Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Welche Tools sind sinnvoll?

Das ist die Zusammenfassung meines Vortrags im Rahmen der Veranstaltung „Die digitale Familie – Traum aller Arbeitgeber?“ der Tagung der Digitalen Elternhelfer am 29.11.2018

Ich hatte schon immer eine hohe Technikaffinität und glaube, dass Technik bzw. entsprechende Tools oder Software viele Probleme lösen können. So z.B. den enormen Organisationsaufwand, den man als Familie hat – v.a. wenn beide Elternteile Vollzeit berufstätig sind.

Tools zur Organisation von IT-Projekten

Als IT-Projektleiterin habe ich zur Organisation meiner Projekte mit Issue-Trackern gearbeitet. Man definiert zur Erreichung eines großen Zieles einzelne Aufgabenpakete („Issues“), die man detailliert beschreibt. Es wird hinterlegt, wer das Issue bearbeitet. Es werden Aufwände geschätzt und in das Issue geschrieben und es gibt die Möglichkeit Prioritäten (von „nice to have“ bis „Blocker“ z.B.) und Abhängigkeiten („Issue A kann erst erledigt werden, wenn Issue B abgearbeitet ist“) zu definieren.

Anschließend werden die Issues dazu benutzt, um die tatsächliche Arbeitszeit zur Erledigung des Issues zu erfassen. Außerdem wird der Arbeitsstand dokumentiert – entweder im Issue oder an anderer Stelle, z.B. in einem Wiki.

So könnte ein Issue aussehen

Als Projektleiterin kann man jederzeit den Bearbeitungsgrad nachschauen und sich auch automatisch über Änderungen informieren lassen. Am Ende kann man aus den Issues Rechnungen generieren und auch auswerten, wer wie lange für was gebraucht hat und so zukünftig bessere Schätzungen über Aufwände abgeben.

Wenn man gut dokumentiert hat, kann man auch drei Jahre später ziemlich gut nachvollziehen, was gemacht wurde. Das ist oft sehr hilfreich.

Tools zur Organisation von Familienleben

In meinen Träumen koordiniere ich die anfallenden Aufgaben rund um die Familie ebenfalls auf diese Art. Aus einem unpräzisen „Hole morgen die Kinder aus dem Kindergarten ab“, wird endlich ein ordentlich formuliertes ToDo:

Das hätte viele Vorteile. Neben der höheren Präzision, eröffnet sich die Möglichkeit ganz genau auszurechnen, wer wie viel gemacht hat: „Tja Schatz, ich hab diesen Monat 543 der 1300 Issues abgearbeitet und dabei durchschnittlich 23 min weniger pro Issue benötigt als Du. Gemessen an unserer bezahlten Arbeitszeit ist das leider im Sinne der Gleichberechtigung inakzeptabel“. Streit wird aufgrund der objektiven Datenlage total überflüssig!

Ja, ja – ich höre so manchen Leser und manche Leserin mit den Augen rollen. Man kann es auch kompliziert machen! Tatsächlich sollten Aufwand und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen und nicht jede/r ist bereit entsprechende Tools zu benutzen. Oft scheitert es ja schon an der Pflege eines gemeinsamen Kalenders.

So lange es zuhause gut klappt und alle mit ihrem Work- und Mental Load zufrieden sind, muss man ja auch nichts ändern oder optimieren. Und miteinander reden hilft in jedem Fall. Für mein Gefühl hapert es da nämlich am meisten. Man trifft als Paar viele implizite Annahmen, übernimmt aus Liebe schnell mal hier und da eine Zusatzaufgabe und irgendwann knallt es dann. Dem romantischen Ideal der Liebe, in dem Paare wortlos einander verstehen und sich jederzeit fürsorglich verhalten, steht ein echtes Planen und feste Absprachen treffen natürlich entgegen.

Tatsächlich bin ich aber nicht so der romantische Typ und so haben wir uns in unserer Familie auf ein paar Tools geeinigt. So z.B. einen geteilten Kalender, Wunderlist und Trello.

Familienalltag per Trello organisieren

Wir haben für jeden Tag ein Board angelegt, halten unseren Essensplan fest, dokumentieren unsere An- und Abwesenheiten, sowie Besonderheiten, die es an einzelnen Tagen zu beachten gibt. Im Board „Donnerstag“ sieht man bei „Geburtstag bei Ella“, dass man auch Checklisten hinterlegen kann. Z.B. die Adresse und Telefonnummer von Ella oder das ToDo „Geschenk  besorgen“. Den einzelnen Kärtchen kann man Personen zuweisen und so ist z.B. klar, wer wann kocht.

Die Seite des Arbeitgebers: Homeoffice & Co.

Wie man es am Ende auch bewerkstelligen mag: Ein gut organisiertes Familienleben bedeutet für das Arbeitsleben einen freien Kopf und digitale Tools wie Messenger Dienste erleichtern zusätzlich das ad hoc (um)planen während der Arbeit.

Auf der anderen Seite können Arbeitgeber durch unterschiedliche Maßnahmen Vereinbarkeit ermöglichen. In vielen Studien ist das Thema „Homeoffice“ zentral. Wenn man aber genauer hinterfragt, was denn die vereinbarkeitsfördernden Elemente von Homeoffice sind, werden die Antworten erstaunlich dünn. Allen voran wird das Argument Zeitersparnis durch wegfallende Wegezeiten genannt.

Wenn ich mich selbst frage, was mir am Homeoffice hilft, dann ist es etwas, das ich „fragmentiertes Arbeiten“ nennen würde. Ich gestehe: Ich werfe auch mal eine Waschmaschine an und hänge Wäsche auf. Nur was ich eben auch mache – v.a. gewöhnt aus dem Arbeiten mit der Zeiterfassung eines Issuetrackers in der IT: Ich hänge die 10 min einfach hinten wieder an meine Arbeitszeit dran.

Über Homeoffice bietet mir mein Arbeitgeber Flexibilität und ich bezahle auf der anderen Seite mit Leistung und Loyalität. Es ist ein stetiges Geben und Nehmen.

(Und by the way – jede/r, der wie ich im Großraumbüro arbeitet, weiß, dass man in einem Großraumbüro auch nicht nonstop acht Stunden am Stück arbeitet und dass man mitunter im Homeoffice viel konzentrierter und schneller arbeiten kann!)

Homeoffice ist aber bei weitem nicht das Einzige, das ein Arbeitgeber bieten kann, wenn es um Vereinbarkeit geht. Flexible Arbeitszeiten, Stundenkonten, Notfallbetreuung, eine gute Dokumentation aller Arbeiten, familienfreundliche Meetingszeiten sind einige der Faktoren, die zusätzlich helfen Beruf und Privatleben miteinander zu vereinigen.

Hier sage ich übrigens bewusst Privatleben, denn all diese Faktoren dienen nicht ausschließlich Familien mit Kindern. Sie dienen letztendlich allen. Denn eine gute Work-Life-Balance fördert die Gesundheit, ermöglicht es Angehörige zu pflegen, Ehrenämtern oder einfach nur Hobbys nachzugehen.

Deswegen rate ich allen Eltern genau das klar zu machen und sich Verbündete zu suchen, wenn es um die Verbesserungen der Vereinbarkeitsbedingungen geht.

Unser Beitrag zur (positiven) Organisationskultur

Übrigens ist die Unternehmenskultur Hindernis Nummer eins bei der Umsetzung von Maßnahmen wie Homeoffice. Ich höre auch immer wieder ermüdende Witze wie „So wie Du arbeitest, möchte ich mal Urlaub machen.“ oder „Na, machste wieder früher frei?“.

Da kann ich nur raten: spart euch selbst solche Anmerkungen, sagt auch, wenn ihr nicht betroffen seid, dass Bemerkungen dieser Art nicht lustig sind und dass sie maßgeblich beitragen eine Kultur des Misstrauens zu etablieren. Dahinter steht das schlechte Menschenbild des Arbeiters/Arbeiterin, der/die nicht eigenmotiviert arbeiten möchte, sondern stets motiviert oder sogar durch Überwachung zum Arbeiten gezwungen werden muss.

Seid selbst Vorbild. Es gibt ziemlich viel, was man zum Thema Vereinbarkeit beitragen kann:

  • achtet auf die Kommunikation (siehe oben)
  • organisiert keine Meetings vor 10 und nach 15 Uhr
  • prüft, ob Reisetätigkeit wirklich erforderlich
  • organisiert effiziente Meetings mit klaren Zielen
  • dokumentiert eure Arbeit ordentlich
  • pflegt einen Kalender mit An- und Abwesenheiten
  • erleichtert Erreichbarkeit, z.B. über automatische Weiterleitungen von Anrufen
  • heißt Kinder willkommen. Ihr sitzt in einem Vortrag, jemand hat ein Baby dabei uns es weint: So what? Jemand bringt in den Ferien die Kinder mit? Zeigt euch flexibel und offen.
  • pocht auf eine allgemeine Vertreter(innen)-Regelung. Das ist gut für ungeplante Ausfallzeiten, gut für Elternzeiten, gut für die Urlaubszeit, gut für Sabbaticals
  • jemand fällt unglücklicherweise zu einem wichtigen Termin aus? Zähne zusammenbeißen und Aufgaben übernehmen. Er/sie tut es dann sicherlich auch mal für euch.

Fazit

Im Arbeits- und Privatleben helfen Tools Dinge zu organisieren.  Die Unternehmenskultur wird aber maßgeblich von uns als Mitarbeiterinnen und Führungskräfte geprägt. Lasst uns deswegen zu einer positiven Unternehmenskultur beitragen!

 

Weiterführende Links
  • SCRUM @ Home: Wie man mit 4 Kindern gemeinsam Familienalltag plant.

So “If scrum with adults at the workplace works so well to get things done, would it work at home with kids?”. Yes, it does! We’ve learned that things can easily get done much faster, without chasing the kids, without discussion and with a lot less stress and doing it together.

Béa Beste hat es geschafft, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Dabei ging es für sie nie darum, alles irgendwie miteinander zu vereinbaren, sondern Vereinbarungen mit anderen zu treffen

Perfektionismus fahren lassen.

Aufgaben verteilen (auf alle verfügbaren Menschen. Den Partner, andere Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde, Erzieherinnen und Erzieher und am Ende – je nach Alter der Kinder: auf die Kinder)

Selbständigkeit der Kinder fördern (dazu gehört z.B. Rahmenbedingungen schaffen, damit das geht z.B. räumliche Nähe der Schule und damit des Freundeskreises, keine Aktivitäten, die verlangen, dass man die Kinder durch die Gegend fahren muss etc.)

Nicht zu vergessen: Sich für Politik zu interessieren, wählen gehen, an Demos teilnehmen und so versuchen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – Kinderbetreuung etc. – zu verbessern.

 

Credits:

33 Gedanken zu „Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Welche Tools sind sinnvoll?“

  1. mrks sagt:

    Den Trello-Screenshot find ich spannend. Ich verwende Trello seit längerem und bin für einen kurzen Zeitraum auch bei Wochenplänen gelandet, bin mir aber dabei etwas verschroben nerdig vorgekommen. Jetzt sehe ich: ich bin nicht alleine.

    Aber wie macht man das am besten mit den Wochenplänen? Jeweils am Sonntag die kommende Woche neu aufsetzen? Für jede Woche im Jahr ein eigenes Board anlegen? Generell: Ich hab noch nicht die beste Kombination aus ToDo- und Kalender-Tool gefunden.

    Und, wie bringt man die nicht so technikaffine Partnerin / Partner dazu, mitzumachen?

    1. dasnuf sagt:

      Wir setzen uns Sonntag zusammen, lassen die Boards stehen, archivieren die Kärtchen, die sich nicht wiederholen (gibt welche, die bleiben, z.B. wenn das Kind immer mittwochs Schwimmen hat) und machen neue Kärtchen für die kommende Woche.

      Wie man den nicht technikaffinen Partner dazu bekommt, ist mir schleierhaft. In erster Linie vermutlich wie bei allen Tools über den tatsächlichen Nutzen. Vielleicht auch ein bisschen über automatische Benachrichtigungen?
      Bei der Art der Wochenplanung vermutlich auch über das eigentliche Wochenplanungsgespräch am Sonntag.

      Mein Ex-Partner hat aber auch selten Dinge in den gemeinsamen Kalender eingetragen oder dort regelmäßig reingeschaut und dann ist natürlich alle Mühe für die Katz.

  2. Da Na sagt:

    Benutzt du Trello anders, seit es auch zu Atlassian gehört? Also zB. mit Jira Integration?
    Ich komm mit Wunderlist (privat) & Asana (im Job) als PM-Tools besser klar.

    1. dasnuf sagt:

      Nein, nutze ich nicht anders. Wunderlist benutzen wir auch für Dinge, die man dann wirklich abhakt.

  3. Sarah sagt:

    Hi Patricia,
    ich kenne diese doofen Sprüche von den ehemaligen Beratern, die in „Head of“ Positionen unempathisch Mitarbeiter leiteten. Sehr doof, Spaß macht das nicht.
    Das ist zum Glück in meiner aktuellen Firma, ein kleiner Familienbetrieb, ganz anders.
    Da ist auch die Homeoffice-Regelung (für mich) sehr gut, da ich dort tatsächlich besser arbeite als im Laden mit Kundenkontakt.
    Ich habe mal über ein paar Regeln gebloggt, die ich mir selbst auferlegt habe:
    https://mamaskind.de/familie/mama/homeoffice-8-tipps-gegen-die-ablenkung/

    Wir nutzen als Familie gemeinsame Kalender (für jede Person einen extra + gemeinsam), Trello (Haus & Familie) sowie Wunderlist (Einkäufe, kurzfristige Sachen). Das funktioniert super und so sehr ich das Handschriftliche vermisse: es brachte nichts mehr. Die Synchronisation fehlte einfach.
    Liebe Grüße
    Sarah

    1. dasnuf sagt:

      Dann haben wir ungefähr das gleiche Setting wie es scheint. Funktioniert bei uns wunderbar.

  4. …du hättest sehr gelacht, mich beim Lesen zu beobachten: dass ich die Infos über digitale Tools im Familienalltag spannend finde – während ich gleichzeitig dreimal daran scheitere, beim Klick auf eine Grafik wieder zurück zum Blogartikel statt zu Twitter zurückzukehren.
    Ist aber ein toller Beitrag geworden!

  5. Aginor sagt:

    Gerne gelesen. Auch wenn ich meinungsmäßig nicht überall auf Deiner Linie bin dieses mal.

    zu den Issue-Trackern, Ticket-Systemen oder wie man die nennen möchte (früher hieß das noch Bugtracker, aber da haben sich aber ein paar Leute angegriffen gefühlt, das sei so negativ… *augenroll*)
    Ja, im Idealfall ist so ein Ticket-System nicht schlecht.
    Aber ich kann (ebenfalls aus beruflicher Erfahrung im IT-Bereich, auch Projekte leitend) sagen, dass es auch oft einen nutzlosen Overhead darstellt, oder – was noch schlimmer ist – missbraucht wird. Z.B. für Statistiken wie jene die Du nennst: „Ich hatte mehr Tickets als Du, und die habe ich auch noch schneller bearbeitet“. Die helfen überhaupt nichts. Sie fördern unter anderem das Berichten von jedem Mist als einzelnes Ticket, selbst Dinge die man schneller hätte beheben können als sie zu berichten (ein Schreibfehler in einem Kommentar ist genauso ein Ticket wie eine fehlende Schraube an einem lebenswichtigen Teil). Dann gibt noch Personen, die jedes sie (oder ihre Arbeit) betreffende Ticket als persönlichen Angriff sehen usw.
    Genauso schlimm ist, wenn Leute ALLE ihre Tickets als besonders dringend oder wichtig markieren, oder auf der empfangenden Seite keine richtige Priorisierung stattfindet.

    Es kann funktionieren, es kann nützlich sein, aber es ist sehr wichtig dass Regeln für die Benutzung aufgestellt werden. Das ist Teil der Unternehmenskultur und hat großen Einfluss auf die Arbeitsweise.
    Und genau das ist auch woran es scheitern kann.

    Zum Home Office:
    Ich musste wegen eines Umbaus des Büros vor kurzem mal einen Monat Home Office machen. Für mich war das grauenhaft. Ich sage es ganz platt: Ich kann mich nicht konzentrieren zuhause. Meine Frau nervt mich, Die Kinder nerven mich, sogar die Katze nervt mich. Keiner da auf den ich meine Ideen zur Prüfung abschießen kann (mangels Fachwissen, bei den Kollegen ist das naturgemäß besser), der Tagesablauf ist schlechter regelbar weil dauernd was dazwischenkommt, meine Arbeitsmittel (trotz Firmen-Notebook und VPN) sind eingeschränkt, usw.
    Dazu kommt dieses ständige „Bin ich jetzt beim arbeiten oder zuhause?“-gefühl. Für mich ist zuhause einfach zuhause. Ich denke bei der Arbeit nicht sehr viel über Zuhause-Probleme nach und umgekehrt. Denn beide Aufgabenbereiche haben – Ausnahmen ausgenommen – ihre eigenen Kalender und Vorgehensweisen sowie Aufgaben. Das zu vermischen ist mir sehr unangenehm.

    Zugegeben: Ein Großraumbüro wäre für mich möglicherweise genauso grauenhaft. War mal in einem, und das hat mich mehr an eine Seemöwen-Kolonie erinnert als an eine brauchbare Arbeitsumgebung. Da bin ich bin froh dass ich derzeit in einer eher kleinen Firma arbeite, mit kleinen Arbeitsgruppen und nicht mehr als ein paar Leuten im Büro. Auch wenn das natürlich andere Nachteile hat.

    Gruß
    Aginor

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