„Let’s talk“ S04E04 zusammen mit SCHAU HIN!
Im Zentrum meiner Serie „Let’s talk“ stehen die Chancen, die digitale Medien mit sich bringen. Nachdem ich in der ersten Runde v.a. allgemein über Nutzung und Plattformen gesprochen habe, wurde es in der Folgerunde konkreter und Eltern berichteten mir von ihrem Familienalltag mit digitalen Medien. Im Anschluss kamen Jugendliche selbst zu Wort. In der 4. Staffel soll es um konkrete Erfahrungen gehen, die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern sammeln können. Das gemeinsame Erleben sorgt für einen konkreten Anlass Erfahrungen zu sammeln und zu den einzelnen Themen ins Gespräch zu kommen.
Gerade habe ich wieder eine Waldorfpädagogik-Zeitschrift gelesen, die an die Eltern appelliert: Haltet alles Digitale von Kindern bis 12 Jahren fern! Digitale Geräte lassen Menschen vereinsamen, sie verlieren ihre Empathiefähigkeit, sie werden süchtig und v.a. verlieren sie ihre Kreativität. Ein beliebter Narrativ. Auf der einen Seite steht das echte Leben, voll von Kreativität und guten Erfahrungen, auf der anderen Seite das apathisch machende Internet. Dabei repräsentieren beide Welten gar keine Gegensätze. Nicht mal eine Trennung zwischen Konsumieren und Erschaffen ist aufgrund von Digitalität eigentlich möglich. Die Grenzen sind oft fließend. So ist z.B. YouTube voll von Tutorials, was zwar bedeutet, dass man sich auf YouTube erstmal Dinge ansieht, sie dann aber tatsächlich umsetzt. So werden in unserem Haushalt Fondant-Kunstwerke geschaffen, Kuchen gebacken, Loom-Gummis verarbeitet, Infos über Länderfahnen gesammelt und dann in selbst gemachten Heften verarbeitet oder Schleim hergestellt. Die Grenze zwischen Konsumieren und Erschaffen verwischt. Das apathisch, passiv dreinblickende Kind der Kulturpessimisten rennt nach zehn Minuten Video in die Küche und nimmt alles im besten Waldorfsinne auseinander, knetet, fühlt, klebt, knibbelt, rührt.
Mir wäre es ein Anliegen, dass diejenigen, die das Digitale verteufeln, die schwarz-weiß-Brille ablegen könnten. Der Jugendliche ohne Smartphone, ohne Gruppenchats und ohne YouTube ist nicht unbedingt der Jugendliche, der Hand in Hand mit anderen Jugendlichen über Sommerwiesen hüpft und sich selbstvergessen Blumenketten flechtet, während er sein Ohr bei der Singvogelbestimmung schult.
Wie dem auch sei: Wie toll sind eigentlich Anwendungen, die beides verbinden: Die schöne Kohlenstoffwelt und die des Internets? Deswegen stelle ich als Projekt die App „Draw you own Game“ vor. Damit könnt ihr nämlich in weniger als 5 Minuten ein eigenes Spiel entwerfen.
Anleitung: Wie bastle ich ein Computerspiel mit meinem Kind?
- Level malen
- abfotografieren
- spielen
Klingt einfach? Ist es tatsächlich. Ihr müsst dafür nur die entsprechende App runterladen (Apple, Android, Steam), dann holt ihr euch einen Stapel Papier (pro Level eine Seite) und vier Stifte, die schwarz, rot, blau und grün malen.
Wege/Böden malt ihr schwarz, gefährliche Objekte rot (Lava!), Trampoline grün und bewegliche Objekte bzw. Objekte, die man zerstören kann blau. Als nächstes fotografiert ihr euer Level, setzt in der App die Spielfigur ein und spielt euer Level.
Es gibt die Varianten „Flucht“, was nichts anderes heisst, als dass ihr von links im Bild nach rechts kommen müsst, um ein Level erfolgreich abzuschließen und „Blaue Elemente zerstören“. Wer mag, kann sein 2D-Bild auf 3D umstellen (s.u.).
Durchs Spiel navigiert man mit den roten Tasten. Rechts, links, nach oben. Fertig. Wir haben abwechselnd Level gemalt und sie dem anderen zum Spielen gegeben. Es war herzerwärmend zu sehen, wie stolz es ein Kind macht, wenn ein Erwachsener das Level probespielt. Auf der anderen Seite habe ich schnell gemerkt, dass meine Level alle sehr verbesserungsfähig waren, weil ich in Ermangelung von aktiver Spielerfahrung wenig Vorwissen in Sachen Spieldesign habe.
Eigene Level kann man speichern und auch anderen Menschen zur Verfügung stellen, so wie man auch die Level anderer Menschen spielen kann. Um alle Funktionen und Modi freizuschalten muss man einige vorgegebene Level spielen.
Die Steuerung ist gelegentlich ein wenig verwaschen, was bei den schwierigeren Leveln frustrieren kann. Insgesamt finde ich das Konzept dennoch großartig weil es so niederschwellig ist, dass ihr es problemlos mit Vorschulkindern ausprobieren könnt.
Ich finde es großartig, weil man sich trotz der Einfachheit natürlich erstmal ein Grundkonzept überlegen muss und das dann sehr schnell ausprobieren kann und sieht, was man noch verbessern muss. Welche Objekte zu groß sind, welche Hinternisse ineinander fallen und das Level unspielbar machen, ob zu viel oder zu wenig Herausforderungen zu bewältigen sind. In sehr kurzer Zeit malt man einfach eine neue, verbesserte Version.
Was man dazu braucht, wie teuer es wird, wie viel Zeit man investieren muss und für welche Altersstufe es geeignet ist…
Man braucht v.a. die App. Will man nichts freispielen und alle Funktionen nutzen, kostet das Spiel 4,99 Euro. Uns hat die App Stunden beschäftigt ohne dass wir einen Cent ausgegeben haben (iOs).
Außerdem braucht man Papier und vier Stifte (schwarz, blau, rot, grün).
In wenigen Minuten hat man Ergebnisse. Ist die Begeisterung erstmal geweckt, ist der freie Nachmittag futsch: Es wird gemalt und gemalt und gemalt.
Geeignet ist die App für Kinder ab 5 würde ich denken.
Natürlich ist „Draw your own Game“ nicht die einzige Möglichkeit ohne großen Aufwand ein Spiel zu gestalten. Alternativen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades sind z.B. Bloxels, Sploder, dein eigenes Flappy-Bird-Spiel und Construct. Kennt ihr noch welche?
Ich musste bei den Farbcodierungen sofort an die Ozobots denken, die man ebenfalls mit gemalten Strichen programmiert und eigentlich ist jeder Hindernisparcours, den man erschafft und um den man dann einen selbstprogrammierten Roboter fahren lässt auch ein solches Spiel, oder?
Unterhaltet euch beim Zeichnen:
- Warum machen Computerspiele Spaß?
- Wieso ist es spannend selbst gestalterisch tätig zu werden?
- Ist das Ergebnis so, wie der Plan im Kopf war?
- Wenn man das eigene Spiel ins Netz stellt und andere bewerten es, wie fühlt man sich damit?
- Wie bewertet und kommentiert man die Arbeitsergebnisse anderer Menschen im Netz?
- Ändert sich das, wenn man selbst „Creator“ ist?
- Wie müsste man ein Spiel gestalten, damit andere es möglichst lange spielen?
- Soll beim Spielen etwas gelernt werden und wenn ja, was?
- Was sind aktuell Lieblingsspiele (beim eigenen Kind und bei den anderen)?
Weiterführende Links auf SCHAU HIN! zu den oben genannten Fragestellungen:
- Kreativ mit Medien – so fördern Eltern ihre Kinder
- Medien kreativ nutzen – Tipps für unterschiedliche Altersgruppen
- Ein Interview mit der HABA Digitalwerkstatt: „Digitale Bildung bedeutet: Geräte kreativ und produktiv nutzen, statt nur konsumieren„
Schau Dir auch die anderen Projekte aus der 4. Staffel der Let’s Talk Serie an:
1) Videos per QR-Code in Fotoalben einbinden
2) Stop Motion Filme erstellen und hochladen
3) Ein Computerspiel (durch)spielen
4) Ein Computerspiel selbst bauen
5) Offline programmieren
Nette Idee mit dieser App.
Und grundsätzlich: Ja, dass Medien nicht ausschließlich mit Konsum gleichzusetzen sind, das müsste bei den Leuten aus dem letzten Jahrtausend einfach mal ins Gehirn durchkommen, sollte man meinen.
Schade dass das teils nicht so zu sein scheint.
Gruß
Aginor
Diese Artikelserie ist ein riesiger Gewinn für… *trommelwirbel* die Menschheit!
Danke!!
(Ich wünschte, es würde einmal jemand aus der Waldorf-Ecke das Gespräch mit dir dazu suchen)
Danke für den Tipp. Das schaue ich mir gerne an.
Schau mal nach Mekorama. Mein Enkel war begeistert von der Möglichkeit, eigene Level zu bauen.