohne YouTube gemacht?

Wie würde ich mich ohne YouTube über neue Computerspiele informieren? Wer hätte mir die ganzen Pokémon Go Tricks verraten?

Genauso hilfreich finde ich Kanäle, die mir bei spannenden, komplexen Serien mit mehreren Staffeln (an deren Inhalt ich mich kaum erinnere) Plot-Theorien erläutern.

Viele Serien wie Game of Thrones, The Leftovers oder Lost hätte ich ohne YouTube nicht ansatzweise verstanden.

Nicht zu vergessen die ganzen lustigen Katzenvideos! Was wäre die Welt ohne niedliche Tiervideos? Faultiere, Pandas und skateboardfahrende Hunde. Dagegen kann man nun wirklich nichts haben.

Beim Thema YouTube hilft also auch Differenzierung. YouTube ist nicht nur das Reproduzieren von Geschlechterklischees mit shoppenden jungen Frauen (sogenannte Hauls) und Schminktipps.

Auch wenn ihr selbst nicht viel YouTube konsumiert – lasst euch zeigen, was eure Kinder schauen – sprecht mit ihnen darüber, wie ihr das findet und begründet warum ihr evtl. Bedenken habt.

Zur Schonung der Kinder sollte man das nicht allzu penetrant machen und ab einem gewissen Alter auch darauf vertrauen, dass die vielen Jahre vorangehende Erziehung, die hoffentlich das kritische Denken gefördert haben, bereits Wirkung zeigen und dass das Schauen der Videos nicht unbedingt heisst, dass alles kritiklos hingenommen wird.

Schön illustriert z.B. von Lilith, die auf der Tincon etwas zu dem Thema Rollenklischees erzählt und z.B. Honigball, Simone Giertz oder Liza Koshy als Alternativen empfiehlt.

Authentizität und Wirtschaftlichkeit

Im Jahr 2015 sollen die YouTube-Umsätze nach Schätzungen von Evercore ISI bereits bei 9,0 Milliarden Dollar gelegen haben.

Best bezahlter YouTuber ist aktuell „PewDiePie“ mit 50 Millionen Abonnenten. Laut Forbes war er im vergangenen Jahr mit 15 Millionen Dollar der bestbezahlte YouTuber (Quelle: Börse ARD).

Dabei kommt nur ein vergleichsweise geringer Teil direkt von YouTube. Haupteinnahmequelle sind die Sponsorings, Produktwerbungen und das Merchandising.

Auch in Deutschland verdienen die Top 10 in der Zwischenzeit mindestens im sechsstelligen Bereich.

Sensibilisiert eure Kinder deswegen auch für das Thema Authentizität. Die bei den reichweitenstarken YouTubern vermutlich irgendwann nur noch zu einem gewissen Maße vorhanden ist.

Wo viel Geld fließt – und das ist ab einer gewissen Followerzahl beinahe zwangsläufig der Fall – da stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Authentizität abnimmt, da die dahinterstehende Vermarktungsmaschine eigene Interessen verfolgt.

Ich habe lange überlegt, warum es für mich gefühlt nicht soooo schlimm ist, wenn bestimmte Computerspiele Geschlechterklischees reproduzieren (der starke, handelnde Actionheld und die zu rettende sexy Frau, die nicht redet), ich aber ein ganz anderes Gefühl habe, wenn es um YouTube geht.

Meine Antwort war, dass ich (auch als Kind und Jugendliche) bei Computerspielen einen ganz anderen Abstand zu den Charakteren habe, dass mir immer voll und ganz bewusst ist, dass es sich um Fiktion handelt.

Anders sieht es bei den nahbar erscheinenden YouTube-Stars aus. Das sind am Ende einfache Menschen, die (vorgeblich) authentisch über ihr Leben berichten. Sie haben ein ganz anderes Identifikationspotenzial und es gibt so etwas wie „Nähe“.

Auch im oben erwähnten Deutschlandfunk-Feature von Almut Schnerring und Sascha Verlan geht es um das Thema Authentizität:

„YouTube verspricht Authentizität. Das echte Leben im Gegensatz zur Drehbuchrealität, zur Scripted Reality des Fernsehens. Und viele Videos verdanken ihren Erfolg allein diesem Authentizitäts-Versprechen.

Angeblich thematisieren und zeigen die Videos, was jemand wirklich denkt und tut. Allerdings investiert das Unternehmen Millionen in die Förderung und Beratung seiner aktuellen und zukünftigen Stars und richtet weltweit YouTube-Spaces ein mit Büros, Studios, Video-Schnittplätzen und kostenlosen Fortbildungsangeboten, in denen Interessierte lernen können, wie man erfolgreiche Videos dreht.“

Dass die Sache mit der Authentizität am Ende eine Illusion ist, ist vielleicht nicht jedem Fan/Follower klar.

Wenn aber diese Differenzierung getroffen wurde und auch das Wissen um den Wirtschaftsfaktor, der hinter den großen Formaten steht, vorhanden ist, dann ist YouTube wie alle anderen digitalen Medien natürlich kein Teufelszeug mehr und auch ich kann dann meinen Krückstock wieder einpacken.

Abschließend noch einige Empfehlungen aus meiner Followerschaft. Schaut mal rein:

Eine sehr umfangreiche, phantastische Liste an Empfehlungen hat Steve Rueckwardt zusammengestellt. Unbedingt mal reinschauen.

Von ihm kam auch der Tipp, dass gestern YouTube Kids gestartet ist.


Was schauen eure Kinder und wie fühlt ihr euch damit? Gibt es YouTube Kanäle, die ihr empfehlen würdet? Habt ihr auch ein schlechtes Gefühl mit YouTube und was tut ihr dagegen?

Kommentiert einfach hier, teilt eure Medienmomente auf Instagram, bloggt selbst darüber, twittert oder schreibt darüber auf Facebook. Wenn ihr euren Beiträge mit dem Hashtag #medienmomente markiert, können sie später eingesammelt und geteilt werden.

Weiterführende Links

Weitere Themen der Serie

Teil 1 von Let’s talk: Nicht wie lange sondern was
Teil 2 von Let’s talk: Messenger
Teil 3 von Let’s talk: Computerspiele
Teil 5 von Let’s talk: Fernsehen und Streaming-Dienste
Teil 6 von Let’s talk: Hörwelten
Teil 7 von Let’s talk: Augmented Reality und Virtual Reality
Teil 8 von Let’s talk: Programmieren lernen